CoC Allgemein Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Der wirkliche Horror bei Cthulhu ist der existenzialistische (richtiges Wort?) Horror, dass es keine Götter gibt, dass der Mensch ein bloßer Zufall ist, dass das der Tod das Ende bedeutet, dass das Universum sich einfach nicht darum schert. Es ist die eigene Bedeutungslosigkeit die die Protagonisten bei Lovecraft immer so zielgerichtet in den Wahnsinn zu treiben vermag.

Sehe ich nur teilweise so, da es auch zu Lovecrafts Zeiten bereits Atheisten gab und Evolutionstheorie auch so ein Ding war.
Ich sehe den Horror eher in den wirklich fremdartigen Strukturen, Dimensionsgefügen, Funktionsweisen (wenn man das auf die Mythoswesen so anwenden mag) von Dingen, die so fremd und unwirklich scheinen, daß der menschliche Geist schlichtweg nicht in der Lage ist, derartige Dinge zu verarbeiten und daran zerbricht. Existenzielle Ängste à la "Wir sind nicht die Krone der Schöpfung!" halte ich für sekundär, wenn sie überhaupt so wichtig sind.
Und gerade diese Dinge kann mensch sich nicht erklären, und das Unbekannte wird gefürchtet. Vampire oder Werwölfe kann man sich irgendwie noch erklären, aber Wasser, das von allein nach oben fließt, Zeit- und Dimensionsparadoxa und abstruse Körper eher nicht. Somit kann Cthulhu auch heute durchaus noch so funktionieren.
 
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Irgendwie werden hier Behauptungen aufgestellt die ich so nicht nachvollziehen kann. z.B. :

Da unsere Gesellschaft als ganzes die Frage nach Tod, Leben und Ethik nicht mehr stellt und in einem schwammigen Atheismus nicht wirklich beantwortet hat
Ist das so? Warum? Könnte man nicht im Gegensatz dazu behaupten das wir in einer, im historischen Maßstab, hypergebildeten und damit auch diese Fragen ausgiebig behandelnden Gesellschaft leben?
Und lassen sich diese Fragen überhaupt zufriedenstellend(er) beantworten ?

(Allerdings bin ich auch der Meinung, dass solche Leute entweder sehr sehr dumm oder sehr sehr gefährlich sind.)

Gründe? Bzw. wenn du jetzt wieder mit der Hybris kommst, was ist größenwahnsinnig daran den aktuell, wissenschaftlich nachprüfbaren Zustand der Welt als solchen zu aktzeptieren?

Ansonsten bzgl Chtulhu - Mythos: Richtig erschreckend fand ich den ebenfalls nie ... da gibt es andere, teilweise viel realere Themen die ungleich mehr Horror beinhalten. Da grusele ich mich eher vor meinen Mitmenschen als vor außerirdischen Göttern. Wenn wir uns jetzt nur auf Fiktion beziehen wollen sieht das nochmal ganz anders aus, aber da kann ich aber auch gerade kein Muster feststellen. Meine Lieblingsgeschichten bisher sind Pickmans Modell, Berge des Wahnsinns und der leuchtende Trapezoeder, aber wegen ganz unterschiedlichen Elementen.

Ich glaube da geht es mir letztendlich ähnlich wie Atreju das mich eher die seltsamen, "obszönen, unbeschreiblichen HPLadjektivblablub" Auswüchse, und der Menschen als "Zauberlehrling" dieser Kräfte, faszinieren als die Vorstellung einer kosmisch unbedeutenden Menschheit oder eines ebensolchen Egos. Bedeutung erwächst ja nicht aus kosmischen Zusammenhängen sondern eher aus sozialen, man schafft sie sich selbst oder auch nicht. Vor dem großen Chtulhu grusele ich mich in der Hinsicht ungefähr so ähnlich wie vorm Armageddon-Meteoriten und das ist nicht viel.
 
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Ist das so? Warum? Könnte man nicht im Gegensatz dazu behaupten das wir in einer, im historischen Maßstab, hypergebildeten und damit auch diese Fragen ausgiebig behandelnden Gesellschaft leben?
Und lassen sich diese Fragen überhaupt zufriedenstellend(er) beantworten ?

Haben wir das wirklich? Über ein "Is halt so..." hinaus? Es ist eine Tatsache das jeder von uns eines Tages einfach aufhören wird zu existieren. Die Frage über den Tod wird nicht gestellt, wir betrachten das eher als Absolutes Tabuthema - wer denkt schon wirklich darüber nach was das ist?
 
