Rezension Wir sind die Nacht [User-Rezi]

Caninus

heiliges Caninchen!
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Wir sind die Nacht


Karoline Herfurth, Nina Hoss, Max Riemelt [User-Rezi] geschrieben von Tasnica


Als Vampirfan blicke ich auf eine jahrelange Beschäftigung mit dem Thema zurück, sowohl in Buch- als auch Filmform. Einiges war einfach nur legendär (Interview mit einem Vampir), einiges kultig (Buffy) und anderes schräg (From Dusk Till Dawn).
In jüngerer Vergangenheit grassiert jedoch das Mainstream-Vampirfieber, ausgelöst durch die Teenie-Schmonzetten namens "Twilight".*
In den Buchhandlungen gab es früher die Belletristik-Einteilungen "Science fiction, Fantasy und Horror." Letzteres war das Regal welches von Stephen King und Anne Rice im Alleingang gefüllt wurde. Heute heißt das Regal "Vampire" und ist randvoll mit NOCH MEHR Schmonzetten. In diese Zeit, in der Perlen wie "True Blood" ein Randdasein führen, bricht nun ausgerechnet ein deutscher Film.
Ich war im Vorfeld unsicher, ob sich die Macher wohl an die gut verkaufende seichte Unterhaltung schmiegen würden, um ein "deutsches Twilight" zu vermarkten, oder etwas eigenes auf die Beine stellen würden.

Und siehe da: Regisseur Dennis Gansel pfeift auf den Einheitskitsch und präsentiert lieber ein punkig-glamouröses "Erschaffungsdrama".*
"Wir sind die Nacht" ist nicht nur überzeugend besetzt, es geizt auch nicht mit optischen Leckerbissen, die man so von einem deutschen Film nicht erwartet.*
Positiv muss hervorgehoben werden, dass die Handlung zwar vorhersehbar, aber rasant umgesetzt ist. Gansel macht nicht den Fehler das Ganze in die Länge zu ziehen.
"Wir sind die Nacht" ist kurz und knackig, auch wenn dies manchmal auf Kosten der (Neben-)Charaktere geht. Die sind Fluch und Segen zugleich: Die Anzahl der Vampire ist mit Vieren recht überschaubar, so dass alle entsprechend gut in Szene gesetzt werden.

Was hingegen fehlt ist jeglicher Vampirhintergrund: Die vier Vampirinnen sind allein. Alles was auf eine "Gesellschaft der Vampire" schließen lässt, so wie bei Anne Rice oder den beliebten Rollenspiel- und Buchuniversen "Vampire the Masquerade" bzw. "Vampire: Requiem", fehlt völlig. Es gibt 400 Vampirinnen auf der Welt, davon 40 in Europa. Die Männer sind seit Jahrhunderten ausgestorben. Mehr erfährt man nicht. Zusätzlich mangelt es an Glaubwürdigkeit: Den vier Damen nimmt man einfach nicht ab, dass sie so lange unerkannt gelebt und überlebt haben. Sie sind ausschweifend, unvorsichtig und furchtbar auffällig. Anführerin Louise (perfekt besetzt: Nina Hoss), scheinen ihre Mädels über den Kopf zu wachsen. In der sehr stimmigen Einleitung sehen wir sie auf Bildern und Gemälden im Laufe der Jahrhunderte. Wie kann eine solche Frau, die an der Ausrottung der männlichen Artgenossen beteiligt war und mindestens 200 Jahre lang überleben konnte, nur binnen so kurzer Zeit sämtliche Fäden verlieren?

Kurzum: Dem Hintergrund fehlt einfach "Fleisch auf den Rippen" um die Charaktere glaubwürdig in Szene zu setzen. Positiv ist hingegen, dass der Film abgeschlossen ist. Eine Fortsetzung, so wie beim ersten (und brauchbaren) "Underworld"-Film, ist dem Werk nicht zu wünschen.

Was für ein Eindruck bleibt also beim Zuschauer zurück? Leider verpasst Gansel die Möglichkeit, aus einem guten Film einen kultigen "Skandalfilm" zu machen. Es hätte nur etwas mehr Mut gebraucht um seine Lesbenvampire so richtig von der Leine zu lassen. Die "ganz große Skandalszene" fehlt einfach. Kein Sex, keine Blutdusche (man denke an "Blade"), keine Gewalteskapaden wie in "From Dusk Till Dawn". Irgendwas in diese Richtung hätte den Film zum Kult und Geheimtipp gemacht. Der Film fährt mit deutlich angezogener Handbremse: Er ist düster, aber harmlos. Die Story ist flott, aber nach "Underworld" nur ein weiterer Aufguss der klassischen "Romeo und Julia"-Story.
Mensch verliebt sich in Vampirin + Vampirin in Menschen = Chaos.

Unterm Strich bleibt dennoch ein überraschend guter Film mit einem überraschend gutem Soundtrack mit genau der richtigen Mischung aus Gothic, Industrial und Orchestereinsatz.

Ist der Film sehenswert? Unbedingt!
Das "Wir sind die Nacht" der ganz große Wurf wird, hat niemand ernsthaft erwartet.
Allein dafür, dass jemand eine Menge Geld in die Hand nimmt um in Deutschland einen Film zu machen, der nichts mit dem 3. Reich, der RAF, der DDR oder [bitte zeitgeschichtliches Thema hier einfügen!] zu tun hat; ja, im Gegenteil: "sinnfrei" unterhalten will, hat Respekt verdient!

Als Alternativen bleiben nur (gelungene) Kinderfilme wie "Krabat", "Wickie" und Co, sowie die omnipräsenten Sozialdramen. Deutsche Filme für Erwachsene, abseits des ganzen Bildungsauftrags, die keine doofen Komödien mit Bully Herbig, Till Schweiger oder Otto Waalkes sind? Da fällt mir tatsächlich nur einer ein: Lola rennt.

Es ist schade, dass es nur alle 10 Jahre mal einen gut gemachten deutschen Film gibt, der einfach nur unterhalten möchte. "Wir sind die Nacht" ist so einer.
Allein deshalb sollte man ihn sich ins Regal stellen.Den Artikel im Blog lesen
 
Ich möchte nicht unverschämt oder anmaßend klingen, aber wieso steht da als Autor Caninus? Die Rezi ist eigentlich von mir. -.-

Edit: Dankeschön! ;)
 
Das hab ich dir doch in den PNs schon gesagt. Zweimal. Wenn ich einen Artikel erstelle, dann kann ich kaum dich als Autor einstellen, deswegen hättest du ihn ja posten können. Wolltest du aber nicht.
Warum jetzt aber jemand mein 'geschrieben von Tasnica' aus der ersten Zeile entfernt hat, weiß ich nicht. Ich packs mal wieder rein.
 
@Caninus: Ah, ich wusste nur nicht das du Caninus bist. ^^ Und ja, es ging mir um eine Info im Text, dass der Text von mir ist. So wie es jetzt in der ersten Zeile steht ist es in Ordnung. ;)
 
Wie gesagt, bei Veröffentlichung hatte ich das direkt mit reingeschreiben, aber irgendwer muss das editiert haben. Schon merkwürdig.
 
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