Nepharite
Erstgeborener
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- 27. August 2004
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Marjorie M. Liu - X-Men 1: Der dunkle Spiegel
[User-Rezi] von Nepharite
Ihrer Kräfte beraubt und völlig desorientiert erwachen Jean Grey, Cyclops, Wolverine, Nightcrawlwer und Rogue in einer Irrenanstalt, gefangen in fremden Körpern, ohne Erinnerung daran, was oder wer den Geistestransfer ausgelöst hat. Aufgrund ihrer Erfahrung finden die fünf jedoch schnell zueinander, obwohl sie mit ihren neuen Physiognomien nicht vertraut sind und pikanterweise bei einigen Gefährten auch das Geschlecht das "falsche" ist. Ein Verdächtiger für den ganzen Schlamassel ist schnell ausgemacht: Dr. Maguire, der Anstaltspsychiater, der in den vergangenen Wochen die fünf "Wirtskörper" betreute.
Da sich jener Herr mit unbestimmten Ziel aus dem Staub gemacht hat, müssen die Helden zunächst aus der Klinik fliehen, um sich auf seine Spur setzen zu können, während gleichzeitig die Notwendigkeit besteht, die Kameraden in der X-Mansion vor den falschen X-Men zu warnen. Dort haben zwar schon Gambit, Jubilee und Ororo, die das Institut vorübergehend leitet solange sich der Professor unerreichbar auf einer Auslandsreise befindet, Verdacht geschöpft und deshalb ihre Schüler in Sicherheit geschickt, allerdings können sie nicht erkennen, was genau mit Jean & Co. los ist.
Auch ohne ihre Kräfte gelingt den fünf Gefangenen der Ausbruch, den Doktor finden sie jedoch nicht. Weil zugleich jeder Versuch einer Kontaktaufnahme mit Storm von den Körperdieben zunichte gemacht wird, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich auf den Weg ins Hauptquartier zu machen ... quer über den Kontinent, ohne Geld und in "schwachen" Körpern.
Derweil droht in der X-Mansion, die Lage zu eskalieren.
Wie gewöhnlich, wenn ich den Roman eines mir unbekannten Autors respektive einer Autorin in der Hand halte, versuche ich, mich vor dem Lesen über diese Person schlau zu machen. Nachdem mich die Recherche auf Marjorie M. Lius Website geführt hatte, schwante mir für das vorliegende Buch nicht zuletzt wegen der dort angeführten Titelbilder sowohl ihrer Dirk & Steele-Reihe als auch das amerikanischen X-Men-Originals, Dark Mirror, Fürchterliches: Herz-Schmerz und Mystery-Romantik ad nauseam!
Glücklicherweise erwiesen sich meine Befürchtungen als unbegründet, denn auch wenn "X-Men - Der dunkle Spiegel" kaum typische Superhelden-Action -Augen-Strahlen, Adamantium-Klauen, Unwetter und andere spektakuläre Phänomene- bietet, mit einer einfach konstruierten Story und einem nicht unbedingt originellen Grundplot aufwartet, so ist er doch überdurchschnittlich gut geschrieben und -vor allem- außerordentlich unterhaltsam.
Das herausragendste Merkmal des Buches ist die Situationskomik, die sich aus der Art des Körpertausches ergibt: Scotts & Jeans auf "den Kopf gestellte" Beziehung -er als Frau, sie als Mann- oder Wolverine in der Gestalt einer grazilen Blondine bieten den Aufhänger für zahlreiche urkomische Szenen und Dialoge. Dementsprechend sind es auch diese drei Charaktere, die im Rampenlicht stehen, während Rogue, Kurt und die anderen involvierten X-Men -Ororo, Jubilee, Gambit- dezent in den Hintergrund treten, ohne dabei zur bloß Staffage zu verkommen.
