[20.05.2008] Verständnisschwierigkeiten

Discordia

B! scheuert
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Mit gewohntem Lärmpegel donnerte Enio durch die Straßen und kam letztendlich kurz vor der Akademie zum halten. Es war womöglich nicht der optimale Zeitpunkt um bei Noir vorzureiten, da sie unter Umständen genug zu tun hatte und noch irgendeinen Mist für die Primogensitzung vorzubereiten und ihre... Nägel gerade lackieren mußte. Aber das spielte gerade keine Rolle. Der Brujah-Ahn hatte ein massives Verständnisproblem und das mußte behoben werden. Cuiz konnte ihm sicherlich dabei helfen.


Nachem die Norton abgestellt war dauerte es auch nur wenige Augenblicke um der Italiener stand vor der Akademie. War heute wieder Tag der offenen Tür oder mußte man anklopfen? Wie auch immer... Enio würde entsprechend auf sich aufmerksam machen oder nach drinnen gehen.
 
Die Tür war verschlossen und alles schien wie eh und je. Surrende Überwachungskameras, ein schwerer gußeiserner Türklopfer und ein ausreichend beluchtetes Umfeld. Nachdem Enio geklopft hatte, ertönte der Summer und ihm wurde Einlass gewährt. Durch den schmalen Vorraum hindurch betrat er das Büro des Sekretärs und blickte auf einen leeren Schreibtisch.

"Einen Moment, Enio! Ich bin sofort für dich da...", erklang es aus dem hinteren Bereich des Traktes. Lena schien recht guter Laune zu sein, wohl zum ersten Mal seit sie ihren Mann vom Thron gestürzt hatte. Allerdings war bei einer Frau wie ihr nur schwer zu bestimmen, ob die gezeigten Gefühle aufrichtiger Natur oder nur gestellt waren.

Sekunden später trat die Prinz zu ihrem Gast.

"Guten Abend mein Freund. Nimm doch bitte Platz!"

Die Stimme der Toerador klang melodiös und einladend. Lena umrundete ihren Schreibtisch und setzte sich ebenfalls.

"Was kann ich für dich tun?"

Sie verschränkte die Hände, legte sie auf den Schreibtisch und zeigten dabei zehn tatsächlich perfekt manikürte und gepflegte Fingernägel.
 
Enio erwiederte die Begrüßung mit einem knappen „Hallo“ und lies auch ein leises „Danke“ hören als Magdalena ihm Platz anbot. Höflichkeiten gehörten nunmal auch für den Brujah zum normalen Geschehen und der Routine des Alltäglichen. Übermäßige schlechte Laune oder Mißmut sah man ihm nicht an aber das war auch schwierig, da auf dem eher selten erhellten und meist mürrisch deinblickenden Gesicht fiel schlechte Laune schon prinzipiell nur schlecht auf und konnte nur in besonderen Extremfällen sofort als solche erkannt werden.


Enio setzte sich und nahm sich sogar ganz kurz Zeit die die perfekt manikürten Fingernägel einfach zu übersehen. „Das ist ein gute Frage. Zunächst einmal könntest du mir einfach kurz erklären warum mir beim durchsehen der Tagesordnungspunkte der heutigen Sitzung quasi entgegengesprungen ist, daß wir uns tatsächlich nicht nur ganz offen über den Verbleib von Ziege und dem verdammten Bild unterhalten wollen, sondern es sogar noch schriftlich und damit nachweislich vorankündigen und jedem unter die Nase reiben.“ Es sah zunächst so aus als ob der Italiener tatsächlich nicht richtig denken konnte und eine offensichtliche Möglichkeit der Dinge übersehen hatte aber Enio fügte nach einer kurzen und eher ungewollten rethorischen Pause hinzu: „Auser natürlich es war gedacht, daß wir eine abgesprochene Story liefern um die Sache abzuschließen. Aber dann ist es ja wohl auch mehr als geschickt, daß ich vorher nochmal vorbeigeschaut habe und wir uns gemeinsam austauschen und absprechen.“

