Justify Nox
Papa Justify
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- 1. Januar 2006
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- 789
Papa Justifys Ghul – Omarion:
Das rötlich braune und kristallklare Getränk waberte auf dem Tresen als der Ghul das kreisrunde einfache Glas abstellte. Der Schluck brannte im Abgang, aber unangenehm war es nicht. Das Bild des Fernsehers brach sich im Getränk und zog groteske Schlieren. Omarion sah auf und erkannte einen Mann im rot-gelben Gewand, welcher wie ein Randalierer am ersten Mai nach einen Stein griff und ihn auf chinesische Einsatzkräfte warf. Was war aus der Welt nur geworden, wenn selbst ein Schüler der Gewaltlosigkeit die Faust ballt? Gewalt ist keine Lösung – viele halten an diesem Satz fest, aber was sagt dieser Satz wirklich? - Er sagt „Ich bin ein Hypokrit und blind für die Wahrheit“… HA, Blind! Wie kann man nur annehmen, dass etwas gewaltfrei gelöst werden kann, wenn seit jeher Gewalt als der Goldstandard aller Lösungen gilt? Wie reagiert ein Körper, wenn sein Arm, sein Bein oder ‚bestenfalls‘ sein Kopf entschließt nicht mehr am Körper sitzen zu wollen?... Blind, heh?
Der Whiskey verschwand in der Kehle des Schwarzen.
Papa Justify:
Der Himmel hatte die Farbe von Feuer und das Feuer würde die Farbe des Himmels bis in die späten Abendstunden haben. Papa legte den Arm über seine Stirn und schützte sich vor der aufgehenden Sonne. Das Herrenhaus lag im Osten der Zuckerrohr Plantage und von hier oben, einer kleinen Erhöhung in der Mitte des Feldes übersah er die gesamte Landschaft. Alles war wie es immer war: die Menschen arbeiteten unter den strengen Augen der berittenen Wachen.
„Warum zeigst du mir diesen Tag?“
„Weil du ihn vergessen hast!“ antwortete der große, dessen afrikanisches Äußeres mit einer weißen Mischung aus Asche und Soja Pulver bedeckt war und ihm ein rituell unheimliches Antlitz gab.
„Da täuscht du dich wieder!“ entgegnete der alte Malkavianer und machte den ersten Schritt die Anhöhe herunter.
„Wir werden sehen… wir werden sehen…“
Papa Justify’s Ghul – Omarion:
„Noch einen!“ Das Bitte hatte der Ghul mittlerweile vollkommen verlernt.
„Hast du nicht mittlerweile genug?“ fragte die Bedienung der hölzernen Mischpoke inmitten von Finstertal.
Omarions aggressiver Blick reichte vollkommen aus den Barkeeper zu überzeugen. … Blind, heh?
„Der letzte für dich heut Abend, alles kla?“
„Wir werden sehen… wir werden sehen!“ murmelte Omarion geistesabwesend. Er war sturzbetrunken mittlerweile.
Irgendwas war anders als sonst. Es gab immer wieder diese Momente, diese Phasen – Phasen der unbändigen Heiterkeit und dann wieder… Er würde diese Nacht wieder in die Bibliothek gehen müssen. Was war nur los? Verlor das Blut seines Meisters irgendwann seine Wirkung. Was war wenn Papa Justify…? Omarion bekam nicht mal diesen einen Gedanken konzentriert zusammen, da entglitten sie ihm wieder.
Omarion’s Aufmerksamkeit wurde plötzlich von etwas anderen beansprucht. Ein Mann setzte sich neben ihn. Er hatte dieses Gesicht - ein Allerweltsgesicht, dass nicht jeder hat… offensichtlich. Von allen freien Plätzen suchte er sich gerade den Platz neben dem Ghul aus.
„Haben wir nen Date?“
„Immer noch der Alte, heh?“
„Kennen wir uns etwa?“
„Das hoff ich doch“ Ein Moment verging in der so bekannte Unbekannte ein amüsiertes Lächeln zeigte. „Das selbe nochmal für mich“ fügte er für die Bedienung, „…aber ich kann verstehen, wenn du dich nicht an mich erinnern willst“ fügte er für Omarion hinzu.
