Rezension Blutspur (Vicky Nelson #2)

Nepharite

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Tanya Huff - Blutspur - Vicky Nelson 2


[User-Rezi] von Nepharite


Eigentlich sind die Heerkens ja eine ganz normale, wenn auch etwas große, Familie: sie züchten Schafe in der nähe von London (Ontario/Kanada) und erfreuen sich an den Schönheiten der abgelegenen Wälder, in denen ihre Farm liegt. Allzu gerne verwandeln sie sich Tag und Nacht in Werwölfe, um dann mit den Schmetterlingen Fangen zu spielen. Das macht allerdings in letzter Zeit nicht mehr so viel Spaß, seit ein Scharfschütze (engl.: sniper) danach trachtet, ihnen mit bewundernswerter Präzision -im wahrsten Sinne des Wortes- die Köpfe wegzupusten. In ihrer Not bitten sie Henry Fitzroy, seines Zeichens unehelicher Sohn Heinrich VIII und Vampir, um Hilfe, welcher wiederum wegen gewisser sonnenbedingter Restriktionen die Hilfe von Vicki Nelson, ihres Zeichen Ex-Polizistin, Privatdetektivin und des nachts so blind wie ein Maulwurf, erbittet.

Zusammen schlagen die beiden bei den Heerkens ihr Quartier auf, um von dort aus die nähere und etwas weitere Gegend nach den üblichen Verdächtigen zu durchkämmen: Förster, Nachbarn, Kollegen, Vogelkundler, CVJM-Mitglieder, der alte Doktor Dixon; alle könnten prinzipiell einen Groll gegen die Heerkens im allgemeinen oder Werwölfe im besonderen hegen, sodass sich die Ermittlungen schwieriger als angenommen gestalten. Kompliziert wird das Ganze dadurch, dass Vickis Exkollege und griesgrämiger Freund, Mike Celluci, getrieben von Eifersucht beginnt, in Henrys Vergangenheit rumzuschnüffeln. ... und währenddessen schwebt über der Familie Heerkens das Damoklesschwert in Form einer silbernen Kugel (nicht, dass unbedingt Silber von Nöten wäre, um den guten Wer-Leuten das Lebenslicht auszuknipsen. Aber Sniper sind eben exzentrische Leute).

Um es kurz zu machen: was -außer der Hoffnung, Geld damit zu verdienen- die Feder&Schwert-Verantwortlichen dazu bewogen hat, diese haarsträubend simple Story überhaupt zu veröffentlichen, bleibt ein ewiges Geheimnis. Qualitative Aspekte jedenfalls können es nicht gewesen sein ....

Die Werwölfe sind bestenfalls drollig sind, der Blutsauger Henry Fitzroy ist nicht nur während des Tages quasi inexistent. Mythen und Legenden, -kurz- ein eigenständiger Background einer dieser beiden humanoiden Subspezies wird nicht einmal in Ansätzen nachvollziehbar entwickelt; ebenso wenig wie die fragwürdige Beziehung zwischen Henry und den Heerkens; ihre gemeinsame Vergangenheit ist der Autorin kaum mehr als eine Zeile wert.
Die Wölfe sind, was sie sind! Putzige Wesen, die in menschlicher Gestalt gerne nackt rumlaufen, sich bei jeder Gelegenheit in ihre lupoide Form verwandeln -nur nicht in der Schule, denn das fiele ja irgendwie auf-, gerne das Stöckchen holen und männlicherseits jede rollige Artgenossin bespringen müssen.

Henry ist ..., naja, ... äh ... eben ein Vampir. Er tut, was man als Untoter halt so tut: tagsüber viel schlafen, bei Bedarf ein bisschen verletzte Glieder regenerieren und in der übrigen Zeit der nette Typ sein, der eigentlich überhaupt kein Blut saugen möchte, sonder viel lieber Liebesromane verfasst ... Guter Henry!

Apropos "netter Typ"! Damit wären wir schon beim detektivische Part der Story und Vicki "Maulwurf" Nelson. Sie ist ein solcher Gutmensch, dass sich selbst einem bekennenden Samariter der Magen umdreht. Zu allem Unbill der Welt mag sie bzw. ihr Alter Ego, Tanya Huff, sich eines -wenn auch nicht sonderlich dezidierten- Kommentars nicht enthalten: ob es um Waffenmissbrauch, Intoleranz gegenüber Andersartigen oder das Wetter geht. Sie leidet sehr darunter, dass Celluci eifersüchtig über sie wacht und ist ihrerseits "scharf" auf Fitzroy, was sie ihm aber niemals gestehen würde ,,, und außerdem wird sie demnächst erblinden. Arme Vicki!

Was die Handlung selbst betrifft: jeder Jerry Cotton-Roman ist glaubwürdiger konstruiert, jeder John Sinclair spannender. Zahllose Ungereimtheiten, eine kaum nachvollziehbare Unlogik und die schon aus dem ersten Band "Blutzoll" bekannten Zufälle lassen selbst einen kriminalistisch unbedarften Leser erschaudern. Vicki Nelsons Schlussfolgerungen während der Suche nach dem Täter sind fast immer angreifbar: viel weibliche Intuition (Achtung! Unlogik! ;)) gepaart mit Rateglück. Der letzte Rest etwaiger Spannung verflüchtigt sich spätestens dann, wenn auch dem naivsten Leser von der Autorin der Sniper auf dem Präsentierteller serviert wird, dummerweise ist das nach etwa der Hälfte des Buches, sodass der Rest nur langweiliges Schweigen oder schweigende Langeweile oder belangloses Beziehungsgeplänkel oder beziehungslose Belanglosigkeit ... ist. Wenn wenigstens hin und wieder ein Kopf abgerissen oder die einen oder anderen Innereien herausgefetzt würden; nichts dergleichen, denn -wie gesagt- alle sind ja soo gut. Was also als handlungsbestimmendes Element bleibt, ist Vickis dilettantische Ermittlungsarbeit ...

Doch sogar diesem -mit 12,95EUR viel zu teuren- Machwerk lassen sich einige -wenn auch wenige- positive Aspekte: selbst wenn fast nichts Interessantes passiert, so bedient sich die Tanya Huff zumindest eines lockeren, flüssigen und anregenden Schreibstil, sodass der Leser ob dieses Nichts nicht schon nach 10 Seiten sanft entschlummert. Die humorigen Passagen, Vicki bissige Kommentare und die aufblitzende situative Komik reißen den dann fluchenden Schlaftrunkenen immer wieder ins Wachsein zurück.
... und schließlich wäre da noch die Nebenfigur des bärbeißigen Mike Celluci, der wesentlich lebendiger und differenzierter gezeichnet ist als Vicki & Co. und der der Geschichte zumindest einen Rest von Charme rettet.

Fazit: Eine langweilige, fantasielose und geradlinige Story mit schwachen und blassen Protagonisten, deren wenige Höhepunkte -nämlich die stellenweise vorhanden Situationskomik und die zum Teil bissigen Dialoge- weder einen Preis von 12,95EUR auch nur im Ansatz rechtfertigen, noch es überhaupt empfehlenswert machen.Den Artikel im Blog lesen
 
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