Löwenclub Autor und Entwickler - Folgen unterschiedlichen Selbstverständnisses

Dies Thema ist aus dem ehemalien Löwnclub veröffentlicht worden.

Zornhau

Freßt NAPALM!
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Da liegt doch der Hase im Pfeffer: Autoren SCHREIBEN, sie DESIGNEN nicht...
Das sehe ich mehr als eine Ursache für die Deutsche Krankheit im Rollenspiel:

Deutsche Rollenspielschaffende sehen sich als BUCHAUTOREN.

US-Rollenspielschaffende sehen sich als GAME DESIGNER.

Daher ist bei deutschen Rollenspielschaffenden die Schwafeligkeit geradezu ein CHARAKTERZUG, während sie bei Spielmechanismen, beim Regelsystem-ANWENDEN mit schöner Regelmäßigkeit entweder nicht einmal das Regelsystem, zu dem sie gerade einen Unterstützungsband schreiben, wirklich kennen, verstanden haben, beherrschen, oder sich ein eigenes wischi-waschi-"Ach, ich habe eh keine Ahnung, wie funktionstüchtige Regeln aussehen könnten, darum biegt es Euch doch irgendwie zurecht."-Regelsystem aus den Fingern saugen.

Im Computerspielebereich wird von Gameplay gesprochen. Dieser Begriff ist für Papier-Rollenspiele meines Erachtens nicht anwendbar. - Was hier aber die Bedeutung des Gameplays einnimmt, sind FUNKTIONSTÜCHTIGE Regeln, die man VERSTEHT, die eine Basis für Ad-Hoc-Entscheidungen bieten, die robust und belastbar sind.

Zu solchen Regeln kommt man aber nur, wenn man sich als "Techniker", als kreativer "Entwickler" als "Konstrukteur" sieht. - NICHT, wenn man sich als "Künstler", "Wirklichkeitsveredler" und "Autor" mit dem Musenkuß sehen möchte.

Starallüren findet man ständig bei diesen "Künstlern" und liest sie aus ihrer niveauvollen Schreibe. Die ungekünstelten, ehrlichen Entwickler guter Spiele können auch mal als Stars gefeiert werden, aber sie setzen sich nicht in Szene und sie stellen NICHT ihr EGO vor die Spielbarkeit ihrer Werke!

In Deutschland gibt es sehr wohl viele Spiele-ENTWICKLER. Leute mit zupackendem, aufrichtigen Charakter, die einfach tolle Ideen für das Spielvergnügen anderer haben. - Im Brettspielbereich!

Die "German Games" sind ja als Markenzeichen ein Spiele-Exportschlager. Und deutsche Spiele-Entwickler wie der (inzwischen ja nicht mehr in Deutschland lebende) Reiner Knizia sind auf dem Teppich geblieben. Und das TROTZ 400+ entwickelter und produzierter(!) Spiele und über 10 Millionen verkaufter Exemplare.

Wo sind die Reiner-Knizias des deutschen Rollenspiels?

Nachdem ich eine zeitlang wirklich sehr auf Blue Moon abgefahren bin, wünschte ich mir ein ROLLENSPIEL von Reiner Knizia. Er kann so tolle, miteinander spannend verzahnte Mechanismen ersinnen, die einfach zu erlernen, aber erst mit der Zeit zu meistern sind, und dadurch auch nicht langweilig werden. Knizia kommt oft bei seinen Spielen vom "System" her und deren Thema wird dem Spiel dann erst später "übergestülpt". Daher ist die Spielmechanik auch immer so grundsolide und packend.

In dieser Qualität hätte ich gerne mal Rollenspiele gesehen. Und zwar Rollenspiele, die nicht nur immer dieselben Vorlagen-Regelsysteme klonen oder sich als "Plünderer" bei diesen bedienen bis die so geplünderten Regelsysteme vor Abscheu schreien und kreischen.

Brettspiele und Kartenspiele sind natürlich stärker "mechanikbestimmt" als die meisten Rollenspiele (weswegen viele "forge-ige" Spiele auch so "brettspielig" wirken und nicht wie Rollenspiele). Ist eine Spielform mechanikbestimmt, dann können sich hier Techniker ohne Starallüren leichter Anerkennung und damit mehr positive Entscheidungen von Verlagen ihr Spiel auch zu produzieren, verschaffen.

Rollenspiele enthalten aber neben der Mechanik auch viel mehr beschreibenden Text als man dies bei Karten- oder Brettspielen findet. Hierzulande wird dem Fluff aber durch die Deutsche Schwafeligkeits-Angewohnheit aber ein ÜBERGEWICHT gegeben, was verkappte Romanautoren dazu bringt, als "kleineres Übel" und mit aus dem Text förmlich spürbarem Widerwillen, Abenteuer und Unterstützungsbände für Rollenspiele zu schreiben, die in Ignoranz des Regelsystems, unter Beiseitelassen JEGLICHER Spielbarkeitsüberlegungen, als verkappte Romane (besser: als mäßig benotete Schulaufsätze) abgefaßt werden.

Und das führt dazu, daß es nicht nur mit der (Regel-)Technik hapert, sondern daß deutsche Rollenspielschaffende geradezu mit ihrer regeltechnischen Unfähigkeit KOKETTIEREN!

Dieses grundsätzliche Strukturproblem hierzulande führt dazu, daß wir immer noch die Deutsche Krankheit im Rollenspiel haben. Glücklicherweise ist die nicht ansteckend - was eventuell der Fall wäre, wenn es deutsche Rollenspiele nach England, in die USA oder - das wird sicher NICHT passieren! - nach Frankreich schaffen würden und dort zumindest wie hierzulande WarhammerFRPG oder GURPS eine grundsätzliche Bekanntheit erreichen würden (von einer Verbreitungsdichte deutscher Rollenspiele in Übersetzung, wie dies bei Shadowrun, Cthulhu, oder D&D hierzulande der Fall ist, wird ja nicht einmal ein Optimist träumen).

Wie beim Milchkaffee, wo Milch UND Kaffee reingehören, und man nicht nur verwässerte Milch hinstellt und sagt "das mit dem Kaffee-Kochen liegt mir eh nicht so, bieg Dir's doch hin, wie Du magst", so bestehen auch Rollenspiele aus Beschreibungen (Fluff) UND Regel-Mechanik (Crunch).

Ich habe nur den Eindruck, daß eben deutsche Rollenspielschaffende sehr unwillig sind, wenn es darum geht FUNKTIONIERENDE Mechaniken zu entwerfen(!). Hier muß man nämlich überlegen, ausprobieren, testen. Man kann das nicht einfach so runterschreiben! Das ist NICHT "Kunst", sondern HARTES HANDWERK ohne Star-Allüren, sondern mit hochgekrempelten Ärmeln, Schweiß auf der Stirn und heiß pochendem Blut in den kraftvollen Regelsystem-Bastel-Muskeln.

