Da ich das im Folgenden besprochene Spiel viel zu gut finde, als dass eine Rezi im Rezensionsbereich nahezu ungelesen verhallen sollte, versuche ich mal, auf gute Laune beim Moderator zu setzen und sie hier im Andere-Spiele-Diskussionsbereich einzustellen.
A SONG OF ICE AND FIRE ROLEPLAYING
Pocket Edition
von Robert J. Schwalb
Green Ronin Publishing, 2010
Eine kurze Anmerkung vorweg: Die „Pocket Edition“ ist zwar ein wohlfeiles Paperback, ist aber trotzdem eine vollständige und zudem fehlerbereinigte Neuausgabe des ASIF-Grundregelbuches, wenn auch, anders als letzteres, nur schwarzweiß.
Das ASIF-Rollenspiel spielt vor dem Hintergrund des gleichnamigen Romanzyklus von George R. R. Martin. Diese seit 1996 in zahlreichen Bänden publizierte Fantasy-Saga (für Juli 2011 ist der fünfte Band angekündigt) ist längst ein multimediales Phänomen. Vor Jahren publizierte schon der kanadische Verlag „Guardians of Order“ ein A GAME OF THRONES RPG, das auf dem d20-System beruhte und durch die Pleite des Verlages wenig später wieder vom Markt verschwand. Außerdem gibt es – natürlich – ein Sammelkartenspiel, und im April 2011 beginnt der US-Bezahlsender HBO die Ausstrahlung einer Fernsehserie dieser Saga unter dem Titel A GAME OF THRONES, in der immerhin Schauspieler vom Kaliber einer Lena Headey und eines Sean Bean mitwirken.
Im Zentrum steht das Ringen um die Macht in einem riesigen Königreich, Westeros, ein Ringen, in dem die großen Adelshäuser dieses (nach dem Vorbild der westeuropäischen Ritterkultur des Hochmittelalters geprägten) Landes die zentrale Rolle spielen. In der Welt von Westeros gibt es im engeren Sinne keine „Jahreszeiten“, denn Sommer und Winter wechseln sich zwar ab, aber man weiß nie, wie viele Jahre (gemessen von Namenstag zu Namenstag eines Menschen) eine solche „Jahreszeit“ dauert. Das kann eine halbe Generation sein oder ein ganzes Menschenleben. Die dunkelste Epoche in der Geschichte von Westeros waren dreißig Jahre Winter, ohne dass jemals die Sonne aufging. Zu Beginn der Saga neigt sich ein über zehnjähriger Sommer gerade dem Ende zu. „Winter is coming“, Familienmotto des herrschenden Hauses im Norden, der Starks von Winterfell, wird so zum Motto der beginnenden Story.
Für das Design dieses neu konzipierten Rollenspiels hat das Setting natürlich Folgen. Der Status ist ein wichtiger, ja regelrecht zentraler Wert für den Charakter. Die Ränge in dieser Ability werden nicht durch Erfahrungspunkte gekauft, sondern ergeben sich aus der gewünschten Stellung des Charakters in der gesellschaftlichen Rangliste. Wer einen Söldner oder Wildhüter spielen möchte oder eine Tochter oder einen zweiten Sohn, der landet halt automatisch etwas tiefer auf der Statusliste, hat etwas weniger Ahnung von Etikette und etwas weniger Potenzial beim Management einer Adelsliegenschaft.
Des weiteren besteht eine der wichtigsten Charakteroptionen darin, dass die ganze Gruppe Angehörige und Gefolgsleute eines bestimmten Hauses spielt, abgesehen von dessen aktuellem Lord, der immer Spielleitercharakter bleibt. Charaktere können auch beliebigen anderen Organisationen aus der Hand des Spielleiters angehören oder eine der üblichen zusammenhanglosen Gruppen bilden, aber gerade durch Letzteres würde man dem Spiel viel vom typischen Westeros-Geschmack nehmen.
