[18.05.2008] Stippvisite am alten Arbeitsplatz

Azraella

Regentin der Tremere Seneshall zu Finstertal
Registriert
12. Juli 2005
Beiträge
3.659
Caitlin McKinney hatte eine arbeitsreiche Nacht hinter sich. Und sie war noch nichtmal zu Ende. Grimm mochte ihre Gildehaus als schwach bezeichnet haben, doch die Regentin arbeitete all seinen Anschuldigungen zum Trotz mit ganzer Kraft dafür, Stabilität in Finstertal einzubringen. Im Gildehaus, aber auch in der Stadt. Daher war ein Besuch bei Lena absolut notwendig.

Die Akkademie lag verlassen da. Offenbar waren alle von Lenas Besuchern bereits wieder weg. Caitlin konnte sich lebhaft vorstellen, dass diese heute bei ihr Schlange gestanden hatten. Ein Grund mehr, mit ihrem Besuch zu warten, bis etwas Ruhe eingekehr war. Nichts hasste sie mehr, als in wichtigen Gesprächen gehetzt zu werden, weil der nächste bereits auf der Matte stand.

Sie ging den vertrauten Weg zur Akademietür und blieb einen winzigen Augenblick verdutzt stehen. Die Tür war offen - wie ungewöhnlich. Das Licht in dem Vorraum brannte, die Tür zum Büro selbst war geschlossen. Caitlin horchte mit Auspexverstärkten Sinn, ob sie in ein Gespräch oder eine gefährliche Situation platzen würde, aber als alles still war, betrat sie die Akademie und klopfte. Den Spiegel ignorierte sie, sie wusste, dass alles tadellos war. Einen Mantel oder eine Tasche trug sie nicht bei sich. Ein paar Sekunden wartete sie auf eine Antwort.
 
Danke der umfassenden Überwachung wusste Lena natürlich, dass die Regentin der Tremere persönlich vor den Türen der Akademie stand. Wo bei allen anderen vorher noch durch reine Stille auf den Versuch des Klopfens reagiert wurde, erklang hier ein höfliches und glockenhelles "Herein!"

Zur Begrüßung Caitlins hatte sich Lena von ihrem Platz erhoben.
Entgegen ihrer eigentlichen Position hatte sie hinter dem Schreibtisch der Sekretärs oder bestenfalls Seneshalls Platz genommen. Das eigentliche Büro des Prinzen war noch immer unberührt.

Als die Tremere eingetreten war, empfing die Prinz sie mit warmen Worten.

"Guten Abend, Caitlin! Schön dich zu sehen. Was führt dich zu mir?"

Es gab einen Haufen Gründe warum die Regentin auf ein kurzes Gespräch vorbeikam. Anna Reebens Verurteilung, das neu besetzte Amt, die Geschehnisse der vergangenen Nächte, der Brand im Gildehaus, Grimms leidige Anwesenheit in der Stadt oder einfach nur offene Fragen zur Zukunft. Was das anging hätten die beiden Frauen mehrer Tage inniger Diskussion verbringen können. Lena war gespannt, welcher dieser Punkte den Anfang übernahm.
 
Caitlin lächelte bei der warmen Begrüßung und als Lena eindeutig auf das Du schwenkte, dass bislang zwischen den beiden Frauen nie richtig ausgesprochen war. Tatsächlich hatte sie einiges auf dem Herzen und vielleicht kam im Laufe des Gespräches noch etwas dazu. Und wie Caitlin gestrickt war kam sie als erstes auf das Wichtigste, und das war für Caitlin immer das Wohl des Gildehauses was aber bei ihr absolut gleichbedeutend mit der Stabilität der Stadt war.