„Ich glaube, er hat schon mehr drin als ich und bei ihm machst du keine Anstalten?“, antwortet Omarion barsch. „Ich kenn dich nicht und mit etwas Glück wird das so bleiben…“
„Schon klar…“
Papa Justify:
Da war er - Papa selbst. Er war damals noch nicht Papa Justify, er war ein Kind. Das Kind des Bokkor dieser Sklaven, welche hier auf den Feldern arbeiteten - starben.
„Du siehst schwach aus!“ scherzte der Petro.
„Ich hatte seit Tagen nichts gegessen. Ich war zu Stolz um von diesen Feldern zu stehlen…“ Papa Justify wurde still und nachdenklich, als stünde er an seinem eigenen Grab. Er wendete sich um und sah vor die muskulöse Brust des Loa, vor ihr die breiten Arme verschränkt. „… was man von dir nicht behaupten kann.“ Auf Papa Justify machte sich etwas nie da gewesenes Bedrohliches breit.
„Tu aurais pu l'empêcher!“ der Loa wechselte ein tiefes Französisch.
Papa Justify kniete sich runter zu seinen Erinnerungen. Und er tat es mit einer in der letzten Zeit neugewonnen Kraft – oder besser der Leichtigkeit seiner Gedanken. Er starrte sich an und beobachtete den halbvollen Erntekorb.
„Ich habe es gewollt, ich wollte es nicht verhindern… Wenn das das einzige ist, was du mir damit sagen wolltest, dann verschwendest du deine Zeit!“
„You’ve killed your brother, Baakir!” donnerte die massive Urgewalt von Stimme.
Justify wirbelte auf und fletschte bedrohlich mit den unheiligen Zähnen als er sich Auge im Auge mit dem Teufel sah. „Wenn du es noch einmal wagst meinen Namen in den Mund zu nehmen, werde ich dir noch mehr nehmen als dein Leben, mein Bruder! Ich bereite dir eine Ewigkeit der Schmach als Assesoire in meiner Hosentasche – bis ans Ende aller Tage!“
Der Geist lachte lauthals auf, keine Regung durchkam seinen Körper, welcher noch immer in der abweisenden Haltung über das Gelände thronte. Die Hand des Malkavianers schoss vor und suchte den Hals des Loa, aber sie ging einfach nur durch ihn durch. Doch darauf blieb dem Toten das Lachen im Hals stecken; beide besannen sich und richteten mit belegter Zunge die Aufmerksamkeit auf den kleinen Baakir Adama Oluwa-seyi, welcher einst Papa Justify werden sollte.
Baakir schaute auf. In seinen Augen war eine Mischung aus Wachsamkeit vor den anderen Arbeitern des Feldes zu bemerken; der Hass in ihnen war noch nicht ganz abgeklungen, die Augenbrauen angespannt, machte sich nun Angst in ihnen breit. Sie wollten ihn töten, den Sohn des Bokkor. Ihre ausgehöhlten Augen suchten seine, verfluchten ihn, hassten ihn.
„Je revenais ce jour et t'ai observé“ Beide schauten auf den Jugendlichen herab. Aber Papa Justify antwortete nur: „Ich weiß! - Ich habe dich gesehen. Ich alleine habe dich gesehen. Ich wusste, du würdest es trotzdem nicht zulassen.“
Baakirs junge Augen lösten sich von denen der lauernden Ungeheuer, welche im hohen Gras auf ihre Chance warteten. Und für einen Moment schienen sie blind ins Nichts zu starren, durchdrungen den Geist an der Stelle und trafen ihn im Innersten. Entschlossenheit. Die Mischung in seinen Augen hieß Entschlossenheit.
Papa Justify verschwand währenddessen im hohen Gras. „Jetzt möchte ich dir etwas zeigen.“
Papa Justify’s Ghul – Omarion:
„… schon klar. Ich will eigentlich nur, dass du weißt, dass ich diese Scheiße nicht mehr mache. Ich bin raus. Sie haben mich nach der Sache rausgeschmissen.“
Omarion legte den Kopf schräg und schaute einfach nur entnervt, nahm sich aber nicht vor sich weiter aus der Ruhe bringen zu lassen. Gewalt soll ja angeblich keine Lösung sein… Blind, heh?
Omarion ließ seine Gedanken wieder flüchten. Sein Name war Thomas Petranka, er kannte ihn tatsächlich irgendwoher.