Wie in allen großen Fantasy-Sagen existiert auf der Welt von Westeros keine Sprücheklopfermagie, wie sie seit den 1970ern in fast allen Fantasy-Rollenspielen einen von vielen geliebten, von manchen gehassten Auftritt hat. Gibt es im HERRN DER RINGE gerade mal fünf Zauberer, von denen nur zwei überhaupt jemals auftreten und dabei erstaunlicherweise kein einziges Mal einen Feuerball werfen, so gilt die Magie in Westeros seit dem Tod des letzten Drachen 150 Jahre vor Beginn der Saga als ausgestorben. Selbst vorher bestand sie weniger in traditionellen Sprüchen, als in alchemistischen und rituellen Kunstwerken, die heute noch in Form von „Wildem Feuer“ und legendären Waffen existieren. Das Erbe der dem Anschein nach vor langer Zeit ausgestorbenen „Waldkinder“ (das waren Menschen, keine Elben) lebt noch in der seherischen Gabe des „Grünen Gesichts“ fort. Teilweise haben Menschen auch die Gabe eines „Dritten Auges“, und wenigstens im Norden gibt es die ganz seltenen „Hautwechsler“, deren Geist in den Körper eines Tiergefährten fahren kann. Im Süden von Westeros gelten selbst diese als sagenumwobene Großmütter-Motive.
Vom Design her geht das ASIF-RP in mancher Hinsicht neue Wege. Anstelle der verbreiteten Kategorien von Grundeigenschaften und Fertigkeiten haben ASIF-RP-Charaktere so genannte „Abilities“ oder Befähigungen, die beide Kategorien überbrücken. Diese Abilities haben Ränge von 1 bis 7 (ganz selten mehr) und geben die Anzahl W6 an, die für einen Test gewürfelt werden. Von den 19 Abilities im Spiel hat ein Charakter zumeist nur ein halbes bis ein Dutzend in gesteigerter Form; die übrigen werden gar nicht notiert und gelten als mit dem Durchschnittswert von 2 belegt. Spezielle Nachteile können vereinzelte Abilities auf 1 senken.
Die Charaktererschaffung ist ein Kaufsystem, und die so genannte „Starterfahrung“ hängt davon ab, in welcher Alterskategorie der Charakter ins Spiel eintritt.
Zu den Abilities kauft sich ein Charakter „Specialties“. So hat zum Beispiel die Befähigung der Täuschung (Deception) die möglichen Spezialgebiete Schauspielern, Bluffen, Betrügen, Verkleiden. Die Befähigung des Kämpfens (Fighting) hat diverse Waffenkategorien als Spezialisierungen (Raufen, Kurze Klingen, Speere, Lange Klingen usw.); ähnlich auch die Befähigung des Schießens (Marksmanship) mit Bögen, Armbrüsten, Wurfwaffen und Belagerungsmaschinen.
Da man über 19 Befähigungen schon eher mal die Übersicht verliert als über eine Hand voll Grundeigenschaften, bietet die Charaktererschaffung als Hilfestellung fünf „Rollen“ an, die aber nur dem Anfänger helfen und für den Charaktererschaffungsexperten nicht mehr nötig sind. Für diese fünf Rollen des Experten, Kämpfers, Anführers, Gauners und Intriganten bietet das Regelwerk die geeignetsten Befähigungen an, denen der Spieler seine Aufmerksamkeit schenken sollte. Gemischte Rollen sind ausdrücklich erlaubt für entsprechende Charakterkonzepte, z. B. Kämpfer/Anführer für den direkten Erben eines Lords. Unter die Rolle des Experten fällt auch der Maester, Angehöriger des Gelehrtenordens von Westeros. Sobald ein Akolyth der so genannten „Zitadelle“ die Prüfung zum Maester geschafft hat, leistet er den Ordenseid, demzufolge er alle familiären Erbschaften und den Familiennamen ablegt und sich zum Zölibat verpflichtet. Ein solcher Gelehrter legt niemals mehr die metallene Halskette des Maesters ab, deren Glieder in verschiedenen Metallen seine Fachgebiete als Wissenschaftler abbilden. Jede Burg eines Hauses erhält von der Zitadelle einen Maester zugeteilt, der dem gastgebenden Haus auf Lebenszeit zur Treue verpflichtet ist. „Studienabbrecher“ ohne Maester-Titel leben entweder auf Wanderschaft oder dienen z. B. einem Dorf als Heiler.