Mit Blick auf die "German Games" (die z.T. im deutschen(!) Original mit von Hobby-Gamern selbst übersetzten englischen Regeln in den USA gespielt werden!) hätte ich gerne die "German Roleplaying-Games" als MARKENZEICHEN.

Ich will die Knizias unter den deutschen Rollenspielschaffenden!

Und die Künstler und Wirklichkeitsveredler können in die Toscana fahren.
 
AW: Pen & Paper-Rollenspiel am Ende (von Frank Heller)

Ich kann Zornhau nur Recht geben. Das ist aber nicht nur die deutsche Krankheit, sondern die globale Rollenspielerkrankheit, bei den Amis war's wegen D&D und dem Brettspielcharakter von Rollenspielen halt weniger ausgeprägt. Zornhau hat mir auch den Hinweis auf das Escapist Magazine gebeben, hier ist ein passendes Zitat von John Tynes dazu, warum sich die Rollenspielautoren im Computerspielbereich so schwer tun:

They get wedded to their richly textured worlds and intricate storylines, and they lose track of the fact that videogames are a completely different medium. They're capable of being fun without any story or world whatsoever. Tetris is one of the best games ever made, and there isn't a tabletop designer on the planet who would have thought that one up. But there are plenty who would have ruined it

Die Indie-Games und D&D 4e sind die Spiele, die dazu stehen, dass sie Spiele sind - und kein interaktives Erzählmedium. Und wie viele wirklichendeutsche Indie-Rollenspiele mit eigener Spielmechanik sind überhaupt käuflich erschienen? Meines Wissens genau eins: Western City. Ratten! und Funky Colts zähl ich mal nicht, die haben einfach typische 0815 Systeme.

Nee. Wir brauche mehr RollenSPIELE.
 
AW: Autor contra Designer

Meines Erachtens müssen (und dürfen!) sich Rollenspiele entwickeln. In ihrer 40 jährigen Geschichte hat sich sehr wenig getan. Die Forge mit ihren Indie-Spielen, war da ein wertvoller Schritt - auch wenn man die Ergebnisse vielleicht wenig mag.

Dass die Story im pen&paper so präsent ist, führe ich darauf zurück, dass es eben mit einem gemeinsamen Vorstellungsraum der Spielteilnehmer arbeitet. Wenn keine ergänzenden Spielmaterialien oder Illustrationen genutzt werden, dann muss man etwas anderes bieten. Story bietet sich da an.

Das hatte eine Entwicklung weg vom Game zum Play zur Folge. Das ist nicht schlecht, denn die Kraft einer gemeinsamen erlebten Geschichte ist enrom.
Zur Crux wird das erst, wenn die Geschichte so weit im Vordergrund steht, dass mans ie nur noch erlebt und nicht mehr schafft.

Eine echte Vielfalt in der Mechanik, die das Spiel bewegt - den Regeln - fehlt häufig. Rollenspiel A spielt sich wie B und sogar ähnlich wie Z. Ich würde es begrüßen hier mehr Vielfalt zu spüren. Eben so, wie es zB Vielfalt bei Brettspielen gibt.
(Ich habe auch nichts dagegen, wenn Spielplattformen gemischt werden.)
 
AW: Autor contra Designer

Das sehe ich mehr als eine Ursache für die Deutsche Krankheit im Rollenspiel:
Deutsche Rollenspielschaffende sehen sich als BUCHAUTOREN.
US-Rollenspielschaffende sehen sich als GAME DESIGNER.

Das ist treffend erkannt und auf den Punkt gebracht.

Das bringt mich einen Gedankengang weiter. Die "Deutsche Krankheit" - mal überlegen, ob es nicht wert wäre, diese "Krankheit" als einen Vorteil herauszustellen...
Keine Frage, deutsche Rollenspiele sind nicht für gutes Regeldesign bekannt. Warum nicht als Merkmal "mässige Regeln, aber gute Geschichten" als Etikett für deutsche Rollenspiele zu vermarkten oder herauszustellen.
Der Bedarf scheint ja da zu sein, es verkaufen sich diese "Geschichten" ja hierzulande doch in großer Zahl. Also muss es doch Spieler geben, die auf Regeln weniger Wert legen, denen brillante Regelverzahnungen egal sind...
Und das Argument, dass die Spieler ja was anderes ("Richtige RegelnTM") nicht kennen, ist müßig. Wer will, kann sich heutzutage gut informieren über Spiele mit guten Regeln.
Wozu sich am Mainstream dranhängen, die US-RPGs beherrschen Regeldesign vorzüglich. Mit diesen Geschichten-RPGs hätte man immerhin zwar nicht was einzigartiges, aber immerhin was charakteristisches.
Es wär eine zusätzliche Nische, die ja recht groß ist. Sorgt für Vielfalt und mehr Auswahl.

Nur mal so als weiterführende Gedanken, warum nicht aus einem Bug ("Deutsche Krankheit") ein Feature ("Deutsche Erzählspiele") machen...
dass die Qualität der deutschen Geschichten durchaus steigerbar ist (die "besseren Schulaufsätze" treffen es sehr gut), ist kein Thema.
was meinen die werten Herren?
 
AW: Autor contra Designer

Eine schöne Idee. Schließlich ist der Spielstil eben eine persönliche Vorliebe.

Durch D&D wird der amerikanische Markt mehrheitlich anders geprägt sein. Aber vielleicht hilft schon ein anderes Label. Storygames trifft es vielleicht ganz gut.
 
AW: Autor contra Designer

Die deutsche Krankheit - das sind aber eben nicht Geschichten (auch, aber nicht primär), sondern was anderes: Textur: all das, was eine Spielwelt mit Details und Leben erfüllt. Das ist es, was Aventurien, Engel und irgendwie auch Degenesis geschafft haben - und bestimmt auch Midgard, aber da kenne ich mich halt nicht so aus. Und bei Shadowrun war's bestimmt auch so ähnlich.

Ob die Geschichten jetzt wirklich so toll waren, bezweifel ich, die Geschichte war es bestimmt, denn die hat die Leute eingefangen (genau wie der Metaplot der Welt der Dunkelheit sehr stark rezipiert wurde).

Wenn wir ein Feature aus dem Bug machen wollen, dann wäre es das: Authentische, detaillierte Welten. Aber ehrlich gesagt, stehen wir da auch noch eher am Anfang: Aus den paar Sachen die's gibt, machen wir nen Trend und erklären eine Bewegung. Abgefahrenen detaillverliebte Welten gibt's auch in Frankreich wie auch in USA - das einzige, was in Deutschland wirklich einzigartig war, ist die Monopolstellung von DSA und die Hingabeund Teilhabe der Fans an Aventurien als identitätsstiftendes und gemeinschaftsschaffendes Merkmal.
 
