Rezension Bounty Head Bebop

Silvermane

Wahnsinniger
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Bounty Head Bebop


near-future SF RPG


Bounty Head Bebop (oder einfach kurz: BHB) ist ein kleines Rollenspiel um interplanetare Kopfgeldjäger, die Ihren Lebensunterhalt mit der Jagd auf entflohene Verbrecher verdienen. Ähnlichkeiten mit der bekannten Animéserie sind beabsichtigt und keinesfalls zufällig, allerdings ist das ganze Szenario recht generisch gehalten - ein near-future SF Rollenspiel um Kopfgeldjäger eben.

Das Buch:
Es handelt sich bei Bounty Head Bebop um ein 130-Seitiges Softcover mit Farbcover und schwarz/weissem Innenleben. Der Text ist dreispaltig und wird durch einige recht gelungene Illustrationen aufgelockert, die speziell für das Spiel angefertigt wurden; allerdings sind es eher wenige, die auch teilweise mehrfach verwendet wurden. Der Schreibstil ist ein wenig trocken und fällt durch die vollständige Abwesenheit von Kurzprosa auf - keine schlechten Kurzgeschichten, weder als Kapitelopener noch in Seitenkästen. Einige Tippfehler haben sich dennoch eingeschlichen (meist von der Sorte, die eine automatische Rechschreibprüfung gerne übersieht, wie z.B. "Dessert Camouflage", allerdings bewegt sich die Fehleranzahl in einem angenehm niedrigen Rahmen. Man ist fast versucht zu sagen "in der für gute Rollenspielpublikationen üblichen Menge.").
Alternativ zum Softcover ist auch eine PDF-Version erhältlich (mit Wasserzeichen).

Das Setting:
...beweist anschaulich das es auch nützlichen Fluff ohne schlechte Kurzprosa geben kann. Wir schreiben das Jahr 2073, das Sonnensystem ist besiedelt und teilweise terraformiert, ein Meteoriteneinschlag hat den Mond zerstört und die Erde in einen allgemeinen Saustall verwandelt, das organisierte Verbrechen ist auf dem Vormarsch und das Solar Systems Policing Bureau (SSPB) wird der Plage nicht Herr, und muß daher auf Kopfgeldjäger zurückgreifen.
Interplanetare Reisen werden mittels eines Hypergate-Netzwerks bewerkstelligt (ein Nebeneffekt des Kometen, der auf dem Mond eingeschlagen ist), es gibt ein Sonnensystemweites Internet und interplanetare Kommunikation in Echtzeit. Das Sonnensystem verbreitet eine ausgesprochene Wildwest-Atmosphäre, und Megakonzerne haben die Kontrolle übernommen.
Das Settingkapitel beschreibt kurz die Planeten des Sonnensystems inklusive wichtiger Monde, gibt einen Überblick über die herrschenden Umweltbedingungen und Machtverhältnisse, und erklärt grundlegende Dinge wie interplanetare Reisezeiten. Ein weitaus größerer Anteil an Informationen wird mittels der Gegenstandsbeschreibungen im Ausrüstungskapitel und über die Vor- und Nachteile der Charaktererschaffung vermittelt.
Im Gegensatz zur Vorlage existieren mehrere Formen von übersinnlichen Kräften: Universales Feng-Shui (welches die subtile Beeinflussung von Schicksal, Glück und Chi ermöglicht) und Psionik (die sich in 7 Sphären aufteilt, von denen ein Psioniker nur je eine beherrscht). Ein kürzlich erschienenes PDF-Supplement erweitert dieses um Cyberimplantete, die über die im Grundregelwerk beschriebenen Prothesen hinausgehen - nicht ganz Cyberpunk 2020, aber durchaus eine Überlegung wert. Energiewaffen existieren nur als fahrzeugmontierte Varianten, Handfeuerwaffen sind gewöhnliche Bleispritzen (teilweise mit hülsenloser Munition). Ebenso exisiteren zwar Raumschiffe, aber auf den Strassen findet man weiterhin gewöhnliche Autos und Motorräder.

