Rezension Adios Amigos

Taysal

RSP-Gott
verstorben
Registriert
17. September 2008
Beiträge
2.009
Adios Amigos


Aus dem Hause Pegasus Spiele stammt das Reaktionsspiel „Adios Amigo“, in dem sich in Mexiko rivalisierende Desperado-Banden über den Haufen schießen. Zwei bis vier Spieler schlüpfen dazu in die Rollen gefährlicher Pistoleros. Nur wer clever und schnell zur gleichen Zeit ist, kann die anderen Desperados über den Haufen ballern und die meisten Nuggets einheimsen. Am Ende gewinnt der Spieler mit den meisten Nuggets und kann friedlich seiner Wege ziehen – bis ihn die nächsten Desperados stellen. Klingt einfach, ist hektisch und macht großen Spaß.

Die Anleitung des Spiels befindet sich auf einem DIN-A3-Faltblatt. Einmal in Deutsch, einmal in Englisch. Sie ist leicht verständlich geschrieben, mit Fotos und Illustrationen versehen. Die klare Struktur erleichtert das Zurechtfinden und Beispiele von Spielsituationen sorgen für eventuell nötige Klarstellungen.

Zu Spielbeginn bekommt jeder Mitspieler fünfzehn zufällige Desperadokarten ausgeteilt, erhält zehn Revolvermarker, zwei Patronen und eine Stange Dynamit. Die drei obersten Desperadokarten des eigenen Stapels werden nun so ausgelegt, dass die beiden darauf befindlichen einstelligen Zahlen für die anderen Mitspieler gut sichtbar sind. Immerhin gilt es die auf den Karten lustig illustrierten Desperados auszuschalten und dazu ist eine gute Sicht nötig.

Sobald das Startkommando „Adios Amigos“ ertönt, bricht die Hektik aus. Jeder Spieler dreht zwei seiner Revolvermarker um. Diese enthalten ebenfalls Zahlen von Null bis Neun. Um mit einem Revolvermarker einen Desperado auszuschalten, muss dieser entweder die Summe oder die Differenz wiedergeben, die sich aus den Zahlen einer Desperadokarte ergeben. Ist das der Fall wird der Revolvermarker auf der passenden Karte platziert und der Desperado ist draußen. Verliert ein Spieler alle seine Desperados, ist die Runde für ihn beendet. Da alle Spieler gleichzeitig agieren, führt das zu eben jener vorher angeführten Hektik am Spieltisch. Diese wird durch weitere Spielmechaniken noch gesteigert.

Mit nur zwei aufgedeckten Revolvermarkern ist das Spiel kaum zu gewinnen, aber die Pistoleros können ja nachladen. Dazu wirft ein Spieler eine seiner Patronen ab und ruft „Nachladen!“. Nun dürfen alle am Tisch zwei weitere ihrer Patronenmarker aufdecken. Auch hier gilt, dass Geschwindigkeit ein Vorteil ist. Trotzdem muss man auch clever sein und die Ruhe bewahren. Zum Einen gilt es die Summen und Differenzen der Karten zu ermitteln, zum Anderen zahlt man am Rundenende Strafe, wurde der falsche Desperado getroffen. Zudem überkreuzen sich gerne mal die Hände der Spieler auf dem Tisch oder übersieht einer der Mitspieler – hoffentlich versehentlich -, dass er schon ausgeschaltet wurde. Darauf sollte der Mitspieler besser hingewiesen werden, damit er sein Feuer einstellt. Ein entsprechender Eintrag fehlt leider in der Anleitung, wäre aber sinnvoll, um ein flüssigeres Spiel zu gewährleisten. Ansonsten kann es zu kritischen Gesprächen am Rundenende kommen, wer denn nun wann wen umgeschossen hat und wie hoch die zu zahlende Strafe ist. Vor allem bei vier Spielern wird es schon mal unübersichtlich.

Manchmal sind es einfach zu wenig Patronen oder ist es zu hektisch am Spieltisch. Dann kann eine Stange Dynamit helfen, um einen der gegnerischen Desperados in die Luft zu jagen. Dazu wird das Dynamitbündel abgeworfen und der Spieler ruft laut „Bombe!“. Nun müssen sich alle anderen die Ohren zuhalten und langsam von Zehn runterzählen. In dieser Zeit kann der Dynamitbündelwerfer sich einen Desperado herauspicken und mit seinen offenen Revolvermarkern die Summe der Desperadokarte erreichen. Normalerweise darf nur ein Marker auf eine Karte abgelegt werden, hier wird die Regel allerdings aufgehoben. Ist noch Zeit übrig kann diese gut genutzt werden, um sich schon mal die Ergebnisse der restlichen Desperados anzusehen. Dynamit sorgt also auch für etwas Ruhe im Spielablauf.

Bereits an diesem Punkt ist ersichtlich, dass die Spieler einer Runde „Adios Amigos“ zueinander passen sollten. Spieler die im Kopfrechnen zu schwach sind, Spieler die sich einfach etwas langsamer bewegen oder Spieler die auf Grund ihres Alters nicht mithalten können sind gnadenlos unterlegen. Das sorgt dann natürlich für Probleme und Streitigkeiten am Spieltisch. Man stelle sich nur einen Vater vor, der auf dem Geburtstag seines achtjährigen Sohnes eine Runde „Adios Amigos“ mit den Kindern spielt. Wäre dieser Vater zudem noch Mathematiklehrer … nun, anhand dieses Beispieles sollte deutlich werden, wo die Schwachstelle im Spielablauf ist. Es ist also anzuraten im Vorfeld zu überlegen, mit wem gespielt wird.

