Einfluss [13.05.2008] Alte Bekannte - neue Bekannte

"Ist das nicht vielleicht etwas hoch angesetzt? Außerdem schadet man so auch eher den kleinen Leuten. Und in der Regel führt das bloß zu Unzufriedenheit, was unter anderem der rechten Szene Zulauf verschafft. Das kann ja wohl nicht das Ziel sein, oder?"

Wenn die Zeit mit Phillip irgendwo Spuren hinterlassen hatte, dann bei der Ablehnung gegenüber rechtsextremen Gruppen. Ihre eigenen Erfahrungen - die wohl auch eher daher kamen - taten das übrige. Kapitalisten standen, solange sie sich nicht zu reinen Schädlingen entwickelten, überhaupt nicht auf ihrer 'Feindesliste'. Es kommt ganz auf den Einzelnen an...

"Auf jeden Fall wäre es von Vorteil, wenn man den Einfluss solcher Institutionen beschränken könnte, ohne gleich alles ins Chaos zu stürzen."
 
"He - wir sind links, Schwester. Wir müssen agitieren und es herrscht immer noch Klassenkampf, mit einer Beschwichtigungshaltung erreichen wir garnichts, dann machen die Bonzen und das Kapital weiter wie bisher."
 
"Wer redet denn von Beschwichtigung? Ich ziehe bloß das 'Für uns.' dem 'Gegen die!' vor. Was nützt ein Kampf ohne Gewinner? Nichts!"

Marta konnte nicht ganz verstehen, wie man kostbare Energie verschwendete um den allgemeinen 'bösen Kapitalisten' zu bekämpfen, anstatt sich um die naheliegenderen Probleme zu kümmern. Speziellere, greifbare Probleme. Eines davon war, dass scheinbar jeder seinen ganz persönlichen Kreuzzug führen wollte. Der eine gegen Nazis, der andere gegen Bonzen und wieder andere gegen Krieg und Gewalt. Am Ende hängt das oft zusammen - aber man muss auch irgendwo starten.

"Einfach nur wahllos 'agitieren' bringt nichts. Man muss die einzelnen Krebsgeschwüre finden und herausschneiden ohne den Patienten zu töten. Oder würdest du das lieber tun, nur um dem Krebs zu schaden? Das kann ich nicht glauben."
Geht es um Gerechtigkeit? Oder nur um Neid?
 
"Man kann kein Omlett machen ohne Eier zu zerschlagen. Die Reaktion wird jede Veränderung in Richtung des Proletariats zu verhindern verstehen wenn wir uns auf deren Spiel einlassen, also argumentieren und für Verständnis bei Medien und in der Gesellschaft zu werben. Wir müssen den Kerlen Druck machen das ihnen das Wasser im Arsch kocht, erst dann passiert was. Wenn wir auf liberal und intellektuell machen werden wir doch nur verscheissert."
 
"Dann müssen wir eben auf unserem Terrain kämpfen..."

Dazu brauchte man Gleichgesinnte, ein Ziel und einen Plan. Einen realistischen Plan, mein Freund. Weiter musste sie aufpassen, dass sich die Bewegung nicht gegen die Interessen bestimmter Blutsauger richtete, zumindest fürs erste. Wenn ich wüsste wie stark die rechte Szene hier ist! Noch ein Punkt auf ihrer Liste.

"Hast du bereits konkrete Eier für dein Omlett gefunden?"

Oder sind doch noch ein paar Faschos im Weg?
 
"Ich wollte einfach mal warten was sich bei der ganzen Bankenkrise so ergibt und dann warten bis bei den Finstertaler Kreditinstituten da was tut und die ersten Anleger anfangen zu jammern. Das sollten wir dann ausnutzen, um denen eine Stimme zu geben. Du weisst schon Interviews in den Medien, Demos usw. Darin dann auf soziale Missstände durch zu wenig öffentliche Mittel hinweisen, z.B. die schon immer unterbezahlten Pflegekräfte."
 
"Also abwarten und Tee trinken..."

Hast du nicht gesagt, es bringt nichts um Verständnis zu werben? Grundsätzlich war der Gedanke nicht schlecht, man wartete auf eine gute Position um dann loszuschlagen. Leider war man auch darauf angewiesen, dass sich eine solche ergab und sie auch erkannt wurde. Immer schön die Fühler ausstrecken.

"Auch nicht schlecht, solange einem niemand in die Suppe spuckt."
 
"Im Augenblick ist das besser. Wenn die Kacke erst richtig dampft finden sich auch neue Mitglieder für die Bewegung."
 
"Gut. Dann werde ich mich einfach mal umhören. Bist du jeden Abend hier oder wie kann ich dich erreichen?"

Die Antwort würde natürlich auch Aufschluss darüber geben, wieviel Vertrauen er ihr im Moment zugestand.
Also? Nummer? Treffpunkt? Man sieht sich schon?
 
Der Mann griff nach einem Bierdeckel und kritzelte eine mobile und eine Festnetznummer darauf. "So erreichst Du mich jederzeit, schlimmstenfalls Mobilbox bzw. AB. außerdem hat unsere linke Bewegung ein kleines Büro im Industriegebiet. Komm ruhig mal vorbei, ist nur ein kleiner Schuppen, aber Du findest dort Leute die mit uns sympathisieren. Das ganze heisst Erobert zurück was uns gehört."
 
Marta nahm die improvisierte Visitenkarte entgegen und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.

"Danke! Ich komm mal vorbei. Hoffe, das Büro ist auch abends noch besetzt?"

Sie ließ den Pappen in ihren Tasche verschwinden, zwinkerte ihm zu.

"Ich melde mich mal, wenn ich was erfahren habe - oder auch einfach so."
 
"Mach das und klar ist das Abends auch besetzt, kann nur sein das die Jungs und Mädels da schon einen im Tee haben. Aber warum nicht tagsüber? Biste ein Vampir der das Sonnenlicht meiden muss?" Er lachte laut auf und zwinkerte Marta schelmisch zu.
 
Sein Lachen war ansteckend, sie stimmte mit ein, sodass man ihre weißen Zähne sehen konnte. Es waren natürlich keine Fänge sichtbar.

"Na klar, im Land der Blutsauger muss man doch konkurrenzfähig bleiben! Nein, im Ernst: Ich habe tagsüber viel zu tun. Kann schon sein, dass ich es auch mal eher schaffe, aber wahrscheinlich wird es eher später."
 
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