Stayka schrieb:
...aber irgendwie habe ich den Eindruck, daß die neueren "Entertainer" immer flacher werden, damit das immer flacher werdene Publikum noch mitkommt.
Das ist nach der neuen und trotz Kirchentags immer breitere Glaubensbasis findenden Religion der "Selbstregulationskraft durch Angebot und Nachfrage", der aktuellen Religion des Primats der Wirtschaftlichkeit in ALLEN Dingen, nur verständlich.
Falls die (wie ich finde, irrige) Annahme stimmt, daß ein anspruchsvolles Angebot keine entsprechende Nachfrage hat, weshalb (und in diesem "weshalb" liegt der Schritt von Irrtum zu Fehlhandlungen) man meint, daß man um mehr Nachfrage zu bekommen den Anspruch eines Angebots herunterschrauben muß, dann liegt genau das bei Stefan Raab und auch bei Harald Schmidt (nur nicht ganz im Güllegrubenniveau von Raab) vor.
Wenn also ein feiner, sprachlich gewandter Humor, wie Loriots Glanzstücke sie z.B. darstellen, heute durch die allgemeine Bildungskrise und - schlimmer noch - Bildungsunlust gerade von Menschen im besonders aufnahmefähigen Alter nicht mehr verstanden werden KANN, dann reagieren Medien-Manager nach ihrer religiösen Überzeugung. Dadurch kommen solche nicht etwa skandalösen, oder primitiven, sondern einfach nur belanglosen, nicht einmal die Nützlichkeit eines Testbildes erreichenden Sendungen wie die von Raab oder gar die Container-Stasi-Nostalgie-Biotope und Superklon-Boot-Camps zustande.
Die knallharte Manager-Entscheidung nach Einschaltquoten = Werbeeinnahmenrelevanz ist ja aus dem Manager-Glauben noch verständlich.
Was mich aber vielmehr traurig stimmt ist, daß durch ein fehlendes Sprachbewußtsein gerade in den jüngeren Generationen einfach keine Inhalte mit einem nichttrivialen Anspruch überhaupt mehr kommuniziert werden können!
Eine Sprachdegeneration, wie sie unter anderem auch hier in diesem Forum bei so manchen Beiträgen nachweisbar ist, in denen tatsächlich nicht einmal mehr im Groben der Gedankengang des Autors kommuniziert wird, weil der Autor seine Unfähigkeit sich in einem Sprachgerüst bewegen zu können nicht überwinden kann oder will.
Sprache ist ein Regelgerüst für Laute, daß es Menschen erlauben soll miteinander zu kommunizieren. Diese Laute kann man seit ein paar Tausend Jahren in Schriftform festhalten, so daß auch heute noch Texte lesbar sind, deren Autoren längst zu Staub geworden sind. Das ist das Schöne an der Schrift.
Es gibt aber ausreichend Entwicklungen in unserer rein auf die Bildung der Bürger als Leistungsreserve angewiesenen Bundesrepublik eine, wie ich finde, deprimierende Entwicklung hin zu einem Kokettieren mit der eigenen, selbstgewollten Kommunikationsstörung. Heute ist es schick seine Sprache auffällig schlecht zu beherrschen. - Das zielt nicht nur auf die sich selbst "herausintegrierenden" russischen oder türkischen Bevölkerungsgruppen ab und deren Kauderwelsch aus Deutsch und Brocken der Sprachen ihrer Eltern (von Muttersprache kann da auch in vielen Fälle leider nicht einmal mehr die Rede sein), sondern auch und gerade auf die Sprachverderber in Nadelstreifen. Die Manager die heute "in 2005" sagen und noch nicht einmal merken wie blamabel das eigentlich ist, was sie uns als "Denglisch" vor die Füße kotzen ("Business Vomiting"). Oder Politiker, die NICHTS anderes als Sprache als ihren "Werkstoff" haben, aber diesen so schlecht beherrschen und so unbeholfen bearbeiten (Hallo, Frau demnächst-Bundeskanzer!), daß man sich auch hier wundert, ob sie nur Stimmen von Gehörlosen erhalten haben.
Eine Sprach-"verrohung" ist dies meiner Meinung nach. Nicht Verrohung im Sinne von brachialeren Ausdrücken, sondern Verrohung im Sinne einer Vergröberung der Sprache, eines Verlustes an feinen Nuancen, einer Reduktion der Ausdrucksmöglichkeiten und Ausdrucksintensitäten. Das ist für mich eine Verrohung der Sprache. - Statt wohlgegart und bekömmlich erhalten wir aus Medien, Universitäten und Chefetagen nur noch ungares Zeug, daß einem Krämpfe verursacht, falls man überhaupt den Mumm aufbringt diese verbalen Zumutungen herunterzuwürgen.
Wer heutzutage nicht mehr in der Lage ist halbwegs verständliche deutsche Sätze zu schreiben, an dem wären auch anspruchsvollere, subtilere, oder einfach nur intelligente Humoristen vor die sprachunkundigen Säue geworfene Perlen.
Insoweit haben wir tatsächlich die Humoristen, von denen die Mehrheit der Medien-Manger meint, daß wir sie verdienen. - Es liegt aber an uns allen SELBST, ob wir uns mit dieser Geringschätzung durch Medienmacher treffend eingeschätzt fühlen oder nicht.