Eine Runde „Adios Amigos“ ist beendet, sobald nur noch ein Spieler übrig ist, es keine Überlebenden mehr gibt, mit den Patronenmarkern kein Desperado mehr getroffen wird oder niemand mehr nachladen kann oder will. Ist die Runde beendet, kommt es zur Abrechnung. Da die Patronenmarker farbig markiert sind, bekommt jeder Spieler die Desperadokarte, die er ausgeschaltet hat. Außerdem bekommt jeder Spieler auch seine überlebenden Desperados. Werden die Karten umgedreht, befindet sich auf der Rückseite ein Goldnugget. Anhand der Summe der Nuggets wird am Ende des Spiels der Gewinner ermittelt. Hat nur ein Pistolero die Runde überlebt, bekommt dieser Spieler sogar das zur Runde passende Beuteplättchen. Das Beuteplättchen weist mehr als einen Nugget auf und ist ein willkommener Bonus. Hat jeder seine Nuggets am Rundenende bekommen, müssen eventuell Strafen gezahlt werden. Ohne Patrone nachzuladen oder den falschen Desperado erschossen zu haben kostet ordentlich Nuggets. Ist ein Spieler pleite und hat noch Nuggets bei seinen Mitspielern offen, schreibt er Schuldscheine aus. Diese muss er bei nächster Gelegenheit zahlen. Ist das am Spielende unmöglich, werden diese Schuldscheine auf die Ergebnisse der Mitspieler angerechnet.

Das ist somit der zweite Punkt, der zu Frust führen kann. Normalerweise erhält jeder Mitspieler für jeden Fehler ein Nugget. Somit wäre hier ein fairer Ausgleich vorhanden, doch wurde der falsche Desperado umgeschossen, bekommt dessen Spieler drei Nuggets. Verschuldet sich ein Spieler nun vollkommen – und hoffentlich unabsichtlich -, kann er das ganze Spielergebnis verfälschen und dem Spieler zum Sieg verhelfen, der am meisten versehentlich umgeschossen wurde. Somit ist das Ergebnis nicht nur vom eigenen Können abhängig, sondern auch von der Schusseligkeit der Mitspieler. Damit sollte jeder Spieler klarkommen, ansonsten führt das eventuell zu Zwist.

Wurden fünf Runden „Adios Amigos“ gespielt, endet das Spiel und es kommt zur großen Abrechnung. Der Spieler mit den meisten Nuggets gewinnt die Partie. An dieser Stelle werden offene Schuldscheine ebenfalls angerechnet. Bei Gleichstand der Nuggets gibt es mehrere Sieger.

Das Spielprinzip ist ziemlich einfach und schnell verinnerlicht. Es macht großen Spaß wenn alle Spieler am Tisch laut herumrufen, die Patronenmarker auf die Desperadokarten geflippt werden und mittels Dynamit plötzlich Ruhe einkehrt, nur damit Sekunden später wieder das Chaos regiert. „Adios Amigos“ ist ein launiges Spiel – die richtigen Leute allerdings vorausgesetzt. Dann bietet sich langer und abwechslungsreicher Spielspaß, der zudem noch die eigene Reaktion und die kleinen grauen Zellen trainiert.Momo Besedic hat hier eine wirklich spannende Schießerei für den Spieltisch inszeniert.

Die Ausstattung und Präsentation des Spiels kann sich sehen lassen. Die Pappbox wurde hell und freundlich gestaltet. Die Illustrationen von Anette Kannenberg sind sehr humvorvoll und manchmal verharrt man einen Augenblick zu lang, nur um sich den witzigen Desperado auf der Karte des Gegners anzuschauen. Einfach gelungen! Die Marker selbst sind aus dicker Pappe gestanzt, ebenso die Beuteplättchen. Diese zeigen einen hageren Totengräber mit Sargdeckel, der die aktuelle Rundennummer angibt. Das ist ebenfalls witzig. Besonders schick ist die Aufmachung der Patronen und Dynamitbündel. Diese wurden aus Holz gefertigt und lackiert. Die Dynamitbündel bestehen aus insgesamt drei knallroten Stangen, die zudem noch eine weiße Lunte besitzen. Das sieht verdammt gut aus und liegt perfekt in der Hand, um über den Spieltisch geworfen zu werden. Großes Lob an den Verlag für diese Ausstattung, denn damit wird „Adios Amigos“ richtig griffig und bietet auch ordentlich was für den Tastsinn. Und das macht Spaß.

Für die Schuldscheine liegen leider keine Marker vor. Hier wären kleine vorgedruckte Zettel sicherlich witzig gewesen. So müssen die Spieler eigene Schmierzettel bemühen. Die Box ist jedoch groß genug, so dass ein kleiner Stift und Papier gemütlich Platz finden.

Mit „Adios Amigos“ bekommt man einen witziges und schnelles Reaktionsspiel geboten, bei dem auch eine ruhige Hand und ein wacher Verstand nötig sind, um zu gewinnen. Mit einer Spieldauer von zehn bis zwanzig Minuten genau das Richtige, um einen vergnüglichen und lauten Abend mit Freunden zu verbringen. Adios Amigos!

Reaktionsspiel; Pegasus Spiele; Pappbox
Autor: Momo Besedic
Illustration: Anette „Nedde“ Kannenberg
2-4 Spieler; 10-20 Minuten; ab 8 Jahren
60 Desperadokarten
40 Revolvermarker
5 Beuteplättchen
8 Patronen
4 Dynamitbündel
1 Anleitung (deutsch/englisch)
Pegasus Spiele ONLINE: Pegasus

Diese Rezension erschien zum Zeitpunkt des Eintrags ebenfalls auf Taysal.net und Buchrezicenter.de.Den Artikel im Blog lesen
 
Zurück
Oben Unten