Neben dem Humor ist die plastische Ausarbeitung der Figuren positiv hervorzuheben. Liu legt viel Wert darauf, den "Menschen" hinter dem Mutanten zu beleuchten, das was die Helden im Kern ausmacht. Während in den Mainstream-Comics, zu denen man die unterschiedlichen X-Men-Serien zweifellos in toto zählen kann, nach wie vor die vordergründige Visualisierung ein Hauptanliegen ist und sich Charaktere eher über ihre Kostüme bzw. Kräfte definieren als über ihre Schwächen oder Gedanken, lässt uns die Autorin hier im Roman am Seelenleben der Protagonisten teilhaben. Dabei streift sie im gleichsam en passant sowohl ethischen Fragen als auch politische und überlässt es -wohltuend unaufdringlich- dem Leser, seine Schlussfolgerungen zu ziehen und den X-Men-Kontext auf reale gesellschaftliche Verwerfungen zu übertragen.
Zum Dritten kommt auch die Spannung nicht zu kurz. Dabei gipfelt diese nicht in einem Action-Overkill und Gewaltszenen, sondern kommt auf eine eher unterschwellige, latente Art daher. Der Leser empfindet die falschen X-Men selbst dann schon als bedrohlich als diese noch gar nicht negativ in Erscheinung getreten sind. Die bedrückende Hilflosigkeit der Helden innerhalb der Anstalt geht dem Leser dank Lius schriftstellerischem Können ebenso nahe wie ihre Erlebnisse während der Heimreise.
Anzumerken wäre, dass der Roman ein gewisses Grundwissen um Figuren und Vorgänge im X-Men-Universum voraussetzt, denn andernfalls böten Textstellen wie, "[...] die Fähigkeit zur Teleportation, die Gewandtheit, die selbst seinen Schwanz mit einschloss" [S.79], Anlass zu zotiger Misinterpretation (^^).
Abschließender Dank gilt dem Panini-Verlag dafür, dass er die deutschen Leser mit dem unterirdisch schlechten, vollkommen indiskutablen und Augen beleidigenden Coverbild des amerikanischen Originals verschont hat und stattdessen ein neues -nicht unbedingt passendes, dafür aber sehr stylishes- Titelbild wählte.
Fazit: Ein unterhaltsamer, sehr gut geschriebener Roman, dessen unkomplizierte Story zwar etwas Vorwissen hinsichtlich des X-Men-Universums erfordert, der den Leser dafür aber sowohl mit humorvollen Szenen als auch netten Charakter-Momenten belohnt und lediglich die Action-Fans mit "dicken Backen" zurücklässt.Den Artikel im Blog lesen
[User-Rezi] von Nepharite
Ihrer Kräfte beraubt und völlig desorientiert erwachen Jean Grey, Cyclops, Wolverine, Nightcrawlwer und Rogue in einer Irrenanstalt, gefangen in fremden Körpern, ohne Erinnerung daran, was oder wer den Geistestransfer ausgelöst hat. Aufgrund ihrer Erfahrung finden die fünf jedoch schnell zueinander, obwohl sie mit ihren neuen Physiognomien nicht vertraut sind und pikanterweise bei einigen Gefährten auch das Geschlecht das "falsche" ist. Ein Verdächtiger für den ganzen Schlamassel ist schnell ausgemacht: Dr. Maguire, der Anstaltspsychiater, der in den vergangenen Wochen die fünf "Wirtskörper" betreute.
Da sich jener Herr mit unbestimmten Ziel aus dem Staub gemacht hat, müssen die Helden zunächst aus der Klinik fliehen, um sich auf seine Spur setzen zu können, während gleichzeitig die Notwendigkeit besteht, die Kameraden in der X-Mansion vor den falschen X-Men zu warnen. Dort haben zwar schon Gambit, Jubilee und Ororo, die das Institut vorübergehend leitet solange sich der Professor unerreichbar auf einer Auslandsreise befindet, Verdacht geschöpft und deshalb ihre Schüler in Sicherheit geschickt, allerdings können sie nicht erkennen, was genau mit Jean & Co. los ist.
Auch ohne ihre Kräfte gelingt den fünf Gefangenen der Ausbruch, den Doktor finden sie jedoch nicht. Weil zugleich jeder Versuch einer Kontaktaufnahme mit Storm von den Körperdieben zunichte gemacht wird, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich auf den Weg ins Hauptquartier zu machen ... quer über den Kontinent, ohne Geld und in "schwachen" Körpern.
Derweil droht in der X-Mansion, die Lage zu eskalieren.