AW: Autor contra Designer

Die "Deutsche Krankheit" - mal überlegen, ob es nicht wert wäre, diese "Krankheit" als einen Vorteil herauszustellen...
Du meinst im Sinne von "Wir haben Kreativitäts-Lepra und sind stolz darauf?" - Das ist doch genau das, was ich mit dem Kokettieren mit der eigenen Unfähigkeit meine!

Es ist eine Krankheit, eine Behinderung, ein Unvermögen, das hierzulande die Rollenspielprodukte massivst bestimmt. - Jetzt diese Rollenspiel-Siechen "gesund zu schreiben", VERHINDERT sogar eine Besserung der Verhältnisse!

Warum nicht als Merkmal "mässige Regeln, aber gute Geschichten" als Etikett für deutsche Rollenspiele zu vermarkten oder herauszustellen.
"Gute Geschichten"? Wo denn? - Das sind ALTBACKENE Geschichten, die bieder und behäbig daherschwadroniert werden. - Auch die Ex-Rollenspiel-Autoren, die jetzt ihrer eigentlichen Neigung nachgegeben haben und als Romanautoren arbeiten (statt unter dem Etikettenschwindel als "Rollenspiel-Abenteuer-Autoren" zu schreiben), sind ja in den betreffenden Genres auch nur das fünfte Rad am Wagen. - KEINER hat diese Autoren gebraucht. Sie haben NICHTS NEUES zu bieten, sondern nur "same old, same old". *gähn*

Wodurch zeichnet sich denn Deiner Meinung nach deutsche Fantasy-Literatur aus? - Das müßten doch "gute Geschichten" sein, die auch gegen Übersetzungen von US-Fantasy-Literatur bestehen können.

Solche "Guten Geschichten" im Rollenspiel einzubauen (auf Kosten des SPIEL-Charakters solcher Produkte) kann ja nur zu WENIGER GUTEN Geschichten führen, gegenüber Romanen, die sich ja nicht mit dem "Rollenspieligen Zusatzmaterial" rund um diese "Guten Geschichten" herumärgern müssen.

Deutsche Fantasy-Literatur existiert im Ausland nicht. Die kennt niemand. - Und das auch zurecht.

Deutsche Rollenspiel-Romane sind nicht etwa "bessere" Aufsätze im Sinne von "für einen Aufsatz richtig gut", sondern im Sinne von "für einen Roman richtig SCHLECHT"! - Diese sind über die engen Grenzen der DSA-Sozialisierten und ähnlicher, diese Add-Ons Kaufender nicht bekannt. - Und das auch zurecht.

Nein, mit "guten Geschichten" wird man nicht den "German Games"-Erfolg im Rollenspiel erreichen können. Dazu kommen die WIRKLICH GUTEN GESCHICHTEN leider allesamt daher, wo es auch die WIRKLICH FINDIGEN REGELSYSTEME gibt.

Der Bedarf scheint ja da zu sein, es verkaufen sich diese "Geschichten" ja hierzulande doch in großer Zahl. Also muss es doch Spieler geben, die auf Regeln weniger Wert legen, denen brillante Regelverzahnungen egal sind...
Der Bedarf ist eine rein innerhalb einer MONOKULTUR gepflegte, künstliche Aberration, die nahelegt eine deutsche Ausprägung der "Braindamage"-Thematik als einzige mögliche Erklärung anzunehmen.

Es ist nämlich tatsächlich so, daß sich URTEILSKRAFT über Qualität nur durch KENNTNIS von hoher Qualität entwickeln kann. - Wer nur mit Minderqualität abgespeist wird, wer nichts sonst kennt, der hat KEINE VORSTELLUNG davon, wie viel besser etwas anderes überhaupt sein KÖNNTE!

Und da ist die deutsche "Szene" der Rollenspielschaffenden durch die hiesige Monokultur einer Art krankhafter intellektueller Inzucht verfallen. Nachwuchs-Kreative werden quasi durch "Peer-Pressure" zu den verkümmerten Pflänzchen, die die hiesige Produktpalette der letzten Jahre so auszeichnet. Verlage produzieren nur den Schwafelmüll der Ungern-Rollenspiel-Entwickler-und-Lieber-Roman-Autoren, "weil sich das verkauft". - Und für den hiesigen Markt haben sie ja wohl RECHT damit (gehabt). Nur ist diese Stagnation eines an sich dynamischen, ja geradezu QUIRLIGEN Hobbys ihre eigene SCHULD.

Die Verlage und ihre öden Schreiberlinge sind dabei das Rollenspielhobby hierzulande in den klinischen Tod zu schreiben.

Nicht alle Verlage, wohlgemerkt!

Es gibt ja Verlage, die LEBENDIGE, FRISCHE, BEGEISTERNDE Produkte im Programm haben. - Übersetzungen. Übersetzungen aus den Ländern, wo es "Gute Geschichten" UND gute Regelsysteme gibt.

Nur mal so als weiterführende Gedanken, warum nicht aus einem Bug ("Deutsche Krankheit") ein Feature ("Deutsche Erzählspiele") machen...
Man kann manche Dinge durch "Umbenennen" in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit anders plazieren.

Aber ein vor sich hin verfaulender lepröser Körper wird auch mit dem "Fit for Health"-Stirnband nicht zu etwas Gesundem!

Das "Feature (Deutsche Erzählspiele)" ist somit nicht das POSITIVE "German Games"-Etikett, sondern ein GAMMELFLEISCH-Warnsignal - im Inland wie im Ausland (sollten diese gammeligen Produkte jemals von jemandem mit zuviel Zeit und zuviel Geld übersetzt und dort veröffentlicht werden).


Die deutsche Krankheit - das sind aber eben nicht Geschichten (auch, aber nicht primär), sondern was anderes: Textur: all das, was eine Spielwelt mit Details und Leben erfüllt. Das ist es, was Aventurien, Engel und irgendwie auch Degenesis geschafft haben
Überspezifizierte Welten, die jegliche Phantasie ersticken, kennen aber auch die Engländer und Amerikaner im Rollenspiel. - Dieser Makel ist kein deutsches Alleinstellungsmerkmal.

Metaplot-Wahnsinn und Kunden-Verärgerung (für beides ist Engel ein gutes Beispiel) macht ja auch White Wolf schon lange vor. - Die hiesigen Metaplot-Fetischisten haben das nur erst von WW so richtig gelernt (nicht von Dragonlance!).