Enio hatte zu keiner Zeit die Stimme erhoben oder war in irgendeiner Weise unflätig geworden. Cruiz war sein Prinz und er würde sie mit dem angemesenen Respekt behandeln. Da spielte für den Brujah ihr Alter keine Rolle. Dennoch war es für Enio wichtig mit Lena das zu klären was ihn hierher bewegt hatte. Womöglich gab es eine Erklärung, die sich ihm bisher noch überhaupt nicht erschlossen hatte oder einen besonderen Plan um irgendwie vom Eigentlichen abzulenken. Aber auf den ersten Blick wirkte auf Enio die Art und Weise wie der festgelegte Ablauf der Primogensitzung aussah einfach nur dämlich und es wurde ein Punkt angesprochen, der auf dieser Sitzung absolut nichts verloren hatte und schon gar nicht auf einer schrifltichen Einladung dazu.


Enio hatte übrigens bisher noch mit keinem Wort erwähnt was genau sie in der Bibliothelk erlebt hatten und ob sie erfolgreich waren und auf welche Weise. Sicherlich würde das die Prinz auch noch interessieren.
 
Ein sanftes Lächeln huschte auf die Lippen der Toreador und machte es sich dort bequem.

"Die umliegenden Städte erwarten eine Reaktion auf die letzten Geschehnisse! Wenn wir nach dem Sturz meines Mannes die Angelegenheit mit dem Gemälde einfach so auf sich beruhen lassen, erregt dies berechtigtes Mißtrauen! Wir hatten hier viel zu hohe Verluste, als das man uns glauben würde, dass wir den Abtransport des Bildes nach Paris einfach stillschweigend hinnehmen würden. Also habe ich den Punkt auf die Tagesordnung gesetzt und werde entsprechend auf den Busch klopfen. Ich werde ein offizielles Schreiben verfassen in dem ich verlange, dass Zieges Gemälde umgehend zu vernichten ist. Begründen werde ich es mit den Schicksalsschlägen und Katastrophen, die wir diesbezüglich in dieser Stadt ertragen mussten. Einem unberechenbaren Gefahrenpotential eben. Olivers Forschungslabor wird ausgeräumt, seine Unterlagen vernichtet. Caitlin werde ich auffordern, ihren Lord, Professor Joahrdo, dazu zu bringen seine Forschungsergebnisse ebenfalls zu vernichten. Ziege werden wir offiziell in eine Grundmauer aus Zement eingießen lassen, auf das er dort auf Ewig verotte. Ich weiß, dass das alles nach Verzweifelung und heißer Luft klingt. Es dient auch nur dazu den Stein bei der Besprechung ins Rollen zu bringen. Vielleicht stehen zum Beispiel die Ventrue und ... Brujah ... von ihren Stühlen auf und werden ihrerseits tätig? Auch ihr habt eure Justikare! Letztlich wird die ganze Sache aber irgendwann im Sande verlaufen. Man wird uns belächeln und dann Ruhe geben. Die Streitigkeiten um das Bild werden von da ab in Paris geführt und sind damit Angelegenheit der Justikare..."

Alles in allem ein oberflächlicher Plan.
Aber er war für Gegner geschaffen, die sich ihres Sieges bereits sicher und an eine Front weiter gewandert waren.
Man erwartete hilflose Gegenwehr und eine schwächliche Prinz mit nur wenigen Jahren Erfahrung.
Genau das sollten sie bekommen...

"Vollkommen egal, was bei der Diskussion morgen rauskommt. Letztlich gilt es nur zwei Dinge zu erfüllen: Niemand darf erwähnen, dass es sich bei dem Gemälde in Frankreich um eine Fälschung handelt, ich hoffe das jeder der anwesenden Primogene genug Hirn hat hier nicht quer zu schlagen! Und wir müssen, dass ist das wichtigste, einen Weg finden Ziege glaubhaft verschwinden zu lassen. Egal ob er nun tot ist oder nicht, er darf niemals wieder in Erscheinung treten!"
 
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Enio hätte fast unnötigerweise erleichtert ausgeatmet als Cruiz mit ihren Ausführungen fertig war. Also doch eine abgesprochene Story… wenn man so wollte. Enio hätte die Ankündigung zwar in der Einladung anders verpackt aber das spielte keine Rolle. Letztendlich kam es aufs Gleiche raus. Enio hatte sich also wiedermal vergeblich aufgeregt und alles lief der Spur nach. Ein Umstand, den man nur begrüßen konnte. Enios erster Impuls hierher zu kommen war aber trotzdem der richtige gewesen. So konnte er zumindest mental vorbereitet zur Sitzung erscheinen und hatte sogar die Möglichkeit weitere schauspielerische Aspekte be der ganzen Scharade vor sein geistiges Auge zu führen.


