- Registriert
- 17. September 2008
- Beiträge
- 2.009
Pilgrim 2000 - Teil 2 [T-Rezi]
Mark Brandis Hörspiel - Folge 14
Mark Brandis Hörspiel - Folge 14
Mit "Pilgrim 2000 - Teil 2" erreicht nun auch die Fortsetzung die Media-Player der Nation. Es handelt sich um eine nahtlose Fortsetzung und so kann die zweigeteilte Veröffentlichung des Hörspiels als ein Gesamtwerk gesehen werden. Und um eins draufzusetzen: Es ist sogar ein großartiges Gesamtwerk. Erneut haben die Macher der Reihe "Mark Brandis - Abenteuer in der Welt von Morgen" eine tolle Arbeit geleistet, die unterhält und zum Nachdenken anregt.
Noch immer befindet sich die Besatzung der HERMES an Bord des Generationenschiffs PILGRIM 2000. Die gewaltige Biosphäre simuliert dabei eine irdische Welt voller Leben, ein Paradies, das in die Sonne zu stürzen droht. Commander Mark Brandis und seine Leute haben sich auf die PILGRIM 2000 begeben, um dort nach Überlebenden zu suchen. Doch von der einstigen Besatzung ist nur noch eine Person am Leben: Judith.
Zuerst glaubt Brandis Judith würde aufgrund ihrer Einsamkeit eine religiöse Lebensart entwickelt haben, doch dann hört auch er die Stimme von IHM in seinem Kopf. Doch im Gegensatz zu Judith glaubt Brandis an keinen Gott, sondern an einen Menschen und alte Technologien. Der Aufenthalt gewinnt an zusätzlicher Brisanz, weil hundegroße Ratten den weg zu den Schleusen versperren. Mark Brandis vermutet einen Zusammenhang ...
Dieser Zusammenhang ist ja offensichtlich. Allgemein ist die Handlung weitgehend vorhersehbar, das Thema Generationenschiff eine bekannte Größe in der Science Fiction. Mit der Handlung selbst sind also keine Punkte zu machen. Sie kann nur als Gerüst dienen, um Atmosphäre und Spannung aufzubauen.
Das gelingt dem Skript schon mal sehr gut. Wie die Vorlage wird die Geschichte mit humanistischen Grundgedanken unterfüttert, spielt Moral, und die Abkehr davon, eine große Rolle. Die Probleme der Kolonisten an Bord der PILGRIM 2000 sind noch immer hochaktuell, einfach zeitlos. Die daraus von Mark Brandis gewonnene Erkenntnis könnte als Leuchtfeuer für eine moderne, im Wandel befindliche Gesellschaft dienen. Könnte. Aber die Geschichte lehrt, dass der Mensch ein lernunwilliges Geschöpf ist. Zwar meistert er die Technik, aber nicht die Moral. Es sind sehr philosophische Ansichten, die im Hörspiel ebenfalls behandelt werden und zum Reflektieren anregen. Mark Brandis kann zwar auch als reines Spannungshörspiel genossen werden, doch gehen die Abenteuer stets auch in die Tiefe. Und diesen in den Romanen von Nikolai von Michalewsky vorkommenden Tiefgang, fangen Balthasar von Weymarn und Jochim-C. Redeker im Hörspiel wieder ein und transportieren ihn auf ein modernes Medium.
Neben aller Philosophie ist "Pilgrim 2000" natürlich auch kurzweilige Unterhaltung und hervorragende Science Fiction. An der Seite von Mark Brandis entdeckt der Hörer besondere Orte an Bord der PILGRIM 2000. Das kleine Booklet der CD bietet hier ein wenig Unterstützung, in dem es einen Seitenschnitt des Generationenschiffs zeigt und auch mit einem passenden Informationstext zum Thema aufwartet. Die Coverillustration von Alexander Preuss schlägt in die gleiche Kerbe und zeigt die PILGRIM 2000 von Innen. Es ist ein berauschender Anblick, der mit liebevollen Details aufwartet. Besonders faszinierend ist dabei der starke Kontrast der beiden Cover. Der Doppelfolge Während auf dem ersten Teil die wütende Hitze der Sonne dominiert, stehen nun kühle und helle Farben im Vordergrund. Die Cover visualisieren den Unterschied in der Wahrnehmung, der zwischen Brandis und Judith, zwischen Brandis und Melchior existiert. Für die Besatzung der PILGRIM 2000 ist die Behauptung, das Schiff würde in die Sonne stürzen, einfach surreal, eine reine Vertrauensfrage. Und erneut haben von Michalewsky und von Weymarn die Leute am Haken. Einfach klasse.