Was erfüllt denn eine Spielwelt mit "Details und Leben"?

Die SPIELRUNDE, in der in dieser Spielwelt auch GESPIELT wird! Die Spielrunde, in der diese Spielwelt GESTALTET wird!

Deutsche Mentalität alles nach Vorschrift zu machen, sorgt schon dafür, daß man bei überspezifizierten Welten nur ja nicht den "Kanon" verläßt. Denn da gibt es nicht etwa "Rules-Lawyer", sondern "Setting-Professoren", die alle Quellenbände studiert haben, die einen Abschluß in Aventuristik gemacht haben, und denen man ja nicht auch nur eine Milchkanne an eine andere Stelle stellen darf, als es im Quellenbuch beschrieben wurde.

Das ist tatsächlich ein (erst durch den DSA-Überkomplettierungswahnsinn gewachsenes) Alleinstellungsmerkmal deutscher Rollenspiele.

Midgard ist z.B. trotz längerer Publikationshistorie als Aventurien deutlich weniger festgefahren von der Spielwelt her.


Wenn wir ein Feature aus dem Bug machen wollen, dann wäre es das: Authentische, detaillierte Welten.
...
Abgefahrenen detaillverliebte Welten gibt's auch in Frankreich wie auch in USA
Eben. - Glorantha mit den inzwischen ja zahlreichen darauf angesiedelten Rollenspielen, HarnMaster, Forgotten Realms in allen Ausprägungen, u.a.m.

Jedoch sind nur sehr wenige davon so ERSTICKEND detailliert herunterspezifiziert worden wie Aventurien. Und das ist für die deutschen Rollenspieler immer noch der wahrscheinlichste Einstieg ins Hobby gewesen, ist für Nachwuchs-Kreative prägend für die Art, "wie ein Rollenspielprodukt auszusehen hat", und stellt somit den Hauptgrund (aber nicht den einzigen) für das anhaltende SIECHTUM des deutschen Eigenentwicklungs-Rollenspiels dar.

Solange nicht grundlegen am SELBSTVERSTÄNDNIS der Rollenspielschaffenden etwas Bewegung in Richtung SPIELE-Entwickler passiert, solange kriegen deutsche Rollenspiele den Arsch nicht hoch. Und im Ausland schon gleich garnicht.

Deutschland stellt einen nicht gerade unwichtigen Absatzmarkt für englischsprachige Rollenspielprodukte dar. Und es gibt (nach einer gewissen Flaute) wieder richtig viele Übersetzungen englischsprachiger Rollenspiele hierzulande zu kaufen. - Die Spieler, die über die Kreativitäts-Todesstreifen Aventuriens hinausschauen, bekommen hierzulande reichlich Material geboten.

Wie sieht es UMGEKEHRT mit dem Einfluß deutscher Spielmaterialien im englischsprachigen Raum aus?

Bei den Brettspielen, den "German Games" ist dieser GROSS! Hobby-Brettspieler in den USA KENNEN die hiesigen Spiele.

Warum kennt dort schon fast niemand DSA, was hierzulande ja das "Standard-Rollenspiel" ist?
 
AW: Autor contra Designer

Meine Herren, lasst uns offen diskutieren und nicht zu starke Barrieren aufbauen.

Es gibt deutsche Autoren, die ganz herausragende phantastische Werke geschaffen haben. Ich nenne nur Mal Michal Ende. Momo, Die unendliche Geschichte und sogar Lukas der Lokomotivführer strotzen dermaßen vor innovativen, phantastischen Ideen(!!). Trotzdem ist er im angloamerikanischen Raum wohl kaum beachtet.

Wie kann man da erwarten, dass Romanautoren, die vom Rollenspiel aus den Einstieg ins Romanautorenbusiness schafften, international anerkannt sind. Es ist nicht alles schlecht, was aus den Federn deutscher (Ex-)Rollenspielautoren stammt.
 
AW: Autor contra Designer

Ich nenne nur Mal Michal Ende. Momo, Die unendliche Geschichte und sogar Lukas der Lokomotivführer strotzen dermaßen vor innovativen, phantastischen Ideen(!!). Trotzdem ist er im angloamerikanischen Raum wohl kaum beachtet.

Die Unendliche Geschichte (1984)
The Neverending Story II: The Next Chapter (1990)
The Neverending Story III (1994)
"Tales from the Neverending Story" (2001)

"Kaum beachtet sieht mir anders aus...

Ist zwar nur ein Werk, dafür ist das aber ausgewalzt bis nach Hintertupfingen.
 
AW: Autor contra Designer

Ist zwar nur ein Werk, dafür ist das aber ausgewalzt bis nach Hintertupfingen.
Nicht ganz. - Wo ist denn das (am besten deutsche) Rollenspiel zur "Unendlichen Geschichte"?

Das wäre doch mal ein Lizenz-Rollenspiel, bei dem man so etwas wie "deutsche Tugenden" im Rollenspiel so richtig breitenwirksam hätte präsentieren können.
 
AW: Autor contra Designer

Du meinst im Sinne von "Wir haben Kreativitäts-Lepra und sind stolz darauf?" - Das ist doch genau das, was ich mit dem Kokettieren mit der eigenen Unfähigkeit meine!
Es ist eine Krankheit, eine Behinderung, ein Unvermögen, das hierzulande die Rollenspielprodukte massivst bestimmt. - Jetzt diese Rollenspiel-Siechen "gesund zu schreiben", VERHINDERT sogar eine Besserung der Verhältnisse!

Werter Herr Zornhau,

da habt ihr etwas missverstanden, mag sein, dass ich mich nicht allzu verständlich ausgedrückt habe.
Daher noch einmal mein Gedankengang:
1. Mit deutschem Regeldesign ist kein großer Wurf zu machen. Viele Beispiele belegen dies.
2. Mit deutschen Geschichten, ausgearbeitetn Welten samt Metaplot hat man hinreichend Erfahrung und auch eine Käuferschicht.
3. Warum also krampfhaft sich bemühen, Regeldesign zu verbessern anstatt die Qualität der "Storygames" zu heben?

Aus eurer Sicht, werter Herr Zornhau, mag die deutsche Rollenspiellandschaft ja eine Krankheit sein, weil manche Werke nicht über das Niveau eines Schulaufsatzes hinaus kommen. Da habt ihr ja recht, aber: Warum dies bejammern und beklagen anstatt darin einen Vorteil zu sehen bzw. diese "Krankheit" zu kurieren und zu etwas gesundem zu machen? Etwas, was die deutschen Rollenspiele charakterisiert? (Noch einmal: dass da sehr sehr viel noch zu verbessern ist, steht ausser Frage.).
Warum immer nur aus dem US-Markt übersetzen und sich da dranhängen? Etwas mehr Mut zu einem eigenen "Way of Gaming", das ist es, was ich zum Überlegen anbot.

