AW: Anarchismus im Rollenspiel?
Anarchismus ist im Rollenspiel untervertreten. Das sage ich jetzt einfach mal so heraus. Klar Shadowrunner sollenten so etwas wie Anarchisten sein, wenn ich mir aber die Bücher durchlese finde ich den Bezug höchsten im Loose Alliances und wenn ich dann meine Augen auf die Spielpraxis diverser Runden richte, sehe ich auch eher ziemlich gewöhnliche Kleinkriminelle und keine Idealisten für eine bessere Welt. Selbst mein Lieblingssetting Transhuman Space enttäuscht mich, keine abgefuckten Weltraum Squatter in den Lagrange Punkten, dafür ganze Raumstationen voller Wicca und von Anarcho-Kapitalisten (sic!) besetzte Asteroiden. Chance vertan, sage ich mal. Magi sind vielleicht so etwas wie metaphysische Anarchisten, allerdings verpasst selbst Phil Brucato seine Chane auf Hakim Bey bezug zu nehmen. Das Beste, was ich noch gefunden habe, ist ein d20 modern Supplement für die Victorian Age: Ein knapp 120 seitiges PDF über die historische anarchsitische Arbeiterbwegung Englands...
Ich bin enttäuscht!
Vielleicht weil Du Individualismus mit Anarchismus verwechselst?
Im Cyberpunk sind die Unangepaßten Individuen oft Streetronin (ein Street
samurai wäre ja per Definition von Samurai angepaßt und neofeudalistisch), Decker, usw.
Das sind sie aber nicht weil sie möchten das der Rest der Gesellschaft genauso kaputt ist wie sie selber, sondern um sich abzugrenzen.
Ihre antigesellschaftlichen Taten sind dann nur Ausdruck dessen, das sie gegen die jetzige Form sind, nicht aber ein Ausdruck einer Ideologie wofür sie sind. Im Grunde sind sie nur kleine, egoistische Arschl....r. Oft mit viel Butt-Kick Potential, aber sonst?
Der Libertarismus funktioniert auch nur soweit sich alle an dessen Spielregeln halten, bzw. wenn es mutige Verteidiger der libertären Prinzipien gibt. Das scheitert aber an der Praxis. Mafiöse Strukturen (also ggf. brutaler Neofeudalismus) hätten schnell die Oberhand über libertäre Strukturen. SF-Literatur dazu ist z.B. James P. Hogans "Die Kinder von Alpha Centauri", wo Anarchismus funktioniert, L.Neil Smiths "Gallatin-Zyklus" wo es durch mafiöse Strukturen aus einer Parallelwelt bedroht wird und natürlich Iain M. Banks "Culture" Bücher, wo die "Culture"-Menschen so weit weg von Ihrem jetzigen Dasein sind, das es funktioniert. Und wo es trotzdem freiwillige Strukturen gibt die sehr autokratisch sind und mit den AIs und den intelligenten Drohnen zwei Truly-Badass-Fraktionen die Guten sind.
Kennst Du die drei genannten Serien/Bücher?
Was paßt da zu Deiner Anarchie-Definition?
Oder meinst Du so etwas wie das Machtvakuum in den USA wie in Neal Stephensons "Snow Crash", wo die zerfallende staatliche Autorität durch die Franchises (Mafia, Dr. Lee`s Greater Hong Kong, Burbclaves) ersetzt wird die eigene Gesetze (EULAs...) erlassen und die dann durch "Rent-A-Cops" durchsetzen lassen? Ähnliches sieht man auch in "Diamond Age", nur sind das dann z.B. die Neo-Viktorianer und ähnliche Vereinigungen?
Der Zustand der Anarchie wird alsbald durch Systeme ersetzt die funktionieren.