Sie trat also auf Lena heran nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte und verneigte sich leicht. „Guten Abend Lena. Ich habe einiges Bürokratisches für die Akten, was im Prinzip auch bis morgen Zeit gehabt hätte. Aber nach meinem Gespräch mit Anna Reben vor ein paar Minuten fand ich es doch wichtig heute noch vorbei zu kommen. Auch wenn ich vermute, dass heute die Besucher auf deiner Matte Schlange gestanden haben. Der erste Abend ist doch immer der Schlimmste, ist es nicht so?“ Sie schmunzelte, fügte aber gleich hinzu: „Oh, ich bin nicht hier, um über das Urteil oder den Tathergang zu diskutieren. Ich möchte vielmehr wissen, wo ich mithelfen kann, die Maskerade wieder herzustellen. Meine Fähigkeiten im Bereich Dominate sind ausreichend um einiges wieder grade zu rücken.“
 
Damit wurde ein großer Brocken von Lenas Seele genommen. Nach ihrem Urteil hatte sie, nicht unbegründet, befürchtet dass die Tremere gegen das Strafmaß protestieren würden. Und wenn es nur aus Prinzip war...

"Bisher habe ich die Lage mehr oder weniger im Griff. Polizei, Feuerwehr und Presse sind glücklicherweise noch immer unter Kontrolle der Akademie. Allerdings haben sich die diesbezüglichen Kosten in den letzen beiden Jahren vervierfacht. Einige Zeugen aus den Reihen der Mafia haben sich meiner Kontrolle entzogen, ich bin aber guter Dinge dass ich ihrer noch heute Nacht habhaft werde."

Sie deutete der Tremere Platz zu nehmen und setzte sich selbst ebenfalls wieder.

"Viel wichtiger ist, dass wir in unseren eigenen Reihen für Ruhe sorgen. Die letzten Tage und Wochen waren derart turbulent und von kritischen Situationen durchsetzt, dass für viele die eigentlichen Grenzen der Traditionen verwischt sein dürften. Einigen fällt es schwer zu verstehen, warum nun wieder verboten ist, was gestern noch erwünscht und richtig war. Ähnlich wie bei Soldaten die aus Kriegseinsätzen zurückkehren, leidet der ein oder andere an der svermeintlichen Sinnlosigkeit der Normalität. Hier gilt unser höchstes Augenmerk, besonders über die Grenzen des eigenen Clans hinaus. Aus diesem Grund habe ich auch die Caitiff als Clan bestehen lassen. Eigentlich vollkommen unnötig und grundlegend kontraproduktiv, kann es vielleicht diese neue Form der Wertschätzung sein, die aus einem Haufen Protestler eine halbwegs funktionierende Gemeinschaft formt."

Man mochte über diesen Punkt geteilter Meinung sein, Lena aber hatte große Hoffnung.

"Ein weiterer Punkt, der mir große Sorgen bereitet, ist der immer weiter um sich greifende Krieg der Mafia. Hier sehe ich ein sehr hohes Gefährdungspotential. Leider erstrecken sich meine Kontakte nicht in diese Richtung, weswegen ich hier auf Hilfe angewiesen sein dürfte. Darum aber kümmere ich mich, wenn endlich dieses verfluchte Gemälde zerstört ist! Nichts jemals hat mir grrößere Bauchschmerzen bereitet als dieses verfluchte Stück Leinwand!"
 
Caitlin hatte selbstverständlich Platz genommen. Sie nickte auf die Ausführungen zur Einflussnahme der Akademie und meinte dazu: „Das ist gut zu Hören. Wenn es unerwartete Schwierigkeiten geben sollte, bin ich gern bereit, nach Kräften zu helfen, das weißt du.

Was den Clan der Caitif angeht müssen wir vorsichtig sein. Ja, zurzeit ist der Nutzen deutlich höher als das Risiko. Sie mit sich selbst zu beschäftigen und ihnen das Korsett der Camarilla umzuschnüren ist erstmal ein guter Schritt und hilft uns dabei, Finstertal wieder in ruhige Bahnen zu lenken. Wir sollten uns aber auch bewusst sein, dass wir ihnen dadurch beibringen sich selbst zu organisieren und ein Wir-Gefühl zu erlangen. Sie sind viele und Finstertal wird sie anziehen wie die Fliegen. Grade bei den Caitiff sollten wir – was unsere Einbürgerungspolitik angeht zukünftig sehr wachsam sein.
Hm, das ist so ein gefährlicher Punkt, den ich sowieso ansprechen wollte. Ich spreche jetzt einfach offen, denn vorsichtiges Drumrumgerede ist so unglaublich zeitintensiv und wenig zielführend.“