Die deutsche Rollenspielszenen muss nicht unbedingt durch ausgefeiltes Regeldesign berühmt sein, das können andere viel besser. Mit der Variante "Storygames" könnte man da sich eine eigenen Bereich schaffen.

Und es muss auch nicht das Ziel sein, dass sich dann das international verkauft. Wäre schön, aber das soll nicht erste Bedingung sein. Wenn hierzulande die Rollenspieler bessere Geschichten bekommen, wärs ja nett.
 
AW: Autor contra Designer

Ich kann nur von mir sprechen, aber ich saß gerade drei Stunden mit einem Kollegen zusammen und wir haben reines Designing betrieben für ein eventuelles Pocket-RPG Projekt (war aber nicht das erste Treffen). Wir haben uns zum Ziel gesetzt ein einfaches, aber anspruchvolles Regelsystem zu entwerfen, dass zu einem Action-Sci-Fi Hintegrund passt und alle Arten der Konflikte (Kampf, Sozial, Fahrzeuge ...) auf die gleiche Weise regelt. Dabei sind alleine 2 Stunden mit Testkämpfen mit verschieden starken Gegnern draufgegangen - nur um zu prüfen ob das Gundsystem funktioniert. Was ich damit ausdrücken möchte ist, dass man sich auch als Autor (und so sehe ich mich nun mal vorangig) mit dem Design auseinandersetzen muss. In meinem Fall ist das aber so, dass ich das für die Art der Produkte die ich designe/schreibe immer einen recht klassischen Ansatz wähle, der mir persönlich auch am meisten Spielspaß bringt. Und ich bin natürlich nicht frei von den Einflüßen von den Spielen die ich zocke und mag. Außerdem habe ich mir persönlich zum Ziel gesetzt einfache Spiele zu entwickeln, in denen man sich ohne großen Aufwand einarbeiten kann, einfach aus dem Grund weil ich solchen Systemen auch am meisten abgewinnen kann. Dabei finde ich es persönlich wichtig, dass die Regeln den Hintergrund unterstützen, ohne dabei allerdings in die Indie-Freies-Spiel-Schiene zu verfallen. PTA und co ist halt nicht mein Ding, warum sollte ich sowas entwickeln wollen. Jedem das seine.

Der Unterschied zu Amerika ist sowohl in den unterschiedlichen Einflüßen der Spieler (D&D vs DSA usw ...) begründet, wie auch in der Tatsache, dass es hier keine Profesionellen Designer gibt, die vollzeit beschäftigt werden und solche Regelmonster wie D&D entwickeln können. Deutsche Designer/Autoren haben einfach einen ganz anderen Hintergrund als ihre amerikanischen Pendants, weil sie halt auch einfach von anderen Einflüßen geprägt wurden. Ob das nun schlecht ist, oder einfach nur anders, das ist und bleibt einfach eine Geschmackssache. Deswegen finde ich die ewigen Diskussionen a la "meine Art des Spiels ist besser als deine" einfach nur nervig. Jeder soll spielen wie er das mag und Spiele entwickeln die er mag. Sollen wir doch froh sein, dass wir soviel Auswahl haben, dass jeder seine Nische findet. Amen.
 
AW: Autor contra Designer

Daher noch einmal mein Gedankengang:
1. Mit deutschem Regeldesign ist kein großer Wurf zu machen. Viele Beispiele belegen dies.
2. Mit deutschen Geschichten, ausgearbeitetn Welten samt Metaplot hat man hinreichend Erfahrung und auch eine Käuferschicht.
3. Warum also krampfhaft sich bemühen, Regeldesign zu verbessern anstatt die Qualität der "Storygames" zu heben?
Wenn mit deutschem Regeldesign "kein großer Wurf" zu machen ist, dann sagt man resigniert "das ist halt so", seufzt noch einmal schwer, und setzt sich mit seinem Füller an den nächsten Schulaufsatz, hoffend, daß er diesmal über eine Vier-Minus hinaus kommt?

Wenn mit deutschem Regeldesign kein großer Wurf zu machen ist, dann bedeutet das übersetzt: Deutsche Rollenspiel-Schaffende sind NICHT IN DER LAGE funktionierende Regeln für ihre SPIELE zu erstellen!

Komischerweise können dies aber deutsche Brettspiel-Schaffende sehr wohl. Und die kommen z.T. aus ähnlichen Hintergründen, sind auch "Hardcore-Spieler" gewesen, kochen auch nur mit Wasser, wenn es um Regelmechanismen geht. - Und doch kommen mehr Spiele und - nicht allein wegen der schieren Masse sondern wegen der inzwischen von den Käufern GEWOHNT HOHEN QUALITÄT - auch immer BESSERE Spiele auf den Markt!

Und hier liegt sie wieder, die Sieche. An der deutschen Krankheit leidend. - Warum? - Weil es KEINEN ANREIZ gibt BESSER zu werden.

Mit dieser Einstellung des "hach, wir können das halt nicht, darum versuchen wir nicht mal besser zu werden" zementiert man geradezu die Bankrotterklärung, zelebriert man die eigene Unfähigkeit und UNWILLIGKEIT HINZUZULERNEN (das gehört eigentlich als Ergänzung zu den Todsünden!).

Deutsche Brettspiele haben auch klein angefangen. Und sie wurden besser und besser und besser. - Die Spreu der vielen zwar auch nur mit Wasser kochenden, aber dann nur schales Brackwasser abliefernden Entwickler hat sich schnell vom Weizen derer, die mit DEMSELBEN Wasser die wohlschmeckendsten Spielgerichte erstellt haben, getrennt. Das kommt durch GESUNDEN Konkurrenzdruck, der von den KÄUFERN getrieben wird. - Von Käufern, die Qualität als solche erst einmal zu erkennen gelernt haben. Von den Käufern, die bereit sind für Qualität auch etwas zu bezahlen. Von den Käufern, die mindere Qualität gnadenlos über den Geldbeutel aussortiert haben.

Käufer, die Qualität VERLANGEN, weil sie diese ERKENNEN können und zu schätzen wissen, sind DIE Triebfeder für "German Games".

Und der deutsche Rollenspielkäufer erkennt KEINE Qualität, weil er NIE welche vorgesetzt bekommen hat, und weil er sich an die (im besten Falle) Mittelmäßigkeit gewöhnt hat.

Es fehlen die SCHRITTMACHER für die "deutsche Rollenspiel-Entwickler-Szene". - Und diese Schrittmacher KÖNNTE es geben, nur WOLLEN sie nicht und, so sie doch wollten, werden sie von den Verlagen NICHT GEHÖRT.