„Gut. Das beruhigt mich. Ich hoffe du siehst es nicht als Beleidigung an deine Itelligenz, daß ich Zweifel hatte aber mir ist die Sache zu wichtig um auch nur über die kleinste Unebenheit zu stolpern. Ich habe auch in der Bibliothek die Anwesenden nochmals darauf aufmerksam gemacht was wir in den Augen andere verbrochen haben als wir das Bild vernichtet haben – und das haben wir. Meyye war da zwar nicht mehr mit dabei aber sie ist clever genug um zu wissen wann sie ihr Maul halten soll. Naja… manchmal zumindest.“ Enio konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß Lurker sich bei so etwas verplappern konnte und auch Jenny hatte sicherlich kapiert um was es ging. Der Brujah hoffte nur, daß sie nicht dem gleichen Gedankengang wie er selbst nachgegangen war und von vorneherein annahm, daß der Inhalt der Einladung nur heiße Luft war. Sie durfte in der Hinsicht ruhig etwas cleverer sein als Enio.


„Also… wie schon gesagt… das Bild ist vernichtet. Der Gargyle ist auch hinüber. Leider konnte ich mich von der wirklich endgültigen Vernichtung von Ziege noch nicht so ausführlich überzeugen wie ich es gerne hätte. Daher kann ich dir noch nicht mit 100%iger Sicherheit sagen, daß wir dieses Kapitel hinter uns haben. Ich hoffe es aber sehr. Noch mehr Zieglowski vertrage ich echt nicht mehr.“
 
"Ich sehe das nicht als Beleidigung! Eher als Beweis dafür, dass mein Vorgehen die richtigen Resultate erzeugt. Meine Formulierung auf der Einladung soll Aufmerksamkeit auf sich ziehen, damit nicht übersehen wird, dass wir uns eingehend mit diesem Thema befassen. Nun muss ich während der Sitzung nachher nur alles richtig machen. Mit etwas Glück haben wir das Problem damit vom Hals, oder zumindest uns etwas Zeit erkauft."

Als Enio von der Zerstörung des Gemäldes berichtete, huschte ein knappes Lächeln über die Lippen der Toreador.

"Es freut mich aufrichtig, dass diese verfluchte Leinwand endlich vernichtet wurde. Funktionierte der Plan mit dem Knochen? War es möglich die Reste zu verbrennen? Das dieser Zieglowski durch die Zerstörung endlich getötet werden konnte, steht für mich außer Frage. Oliver hat stets davon gesprochen, dass die beiden in einem nicht zu trennenden Zusammenhang stehen würden. Wie wundervoll, dass wir die größte aller Sorgen damit nun endlich los sind..."

Die letzten Worte des Satzes sprach Lena mit leicht belegter Stimme.
Sonst war ihr aber, wie stets, nichts anzumerken.

"Das bringt mich zu einem anderen Thema, dass ich eigentlich erst auf der Sitzung ansprechen wollte. Oliver ist vernichtet worden! Ich...", sie räuperte sich kurz, "Ich hatte Helena den Befehl gegeben seinen Körper ausfindig zu machen und zu pfählen. Damit er sich weder erheben noch fliehen kann. Dabei muss etwas ganz furchtbar schief gegangen sein, Olivers Körper zerfiel zu Staub. Warum kann ich nicht sagen? Möglich, dass diese Mina etwas damit zu tun hatte, Olivers hatte sich zurück in die Mine begeben um dort zu ruhen..."

Die Prinz tat einen tiefen Atemzug, ein deutliches Zeichen dafür, dass sie den Tod noch immer nicht ganz gewohnt war.

"Ich sollte es dir gar nicht erzählen, noch nicht aber es ist ein guter Test für mich, zu prüfen, ob ich überhaupt in der Lage bin dieses Thema anzusprechen, ohne das mir die Stimme versagt oder ich unnötige Schwäche zeige. Nur ungern gebe ich es zu, aber zu wissen das Oliver tot ist, zerreisst mir fast das Herz..."