Caitlin wartete kurz auf irgendeine Reaktion der Prinz. Sollte diese energisch protestieren, würde sie innehalten, aber so recht erwartete sie das nicht. Daher fiel die Pause sehr kurz aus bevor sie weiter sprach. „Folgendes Szenario: Ein Caitiff kommt in die Stadt, und bekommt von irgendwem den Weg zur Akademie gewiesen. Stellt sich als Caitiff vor, bekommt die Mappe mit Ansprechpartnern und Nummern aller Clans und hat 48 Std Zeit sie auszufüllen und wieder vorstellig zu werden. In dieser Zeit kann man nichts von ihm prüfen, und bei Caitiff ist es eh fast ausgeschlossen Leumunds und Herkunft zu prüfen. Der Gast – möglicherweise ein Sabatmitglied - hat derweil alle Informationen die er benötigt mit jedem der Primogene persönliche Treffen zu vereinbaren und diese der Reihe nach in einen Hinterhalt zu locken. In 48 Stunden sollte es kein Problem sein, so die Stadtführung großteils auszuschalten. Nenn mich paranoid, aber dies ist eine ziemlich gefährliche Vorgehensart. Schon das du persönlich hier im Vorraum die Gäste empfängst ist wagemutig, von deiner offenen Tür draußen gar nicht zu reden. Ein Test, der interessante Ergebnisse bringen kann, vermute ich stark. Dennoch gefährlich, wir haben niemanden mehr in Petto, auf den sich die Streithähne namens Primogene einigen könnten, mein Prinz.“ Caitlin lachte leicht selbstironisch und machte dadurch klar, dass sie dies niemals in Erwägung ziehen würde. Sie stand zu ihrer Entscheidung und die war nun einmal Lena. Es wurde aber auch deutlich, dass Caitlin Lena sehr wohl den Respekt zustand, der einer Prinz angemessen war, mit ihren Worten und ihrer Meinung dennoch nicht hinter den Berg hielt und aussprach, wovon sie dachte, dass es wichtig war. Es war nicht der richtige Zeitpunkt zu schleimen und kriechen war nicht Caitlins Art. Sie fügte ihren Worten hinzu: „Ich hätte da einige Vorschläge, die es Eindringlingen erschweren könnten, ohne den Gästen das Gefühl des Willkommens zu nehmen. Wenn du magst, können wir - gerne kurzfristig - darüber sprechen oder ich fasse sie dir als Bericht zusammen.

Lena hatte aber noch etwas Interessantes ausgesprochen. Der Mafia-Krieg. Sie wurde wieder ernster und meinte dazu: „Was die Kämpfe der Menschen untereinander angeht, ist das auch in meinen Augen eine heikle Angelegenheit. Hat nicht Ziegelowskie die Waffen in der Stadt bislang reglementiert? Haben sich die Gruppen in der Zwischenzeit von Außerhalb Nachschub besorgt? Ich stecke in der Thematik nicht so drin, Waffengeschäfte und Untergrund waren nie mein Part, aber so wie der Bericht von Frau Reben klang, ist sie allerdings genau in jenen Krieg geraten, von dem du sprichst. Sie hat sich offensichtlich einen Kontakt zu diesem Subjekt namens … wie hieß er noch gleich… Herr Kameniev, glaube ich. Jedenfalls hat Frau Reben die Telefonnummer und er scheint ein Mitglied, vielleicht sogar ein höheres Mitglied dieser Sekte zu sein. Vielleicht kommen wir über diesen Weg an die richtigen Menschen heran?“ schlug Caitlin nachdenklich vor. Auf das Gemälde ging sie außer mit einem Nicken, nicht ein. Bewusst nicht. Eigentlich ein deutlicher Hinweis, der die dringliche Bitte offenbarte, sie nicht mit der Vernichtung jenen Objekts zu betrauen. Brachte sie das doch in direkten Konflikt zu ihrem Clan. Was die Prinz ihr allerdings damit anvertraute war: Das Bild befindet sich sicher nicht auf dem Weg zur Guil und sie hat weiter vor es zu vernichten. Caitlin beschloss, dass sie das einfach falsch verstanden hatte. Ganz sicher. Manchmal war es besser sich selbst zu belügen.
 
"Vielen Dank für das Angebot!"