Es gibt im Indie-Bereich ein paar umtriebige SPIELE-Entwickler, die sich - sehr forge-ig ausgerichtet, was eigene Probleme mitsichbringt - um die REGELMECHANIK kümmern, experimentieren, und ERKENNTNISSE gewonnen haben. - Nur fließen diese Erkenntnisse leider ausschließlich in One-Trick-Ponies, die nicht das Zeug zu einem robusten "Breitensport"-Rollenspiel haben, oder enden als Laborversuche in 24-Stunden-/72-Stunden-/usw. Deutschland-Sucht-Das-Super-Theorie-Spiel-Wettbewerben.

Das sind leider TOTGEBURTEN. Diese bekommen keine Chance auf ein breites Publikum, und mit recht: Es handelt sich um "Laborversuche", nicht um "Produktionstaugliche Qualität". - Diese werden von einem theoriebegeisterten Entwickler-Grüppchen für ANDERE theoriebegeisterte Entwickler und ein paar ebenfalls elitäre Nicht-Entwickler geschrieben. - Damit bleibt der Erkenntnis-Transfer von diesen Mechanik-EXPERTEN(!) in die mit ihrer Regeltechnik-Unfähigkeit kokettierenden "Aufsatzschreiber-Cliquen" auf NULL.

Ich hatte schon früher den Vorwurf an die hiesigen Theoretiker geäußert, daß sie sich nur zu gerne in ihrem Elfenbeinturm einschließen, bzw. auf den unauffindbaren Inseln in den nicht navigierbaren Weiten des Blog-Ozeans auf ihren Seifenkisten stehen und in den Wind rufen, wo sie keiner hört, der nicht schon vorher wußte, daß es sie dort überhaupt gibt, und daß sie eventuell etwas Interessantes mitzuteilen hätten.

Aber man muß den Vorwurf auch den Verlagen machen. - Es ist nämlich tatsächlich einfacher und mit viel weniger RISIKOBEHAFTET (unternehmerisches Risiko ist hier der Knackpunkt überhaupt) verbunden ein erfolgreiches US-Spiel zu übersetzen oder eine deutsche Cash-Cow noch weiter zu melken und nach ein wenig Fellpflege und Entwurmen als 4.1 zu verkaufen.

NEUE Ideen - selbst wenn sie nicht wirklich neu sind, sondern nur hierzulande im Tal der Ahnungslosen unbekannt - zu versuchen in die Breite zu bringen, ist IMMER riskant und anstrengend.

Aber wenn selbst D&D 4E in vielen Bereichen seines geradezu vorbildlich als SPIEL konzipierten Designs viele Erkenntnisse der langjährigen Theoriediskussionen eingearbeitet hat, dann sehe ich nicht, wieso sich DSA gegen eine VERBESSERUNG der Regelbasis sträuben sollte. - Aber es sträubt sich ja nicht "DSA", sondern dessen MACHER!

Hier liegt eine markante INNOVATIONSFEINDLICHKEIT vor, die für ein solchermaßen auf Kreativität aufbauendes Medium wie Rollenspiele, geradezu beschämend ist. - Wenn Zeitungsverlage für den Massenmarkt bloß keine Innovationen haben wollen, weil sonst tausende Leser sich durch andere Zwischenüberschriften irritiert vorkommen könnten und ihre Abos kündigen und die Zeitung nicht mal mehr zum Fischeeinwickeln nutzen werden, dann kann ich das noch verstehen. - Aber ROLLENSPIEL-Verlage! Die sollten doch BESONDERS innovationsfreundlich sein.

Bei DSA kann es vor allem nur HELFEN, wenn man dessen Zugänglichkeit (Stichwort: Mein erstes Rollenspiel. Wie zugänglich ist DSA 4.1 wirklich?) durch SAUBERES Spielregeldesign verbessern kann.

Hierzulande sind auf der einen Seite die "Pharmazeuten", die eine Kur gegen die Deutsche Krankheit entwickeln könnten, aber lieber weiter kleine eindimensionale Qualzüchtungslaborexperiment-Chimären produzieren, die allesamt bald sterben. - Und auf der anderen Seite die "Melkknechte", die den bestehenden Cash Cows die Euter blutig saugen und das, was rauskommt, solange mit ihrem Brackwasser auffüllen, daß wieder ein Produkt in verkaufbarer "Packungsgröße" entsteht.

Die Melkknechte lassen niemanden an ihre sieche Kuh heran, solange sie noch irgendeine undefinierbare Flüssigkeit, die als Milch verkaufbar ist, heraussaugen können. - Und die Pharmazeuten sehen dieser Kuh nicht mal mit Bedauern beim Dahinsiechen zu, weil es viel spannender ist die neueste Qualzüchtung beim verzweifelten Todeskampf zu beobachten.

In einer utopischen Rollenspielzukunft stelle ich mir vor, daß neuen Ideen aufgeschlossene Verlagsleute mit ein paar der (wenigen) nicht-elitären Regeltechnikexperten in Dialog treten. Ich stelle mir vor, daß Verlage bei ihren Autoren, vor allem, wenn sie an Regeltechniküberarbeitung gesetzt werden, einfach mehr generelles Mechanik-Knowhow und mehr Sicht auf das SPIEL im Rollenspiel verlangen. Ich stelle mir vor, daß die Erkenntnisträger sich ihrer moralischen Pflicht als Sehende unter Blinden bewußt werden, und nicht nur in ihren eigenen Kreisen, sondern in der GESAMTEN aktiven Rollenspielerschaft für mehr Verstehen, mehr Verständnis, mehr Urteilskraft und - als indirekten Effekt - mehr Qualitätsbewußtsein sorgen.

Ich stelle mir vor, daß Rollenspielautoren UND Rollenspielentwickler ZUSAMMEN in den Verlagen an neuen Produkten und Aktualisierungen alter Produkte arbeiten. - Phantasievolle Visionen zur "Textur" von Spielwelt, Setting, usw. gepaart mit soliden, funktionierenden, zugänglichen Regelmechaniken würden dann zu den "German Roleplaying-Games" führen, die einen Ruf für ihre hohe Qualität haben, und gegen die auch US-Produkte (egal ob im Original oder in Übersetzung) erst einmal ankommen müßten.

Etwas mehr Mut zu einem eigenen "Way of Gaming", das ist es, was ich zum Überlegen anbot.
Was ist der eigene "Way of Gaming" hierzulande denn? - Der Stand der Dinge ist: Zwangsjacken-Railroading, Metaplot-Kanon-Fetischismus, Stimmungsgeschwafel-Hurerei. - Das SPIEL im eigentlichen Sinne bleibt hier auf der Strecke.