Bei einem Würfelwurf oder „Test“ wirft man eine Anzahl Würfel gleich der Ränge in Befähigung und, so weit vorhanden, Spezialisierung. Die Befähigungsränge geben die Zahl der Testwürfel an, die Spezialisierungsränge die Zahl der Bonuswürfel. Zusammengezählt werden dann so viele Ergebnisse beider Würfelgruppen, wie die Anzahl Testwürfel beträgt. Die Summe vergleicht man dann mit der Skala der Schwierigkeitsstufen.
Außer Abilities und Specialties hat ein Charakter noch Vorteile und Nachteile. Vorteile treten in verschiedenen Kategorien auf wie „Ability“ (Meta-Befähigungen) „Heritage“ (Erbe), „Fate“ (Bestimmung), „Martial“ (Kampf) oder „Social“ (Gesellschaft). Drawbacks, Nachteile, gibt es nur in einer einzelnen Kategorie.
Erwähnung verdienen auf jeden Fall die Destiny- oder Schicksalspunkte, eine weitere Währung, die man in die Entwicklung von Charakter und Haus investieren, die man aber auch fürs Spiel aufsparen kann. Wer weiß, wie Action-, Helden- oder Plotpunkte in anderen Rollenspielen funktionieren, hat schon eine ungefähre Vorstellung. Destiny Points können investiert werden, wonach sie inaktiv sind, bis man ein so genanntes „Story Goal“ erreicht hat, oder für noch bedeutsamere Effekte „verbrannt“ werden („burned“), wonach sie ganz futsch sind. Neue Destiny Points erwirbt man durch Leistungen des Charakters im Spiel oder durch Investierung von Erfahrungspunkten.
Die Regeln für physische Kämpfe und Schaden sind recht dramatisch und können den Kämpfer rasch in ein frühes Grab bringen, wenn er arg überfordert oder arg dämlich ist. Die eigentlichen Health-Punkte stehen nur für eine generische Kampffähigkeit und erschöpfen sich durch zwei, drei Treffer schnell; ohne Health ist man besiegt, und der Sieger bestimmt dann das Schicksal des Besiegten: Bewusstlosigkeit, Verstümmelung, Tod oder Gefangennahme für Lösegeld. Will der Besiegte lieber eine andere Option, muss sein Spieler einen Destiny-Punkt verbrennen. Will man nicht nach zwei oder drei Treffern das gegnerische Schwert an der Kehle haben oder am Boden liegen, muss man Injuries oder Wounds einstecken, Verletzungen und Wunden, was jeweils erst mal ein paar Health-Punkte spart, aber Würfelabzüge mit sich bringt. Natürlich kann der Charakter solchen Verwundungen auch erliegen, aber nicht so schnell, als wenn ihm der Gegner mit dem zweiten Schlag des Schwert aus der Hand haut und ihn einfach abschlachtet.
Regeln für Turniere (komplett mit Schützenwettkampf, Gestampfe und Tjoste), für die Führung von Militäreinheiten durch Charaktere (auf Grundlage der Befähigung „Warfare“), für Intrigen und last, but not in any way least für das Management eines Hausbesitzes runden dieses gelungene Spiel ab.
Also auf denn ins Abenteuer, in historisch ungemein echt wirkende, handfeste Abenteuer für sehr irdisch ausgelegte Charaktere, die nicht im Schatten von übertrieben viel magischem Brimborium agieren. Ob es nun Hausangehörige sind (egal ob Familienmitglieder oder treue Gefolgsleute wie Waffenmeister, Wachhauptmann oder Maester) oder Söldner, Waffenknechte, Spione, Räuber, Jäger, Seefahrer, Krämer, Hausierer, Bänkelsänger, Mummenschanzler oder landlose Ritter („Hedge Knights“), auf jedenfall glaubhafte Menschen.
Eine Anmerkung zu weiblichen Charakteren: Die Mainstream-Kultur von Westeros sieht keine weibliche Erbfolge vor, außer ein Lord und ein Lady haben gar keinen männlichen Nachwuchs. Für Spielercharaktere bedeutet dies keine Einschränkung; die Saga kennt mehrere Frauen, die den rauschenden Tüll eines Burgfräuleins abgelegt haben, um die Klinge zu schwingen oder ein Schiff zu kommandieren oder mangels Bruder zu einer „ruling lady“ zu werden. Haus Martell insbesondere, das Fürstenhaus von Dorne, praktiziert ohnehin die Nachfolge des Ältesten ungeachtet des Geschlechts.