Hilfe war so nötig wie willkommen. Nicht unbedingt zu dieser Sekunde, aber mit Sicherheit langfristig. Lena beabsichtigte Finstertal in eine neue Zukunft zu führen. Friedlicher, vor allem aber sicherer! Dazu gehörte es auch, sich die tatsächlichen Meinungen der anderen Primogene anzuhören, offen, direkt und unverblümt. Die Prinz war weit davon entfernt, sich als unnahbare Monarchin zu fühlen deren Macht sich wie ein dunkler Schleier über die Stadt legte. Im Gegenteil, für Lena war es eher eine Herausfroderung. Der Posten eines Managers, ähnlich ihrer Aufgaben damals im Cafe de Trois... nur eben viel Größer und mit sehr viel mehr Schwierigkeiten.

"Ich danke dir für deine Sorgen, Caitlin und ich höre mir deine Verbesserungsvorschläge mit Vergnügen an. Gerne auch jetzt sofort. Allerdings bin ich nicht ganz so naiv, wie es vielleicht den Anschein hat. Lass mich dir dazu ein oder zwei Dinge erklären. Die offene Tür durch die du getreten bist, ist tatsächlich ein Test. Aber sie ist auch ein Symbol. Heute Nacht steht jedem Kainiten die Tür zu Akademie offen. Jeder, auch Unfreie darf zu mir treten und mir seine Sorgen oder seinen Ärger vortragen. Selbst wenn jemand mir nach dem Leben trachten sollte, wird ihm der Zugang nicht verwehrt. Dies ist meine erste Nacht als Prinz, als gewähltes Oberhaupt das auf nicht wenig Widerstand gestoßen ist. Ich habe meinen Mann verraten und manch einer mag denken, dass dies alles hier von langer Hand geplant war. Da ich derzeit noch keinen fähigen Sekretär gefunden habe und sowieso gezwungen bin meine Besucher persönlich zu begrüßen, dachte ich dass es vielleicht auch eine gute Idee wäre meine Feinde frei willkommen zu heißen.
Ab morgen werde ich die Tür wieder verschließen und somit verdeutlichen, dass ich nun mein Amt zur Gänze übernommen habe und alles wieder seinen gewohnten Gang im Sinne der Camarilla geht.
Bezüglich der gefährlichen achtundvierzig Stunden, die einem Neuankömmling in der Stadt zur Vefügung stehen, habe ich ebenfalls nachgedacht. Olivers Überzeugung bestand darin, dass Angereiste sich nur dann freiwillig melden, wenn sie das Gefühl haben nicht zu sehr unterdrückt oder überwacht zu werden. Daher auch die Zimmer im 'El Privilegio'. Besser einen Feind in der Akademie, als irgendwo versteckt in den Schatten. Darüber hinaus, unterhält die Camarilla ein recht ordentliches System der Überwachung. Zumindest bei Namhaften Sabatti würde ich im Vorfeld informiert.
Nichts desto trotz hast du recht mit deinen Anmerkungen. Ich selbst habe diverse Änderungen geplant, die ich während des nächsten Balles verkünden werde. Diesen plane ich für den einundzwanzigsten Mai. Sozusagen als offizielle Amtseinführung mit der ein oder anderen gesetzlichen Überraschung."

Ein aufrichtiges Lächeln folgte.

"Im Idealfall auch mit einer neuen Sekretärin! Allerdings will ich bei der Suche nichts übers Knie brechen und lieber auf Qualität achten, als auf eine schnelle Besetzung einer vakanten Vertretung."

Eine langer Monolog, aber notwendig um Caitlin umfassend über die anstehenden Planungen zu informieren. Wenn Lena etwas aus den Hinterlassenschaften ihres Mannes übernehmen wollte, dann die enge Zusammenarbeit mit den Tremere.