Wie gewöhnlich, wenn ich den Roman eines mir unbekannten Autors respektive einer Autorin in der Hand halte, versuche ich, mich vor dem Lesen über diese Person schlau zu machen. Nachdem mich die Recherche auf Marjorie M. Lius Website geführt hatte, schwante mir für das vorliegende Buch nicht zuletzt wegen der dort angeführten Titelbilder sowohl ihrer Dirk & Steele-Reihe als auch das amerikanischen X-Men-Originals, Dark Mirror, Fürchterliches: Herz-Schmerz und Mystery-Romantik ad nauseam!
Glücklicherweise erwiesen sich meine Befürchtungen als unbegründet, denn auch wenn "X-Men - Der dunkle Spiegel" kaum typische Superhelden-Action -Augen-Strahlen, Adamantium-Klauen, Unwetter und andere spektakuläre Phänomene- bietet, mit einer einfach konstruierten Story und einem nicht unbedingt originellen Grundplot aufwartet, so ist er doch überdurchschnittlich gut geschrieben und -vor allem- außerordentlich unterhaltsam.
Das herausragendste Merkmal des Buches ist die Situationskomik, die sich aus der Art des Körpertausches ergibt: Scotts & Jeans auf "den Kopf gestellte" Beziehung -er als Frau, sie als Mann- oder Wolverine in der Gestalt einer grazilen Blondine bieten den Aufhänger für zahlreiche urkomische Szenen und Dialoge. Dementsprechend sind es auch diese drei Charaktere, die im Rampenlicht stehen, während Rogue, Kurt und die anderen involvierten X-Men -Ororo, Jubilee, Gambit- dezent in den Hintergrund treten, ohne dabei zur bloß Staffage zu verkommen.
Neben dem Humor ist die plastische Ausarbeitung der Figuren positiv hervorzuheben. Liu legt viel Wert darauf, den "Menschen" hinter dem Mutanten zu beleuchten, das was die Helden im Kern ausmacht. Während in den Mainstream-Comics, zu denen man die unterschiedlichen X-Men-Serien zweifellos in toto zählen kann, nach wie vor die vordergründige Visualisierung ein Hauptanliegen ist und sich Charaktere eher über ihre Kostüme bzw. Kräfte definieren als über ihre Schwächen oder Gedanken, lässt uns die Autorin hier im Roman am Seelenleben der Protagonisten teilhaben. Dabei streift sie im gleichsam en passant sowohl ethischen Fragen als auch politische und überlässt es -wohltuend unaufdringlich- dem Leser, seine Schlussfolgerungen zu ziehen und den X-Men-Kontext auf reale gesellschaftliche Verwerfungen zu übertragen.
Zum Dritten kommt auch die Spannung nicht zu kurz. Dabei gipfelt diese nicht in einem Action-Overkill und Gewaltszenen, sondern kommt auf eine eher unterschwellige, latente Art daher. Der Leser empfindet die falschen X-Men selbst dann schon als bedrohlich als diese noch gar nicht negativ in Erscheinung getreten sind. Die bedrückende Hilflosigkeit der Helden innerhalb der Anstalt geht dem Leser dank Lius schriftstellerischem Können ebenso nahe wie ihre Erlebnisse während der Heimreise.
Anzumerken wäre, dass der Roman ein gewisses Grundwissen um Figuren und Vorgänge im X-Men-Universum voraussetzt, denn andernfalls böten Textstellen wie, "[...] die Fähigkeit zur Teleportation, die Gewandtheit, die selbst seinen Schwanz mit einschloss" [S.79], Anlass zu zotiger Misinterpretation (^^).
Abschließender Dank gilt dem Panini-Verlag dafür, dass er die deutschen Leser mit dem unterirdisch schlechten, vollkommen indiskutablen und Augen beleidigenden Coverbild des amerikanischen Originals verschont hat und stattdessen ein neues -nicht unbedingt passendes, dafür aber sehr stylishes- Titelbild wählte.
Fazit: Ein unterhaltsamer, sehr gut geschriebener Roman, dessen unkomplizierte Story zwar etwas Vorwissen hinsichtlich des X-Men-Universums erfordert, der den Leser dafür aber sowohl mit humorvollen Szenen als auch netten Charakter-Momenten belohnt und lediglich die Action-Fans mit "dicken Backen" zurücklässt.Den Artikel im Blog lesen