Der Ghul wagte nochmal einen genaueren Blick, ob er nicht doch mehr mit dem Mann neben ihm verbinden konnte ausser dem Name. Er trug eine schwarze Neoprenjacke, eine solche, welche nur einen halbhohen Reizverschluss besaß, weshalb man sie sich beim Anziehen über den Kopf ziehen musste. Er war groß, aber Omarion konnte nur schätzen wie groß. Eins neunzig vielleicht und damit ein paar Zentimeter größer als er. Er war blond, blond und blauäugig und das wahrscheinlich in vielerlei Hinsicht. Sein dünnes Gesicht erinnerte ihn an Dirk Nowitzski, aber die Frisur war anders. Sie hatte Zeit militärische Kürze angenommen und wurde sicher nicht häufig verändert. Der Kerl trug einen Kinnbart, einen Henriquatre, welcher säuberlich mit der Maschine auf rund fünf Millimeter gehalten wurde. Am Mundwinkel war eine kleine Narbe zu sehen; Omarion hatte selbst so eine seit seiner Kindheit von einer kleinen Prügelei unter Jungs behalten. Der Blick fiel auf die Hände, als die Bedienung auch ihm seinen Drink servierte. Die Knöchel waren verhärtet, die Bewegung der einzelnen Finger durch diverse Kapselrisse und sicherlich kleinere Brüche des Mittelhandknochen eingeschränkt. Doch es steckte Kraft in ihnen, da war sich der Ghul sicher. Er musste einen rauen Beruf ausüben: Die Haut war ausgetrocknet und schuppig als wären sie mit Kreide bedeckt.
„Hast du mich gerade geblickfickt?“ amüsierte sich Thomas über die Observation durch den Ghul. Ein Filmzitat aus „Fight Club“? Ging es in dem Film nicht darum, wie ein Schizophrener die Leidenschaft für Gewalt entdeckt, um auf diese Art seinem tristen Büroalltag zu entkommen, nur um am Ende festzustellen, dass sein bester imaginärer Freund, der eigentlich er war, eine Terrorzelle über das gesamte Land errichtete? Wobei Gewalt doch keine Lösung ist… Blind, heh?
Omarion leerte das letzte Glas in einem Zug und stand mit wankenden Beinen auf. Er bezahlte, das Trickgeld war knauserig. Dann verließ er die Bar.
„Hey, das war doch nur ein Spaß… komm zurück!...“
Es war dunkel. Der Himmel hatte die Farbe von Tinte angenommen, welche zum Horizont über die Finster hinweg ausdünnte und in einem schmalen hellen Streifen ins Feuer übergehen wollte. Der Boden war nass. Es hatte geschneit oder geregnet oder vielleicht eine Mischung aus beidem. Es war kalt, das stand fest. Der Frühling hatte sich eine Auszeit genommen oder der April macht mal wieder was er will… Blind, heh?
Der Ghul schleppte sich die Finsterpromenade entlang. Seine Schritte folgten keiner erkennbaren Linie, sie gehorchten ihm tatsächlich nur noch widerwillig. Sein Gesicht war angespannt, aber es war nicht die Kälte, die ihn störte. Die Lederjacke, die er trug – irgendein Stück, welches wohl Ende der Achtziger das Licht der Welt erblickte – hielt ihn recht war. Über seinen fast haarlosen Kopf sammelte sich die warme Luft in einer Rauchsäule. An seiner Stirn taute es etwas, aber von all dem bekam der angetrunkene nichts mehr mit.
Er ließ sich auf die Bank zurückfallen. Neben ihm tat eine Tageszeitung wohl das selbe, sie blieb an der feuchten Bank kleben. „Unruhen in Lhasa“ Omarion rollte mit nebeligen Kopf herum und richtete seinen Blick auf die Finster. Ein sanfter Nebel kroch über die Oberfläche und brach an den warmen Ufern.
Er hörte Kids. Irgendwelche Halbstarken. Kein Respekt mehr diese Pisser. Saufen, Pöbeln, Randalieren… Blind, heh? Aber was war das? Die Stimmen wurden lauter, irgendwas musste da los sein. Omarion erkannte durch den dünnen Nebel und schwache Beleuchtung nur Schemen.
„Pass gefälligst, wo du langläuft, Opa.“ Ein Anderer: „Bist wohl blind, heh?“ „Wir machen dich kalt, alter Sack.“
„HEY!“ Ehe der Schwarze überhaupt nachgedacht hat, hatte er sich auch schon eingemischt. Aber alleine das hat die Jugendlichen eingeschüchtert, sie liefen unerkannt weg.