"Die Streitigkeiten der Mafia sehe ich ebenfalls als großes Problem. Hierbei würde ich dankend jede Hilfe annehmen, da ich eigentlich überhaupt keine Zeit habe, mich damit zu beschäftigen. Ich gedenke diesbezüglich Sarah Schmidt, eine Ventrue und langjährige Partnerin Marty Zieglowskis, zu reaktivieren. Sie ist bestens vertraut mit Zieges Kontakten und durchaus befähigt ihre Teil zur Befriedung zu leisten. Allerdings würde ich auch dankend die Hilfe deiner Leute annehmen. Wenn du denkst, dass Frau Reeben trotz ihrer Verfehlungen in der Lage ist, den Frieden zwischen den Parteien zu fördern, bin ich gerne bereit sie es versuchen zu lassen. So sie denn gelernt hat, sich bezüglich ihres Wesens etwas bedeckter zu halten!?"
 
„Ich danke dir für deine Ausführungen und ich sehe mit Erleichterung, dass du dir sehr viele Gedanken dazu gemacht hast. Das gibt mir Hoffnung und langsam bin ich zuversichtlich, dass wir Finstertal wieder befrieden können. Und was Annas zukünftige Einhaltung der Maskerade angeht, dafür werde ich persönlich sorgen. Als ihr Vormund fällt sie ab sofort in meine Verantwortung. Das vielleicht für die Akten. Und wo wir beim Thema sind, Herr Grimm hat heute nach die Stadt verlassen und ist nach Wien zurück gekehrt. Auch Herr Aetherius ist keine Bürger von Finstertal mehr. Mein Gildehaus ist also massiv zusammengeschrumpft. Das gehört zu den bürokratischen Dingen, die eigentlich Zeit bis morgen gehabt haben. Aber mit der Wahrung der Maskerade und Planung der Amtseinführung wird sich dein Stress in den nächsten Nächten kaum bessern. Du brauchst wirklich dringend jemanden, der dich unterstützt. Hast du vor einen Guhl ins Vorzimmer zu setzen oder möchtest du jemand aus den Reihen der Kainiten, der dir zuarbeitet?“ Caitlin lächelte schief und fügte schulterzuckend hinzu: „Es wird mir eh unterstellt werden, ich würde mir den Posten unter den Nagel krallen wollen, da kann ich mich also genau so gut offiziell darum bewerben. Ich biete ich dir hiermit meine intensive Mithilfe als Seneshall an, Lena. Wenn du es in Erwägung ziehen würdest, fühle ich mich geehrt. Ich möchte einfach, dass du weißt, dass du mit mir rechnen kannst und nicht, das es später heißt, warum hast du nichts gesagt.“
 
Grimm und Aetherius hatten die Stadt verlassen, damit waren zwei unberechenbare Faktoren aus Finstertal verschwunden!
Nicht schlecht für den Anfang...

Blieb Caitlins Angebot.

"Eine interessante Idee! Für mein Vorzimmer hatte ich an einen Ghul gedacht. Dieser soll sich den kleineren Problemen und den Standardgeschäften wie den ersten Vorstellungsgesprächen annehmen. Außerdem soll er darüber entscheiden ob mir jemand vorgestellt wird, er soll die Personalakten auf dem neusten Stand halten und einen möglichst genauen Überblick über allem behalten. Dir als Seneshall würde meine Vertretung obliegen. Du hättest freien Zugang zu allen Räumenlichkeiten der Akademie, wie zum Beispiel der Kellerräume oder der Bibliothek. Du würdest allem voran das Vorgehen von Sheriff und Geißel koordinieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit leisten. Die höchste Gerichtsbarkeit würde natürlich weiter allein mir anheimfallen, allerdings hättest du ebenfalls die Befugnis Strafen auszusprechen, wegen derer du dich alleine mir gegenüber verantworten müsstest. Ebenso hättest du Kontrolle über die Statusverteilung in Finstertal, was die Existenz einer Harpyie letztlich unnötig machen würde."

Das Aufgabengebiet des Seneshall würde sich damit geringfügig ändern.
Nicht unbedingt zum schlechteren, wie Lena dachte.

"Du könnest weiter vom Gildehaus oder der Tremereburg aus agieren und wärst nicht an die Akademie gebunden. Außerdem ständest du außerhalb jeglicher Gerichtsbarkeit. Nun zumindest jeglicher außer meiner."

Es folgten ein Lächeln und ein Augenzwinkern.

