Rezension Der Ruf #6

alexandro

Kainskind
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13. Juli 2006
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Der Ruf 6


RPG Fanzine


Eigentlich hatte ich den Fanzines in letzter Zeit abgeschworen: mit dem Envoyer hatte ich am Anfang meiner Rollenspielerkarriere viel Spaß, merkte aber nach und nach, dass mein persönlicher Spielstil in eine Richtung driftete, bei der ich keinen Bezug mehr zu deren Artikeln hatte. Bei der Mephisto und dem SpieleXPress sah es so aus, dass nicht ich mich vom Inhalt entfremdete (die alten Ausgaben lese und nutze ich immer noch sehr gerne), sondern der Inhalt sich von mir (in einer Weise die ich nicht genau beschreiben kann). Ach ja, und Inquest gab seinen RPG-Anteil komplett auf und wurde zum TCG-Magazin (und damit uninteressant für mich).

Ich war also erstmal Fanzine-los, als mir die Ausgabe #6 von „Der Ruf“ in die Hände fiel. Ich war bisher nicht mit der Online-Präsenz dieses Magazins in Berührung gekommen und ging daher vollkommen unbedarft an das Heft heran. Beim Lesen fiel mir langsam wieder ein, warum ich Mephisto damals so gut fand: haufenweise interessantes Material das schreit „benutz mich, benutz mich!“ und Artikel die selbst bei Personen welche die beschriebenen Systeme nicht kennen, den Wunsch wecken sich näher damit zu befassen.
Kurz: ein rundum gelungenes Heft, das jeden darin investierten Cent wert ist.

Der Inhalt im Detail:
Strategien für Detektivabenteuer ist ein kurzer Artikel, der nützliche Hinweise enthält, wie man in dieser Art von Abenteuern am ehesten zum Erfolg kommt. Obwohl sich der Artikel explizit an Spieler richtet, ist auch jeder SL gut beraten, diesen gründlich zu verinnerlichen, denn wenn dieser nicht darauf vorbereitet ist, dürften ein Großteil der darin beschriebenen Techniken (wie etwa NSCs nach ihrer Meinung zu fragen) ins Leere laufen.

Der Titel von Episodenhaftes Spiel ist etwas irreführend, geht es dabei doch nicht ausschließlich um Spiel nach dem Vorbild von episodischen Fernsehserien (obwohl darauf als Möglichkeit eingegangen wird- aus Erfahrung weiß ich jedoch, dass Spieler so etwas hassen), sondern um relativ stringent durchgezogene Kampagnenentwicklung, mit nacheinander erfolgenden Ereignissen. Oder im Klartext: in dem Artikel geht es darum, wie man einen „Adventure Path“ entwirft. Und das macht er gut.

The New Empire gibt einen Ausblick auf eine nach diesem Prinzip entworfene Kampagne für Space Gothic und das dazugehörige Abenteuer Der gefallene Engel stellt gleichzeitig die erste (eigentlich Nullte, nach Autorenzählung) „Episode“ im New Empire- AP dar. Ich muss zugeben: ich bin ein Fan von „Fortsetzungskampagnen“ (wie der Magus-Chronik „Engel der Asche“ aus der Mephisto oder den APs aus dem Dragon) und ich finde es schön, dass diese fast vergessene Tradition fortgeführt wird. Space Gothic kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht, aber angesichts des großartigen Materials dieses Heftes und einem sehr interessanten Workshop auf der RPC werde ich es mir wohl bei Gelegenheit näher zu Gemüte führen.

Es folgt ein kurzer Artikel über (Voll-)Automatische Schrotflinten, den ich besonders als Feng Shui Spieler interessant fand, da ich haufenweise interessante Details über die von meinem Charakter oft benutzte Pancor Jackhammer erfuhr. Außerdem wird in dem zugehörigen Artikel auf einige Mythen bezüglich solcher Waffen eingegangen, speziell auf solche, welche von Spielleitern (unter dem Vorwand des „Realismus“) werden könnten, um den Spielern den Zugang zu diesen Waffen zu verbieten oder sie im Spiel mit unvernünftig hohen Nachteilen zu belegen. Auf diese Weise stellt dieser Artikel quasi den Gegenpol zum allzu beliebten Trend des „Spieler klein halten“ dar, was löblich und erwähnenswert ist. Einziger Kritikpunkt bleibt, dass für die Waffen lediglich CoC-Werte angegeben werden- Werte für andere moderne Systeme (wie nWoD oder Unknown Armies) wären wünschenswert gewesen.