„Ist alles in Ordnung mit ihnen?“
„Danke, würden sie mir vielleicht helfen. Ich habe diese Männer zu spät gemerkt.“, antwortete das Häufchen Elend zu Füßen des Ghuls mit bizarr weicher und sympathischer Stimme.
„Ich helfe ihnen! Was fällt die…“ Der Ghul brach ab, als er den Mann erkannte und sich in seiner schwarzen Sonnenbrille wiederfand. „…Sie sind wirklich blind!“
„Danke, das Sie mich dran erinnert haben“ scherzte Papa Justify selbstironisch. „Wie heisst du, mein Junge?“
„Quissam… Quissam El Amroui“ antwortete der Ghul
„Einen harten Tag gehabt, Ouissam?“
Weitere Schritte halten über das Kopfsteinpflaster und gesellten sich zu der Szenerie in dieser Verheißungsvollen Nacht.
„Est-il cela?“
„Ja, das ist er. In dieser Nacht habe ich mich ihm vorgestellt. In den nächsten Tagen habe ich ihn wieder einen Grund zu Leben gegeben.“ Papa Justify stand neben sich. Er war in dieser Erinnerung mittlerweile wieder blind, weshalb er den Stock bei sich führte.
„Tu l'as fait comme ta marionnette” Der Loa erschien ebenfalls.
“Ich musste es. Er hatte sich verändert und wurde mehr und mehr zu einer Belastung.“
„Et tu lui as laissé à la vie?”
“Er hat mich an dich erinnert, mein Bruder!“
Auf der Zeitung stand 7. März 1989. In Tibet kam es zu schweren Unruhen, in Lhasa kämpften Mönche um ihre Unabhängigkeit. Wenig später in diesem Jahr wurde eine Gruppe Studenten auf dem Platz des himmlischen Friedens, dem Tian'anmen-Platz, nach Monate langen Protesten in Peking niedergeschossen. 3000 Menschen kamen ums Leben. … Blind, heh?
~~ * ~~
Papa Justify’s Ghul – Omarion:
Omarion wählte den langen Weg über die Finsterpromenade zur Bibliothek. Seine Gedanken fanden kein Ziel, nur einen Namen. Wer war Thomas Petranka? Wer war Omarion Jackson?
Das rötlich braune und kristallklare Getränk waberte auf dem Tresen als der Ghul das kreisrunde einfache Glas abstellte. Der Schluck brannte im Abgang, aber unangenehm war es nicht. Das Bild des Fernsehers brach sich im Getränk und zog groteske Schlieren. Omarion sah auf und erkannte einen Mann im rot-gelben Gewand, welcher wie ein Randalierer am ersten Mai nach einen Stein griff und ihn auf chinesische Einsatzkräfte warf. Was war aus der Welt nur geworden, wenn selbst ein Schüler der Gewaltlosigkeit die Faust ballt? Gewalt ist keine Lösung – viele halten an diesem Satz fest, aber was sagt dieser Satz wirklich? - Er sagt „Ich bin ein Hypokrit und blind für die Wahrheit“… HA, Blind! Wie kann man nur annehmen, dass etwas gewaltfrei gelöst werden kann, wenn seit jeher Gewalt als der Goldstandard aller Lösungen gilt? Wie reagiert ein Körper, wenn sein Arm, sein Bein oder ‚bestenfalls‘ sein Kopf entschließt nicht mehr am Körper sitzen zu wollen?... Blind, heh?
Der Whiskey verschwand in der Kehle des Schwarzen.
Papa Justify:
Der Himmel hatte die Farbe von Feuer und das Feuer würde die Farbe des Himmels bis in die späten Abendstunden haben. Papa legte den Arm über seine Stirn und schützte sich vor der aufgehenden Sonne. Das Herrenhaus lag im Osten der Zuckerrohr Plantage und von hier oben, einer kleinen Erhöhung in der Mitte des Feldes übersah er die gesamte Landschaft. Alles war wie es immer war: die Menschen arbeiteten unter den strengen Augen der berittenen Wachen.
„Warum zeigst du mir diesen Tag?“
„Weil du ihn vergessen hast!“ antwortete der große, dessen afrikanisches Äußeres mit einer weißen Mischung aus Asche und Soja Pulver bedeckt war und ihm ein rituell unheimliches Antlitz gab.
„Da täuscht du dich wieder!“ entgegnete der alte Malkavianer und machte den ersten Schritt die Anhöhe herunter.