"Allerdings dürftest du, aufgrund deiner bedeutenden Stellung, fortan nicht mehr aktiv an Expeditionen oder Einsätzen teilnehmen. Deine Rolle wäre, wie die meine auch, mächtig aber passiv. Wenn du damit leben kannst, würde ich dich bei der kommenden Primogensitzung für dieses Amt vorschlagen. Mein Vertrauen hättest du..."
 
Irgendwie klang es, als hätte sie sich deutlich vorher damit auseinander gesetzt. Für einen spontanen Einfall hatte Lena einfach zu viele Fakten zu bieten.
Nicht mehr an vorderster Front kämpfen? Schade, es machte Spaß. Auf der anderen Seite Seite gab es deutlich geeignetere Kainiten in Finstertal dafür. Warum also nicht. Und so wie Lena es formulierte hatte es deutlich mehr Positives als erwartet. Also JA! Caitlin schelmisches Lächeln wurde ehrlich erfreut und sie antwortete nachdem sie sich Lenas Worte genau durchdacht hatte: „Ob ich damit Leben kann? Herzlich gern. Ob passiv oder aktiv Einsatz zeigen kann ich in jedem Fall. Und das Angebot, die Tätigkeit von der Burg aus auszuführen nehme ich sehr gern in Anspruch. Wir haben vor kurzfristig umzuziehen. Das bedeutet viel weniger Fahrtweg.“
Caitlin stutzte und meinte ernst: „Vielleicht nicht der passende Augenblick. Aber haben wir mittlerweile eine Erklärung, was die Unfälle verursacht hat? Läuft da eine Untersuchung oder gehst du tatsächlich von Zufall aus?“ Der Zweifel in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
 
"Genaueres kann ich derzeit noch nicht sagen. Ich habe mit einigen meiner Leute bei der Polizei gesprochen und es scheint, als wäre eine verrückte Frau mitten im Tunnel aus einem der Fahrzeuge gesprungen und auf die Fahrbahn geraten. Einer der nachfolgenden LKW konnte nicht mehr bremsen, was wiederum eine katastrophale Kettenreaktion auslöste. So zumindest ist die offizielle Version dessen, was dort geschah. Unter der Hand fielen Worte wie Geister oder Weiße Frau. Wenn das stimmt müssen wir annehmen, dass es Mina gewesen sein könnte. Vielleicht als Racheakt für unseren Wortbruch in der Mine. Wer weiß schon, was solche Wesen antreibt? Wirklich gesichert ist das alles aber nicht. Mir fehlte bisher die Zeit der ganzen Sache En Détail nachzugehen."

Noch so ein Problem, dass ungelöst in der Luft herum hing. Manchmal zweifelte Lena daran, dass aus dem tosenden Chaos in Finstertal irgendwann einmal eine friedliche Heimat werden könnte. Die Stadt war wie eine Hydra, für jedes beseitigte Problem wuchsen zwei weitere nach.

"Es freut mich, dass du den Job übernehmen willst. Du warst schon länger meine erste Wahl, wenn ich ehrlich bin. Ich gedenke am Zwanzigsten eine Primogensitzung einzuberufen. Dort werden wir deine Verpflichtung zur Seneshall dann amtlich machen, wenn du nichts dagegen hast?"
 
„Mina. Ja, das läge sicher im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Das bedeutet aber auch, dass sie sich erholt hat und wieder an Stärke gewonnen hat. Um dieses Problem sollten wir uns kurzfristig kümmern. Ich fürchte, es ist mit Absperren der Miene nicht getan.“ erwiderte Caitlin und nickte schließlich auf Lenas Vorschlag zur Primogensitzung. „Gerne. Ich halte mich bis dato selbstverständlich bedeckt.“

Dann wandte sie sich dem nächsten zu, dass sie auf dem Herzen hatte. „Ich weiß nicht genau, wie du es mit Guhlen siehst. Ich benötige Hilfe bei diversen dieser modernen Computerdinge, ohne die heute kaum einer mehr auskommt. Leider sind die Daten derart empfindlich, dass ich niemals einen ungebunden menschlichen Experten Einblick nehmen lassen würde. Und da ich möchte, dass sich Gabriel auf dem Gebiet ebenfalls weiterentwickelt, ist mit die Wahl einer weiteren Guhl in den Sinn gekommen. Parallel dazu ist zwar das Gildehaus geschrumpft, Maria wird die Instandhaltung der Burg aber niemals alleine stemmen können. Somit benötigt das Gildehaus selbst noch einen Hausmeister. Auch hier wäre im Sinne des Maskeradeschutzes ein normaler Angestellter kaum machbar. Wie ist deine Meinung dazu?“ fragte Caitlin in Anbetracht von Lenas jahrzehntelanger Skaverei vorsichtig. Doch waren nicht die meisten Kainiten vorher Guhl gewesen? Selbst Caitlin hat einige Jahre Blut-Sklaverei hinter sich. Nur lag das deutlich länger zurück als bei Lena.
 