Wieder erstarb ihr die Stimme.
 
Enio nickte noch beipflichtend als Lena von der Wirkung nach Ausen sprach. Aber er sagte nichts mehr dazu und hoffte einfach, daß sie in dieser Hinsicht alles richtig gemacht hatten. Er mußte sich in solchen Angelegenheiten einfach eingestehen, daß andere davon wesentlich mehr Ahnung hatten als er und der Brujah einfach gewisse Dinge geschehen lassen mußte. Aber Enio lernte… ständig und das schon seit vielen Jahzehnten. Vielleicht würde aus ihm ja mal ein viel besserer Politiker werden als ihm im Moment klar war.


Enio hatte bei der Vernichtung des Bildes ein ganz besonderes Gefühl bekommen und war sich nicht klar ob er die Prinz damit behelligen sollte oder einfach wiederum nur nicken konnte und es auf sich beruhen lassen konnte. Aber sie hatte konkrete Fragen gestellt und Enio war wiederum doch geneigt ehrlich zu antworten. „Ich kann tatsächlich gar nicht genau sagen ob der Knochen gewirkt hat oder ob das Bild mit etwas anderem genauso vernichtet werden hätte können. Ich bin fast davon überzeugt, daß sich das Bild selbst zu beschützen wußte aber eher auf eine Weise, die wenig mit Dingen zu tun hat, die ich genau erklären kann. Das Bild hatte eine Art Wirkung, die vermutlich über uns alle hereingebrochen ist oder vielmehr über die, die es berührt hatten.“ Während er sprach wurde dem Italiener bewußt, daß Kiera das Bild gar nicht berüht hatte aber trotzdem von einer Wirkung des Bildes berichtet hatte. Er entschied sich aber dafür, daß es gerade egal sein mußte und nicht so wichtig für den Rest des Berichts sein dürfte. Er erzählte hier sowieso von Dingen, die sich nur schwer in Worte fassen liesen.


„Irgendwie wollte man das Bild nicht vernichten und man verstand… irgendwie plötzlich wie wichtig es ist und was es alles tolles bewirken könnte. Ich kanns es wirklich nicht genau beschreiben, da ich glücklicherweise meinen Reflexen erlag und das getan habe zu was ich in die Bibliothek gegangen bin. Aber wenn ich einen Lidschlag länger gezögert hätte… wer weiß ob ich es dann geschafft hätte.“ Enio zögerte kurz und fügte dann noch hinzu: „Die Überreste des Bildes liesen sich durch ein Feuer leicht entsorgen.“ Alles weitere mußte sich Magdalena selber herausinterpretieren. Der Turiner hatte aber mitlerweile verstanden welcher Faszination gewisse Kainskinder erlegen waren und dabei hatte Enio noch gar nicht so richtig mitbekommen wie sich Meyye und Kiera gefühlt hatten und welche körperlichen Auswirkungen das Bild wirklich auf einen ausüben konnte. Dabei empfand der Brujah zum ersten Mal so etwas ähnliches wie Verständnis für Oliver Buchet. Womöglich konnte er für seinen Wahnsinn gar nichts dafür oder war nur bedingt schuldfähig gewesen.


Apropos Buchet. Enio erlebte bei Lenas Worten über die Vernichtung des ehemligen Prinzen eine der wenigen Momenten seiner Existenz in denen er kurz fassungslos war. Was erzählte die Toreador denn da? Einen Kainiten zu pfählen hatte doch nicht solche Auswirkungen. „Aber…“ Der Italiener brach ab und überlegte erneut seine Wortwahl. Er brauchte etwas Zeit und das nicht nur weil er eine diplomatische Variante seiner Worte ausloten mußte. Er ertappte sich dabei wie er überlegte ob Cruiz ihm tatsächlich die Wahrheit erzählte. Warum hatte sie überhaupt Helena für diese Tätigkeit ausgesucht und warum hatte die neue Toreador sich dafür überhaupt breitschlagen lassen? Es ergab nicht wirklich Sinn für Enio und wiederum mußte er sich selbst eingestehen zu wenig zu wissen und zu wenig Ahnung davon zu haben was passiert sein konnte und wer für was verantwortlich war. Letztendlich war das aber gerade wieder so eine Situation in der man sich ein bißchen geleitet und manipuliert vorkam. Als wenn man doch nur eine Puppe an Fäden war und jemand ständig bestimmte was zu geschehen hatte. Verwirrung wich Wut und die wich wieder Frustration um erneut bei Verwirrung ihren Trost zu finden. Manchmal war es einfach nur zum Kotzen ein Vampir zu sein.