A SONG OF ICE AND FIRE ROLEPLAYING
Pocket Edition
von Robert J. Schwalb
Green Ronin Publishing, 2010
Eine kurze Anmerkung vorweg: Die „Pocket Edition“ ist zwar ein wohlfeiles Paperback, ist aber trotzdem eine vollständige und zudem fehlerbereinigte Neuausgabe des ASIF-Grundregelbuches, wenn auch, anders als letzteres, nur schwarzweiß.
Das ASIF-Rollenspiel spielt vor dem Hintergrund des gleichnamigen Romanzyklus von George R. R. Martin. Diese seit 1996 in zahlreichen Bänden publizierte Fantasy-Saga (für Juli 2011 ist der fünfte Band angekündigt) ist längst ein multimediales Phänomen. Vor Jahren publizierte schon der kanadische Verlag „Guardians of Order“ ein A GAME OF THRONES RPG, das auf dem d20-System beruhte und durch die Pleite des Verlages wenig später wieder vom Markt verschwand. Außerdem gibt es – natürlich – ein Sammelkartenspiel, und im April 2011 beginnt der US-Bezahlsender HBO die Ausstrahlung einer Fernsehserie dieser Saga unter dem Titel A GAME OF THRONES, in der immerhin Schauspieler vom Kaliber einer Lena Headey und eines Sean Bean mitwirken.
Im Zentrum steht das Ringen um die Macht in einem riesigen Königreich, Westeros, ein Ringen, in dem die großen Adelshäuser dieses (nach dem Vorbild der westeuropäischen Ritterkultur des Hochmittelalters geprägten) Landes die zentrale Rolle spielen. In der Welt von Westeros gibt es im engeren Sinne keine „Jahreszeiten“, denn Sommer und Winter wechseln sich zwar ab, aber man weiß nie, wie viele Jahre (gemessen von Namenstag zu Namenstag eines Menschen) eine solche „Jahreszeit“ dauert. Das kann eine halbe Generation sein oder ein ganzes Menschenleben. Die dunkelste Epoche in der Geschichte von Westeros waren dreißig Jahre Winter, ohne dass jemals die Sonne aufging. Zu Beginn der Saga neigt sich ein über zehnjähriger Sommer gerade dem Ende zu. „Winter is coming“, Familienmotto des herrschenden Hauses im Norden, der Starks von Winterfell, wird so zum Motto der beginnenden Story.
Für das Design dieses neu konzipierten Rollenspiels hat das Setting natürlich Folgen. Der Status ist ein wichtiger, ja regelrecht zentraler Wert für den Charakter. Die Ränge in dieser Ability werden nicht durch Erfahrungspunkte gekauft, sondern ergeben sich aus der gewünschten Stellung des Charakters in der gesellschaftlichen Rangliste. Wer einen Söldner oder Wildhüter spielen möchte oder eine Tochter oder einen zweiten Sohn, der landet halt automatisch etwas tiefer auf der Statusliste, hat etwas weniger Ahnung von Etikette und etwas weniger Potenzial beim Management einer Adelsliegenschaft.
Des weiteren besteht eine der wichtigsten Charakteroptionen darin, dass die ganze Gruppe Angehörige und Gefolgsleute eines bestimmten Hauses spielt, abgesehen von dessen aktuellem Lord, der immer Spielleitercharakter bleibt. Charaktere können auch beliebigen anderen Organisationen aus der Hand des Spielleiters angehören oder eine der üblichen zusammenhanglosen Gruppen bilden, aber gerade durch Letzteres würde man dem Spiel viel vom typischen Westeros-Geschmack nehmen.