"Ich denke nicht, dass es mit der Vernichtung der Mine getan ist!? Wie es scheint kann Mina, so sie denn tatsächlich für den schweren Unfall verantwortlich ist, sich frei innerhalb des Berges bewegen. Vielleicht sogar darüber hinaus. Nichts desto trotz hast du natürlich recht, ein Wesen wie sie können wir nicht tolerieren. Sie ist boshaft, sadistische und scheint keinerlei moralische Grenzen zu besitzen."

Leider würden die beiden Frauen das Problem um diesen Geist nicht so ohne weiteres lösen können. Auch diese Angelegenheit war eher etwas für die dringend nötige Primogensitzung.

"Alle Ghule müssen fortan registriert werden. Bei der Vielzahl an getöteten Kaniten in den letzten Wochen, gleicht es einem Wunder dass wir es hier in der Stadt nicht mit einem Aufstand durchgeknallter Exsklaven zu tun haben, die nach Vampirblut lechzen. Früher hat sich Butch Hansen auf seine ganz spezielle Weise um diese Art der Hinterlassenschaft gekümmert. Gründlich und ohne gesonderte Aufforderung. Diesen Luxus haben wir heute nicht mehr. Also will ich wenigstens wissen wieviele Ghule in der Stadt leben, wo sie wohnen und wie man ihrer im Notfall habhaft werden kann. Ich plane, jedem Kainiten grundsätzlich einen Ghul als Helfer und Beschützer zuzugestehen. Ahnen und Amtsinhaber können sich eine zweite Hilfe suchen, so sie diese denn benötigen. Alles was darüber hinausgeht, muss über die Akademie beantragt und genehmigt werden. So verhindern wir auch, dass wichtige Kontaktleute gewaltsam an einen neuen 'Besitzer' gebunden werden. Dir als Seneshall obliegt es, die Einhaltung dieses Gesetzes zu überwachen. Verstöße zu bestrafen und Sondergenehmigungen zu erteilen. Also stellt sich das Problem für dich erst gar nicht..."
 
Fast hätte es sich Caitlin gedacht, aber sie es war besser es abzuklopfen, als hinterher einem Missverständnis zu unterlegen. Sie beiden betraten Neuland. Lena als Prinz und Caitlin als Seneshall. Während Lena aber viele Jahre einem Prinzen bei der Arbeit helfen und von ihm lernen durfte, war Caitlin 2-3 Tage ins kalte Wasser geworfen worden. Dieses Mal gab es hoffentlich einige Tipps und Anleitungen. „Das ist gut zu wissen. Dennoch sollte ich mit gutem Beispiel Voran gehen. Und wenn du Hilfe brauchst, bis du eine passende Sekretärin für das Vorzimmer gefunden hast, so kann ich dir gerne Gabriel nochmals stundenweise zur Verfügung stellen. Es wird morgen im Laufe des Tages von seiner Reise zurückkehren und hat ja schon einiges an Erfahrung. Nur falls du nicht weißt wo dir der Kopf steht und du seine Hilfe möchtest.

Wunderbar, dann habe ich erstmal nichts mehr und möchte deine Zeit nicht über die Maßen strapazieren.“ Sie lächelte. Zwar hatten sich noch keine weiteren Besucher eingefunden, aber wahrscheinlich war das eher Zufall und würde sich rasch ändern. Eine Anregung hatte sie aber dennoch mitgenommen. Die drei Frauen waren von nun an allein im Gildehaus, wenn man von einer Dienerin, einem Bücherwurm (Gabriel) und Katharinas Assistenten (augenscheinlich Kampfunerfahren) absah. Und als Seneshall war sie noch eher Zielscheibe. Nicht dass eine Tremere nicht wehrhaft war, ein gewisser Schutz war aber vielleicht sinnvoll. Die Regentin würde darüber nachdenken. Eines wunderte sie noch. Was war aus Romero geworden?!? Sie hatte irgendwie erwartet, ihn im Vorzimmer vorzufinden. Und nun suchte Lena neu? Aber die Frage sprach sie nicht aus.
 