„Wir werden sehen… wir werden sehen…“
Papa Justify’s Ghul – Omarion:
„Noch einen!“ Das Bitte hatte der Ghul mittlerweile vollkommen verlernt.
„Hast du nicht mittlerweile genug?“ fragte die Bedienung der hölzernen Mischpoke inmitten von Finstertal.
Omarions aggressiver Blick reichte vollkommen aus den Barkeeper zu überzeugen. … Blind, heh?
„Der letzte für dich heut Abend, alles kla?“
„Wir werden sehen… wir werden sehen!“ murmelte Omarion geistesabwesend. Er war sturzbetrunken mittlerweile.
Irgendwas war anders als sonst. Es gab immer wieder diese Momente, diese Phasen – Phasen der unbändigen Heiterkeit und dann wieder… Er würde diese Nacht wieder in die Bibliothek gehen müssen. Was war nur los? Verlor das Blut seines Meisters irgendwann seine Wirkung. Was war wenn Papa Justify…? Omarion bekam nicht mal diesen einen Gedanken konzentriert zusammen, da entglitten sie ihm wieder.
Omarion’s Aufmerksamkeit wurde plötzlich von etwas anderen beansprucht. Ein Mann setzte sich neben ihn. Er hatte dieses Gesicht - ein Allerweltsgesicht, dass nicht jeder hat… offensichtlich. Von allen freien Plätzen suchte er sich gerade den Platz neben dem Ghul aus.
„Haben wir nen Date?“
„Immer noch der Alte, heh?“
„Kennen wir uns etwa?“
„Das hoff ich doch“ Ein Moment verging in der so bekannte Unbekannte ein amüsiertes Lächeln zeigte. „Das selbe nochmal für mich“ fügte er für die Bedienung, „…aber ich kann verstehen, wenn du dich nicht an mich erinnern willst“ fügte er für Omarion hinzu.
„Ich glaube, er hat schon mehr drin als ich und bei ihm machst du keine Anstalten?“, antwortet Omarion barsch. „Ich kenn dich nicht und mit etwas Glück wird das so bleiben…“
„Schon klar…“
Papa Justify:
Da war er - Papa selbst. Er war damals noch nicht Papa Justify, er war ein Kind. Das Kind des Bokkor dieser Sklaven, welche hier auf den Feldern arbeiteten - starben.
„Du siehst schwach aus!“ scherzte der Petro.
„Ich hatte seit Tagen nichts gegessen. Ich war zu Stolz um von diesen Feldern zu stehlen…“ Papa Justify wurde still und nachdenklich, als stünde er an seinem eigenen Grab. Er wendete sich um und sah vor die muskulöse Brust des Loa, vor ihr die breiten Arme verschränkt. „… was man von dir nicht behaupten kann.“ Auf Papa Justify machte sich etwas nie da gewesenes Bedrohliches breit.
„Tu aurais pu l'empêcher!“ der Loa wechselte ein tiefes Französisch.
Papa Justify kniete sich runter zu seinen Erinnerungen. Und er tat es mit einer in der letzten Zeit neugewonnen Kraft – oder besser der Leichtigkeit seiner Gedanken. Er starrte sich an und beobachtete den halbvollen Erntekorb.
„Ich habe es gewollt, ich wollte es nicht verhindern… Wenn das das einzige ist, was du mir damit sagen wolltest, dann verschwendest du deine Zeit!“
„You’ve killed your brother, Baakir!” donnerte die massive Urgewalt von Stimme.
Justify wirbelte auf und fletschte bedrohlich mit den unheiligen Zähnen als er sich Auge im Auge mit dem Teufel sah. „Wenn du es noch einmal wagst meinen Namen in den Mund zu nehmen, werde ich dir noch mehr nehmen als dein Leben, mein Bruder! Ich bereite dir eine Ewigkeit der Schmach als Assesoire in meiner Hosentasche – bis ans Ende aller Tage!“
Der Geist lachte lauthals auf, keine Regung durchkam seinen Körper, welcher noch immer in der abweisenden Haltung über das Gelände thronte. Die Hand des Malkavianers schoss vor und suchte den Hals des Loa, aber sie ging einfach nur durch ihn durch. Doch darauf blieb dem Toten das Lachen im Hals stecken; beide besannen sich und richteten mit belegter Zunge die Aufmerksamkeit auf den kleinen Baakir Adama Oluwa-seyi, welcher einst Papa Justify werden sollte.
