Rezension V wie Vendetta (Roman zum Film)

Nepharite

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Steve Moore - V wie Vendetta (Roman zum Film)


[User-Rezi] von Nepharite


In einer nicht allzu fernen Zukunft hat sich die parlamentarische Demokratie Großbritanniens in eine faschistisch-klerikale Diktatur gewandelt: Konzentrationslager überziehen das Land, Menschen, die Minderheiten angehören -Ausländer, Homosexuelle, Muslime, Intellektuelle, Dissidenten- werden verhaftet, gefoltert und ermordet; jeder Funken Widerstands und Freiheitsstrebens wird mit brutaler Gewalt durch die Schergen des Großkanzlers Adam Sutler im Keim erstickt, während die riesige Propaganda-Maschinerie des BTN -des British Televison Networks- die Massen mit Lügen und christlich-fundamentalistischen Hetzparolen manipuliert.

Sekretärin Evey Hammond, ein winziges Rädchen im Getriebe BTNs, schlägt sich mehr schlecht als recht durch und erwartet vom Leben wenig mehr als einen etwas besseren Job.
Ihr gesamtes Weltbild kommt ins Wanken als sie eines Nachts von einem geheimnisvollen Mann, der sich als V vorstellt und eine "Guy Fawkes"-Maske trägt, vor Häschern des Gestapo-ähnlichen Sicherheitsdienstes gerettet wird.
Doch auch wenn sie dieser Fremde, der ihr eine Welt, seine Welt im Untergrund -wörtlich und im übertragenen Sinne- zeigt, fasziniert, so gehören ihre Loyalität, ihr Glaube zunächst dem System und ihr Weg bis zur Läuterung wird lang, erniedrigend und schmerzvoll sein.

V´s gnadenlose und brutale Anschläge auf Symbole -wie das Folter-Gefängnis von London, Old Bailey- oder hochrangige Repräsentanten der Diktatur und -in Gedenken an den "Gun Powder Plot" des Jahres 1605, einem bedeutsamen Tag in der britischen Geschichte- die Ankündigung, am 5. November des kommenden Jahres eine nationale Demonstration seiner Macht zu veranstalten, machen ihn zum Staatsfeind Nr. 1. Unter Leitung des Chefs der Verbrechensermittlung, Eric "Die Nase" Finch, wird eine erbarmungslose Jagd auf ihn und Evey, welche man für eine Kollaborateurin hält, eröffnet.
Doch diese Jagd geht am Chief Inspector ebenfalls nicht spurlos vorüber. Auch seine Loyalitäten werden zunehmend in Frage gestellt, als ihn die Ermittlungen zurück zu den Anfängen der Diktatur führen, zum Tag des St.-Marys-Virus und hin zum berüchtigtsten aller Konzentrationslager, Larkhill, welches vor einigen Jahren in einem Höllenfeuer unterging. Die Frage, ob das System das Monster V, welches ihm nun den Krieg erklärt hat, nicht selbst erschuf, lässt ihn selbst dann nicht ruhen, als sein eigenes Leben mehr und mehr in Gefahr gerät.

"V wie Vendetta", der offizielle Roman zum Film, basiert auf einem Drehbuch der Wachowski-Brüder, die sich durch die Matrix-Trilogie in Cineastenkreisen einen Namen machen konnten. Diesem Drehbuch wiederum liegt die ursprünglich 1982 bis 1885 erschiene, unvollendete und 1988 neuaufgelegte und dann fertig gestellte, gleichnamige Dystopie des genialen Comic-Künstlers Alan Moore (Watchmen, From Hell, League of Extraordinary Gentlemen; nicht verwandt mit Steve Moore) zu Grunde.
Auch wenn Alan Moore sich von dem Film distanziert haben soll und nicht im Vorspann/Abspann genannt werden möchte, so bedeutet dieses nicht, dass der Roman nach dem Drehbuch schlecht wäre.

Natürlich wäre es vermessen, wollte man das Buch auf eine Stufe mit dystopischen Meisterwerken wie "1984" oder "Fahrenheit 451" stellen, denn dafür ist seine Auseinandersetzung mit struktureller und auch individueller Gewalt letztlich zu oberflächlich und durch zu wenig visionäre Eigenständigkeit gekennzeichnet; die Unterdrückung Freiheit und Wahrheit, die Entwertung und Entrechtung des Individuums, all das folgt in dem Roman hinlänglich bekannten Mechanismen und bietet gerade auch in der Verkürzung gesellschaftlicher Prozesse wenig Neues.

Dennoch ist "V wie Vendetta" ein fesselndes Werk, weil es erfolgreich einen Bogen schlägt, zwischen sehr "stylisher", vom Autor z.T. sehr comichaft inszenierter Action, welche gerade auch in der Adaption des Übermenschlichen ihren Ursprung nicht verhehlt, einer durchgängig düsteren Atmosphäre, verhaltener Gesellschaftskritik und eindringlichen Charaktermomenten. Ein Großteil der Faszination erwächst aus der Unnahbarkeit V´s -symbolisiert durch die "Guy Fawkes"-Maske und andere "theatralische" Accessoires-, welcher wie ein gesichtsloser Schrecken, ein mythologischer Rachegott aus dem Nichts über seine Feinde kommt, um nach vollstrecktem Urteil wieder im Nichts zu verschwinden. Dieser Mangel an menschlicher Substanz lässt Evey Hammond und -mit Einschränkungen- auch Eric Finch zu den eigentlichen Identifikationsfiguren des Lesers avancieren; erst durch sie erlebt er die Schrecken der Diktatur, die Angst, Verzweiflung, aber auch die Hoffnung.

Einen Punkt, den ich persönlich für problematisch halte, ist die Glorifizierung von Gewalt, Mord und Zerstörung als adäquates Mittel im Kampf gegen die Unterdrückung, sowie die in der Person des V unsaubere Trennung zwischen Rache und Gerechtigkeit. Eine tiefere Diskussion bzw. Reflexion über diesen sehr zentralen Aspekt findet kaum statt; wenn sich V schlussendlich vage von seinem Weg distanziert, so ist die Entscheidung kaum nachvollziehbar und wird ohnehin kurze Zeit später durch das Verhalten der anderen Protagonisten konterkariert.

Fazit: Ein runder, gut geschriebener und atmosphärisch dichter Roman, der sich zwar nicht mit den großen Dystopien der Literatur und Filmgeschichte -"Wir", "1984", "Brave New World", "Soylent Green", u.a.- messen kann, jedoch in der Reihe der neueren Kino-Film-Adaptionen qualitativ einen der vorderen Plätze belegt.Den Artikel im Blog lesen
 
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