Innsmouth, TX ist ein Szenario, welches chtuloiden Hintergrund mit den Regeln (und Spielgefühl) von Feng Shui verbindet. Sehr gelungen und spaßig, allerdings hat das Abenteuer einige logische Brüche und „Sackgassen“, bei denen die Spieler nur weitere Situationen erreichen, wenn sie Handlungen unternehmen die nach den bisher ausgegebenen Informationen einfach nicht logisch nachvollziehbar sind. Mit einigen Anpassungen ist dieses Abenteuer jedoch durchaus spielbar und macht so richtig Spaß.

Das Call of Cthulhu Abenteuer In der Nacht ist (nach dem Space Gothic Material) der zweitumfangreichste Teil dieser Ausgabe. Was bedauerlich ist, da es leider auch deren absoluten Tiefpunkt derselben darstellt (passender Weise ist es auch direkt in der Heftmitte, so dass man das Absacken und wieder Ansteigen der Qualität graphisch schön darstellen kann, wenn man das Heft aufgeschlagen, mit dem Cover nach unten, vor sich ausstreckt). Das Abenteuer ist Railroading in schlimmster Manier, inklusive einer durch den Abenteuertext künstlich geschürten Erwartunghaltung, wie sich die Charaktere vermutlich verhalten werden (z.B.: bei einer Handlese-Szene steht da „Sicherlich wird der Spieler kurzfristig nichts dagegen haben, es ohnehin für faulen Zauber halten, was die Alte ihm da prophezeien will“). So etwas geht gar nicht. Einen Vorteil hat das Abenteuer dann doch: einen sehr umfangreichen Hintergrund, komplett mit Handouts und allem was dazugehört. Außerdem ist die Prämisse des Abenteuers nicht einmal schlecht- mit etwas Bearbeitung kann man da sicherlich auch für freiheitsliebende Spieler etwas brauchbares draus machen.

Guns kill, but so does the Truth ist ein Hintergrundartikel für SLA Industries, welcher (zumindest für mich als „Laien“) recht interessante Information über Metaplot, Verlag und Fans dieses Spiels enthält.

The Darkness in our souls ist ein Ein-Spieler-Abenteuer für KULT und als solches stimmig und gut durchdacht. Für ein schnelles Spiel durchaus gelungen, allerdings ein bisschen wenig „Gehalt“, um den Spieler dauerhaft für diese (sehr gute) Spiel interessieren zu können.

Das Dorf für Degenesis ist all das, was „In der Nacht“ nicht ist: es werden lediglich die NSCs beschrieben werden und wie diese vermutlich handeln werden, besonders unter dem Gesichtspunkt, wie sie auf die Charaktere reagieren und was sie von diesen wollen. Insofern kann sich das Szenario (abhängig von den Entscheidungen der Spieler) in jede denkbare Richtung entwickeln und hält einige Überraschungen berreit.

Die In-Game-Zeitung ist ein nützliches (wenn auch manchmal etwas umständlich geschriebenes) Tutorial zur Erstellung von Handouts (speziell, wie der Titel schon sagt, Zeitungen).

Persona schließlich ist ein stringent durchgezogenes Abenteuer für Unknown Armies, welches aufgrund des darin enthaltenen Zeitlimits den Spielern sicherlich einiges abverlangt, um das Abenteuer nicht komplett frustriert zu beenden. Durch den hohen Schwierigkeitsgrad des Abenteuers kann auf Spielerseite meiner Meinung nach möglicherweise der Eindruck von Railroading aufkommen, deshalb hier noch mal die Versicherung, dass dem nicht so ist. Das Abenteuer ist komplett ergebnisoffen und die Spieler können alles beeinflussen, es ist lediglich sehr, sehr schwer, überhaupt rechtzeitig herauszufinden was Sache ist und was man unternehmen kann, bevor das Abenteuer „gelaufen“ ist. Wenn man sich auf diese Herausforderung einlässt, dann kann man sicherlich viel Spaß mit diesem Abenteuer haben.Den Artikel im Blog lesen
 
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