"Oh und eines muss ich noch hinzufügen, ich habe die Vormundschaft für Judith abgetreten. Sie hat Finstertal bereits verlassen und ist nach Warschau zu Lord Johardo zurückgekehrt. Ich konnte es mit dem Urteil nicht vereinbaren, sein Kind zu erziehen. Das bedeutet zwangsläufig Kontakt. Ich schätze mal, dass Sie dich morgen Nacht anrufen wird." meinte Caitlin schließlich noch.
 
"Eine gute Entscheidung!"

Judith war in der Tat ein nicht zu berechnendes Problem. Sie stand Johardo in absoluter Treue gegenüber und war über unzählige Geheimnisse informiert. Einem Ghul entgeht nur wenig, weil Vampire ihre Sklaven als absolut willenlos und gefügig erleben. Nie würde ein Ghul seinen Herrn verraten. Bis er irgendwann selbst zu Kainiten wurde und das Ketten der Sklaverei von dem ein oder anderen abfiel. Manchmal direkt nach der Zeugung, manchmal erst Dekaden oder Jahrhunderte später. Dann aber war es meist zu spät und die Geheimnisse auf dem Weg.
Johardo war kein Mann der solche Risiken einging. Nach Ansicht der Prinz war das arme Mädchen so gut wie Tod...

Armes Mädchen? Auch Judith zählte einst zu meinen engsten Freunden. Vielleicht enger mit mir verbunden als Toni oder Sarah. Warum nur ist es mir dann so dermaßen egal. Judith geht ihrer Vernichtung in Warschau entgegen und alles was dir einfällt ist... armes Mädchen!

"Ich danke dir für das Hilfsangebot, aber ich denke ich bekomme das alles auch so organisiert. Sollten mir die Geschäfte und politischen Ränge dennoch über den Kopf wachsen, melde ich mich bei dir!?"
 
Irgendwie bezweifelte Caitlin, dass Johardo sein Kind Judith vernichten würde, anbetracht der Umstände ihrer Zeugung. Das Ritual war schließlich nicht ohne Mühe und nur um sie schließlich umzubringen... Unwahrscheinlich.
Da sie von Lenas Gedanken aber nichts ahnte, antwortete sie:“ Sicher doch.“ und sah Lena schmunzelnd an. Sie hatte nichts mehr, aber aufstehen war auch nicht. Seneshall hin oder her: Die Prinz beendete das Gespräch.
 
Was sie auch tat.

"Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit, Caitlin, und blicke der Zukunft nun noch ein klein wenig optimistischer entgegen."

Tatsächlich hielt Lena diese Entwicklung für eine ihrer besseren Entscheidungen. Nicht nur, weil Caitlin eine fähige Anführerin und (mittlerweile) gute Freundin war, sondern auch aus rein politischen und strategischen Gesichtspunkten. Die Stadt Finstertal hatte Johardo ins Exil gezwungen und würde das Gemälde vernichten, das der Clan der Hexer so sehr begehrte. Aktionen die förmlich nach Vergeltung schrien!

Caitlins Ernennung zur Seneshall würde ein Zeichen dagegen setzen und unbedachte Racheakte etwas schwerer fallen lassen. Zumindest moralisch, denn auf diese Weise würde Clan Tremere sich öffentlich auch gegen eine der Seinen stellen müssen. Eine schwache Hoffnung,... zugegeben. Aber wer sonst nichts zu verlieren hatte, der Griff nach jedem Strohhalm.

"Ich werde mich bei dir melden, sobald ich einen fähigen Sekretär gefunden habe. Es gibt viele vielversprechende Talente in der Akademie. Bis dahin wünsche ich dir einen angenehmen Abend!"
 
Zurück
Oben Unten