Melchior, das ist der zweite Bewohner des Generationenschiffs und gleichzeitig auch der Gegenspieler von Brandis. Für den abgeklärten Commander und auch den Zuhörer ist natürlich klar, dass kein Gott über die PILGRIM 2000 herrscht, obwohl Melchior scheinbar über gottgleiche Fähigkeiten verfügt. Immerhin ist es ihm gelungen in den Kopf von Brandis vorzudringen, sich mit ihm zu unterhalten. Und vielleicht ist er zu noch schlimmeren Dingen in der Lage. Und Mark Brandis hat keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Das ist eine erschreckende Vorstellung. Der Gedanke jemanden in seinem Kopf zu haben, ohne ihm etwas entgegegnsetzen zu können, die intimsten Gedanken einem Fremden ausgeliefert ... ein Schockmoment.
Diesen Zustand des ausgeliefert sein vermittelt die Geschichte nun mehrmals. Stets an passenden Stellen, stets mit der gleichen Eindringlichkeit. Hier der modernen Technik und einem scheinbar sinnloses Sicherheitsprotkoll ausgeliefert, dort der Verlust des Augenlichts und auf fremde Hilfe angewiesen sein. Wobei die Blindheit natürlich den positiven Aspekt hat, dass der Zuhörer - vollkommen nachvollziehbar - erklärt bekommt, was es zu sehen gibt. Ein toller Kniff.
Die Handlung ist gut, aber wie sieht es mit der Umsetzung aus? Musik und Sounddesign liegen in den fähigen Händen von Jochim-C. Redeker, der sich Produktion, Regie und Schnitt mit Balthasar von Weymarn teilt. Beide haben - vorweg - erstklassige Arbeit geleistet. Die Klangkulisse ist hervorragend und die Musik zwar etwas elektrisch angehaucht - stellenweise auch sphärisch - aber dennoch passend. Zusammen ergibt sich ein gelungener Klangteppich, auf dem die Schauspieler agieren können. Neben den Schwergewichten Claudia Urbschat-Mingues und David Nathan, agiert auch wieder Michael Lott in der Hauptrolle des Mark Brandis. Einzig Herr Lott dürfte deswegen als feste Konstante gelten, denn erneut überrascht die Produktion mit dem plötzlichen Tod eines bisher altgedienten Besatzungsmitgliedes. Das hält die Spannung natürlich hoch und sorgt erneut für Wut, Trauer und Frust beim Commander.
Diese chaotische Gefühlswelt, das moralische Hinterfragen der Mission, das transportiert Michael Lott hervorragend. Stets die richtige Betonung auf den Lippen, stets die richtige Stimmung im Ausdruck - ein hervorragendes Spiel. Die Sprecher verstehen ihr Handwerk und sind hörbar mit Freude dabei. Um so trauriger, wenn einer aus der Riege seinen Platz räumen muss.
"Pilgrim 2000" ist eine gelungene Doppelfolge und auch der zweite Teil überzeugt mal wieder auf ganzer Linie. Das Finale schlägt dabei eine Brücke zum Anfang, was sehr gelungen ist. "Mark Brandis - Abenteuer in der Welt von Morgen" macht einfach Spaß.
Copyright © 2011 by Günther Lietz
Diese Rezension erschien zum Zeitpunkt des Eintrags ebenfalls auf Taysals WebBlog und Buchrezicenter.
Pilgrim 2000 - Teil 2
Mark Brandis Folge 14
Interplanar, Universal Music, Folgenreich (2011)
Nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky
Manuskript: Balthasar von Weymarn
Musik & Sounddesign: Jochim-C. Redeker
Aufnahme: Tommi Schneefuß, Thomas Weichler
Produktion, Regie und Schnitt: Jochim-C. Redeker & Balthasar von Weymarn
Artwork: Alexander Preuss
Layout/ Satz: Jürgen Straub
Sprecher: Dr. Rebecca Levy (Claudia Urbschat-Mingues), Cmdr. Mark Brandis (Michael Lott), Cpt. Grigori »Grischa« Romen (David Nathan), Bordsystem CORA (Mira Christine Mühlenhof), Lt. Pablo Torrente (Martin Keßler), Prolog (Wolf Frass), Lt. Iwan Stroganow (Martin Wehrmann), Lt. Konstantinos Simopoulos (Gernot Endemann), Judith (Katarina Tomaschewsky), Melchior (Klaus Sonnenschein)
ISBN 978-3-8291-2437-9
Gesamtspielzeit: ca. 56 Minuten
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
MARK BRANDIS | Abenteuer in der Welt von Morgen
Folgenreich
ABALAKIN - THE ART OF ALEXANDER PREUSS