Aber Enio wollte dann doch tatsächlich gar nicht so detailliert wissen was genau geschehen war, da er davon ausging sowieso keine Erklärung zu erhalten, die für ihn Sinn machte. Ob jetzt absichtlich und mit Kalkühl oder unabsichtlich und aus Ignoranz heraus. Das Resultat wäre das gleiche. Daher stellte er eine völlig andere Frage, die ihn unter Umständen vielleicht sogar etwas gefühlskalt und berechnend erscheinen lies. „Bist du sicher, daß es eine gute Idee ist das bei der Versammlung anzusprechen? Ich meine… was ändert sich daran? Wie hoch ist die Warscheinlichkeit, daß jeder sofort denkt Oliver Buchet wäre von den Leuten vernichtet worden, die sich gegen ihn gewandt haben. Dich eingeschlossen!“


Offenbar hatte der Brujah-Primogen heute keine tröstende Worte parat. Nur Eventualitäten, Warscheinlichkeiten, Möglichkeiten und Verstrickungen. Es war hartherzig… oder vielleicht sogar clever. Ohne das irgendwer jemals in der Lage gewesen wäre die inneren Regungen von Enio erraten zu können, gab es wieder einen Teil in ihm, der tatsächlich trauerte und die Vernichtung einer Existenz bedauerte. Bei allem was Enio für Abscheu und Entäuschung gegenüber Buchet empfunden hatte, so war er doch zu irgendeinen Zeitpunkt einmal ein Mensch gewesen. Unschuldig, unwissend, voller Leben und dumm. So wie alle Menschen unwissend und dumm sind. Manchmal wünschte Enio sich wieder dumm zu sein.
 
Out of Character
Dann machen wir es halt noch eben schnell... ;)


"Wenn ich mir deinen Bericht so anhöre, dann bin ich mehr als nur froh das wir das Bild am Ende haben zerstören können. Und es ist irgendwie beruhigend zu wissen, dass Oliver nicht von sich aus dem Wahnsinn verfallen ist sondern aufgrund der Auswirkungen des Bildes. Vielleicht hätte er klug genug sein müssen die Gefahren rechtzeitig zu erkennen und wahrscheinlich hat es das sogar. Aber irgendwann hat er seinen Schutz dann wohl vernachlässigt und ist dem Bann erlegen. So oder so ähnlich wird es gewesen sein. Möglicherweise auch anders, aber mich tröstet der Gedanke und von daher werde ich an dem Glauben festhalten, dass Oliver einer feindlichen Magie unterlegen und im Grunde seines Herzen das liebenswerte Wesen geblieben ist, dem ich mein Herz und all meine Zuneigung schenkte."

Für einen Augenblick schien die Stimme der Toreador zu versagen. Sie kaschierte die Zwangspause mit einem gekonnten Lächeln und fuhr dann mit fester Stimme fort. Die Körperbeherrschung dieser Frau war wirklich erstaunlich.

"Bezüglich seines Todes weiß ich wirklich nicht ob es richtig ist an dieser Stelle mit offenen Karten zu spielen? Ebensowenig weiß ich ob es klug war Helena mit dieser Aufgabe zu betrauen. Starb Oliver tatsächlich auf diese Weise oder nutzte er die Gelegenheit sich auf diese Weise aus der Verantwortung zu ziehen? Normalerweise ist Helena vertrauenswürdig und grundehrlich, aber sie wird auch die einzige sein, die Oliver in gleichem Maße geliebt hat wie ich. Vielleicht zu sehr um ihm etwas anzutun? Gleich welcher Sünden er sich auch schuldig gemacht haben mag? Hat sie ihm zur Flucht verholfen? Ich kann es mir nicht vorstellen..."