Baakir schaute auf. In seinen Augen war eine Mischung aus Wachsamkeit vor den anderen Arbeitern des Feldes zu bemerken; der Hass in ihnen war noch nicht ganz abgeklungen, die Augenbrauen angespannt, machte sich nun Angst in ihnen breit. Sie wollten ihn töten, den Sohn des Bokkor. Ihre ausgehöhlten Augen suchten seine, verfluchten ihn, hassten ihn.
„Je revenais ce jour et t'ai observé“ Beide schauten auf den Jugendlichen herab. Aber Papa Justify antwortete nur: „Ich weiß! - Ich habe dich gesehen. Ich alleine habe dich gesehen. Ich wusste, du würdest es trotzdem nicht zulassen.“
Baakirs junge Augen lösten sich von denen der lauernden Ungeheuer, welche im hohen Gras auf ihre Chance warteten. Und für einen Moment schienen sie blind ins Nichts zu starren, durchdrungen den Geist an der Stelle und trafen ihn im Innersten. Entschlossenheit. Die Mischung in seinen Augen hieß Entschlossenheit.
Papa Justify verschwand währenddessen im hohen Gras. „Jetzt möchte ich dir etwas zeigen.“
Papa Justify’s Ghul – Omarion:
„… schon klar. Ich will eigentlich nur, dass du weißt, dass ich diese Scheiße nicht mehr mache. Ich bin raus. Sie haben mich nach der Sache rausgeschmissen.“
Omarion legte den Kopf schräg und schaute einfach nur entnervt, nahm sich aber nicht vor sich weiter aus der Ruhe bringen zu lassen. Gewalt soll ja angeblich keine Lösung sein… Blind, heh?
Omarion ließ seine Gedanken wieder flüchten. Sein Name war Thomas Petranka, er kannte ihn tatsächlich irgendwoher.
Der Ghul wagte nochmal einen genaueren Blick, ob er nicht doch mehr mit dem Mann neben ihm verbinden konnte ausser dem Name. Er trug eine schwarze Neoprenjacke, eine solche, welche nur einen halbhohen Reizverschluss besaß, weshalb man sie sich beim Anziehen über den Kopf ziehen musste. Er war groß, aber Omarion konnte nur schätzen wie groß. Eins neunzig vielleicht und damit ein paar Zentimeter größer als er. Er war blond, blond und blauäugig und das wahrscheinlich in vielerlei Hinsicht. Sein dünnes Gesicht erinnerte ihn an Dirk Nowitzski, aber die Frisur war anders. Sie hatte Zeit militärische Kürze angenommen und wurde sicher nicht häufig verändert. Der Kerl trug einen Kinnbart, einen Henriquatre, welcher säuberlich mit der Maschine auf rund fünf Millimeter gehalten wurde. Am Mundwinkel war eine kleine Narbe zu sehen; Omarion hatte selbst so eine seit seiner Kindheit von einer kleinen Prügelei unter Jungs behalten. Der Blick fiel auf die Hände, als die Bedienung auch ihm seinen Drink servierte. Die Knöchel waren verhärtet, die Bewegung der einzelnen Finger durch diverse Kapselrisse und sicherlich kleinere Brüche des Mittelhandknochen eingeschränkt. Doch es steckte Kraft in ihnen, da war sich der Ghul sicher. Er musste einen rauen Beruf ausüben: Die Haut war ausgetrocknet und schuppig als wären sie mit Kreide bedeckt.
„Hast du mich gerade geblickfickt?“ amüsierte sich Thomas über die Observation durch den Ghul. Ein Filmzitat aus „Fight Club“? Ging es in dem Film nicht darum, wie ein Schizophrener die Leidenschaft für Gewalt entdeckt, um auf diese Art seinem tristen Büroalltag zu entkommen, nur um am Ende festzustellen, dass sein bester imaginärer Freund, der eigentlich er war, eine Terrorzelle über das gesamte Land errichtete? Wobei Gewalt doch keine Lösung ist… Blind, heh?
Omarion leerte das letzte Glas in einem Zug und stand mit wankenden Beinen auf. Er bezahlte, das Trickgeld war knauserig. Dann verließ er die Bar.