Das System:
Das als I20 oder Inverse20 beschriebene Regelsystem ist im Prinzip ein W20-Rollunder System. Der zu unterwürfelnde Zielwert setzt sich aus Attribut, Skill und verschiedenen Boni zusammen; höhere Würfe sind generell besser, solange sie unter dem Fertigkeitswert liegen.
Es gibt keine Klassen oder Level. Inzwischen steht kostenlos ein PDF mit spielfertigen Charakterarchetypen bereit. Erfahrungspunkte können verwendet werden, um jeden Aspekt des Charakters zu verbessern, selbst Nachteile können auf diese Weise entfernt werden.
Das Regelsystem ist zwar grundlegend recht einfach, bewegt sich allerdings durch eine Unmenge an taktischen Optionen irgendwo in der Mitte der Fluff/Crunch-Skala. Ein Charakter hat generell 2 Aktionen in einer Kampfrunde, und defensive Aktionen sind nicht "frei", sondern gehen von diesen 2 Aktionen ab, ebenso wie Angriffe oder Bewegung. Etwaiger Schaden wird bestimmt aus dem (festen) Grundwert der verwendeten Waffe und dem sogenannten X-Roll des Wurfes - der hinteren Dezimalstelle. Charaktere haben zwischen etwa 20 und 40 Trefferpunkte, die sich nochmal in Vitality Points (Kratzer und blaue Flecken) und Wound Points (Löcher in Lebenswichtigen Organen) aufteilen. Eine normale Pistole macht z.B. 8+XRoll (1-10, also 9-18) Schaden, ein militärisches Sturmgewehr kommt schon auf 16+XRoll (17-26) und ignoriert Rüstungen (welche im Setting erstaunlich rar sind).
Es existieren eine Menge Regeln für Fallen, Ertrinken, Strahlung, Vergiftung, Tragkraftbegrenzung und verschiedene andere Dinge; auf der positiven Seite existieren allerdings auch vollständige (und IMHO rech gelungene) Fahrzeugregeln, ebenso wie eine recht üppige Ausrüstungsliste, die auch Fahrzeugwaffen und diverse gerne gesehene Spielereien wie Werte für Bajonette und Gewehrkolben. Der grundlegende Regelmechanismus findet durchgehend Anwendung, was den Crunch überschaubar macht - es gibt keine Subsysteme mit Sonderregeln, sondern nur Modifikationen.

Kurz & Knackig:
Das Grundregelwerk ist erfreulich kompakt - 130 Seiten, die letzten 15 davon füllt das Einstiegsabenteuer "Small Fry". Ebenso existiert ein brauchbarer und sehr umfangreicher Index, der die Navigation im Buch stark vereinfacht. Das Charakterblatt ist zwar nicht unbedingt schön, aber extrem nützlich - reichlich Platz selbst für erfahrene Charaktere, und die meisten Ableitungen für zu errechnende Spielwerte sind bei den entsprechenden Werten abgedruckt.
Ein Einführungskapitel für neue Rollenspieler oder eines mit Tipps für den Spielleiter hingegen sucht man vergeblich; BHB ist definitiv kein Einsteigerprodukt.

Fazit:
Bounty Head Bebop ist ein Rollenspiel der ganz alten Schule: Kein Metaplot, keine Kurzprosa, knappe, informationsgeladene Settingbeschreibung, brauchbare Regeln für nahezu alle möglichen und unmöglichen Situationen, seitenweise geile Spielsachen um die Spieler bei Laune zu halten und ein Kampfsystem mit taktischem Fokus. Fairerweise muß man ihm aber auch zugestehen, das die letzten 30 Jahre nicht spurlos an ihm Vorrübergegangen sind: Es gibt einen brauchbaren Storyfokus (Kopfgeldjäger im All), die Regeln sind einheitlich und logisch (wenn auch definitiv eher in der "Gritty"-Ecke anzusiedeln, wie auch schon die als Vorbild dienende Serie), das Regelwerk wurde unter der OGL V1.0a veröffentlicht, und das Grundregelwerk verdient diese Bezeichnung auch - man kann nach seinem Konsum losspielen, ohne auf eklatante Lücken in Setting und Regeln zu stossen.
Ein handwerklich sauber ausgeführtes Rollenspiel - hier hat jemand tatsächlich ein Rollenspiel geschrieben, und keine verkappte Fanfic mit angetackerten Hausregeln. Bahnbrechende Neuheiten sucht man vergeblich, aber wer ohne großen Arbeitsaufwand im Universum von Cowboy Bebop spielen möchte, wird mit BHB gut bedient.

Hier einige Links:
Das Charakterblatt im PDF-Format

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