Wieder verstummte Lena kurz.
Einen verschwindend kurzen Augenblick nur.

"Was soll ich tun, Enio? Wie kann ich mein neues Amt mit einer Lüge beginnen? Es wird das Beste sein, wenn ich mit offenen Karten spiele und Helena bei der Sitzung ihren Teil der Angelegenheit berichten lasse. Sie genießt hohes Ansehen und ist auch als Hüterin der Elysien der Wahrheit verpflichtet. Besser man springt mir gleich jetzt an die Kehle und nennt mich eine Mörderin, als in zehn oder zwanzig Jahren zudem noch als Lügnerin in die Analen einzigehen."
 
Enio war immer noch hin und her gerissen. Er hatte keine Ahnung wie er die Geschichte einordnen sollte. Erzählte ihm Cruiz die Wahrheit? Hatte Helena ihr die Wahrheit erzählt? Oder bekam Enio gerade eine Story präsentiert, die aus einer Halbwahrheit entstanden war, die aus einer Lüge basierte? Äuserlich sah man den Konflikt des Brujahs nicht an. Er schwieg wieder sehr lange ehe er antwortete. Aber das tat er öfters und fiel nicht unagenehm auf.

Letztendlich konnte der Bruja-Ahn nur auf sein Bauchgefühl hören. Das wiederum war zwar lächerlich, da Enio die Intuition eines Pantoffeltierchens besaß aber wenn man nichts anderes zur Verfügung hatte, mußte man nunmal das nehmen was da war. Demnach entschied Enio den roten Faden aufzunehmen und das als Realität anzuerkennen was ihm gerade angeboten wurde. Vorerst zumindest!

„Es ist deine Entscheidung. Ich will dich nicht beeinflussen aber wenn ich in der Lage wäre, würde ich jetzt die Vernichtung Buchets nicht ansprechen. Der Zeitpunkt ist komplett falsch... auch wenn ich prinzipiell nachvollziehen kann, daß du zu beginn deines Amtes nicht mit einer Lüge starten willst. Wenn ich es richtig verstanden habe gibt es sowieso noch Zweifel. Leise Zweifel aber doch vorhandene. Warum versuchst du nicht zuerst dich zu vergewissern? Es gibt Möglichkeiten. Du könntest dich an Kiera wenden. Buchet muß ja nicht gleich als potentiell vernichtet gelten... aber vielleicht als verschollen. Das wär jedenfalls eine Geschichte, die man Kiera präsentieren könnte.“

Hmmm... vielleicht war der blöde Brujah ja doch verschlagener und linkischer als man auf den ersten Blick annehmen mochte. Oder er war doch dumm und es war eine dumme Idee. Es gab immer mehrere Möglichkeiten.
 
Die Reaktion war Schweigen.
Man konnte sehen, dass Lena hin- und hergerissen war. Sie fürchtete sich vor beiden Wahrheiten. Sollte Oliver tatsächlich vernichtet worden sein, dann würde ein Teil in ihr für alle Zeiten sterben. Aber es wäre auch ein Abschluss. Eine Chance für einen Neuanfang. Ohne die ständige Angst im Nacken eines Nachts das Opfer seiner Rache zu werden. Und wenn er noch lebte? Wenn Helena tatsächlich gelogen hatte? Dann gab es eine verschwindend geringe Aussicht auf so etwas wie eine Versöhnung. Ihr Herz müsste nicht brechen und es gäbe eine leise Hoffnung, die ihr den Rest ihrer Existenz ein wenig erträglicher machen würde. Am Ende war alles nur eine Vermutung. Egal in welche Richtung und damit eines Prinzen nicht würdig. Enio hatte Recht, sie musste sich Gewissheit verschaffen und die Angelegenheit aufklären.

"Es ist keine Lüge, wenn ich mir die Zeit nehme mich der Umstände zu versichern. Du hast Recht, Enio. Ich werde das Thema vorerst auf sich beruhen lassen. Für die Öffentlichkeit! Und mich auf die Suche nach der Wahrheit machen. Das bin ich nicht nur mir und der Stadt schuldig, sondern auch Oliver selbst."

Viel mehr gab es dazu in diesem Augenblick nicht zu sagen.
 
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