Wie in allen großen Fantasy-Sagen existiert auf der Welt von Westeros keine Sprücheklopfermagie, wie sie seit den 1970ern in fast allen Fantasy-Rollenspielen einen von vielen geliebten, von manchen gehassten Auftritt hat. Gibt es im HERRN DER RINGE gerade mal fünf Zauberer, von denen nur zwei überhaupt jemals auftreten und dabei erstaunlicherweise kein einziges Mal einen Feuerball werfen, so gilt die Magie in Westeros seit dem Tod des letzten Drachen 150 Jahre vor Beginn der Saga als ausgestorben. Selbst vorher bestand sie weniger in traditionellen Sprüchen, als in alchemistischen und rituellen Kunstwerken, die heute noch in Form von „Wildem Feuer“ und legendären Waffen existieren. Das Erbe der dem Anschein nach vor langer Zeit ausgestorbenen „Waldkinder“ (das waren Menschen, keine Elben) lebt noch in der seherischen Gabe des „Grünen Gesichts“ fort. Teilweise haben Menschen auch die Gabe eines „Dritten Auges“, und wenigstens im Norden gibt es die ganz seltenen „Hautwechsler“, deren Geist in den Körper eines Tiergefährten fahren kann. Im Süden von Westeros gelten selbst diese als sagenumwobene Großmütter-Motive.
Vom Design her geht das ASIF-RP in mancher Hinsicht neue Wege. Anstelle der verbreiteten Kategorien von Grundeigenschaften und Fertigkeiten haben ASIF-RP-Charaktere so genannte „Abilities“ oder Befähigungen, die beide Kategorien überbrücken. Diese Abilities haben Ränge von 1 bis 7 (ganz selten mehr) und geben die Anzahl W6 an, die für einen Test gewürfelt werden. Von den 19 Abilities im Spiel hat ein Charakter zumeist nur ein halbes bis ein Dutzend in gesteigerter Form; die übrigen werden gar nicht notiert und gelten als mit dem Durchschnittswert von 2 belegt. Spezielle Nachteile können vereinzelte Abilities auf 1 senken.
Die Charaktererschaffung ist ein Kaufsystem, und die so genannte „Starterfahrung“ hängt davon ab, in welcher Alterskategorie der Charakter ins Spiel eintritt.
Zu den Abilities kauft sich ein Charakter „Specialties“. So hat zum Beispiel die Befähigung der Täuschung (Deception) die möglichen Spezialgebiete Schauspielern, Bluffen, Betrügen, Verkleiden. Die Befähigung des Kämpfens (Fighting) hat diverse Waffenkategorien als Spezialisierungen (Raufen, Kurze Klingen, Speere, Lange Klingen usw.); ähnlich auch die Befähigung des Schießens (Marksmanship) mit Bögen, Armbrüsten, Wurfwaffen und Belagerungsmaschinen.
Da man über 19 Befähigungen schon eher mal die Übersicht verliert als über eine Hand voll Grundeigenschaften, bietet die Charaktererschaffung als Hilfestellung fünf „Rollen“ an, die aber nur dem Anfänger helfen und für den Charaktererschaffungsexperten nicht mehr nötig sind. Für diese fünf Rollen des Experten, Kämpfers, Anführers, Gauners und Intriganten bietet das Regelwerk die geeignetsten Befähigungen an, denen der Spieler seine Aufmerksamkeit schenken sollte. Gemischte Rollen sind ausdrücklich erlaubt für entsprechende Charakterkonzepte, z. B. Kämpfer/Anführer für den direkten Erben eines Lords. Unter die Rolle des Experten fällt auch der Maester, Angehöriger des Gelehrtenordens von Westeros. Sobald ein Akolyth der so genannten „Zitadelle“ die Prüfung zum Maester geschafft hat, leistet er den Ordenseid, demzufolge er alle familiären Erbschaften und den Familiennamen ablegt und sich zum Zölibat verpflichtet. Ein solcher Gelehrter legt niemals mehr die metallene Halskette des Maesters ab, deren Glieder in verschiedenen Metallen seine Fachgebiete als Wissenschaftler abbilden. Jede Burg eines Hauses erhält von der Zitadelle einen Maester zugeteilt, der dem gastgebenden Haus auf Lebenszeit zur Treue verpflichtet ist. „Studienabbrecher“ ohne Maester-Titel leben entweder auf Wanderschaft oder dienen z. B. einem Dorf als Heiler.
Bei einem Würfelwurf oder „Test“ wirft man eine Anzahl Würfel gleich der Ränge in Befähigung und, so weit vorhanden, Spezialisierung. Die Befähigungsränge geben die Zahl der Testwürfel an, die Spezialisierungsränge die Zahl der Bonuswürfel. Zusammengezählt werden dann so viele Ergebnisse beider Würfelgruppen, wie die Anzahl Testwürfel beträgt. Die Summe vergleicht man dann mit der Skala der Schwierigkeitsstufen.