Die SPIELER sind im "German Way of Gaming" nicht gewohnt bzw. es ist ihnen nicht erlaubt, eigene, bedeutungsvolle Entscheidungen zu treffen. Damit fällt der KERN eines JEDEN Spiels heraus!

Das betrifft aber nur den "Deutschen Weg des Rollenspiels".

Da hierzulande aber seit den 70ern eine Durchmischung mit englischsprachigen oder übersetzten Rollenspielen vorliegt, gibt es eben auch die hiesigen Warhammer-Rollenspieler, die D&D-Rollenspieler, usw. - Und die betreiben einen "Way of Gaming", der sich kaum von dem im Ursprungsland unterscheidet.

Was ist dann also der "deutsche Weg"?

Die deutsche Rollenspielszenen muss nicht unbedingt durch ausgefeiltes Regeldesign berühmt sein, das können andere viel besser.
OHNE ein TAUGLICHES Regeldesign bekommt man KEINE SPIELE. Man bekommt "Symptome".

Mit der Variante "Storygames" könnte man da sich eine eigenen Bereich schaffen.
...
Wenn hierzulande die Rollenspieler bessere Geschichten bekommen, wärs ja nett.
Bezüglich "besserer Geschichten" und dem Medium Rollenspiel verweise ich - hiermit mit NACHDRUCK - auf den hier verlinkten Artikel, der es besser (und kürzer) als ich es ausdrücken könnte auf den Punkt bringt:
Rollenspiele sind SPIELE. - Geschichten sind KEINE Spiele.

Wenn man in diese Richtung geht, dann stellen "Storygames" sowohl UNTAUGLICHE SPIELE (da miese Mechanik und somit kaum Spiel-Interaktion beinhaltend) als auch SCHLECHTE GESCHICHTEN (da nur mit Zwangsmaßnahmen und Gekrampfe eine ersonnene Geschichte den Spielern "vorgespielt" werden kann).

"Storygames" sind wie Autoimmunkrankheiten des Rollenspiels. Diese "Storygames" erkennen das SPIELIGE im Rollenspiel als etwas die "schönen Geschichten" Störendes und machen sich daran alle diese KERNEIGENSCHAFTEN des Spiels im Rollenspiel abzuschaffen. Sie vernichten damit die eigene Lebensgrundlage.

Die Idee mit "Storygames" Rollenspiele hierzulande "kurieren" zu wollen, bedeutet die Lahmen, die Gelähmten, die Blinden mit HIV zu infizieren, "weil wir hierzulande ja sonst nichts haben".

Nur stimmt das ja nicht: Wir HÄTTEN die Kur. Yes, we can!

Nur ist der WILLE bei uns KUNDEN nach etwas Gesundem zum Spielen noch viel zu schwach ausgeprägt. Man ist hierzulande mit Gammelfleisch und Eitermilch zufrieden. - Das klingt nicht nur unappetitlich, das IST ES AUCH.



Ich wünsche mir mehr LERNWILLIGKEIT bei Rollenspiel-Schaffenden, bei Rollenspiel-Verlagen und bei Rollenspielern generell.

Das Kokettieren mit dem eigenen Unvermögen muß ENDLICH AUFHÖREN.
 
AW: Autor contra Designer

Wenn
Bezüglich "besserer Geschichten" und dem Medium Rollenspiel verweise ich - hiermit mit NACHDRUCK - auf den hier verlinkten Artikel, der es besser (und kürzer) als ich es ausdrücken könnte auf den Punkt bringt:Rollenspiele sind SPIELE. - Geschichten sind KEINE Spiele.

Das ist eine interessante Betrachtung.
Ich sinniere mal die Frage:
Müssen Geschichten Spiele sein?

Ich verstehe ja deine Einwände und die Problematik, aber:
Warum diese Gräben ziehen? Warum können sich Leute nicht mit "Geschichten mit Spielanteil" nicht auch gut unterhalten?
Und warum wieder diese Ansicht "Das Publikum weiss nicht, was GESUND für es ist." Wer ist berufen, dieses Urteil zu fällen?
 
AW: Autor contra Designer

Das ist eine interessante Betrachtung.
Ich sinniere mal die Frage:
Müssen Geschichten Spiele sein?
Diese Frage wurde weder in diesem Artikel oben gestellt, noch ist sie irgendwie weiterführend.

Geschichten KÖNNEN KEINE Spiele sein, weil es an einer Geschichte (linear, feste Abfolge, keine Interaktion) nichts zu Spielen gibt. Daher ist zu fragen, ob Geschichten "Spiele sein müssen" ganz grundsätzlich sinnlos.

Ich verstehe ja deine Einwände und die Problematik, aber:
Warum diese Gräben ziehen? Warum können sich Leute nicht mit "Geschichten mit Spielanteil" nicht auch gut unterhalten?
HALT! - NIEMAND zieht hier einen Graben.

Aus dem Artikel dürfte deutlich geworden sein, daß es sich um ein KONTINUUM handelt. Und zwar eines, das sich ZWISCHEN Geschichten auf der einen Seite und Spielen auf der anderen Seite aufspannt. Je näher etwas an der einen Seite liegt, desto schlechter ist es eine Umsetzung dessen, was auf der anderen Seite ist.

Ein Abenteuerspielbuch, das mit den numerierten Abschnitten zum Lesen und Weiterblättern, stellt keine gute Geschichte dar, weil der Autor keine Kontrolle über die dramaturgische Abfolge der Szenen hat. Er spannt nur einen "Raum" auf, in dem sich eine Vielzahl möglicher Geschichten befinden. Das SPIEL daran ist, durch die Entscheidungen des Spielers/Lesers diesen Raum auf eine Gerade abzubilden - das ist DIE EINE EINZIGE GESCHICHTE, die er tatsächlich beim Spiel liest.

Klar kann man diese Bücher mehrfach lesen und ggf. andere oder zumindest leicht variierende Geschichten lesen, aber die erhaltene Geschichte ist eine echte Geschichte: LINEAR und - am Ende - nicht mehr Interaktiv.

Je länger die Abschnitte, je weniger Entscheidungsmöglichkeiten, desto weniger Spiel ist es, und desto mehr Roman wird es.


Warum ist das "Romanhafte" im Rollenspiel ein Problem?

Ein Rollenspiel erweckt im SPIELER (sic) die Erwartung ein SPIEL zu spielen. Das bedeutet, daß er Entscheidungen treffen will, die von Belang sind, daß er Interaktivität und Dynamik erwartet. - Ist ein Abenteuer aber wie ein Roman aufgezogen, mit einer vom AUTOREN (sic) vorgegebenen Dramaturgie, die sich über die Spielerentscheidungen (z.T. mit dem Spielleiter als zwangsausübendem Gehilfen des Dramaturgen) hinwegsetzt, dann wird der Spieler in seiner Erwartung an ein SPIEL enttäuscht.