„Hey, das war doch nur ein Spaß… komm zurück!...“
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Es war dunkel. Der Himmel hatte die Farbe von Tinte angenommen, welche zum Horizont über die Finster hinweg ausdünnte und in einem schmalen hellen Streifen ins Feuer übergehen wollte. Der Boden war nass. Es hatte geschneit oder geregnet oder vielleicht eine Mischung aus beidem. Es war kalt, das stand fest. Der Frühling hatte sich eine Auszeit genommen oder der April macht mal wieder was er will… Blind, heh?
Der Ghul schleppte sich die Finsterpromenade entlang. Seine Schritte folgten keiner erkennbaren Linie, sie gehorchten ihm tatsächlich nur noch widerwillig. Sein Gesicht war angespannt, aber es war nicht die Kälte, die ihn störte. Die Lederjacke, die er trug – irgendein Stück, welches wohl Ende der Achtziger das Licht der Welt erblickte – hielt ihn recht war. Über seinen fast haarlosen Kopf sammelte sich die warme Luft in einer Rauchsäule. An seiner Stirn taute es etwas, aber von all dem bekam der angetrunkene nichts mehr mit.
Er ließ sich auf die Bank zurückfallen. Neben ihm tat eine Tageszeitung wohl das selbe, sie blieb an der feuchten Bank kleben. „Unruhen in Lhasa“ Omarion rollte mit nebeligen Kopf herum und richtete seinen Blick auf die Finster. Ein sanfter Nebel kroch über die Oberfläche und brach an den warmen Ufern.
Er hörte Kids. Irgendwelche Halbstarken. Kein Respekt mehr diese Pisser. Saufen, Pöbeln, Randalieren… Blind, heh? Aber was war das? Die Stimmen wurden lauter, irgendwas musste da los sein. Omarion erkannte durch den dünnen Nebel und schwache Beleuchtung nur Schemen.
„Pass gefälligst, wo du langläuft, Opa.“ Ein Anderer: „Bist wohl blind, heh?“ „Wir machen dich kalt, alter Sack.“
„HEY!“ Ehe der Schwarze überhaupt nachgedacht hat, hatte er sich auch schon eingemischt. Aber alleine das hat die Jugendlichen eingeschüchtert, sie liefen unerkannt weg.
„Ist alles in Ordnung mit ihnen?“
„Danke, würden sie mir vielleicht helfen. Ich habe diese Männer zu spät gemerkt.“, antwortete das Häufchen Elend zu Füßen des Ghuls mit bizarr weicher und sympathischer Stimme.
„Ich helfe ihnen! Was fällt die…“ Der Ghul brach ab, als er den Mann erkannte und sich in seiner schwarzen Sonnenbrille wiederfand. „…Sie sind wirklich blind!“
„Danke, das Sie mich dran erinnert haben“ scherzte Papa Justify selbstironisch. „Wie heisst du, mein Junge?“
„Quissam… Quissam El Amroui“ antwortete der Ghul
„Einen harten Tag gehabt, Ouissam?“
Weitere Schritte halten über das Kopfsteinpflaster und gesellten sich zu der Szenerie in dieser Verheißungsvollen Nacht.
„Est-il cela?“
„Ja, das ist er. In dieser Nacht habe ich mich ihm vorgestellt. In den nächsten Tagen habe ich ihn wieder einen Grund zu Leben gegeben.“ Papa Justify stand neben sich. Er war in dieser Erinnerung mittlerweile wieder blind, weshalb er den Stock bei sich führte.
„Tu l'as fait comme ta marionnette” Der Loa erschien ebenfalls.
“Ich musste es. Er hatte sich verändert und wurde mehr und mehr zu einer Belastung.“
„Et tu lui as laissé à la vie?”
“Er hat mich an dich erinnert, mein Bruder!“
Auf der Zeitung stand 7. März 1989. In Tibet kam es zu schweren Unruhen, in Lhasa kämpften Mönche um ihre Unabhängigkeit. Wenig später in diesem Jahr wurde eine Gruppe Studenten auf dem Platz des himmlischen Friedens, dem Tian'anmen-Platz, nach Monate langen Protesten in Peking niedergeschossen. 3000 Menschen kamen ums Leben. … Blind, heh?
~~ * ~~
Papa Justify’s Ghul – Omarion:
Omarion wählte den langen Weg über die Finsterpromenade zur Bibliothek. Seine Gedanken fanden kein Ziel, nur einen Namen. Wer war Thomas Petranka? Wer war Omarion Jackson?