Außer Abilities und Specialties hat ein Charakter noch Vorteile und Nachteile. Vorteile treten in verschiedenen Kategorien auf wie „Ability“ (Meta-Befähigungen) „Heritage“ (Erbe), „Fate“ (Bestimmung), „Martial“ (Kampf) oder „Social“ (Gesellschaft). Drawbacks, Nachteile, gibt es nur in einer einzelnen Kategorie.
Erwähnung verdienen auf jeden Fall die Destiny- oder Schicksalspunkte, eine weitere Währung, die man in die Entwicklung von Charakter und Haus investieren, die man aber auch fürs Spiel aufsparen kann. Wer weiß, wie Action-, Helden- oder Plotpunkte in anderen Rollenspielen funktionieren, hat schon eine ungefähre Vorstellung. Destiny Points können investiert werden, wonach sie inaktiv sind, bis man ein so genanntes „Story Goal“ erreicht hat, oder für noch bedeutsamere Effekte „verbrannt“ werden („burned“), wonach sie ganz futsch sind. Neue Destiny Points erwirbt man durch Leistungen des Charakters im Spiel oder durch Investierung von Erfahrungspunkten.
Die Regeln für physische Kämpfe und Schaden sind recht dramatisch und können den Kämpfer rasch in ein frühes Grab bringen, wenn er arg überfordert oder arg dämlich ist. Die eigentlichen Health-Punkte stehen nur für eine generische Kampffähigkeit und erschöpfen sich durch zwei, drei Treffer schnell; ohne Health ist man besiegt, und der Sieger bestimmt dann das Schicksal des Besiegten: Bewusstlosigkeit, Verstümmelung, Tod oder Gefangennahme für Lösegeld. Will der Besiegte lieber eine andere Option, muss sein Spieler einen Destiny-Punkt verbrennen. Will man nicht nach zwei oder drei Treffern das gegnerische Schwert an der Kehle haben oder am Boden liegen, muss man Injuries oder Wounds einstecken, Verletzungen und Wunden, was jeweils erst mal ein paar Health-Punkte spart, aber Würfelabzüge mit sich bringt. Natürlich kann der Charakter solchen Verwundungen auch erliegen, aber nicht so schnell, als wenn ihm der Gegner mit dem zweiten Schlag des Schwert aus der Hand haut und ihn einfach abschlachtet.
Regeln für Turniere (komplett mit Schützenwettkampf, Gestampfe und Tjoste), für die Führung von Militäreinheiten durch Charaktere (auf Grundlage der Befähigung „Warfare“), für Intrigen und last, but not in any way least für das Management eines Hausbesitzes runden dieses gelungene Spiel ab.
Also auf denn ins Abenteuer, in historisch ungemein echt wirkende, handfeste Abenteuer für sehr irdisch ausgelegte Charaktere, die nicht im Schatten von übertrieben viel magischem Brimborium agieren. Ob es nun Hausangehörige sind (egal ob Familienmitglieder oder treue Gefolgsleute wie Waffenmeister, Wachhauptmann oder Maester) oder Söldner, Waffenknechte, Spione, Räuber, Jäger, Seefahrer, Krämer, Hausierer, Bänkelsänger, Mummenschanzler oder landlose Ritter („Hedge Knights“), auf jedenfall glaubhafte Menschen.
Eine Anmerkung zu weiblichen Charakteren: Die Mainstream-Kultur von Westeros sieht keine weibliche Erbfolge vor, außer ein Lord und ein Lady haben gar keinen männlichen Nachwuchs. Für Spielercharaktere bedeutet dies keine Einschränkung; die Saga kennt mehrere Frauen, die den rauschenden Tüll eines Burgfräuleins abgelegt haben, um die Klinge zu schwingen oder ein Schiff zu kommandieren oder mangels Bruder zu einer „ruling lady“ zu werden. Haus Martell insbesondere, das Fürstenhaus von Dorne, praktiziert ohnehin die Nachfolge des Ältesten ungeachtet des Geschlechts.