Ängstlich

Blendwerk

Anonymous
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8. Juli 2004
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Ängstlich
(c) Bernd Mayer 2007
Zitternd stand ich vor der Kellertreppe. Die Dunkelheit verschlang das Ende der Treppe und der Rahmen erschien mir wie der Höllenschlund, der mich zu verschlinge drohte. Eine drohende Stimme aus dem Wohnzimmer schreckte mich aus meiner Agonie vor dem Keller auf. Mein Vater verlangte nach mehr Bier und ich sollte es aus dieser Kellerhölle herausholen. Ich, ein achtjähriger Junge, der kaum Freunde hatte und noch nicht mal ausserhalb der Stadtgrenze war. Ich wollte leben, noch etwas von der Welt sehen bevor ich starb. Der Keller sollte mein Ende sein. Doch ich nahm allen Mut zusammen und trat auf die erste Stufe. Knarrend gab sie etwas nach, das Knirschen erfüllte es den Raum unter mir. Meine Hand bewegte sich unsicher zum Schalter, er war alt, offene Kupferdrähte waren zu sehen und Staub und Spinnenweben lagen wie ein Leichentuch über dem kleinen Kippschalter. Eine einzelne, fast verlorenwirkende, kleine Glühbirne erwachte zart zum Leben und durchbrach nur etwas die allumfassende, ja fast körperliche Schwärze. Das Licht kämpfte sich durch die Dunkelheit und vertrieb die Monster in die Ecken. Sie wussten das ich komme, sie lauerten jedesmal auf mich. Langsam und mit kaltem Schweiss auf der Stirn kletterte ich die morsche Treppe herunter. Eine Sprosse in der Mitte war vor Jahren zersplittert und ich musste mich mit krampfhaften Händen am wackeligen Geländer festhalten, um diesen nach mir greifenden Spalt zu erklimmen. Darunter wartete das Treppenmonster auf mich, fuhr mit seinen Klauen sanft über die Unterseite meiner Schuhe. Es wartete nur auf einen Fehler von mir oder dass das Geländer endlich nachgab. Dann würde es mich haben. Doch ich sprang zum Ende der Treppe - unverletzt. Schnell rannte ich unter dem hoffnungvollen Schein der Lampe und verharrte einen Moment in ihrem kalten Licht. Im Keller stapelten sich Kisten, Umzugskartons, Geräteverpackungen, verstaubte Brettspiele und alte Möbel in grauen Laken. Also viele Verstecke für die Monster und ich war mir sicher das sie unter den Laken und in den Kartons warteten, bis das die letzte Glühbirne versagte. Neben der Waschmaschine stand mein Ziel, die Kiste voller Bierflaschen. Damit ich nicht nochmal hier runter muss war ich fest dazuentschlossen die ganze Kiste hochzuschleppen. Doch zu meinem Terror musste ich erkennen, dass sie halb im Schatten stand. In diesem Moment erscholl die wütende Stimme des Vaters durch das Haus. Nervös knabberte ich auf meiner Unterlippe und sah mich um. Ich musste das Monster irgendwie ablenken, das die andere Hälfte der Bierkiste in ihren schleimigen Tentakeln hielt. Ein Baseball und ein Baseballschläger lagen in Reichweite. Schnell griff ich danach. Der Schläger war in meiner Hand und der Ball in der Luft. Ich verfehlte. Der Ball lag vor meinen Füssen. Schnell, ich musste schneller machen, mein Vater wurde ungeduldig. Nochmal warf ich den Ball in die Luft, wieder daneben. Kein Homerun. Der letzte Versuch. Der Ball flog, ich schlug zu und traf mit voller Wucht. Donnernd traf der harte Baseball das Monster. Der Schatten verbarg zwar den Todeskampf aber der ungeheure Lärm von Geschirr und einem umstürzenden Regal liess mich an meinem Triumph nicht zweifeln. Sofort liess ich den Schläger los und rannte auf die Kiste zu. Zerrte meine Beute ins Licht. Fast geschafft. Mit unmenschlicher Anstrengung hob ich die Kiste und schleppte sich zur nun unendlich erscheinen Treppe in die rettende Küche. Ich hörte wie sich die anderen Monster zusammenrottenden. Jetzt musste ich schnell machen, das Licht wird mich vor ihrer Rache nicht lange retten können. Ich wuchtete die Kiste auf die Stufe vor mir, dann die nächste und so weiter. Schweissgebadet und schwer atmend erklimmte ich Stufe um Stufe. Stufe um Stufe, sie waren hinter mir und unter mir. Sie hissten und kreischten. Schlagartig war es auf einmal stockdunkel. Die letzte Glühbirne hat im Kampf gegen die Monster ihren letzten Funken Leben ausgehaucht. Vor Schreck liess ich die Kiste los und rannte um mein Leben. Die Kiste purzelte scheppernd die Treppe herunter. Weinend und kriechend rannte ich um mein Leben - die Treppe hoch. Plötzlich ging das Licht wieder an. Vor mir am Ende der Treppe stand mein betrunkener Vater. Er sah mich nur kurz an, sein hasserfüllter Blick starrte auf die riesige Bierlache, die im Scherbenhaufen am Ende der Treppe lag. Langsam zog er seinen Gürtel aus. Zitternd stand ich vor dem Monster.
 
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