Man kann das auch "Etikettenschwindel" nennen. - Statt eines Spieles mit viel Interaktivität und bedeutsamen Spielerentscheidungen bekommt er eingeschränkte Entscheidungsfreiheit und vorgefertigte, nicht-interaktive Versatzstücke präsentiert.

Das macht aufgrund der Enttäuschungen des SPIELERS ein schlechtes Spiel daraus. Aber aufgrund der ständigen Notwendigkeit des Spielleiters als "Erfüllungsgehilfen" des Autors den Verlauf zu "korrigieren", d.h. ZURECHTZUBIEGEN und mit ZWANG und EINSCHRÄNKUNG und - in wirklich extremen Fällen - völliger Entwertung von Spielerentscheidungen und Deprotagonisierung der Spielercharaktere einzugreifen, auch eine schlechte Geschichte daraus. Eine Geschichte, die gekrampft und zurechtgebogen wirkt (was sie ja auch ist).

Im Kontinuum markiert der Punkt der "Story Games" den Punkt, an dem BEIDE Pole am SCHLECHTESTEN vertreten sind. Es sind die schlechtesten Geschichten UND die schlechtesten Spielerlebnisse, die man hier erhalten wird.

Daher erachte ich gerade "Story Games" als so ziemlich das schlechtest mögliche, das schädlichste "Quacksalber-Schlangenöl", das man dem Rollenspielhobby hierzulande verabreichen könnte. - Pures GIFT!

Und warum wieder diese Ansicht "Das Publikum weiss nicht, was GESUND für es ist." Wer ist berufen, dieses Urteil zu fällen?
Die "Ernährungsberater", die "Verbraucherschützer", das "Gesundheitsamt", die "Toxikologen", die "bereits Erkrankten, die aber glücklicherweise genesen sind".

Ob Gammelfleisch oder sieches, hirnschäden hervorrufendes Rollenspielmaterial - wenn der Kunde nicht weiß, WIE schädlich etwas ist, dann kauft und verwendet er es bedenkenlos. - Und wer erkannt hat, DASS es schädlich ist, der hat geradezu die PFLICHT dies aufzuzeigen und zu warnen!
 
AW: Autor contra Designer

Diese Frage wurde weder in diesem Artikel oben gestellt, noch ist sie irgendwie weiterführend.
Geschichten KÖNNEN KEINE Spiele sein, weil es an einer Geschichte (linear, feste Abfolge, keine Interaktion) nichts zu Spielen gibt. Daher ist zu fragen, ob Geschichten "Spiele sein müssen" ganz grundsätzlich sinnlos.

Nein, denn an diesem Punkt bat ich, etwas weiter zu denken. Über den Brettspielhorizont hinaus.

Geschichten können vielleicht keine Spiele in dem Sinne sein, dass sie keine Regeln brauchen.
Ich meine damit "Rollenspiel Geschichten" abseits von Railroading, abseits von vorgegebenen Enden, abseits von "Einer liest vor (SL) und die anderen machen ab und zu belanglose Würfe und sagen paar Sätze". Das kann es nicht sein, das ist ja klar.
Eine erspielte Geschichte, von mir aus mit wechselnden Erzählrechten, aber halt doch näher an "Geschichte" als an "Brettspiel mit Heldentypen".
Eine erspielte Geschichte, die kein so starres Regelgerüst ermöglicht.
Eine Geschichte, wo Kommunikation oder GMV oder Gruppenvertrag ein exaktes Regelwerk und dessen Befolgung unnötig macht.
Eine Geschichte, wo Leute zusammenkommen und einen vergnüglichen Abend erleben in dem jeder "spielerisch" zum Gelingen beiträgt.

Eine Utopie vielleicht, aber gerade darum dieser Gedankenanstoß.
 
AW: Autor contra Designer

Überraschend ist dieser Tatbestand für mich nicht.
Immerhin ist "Rollenspiele schreiben" für viele "Kunst", und diese unterliegt in den Augen vieler keinen (handwerklichen) "Regeln".
Was man dagegen tun kann?
Lachen. Möglichst laut, sodass alle mitkriegen wie klein und lächerlich diese Schund-Autoren sind.

@Tomani

Wieso ist denn "Brettspiel" so schlecht besetzt bei dir?

Grüße
Hasran
 
AW: Autor contra Designer

@Tomani

Wieso ist denn "Brettspiel" so schlecht besetzt bei dir?

Grüße
Hasran

"Brettspiel" ist durchaus nicht schlecht besetzt bei mir. Spielen wir oft und auch gerne (D&D und Epigonen, gern auch D&D4).
Ich will ja nur, dass man etwas über die "Story Gaming" Spiele nachdenkt ob das ein Weg wäre. Nicht so, wie es jetzt gehandhabt wird (schlechte Autoren, Railroad, Vorlesen), sondern als neue interessante Wege für jene, denen bei "Brettspiel mit Heldentypen" eigentlich Descent genügt.
Rollenspiel hat IMHO den Vorteil, dass man sooo viel daraus machen kann, da sollte man sich nicht auf nur einen Spielstil beschränken.
 
AW: Autor contra Designer

In meinem Fall ist es ganz einfach - wenn ich Spielmaterial schreibe, bin ich mir im Klaren darüber, dass ich kein spektakulär guter Autor bin. Mein Englisch ist zwar ganz passabel, aber ich muss mich doch immer bemühen mein Hauptaugenmerk darauf zu richten, dass meine Schilderungen funktionabel (gibt es das Wort, oder meine ich "Funktional"?) für das Spiel sind. Wenn es sich dann noch gut liest, ist es umso besser.

Außerdem ist für mich das Schreiben eines Abenteuers, ebenso wie das Spielleiten an sich, ein "Handwerk", keine Kunst. Im besten Falle ist es "Kunsthandwerk".

Je kurzer, knapper und klarer ich mich sprachlich halte (ich denke der englische Begriff "concise" sollte das ganz gut treffen), desto mehr kann sich der jeweilige Spielleiter das Produkt zu eigen machen.


Allerdings habe ich auch schon gemerkt, dass diese Anschauung zwar in wenigen Kreisen sehr gerne gesehen ist, einen großen Markt könnte ich damit nicht aufmischen, da viele Spielleiter gerne ein Abenteuer oder einen Quellenband vorgesetzt bekommen, das sie nur aufschlagen müssen und direkt loslegen können.
 
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