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Gründe? Bzw. wenn du jetzt wieder mit der Hybris kommst, was ist größenwahnsinnig daran den aktuell, wissenschaftlich nachprüfbaren Zustand der Welt als solchen zu aktzeptieren?

Erstmal würde ich es begrüßen, wenn man mich nicht nur auszugsweise zitiert, sondern im gesamten Kontext. Ich sprach von Leuten, die bestimmte Standpunkte vertreten, weil es schick oder aufgeklärt wirkt.

Was die Hybris angeht, so find ich es schlicht absurd zu glauben, dass Fragen nach Bedeutung und Sinn irgendwann in "seiner Zeit, nicht meiner" beantwortet wurden und man sich deshalb nicht mehr damit beschäftigen muss. Denn das Unangenehme am Mythos (zumindest der Teil von dem ich in meinen Beiträgen hier sprach) ist doch, dass das Bedürfnis Antworten oder Sinn zu finden durch den Stellenwert den Menschen in den Lovecraft-geschichten haben, voll und ganz bedeutungslos gemacht wird.

Ehrlich gesagt kann mir auch niemand erzählen, dass man wissenschaftlich beweisen kann, dass Sinnsuche zwecklos ist. Im Gegenteil. Du - mindblasted - schreibst doch auch von Bedeutung, die aus sozialen Zusammenhängen erwächst. Das ist doch genau das, was im Mythos negiert wird und weshalb er so beunruhigend wirken kann.

Ich rede doch hier nicht davon, dass man an einen alten bärtigen Mann, der auf Wolken sitzt, zu glauben hat, denn sonst ist man dumm oder gefährlich. Ich rede davon, dass Leute, die mit Nihilismus schocken oder prahlen wollen, entweder nicht begreifen, was das wirklich bedeutet (und eigentlich gar keine Nihilisten sind, aber gerne deren Parolen in den Raum schreien) oder halt verstanden haben was der Glaube an Nihilismus in letzter Konsequenz bedeutet und bewusst daran festhalten und damit per Definition nicht mehr Teil eines menschlichen Zusammenlebens sein können.


Zum Thema.

Ich denke der Mythos hat als Grusel erzeugende Thematik einen ähnlichen Stellenwert wie Zombies. Man kann sowohl auf den vordergründigen Horror reagieren (der langsame und grausame Tod durch ekelerregende Viecher) oder den hintergründigen Horror (Negation von Werten und Bedeutung bzw. Verlust von Identität und Individualität). Wobei ich das nicht für eine Frage von "Nachdenklichkeit" oder ähnliches halte, sondern nur ob man als Zielpublikum auf diese oder jene Ebene anspricht.
 
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Okay ich glaube nicht an einen Sinn im Leben. Ich glaube aber an ein Gewissen. Nicht an Gott oder ein verlgeichbares Wesen bzw eine Intelligenz. Ich glaube daran, dass wir Zufall sind.
Ich sage nicht, dass andere das Glauben sollten. Ich glaube daran.

Ich habe aber ein Gewissen ? Was das ist? Anerzogene Wertvorstellungen, die es unserer Soezies erlaubt haben zu überleben. Wenn ich gegen mein Gewissen handle fühle ich mich schlecht. Daher tue ich es nicht, denn ohne Sinn hinter allem sollte es nur darum gehen, dass man selber glücklich ist.
Wenn jemand anders sich schlecht verhält und dadurch andere leiden, dann fühle ich mich schlecht, denn dieses Wissen ist mir aufgrund meines Gewissens unangenehm. Daraus resultiert für mich zivilcourage.
Ich sage das keineswegs weil ich das als schick empfinde.


Den Zombie Verlgeich finde ich insoweit aber ganz gut. Nur genau das kann ich eben auch mit jedem anderem HorrorSetting machen.
JEDES "Monster" hat auch einen tieferen Sinn. Ob nun der Werwolf (Sieg der Instinkte über den Verstand, das Monster IN uns usw) oder Frankenstein (Rassismus, Entmenschlichung unserer Selbst usw)... dafür brauche ich den Mythos nicht. Vielleicht liegt es für mich aber auch daran, dass mich Rollenspiele, die meinen Charakter in der ein oder anderen Form als machtlos hinstellen nicht mag. Versteht das nicht als Escapeismus sondern einfach nur als meinen persönlichen Geschmack.
 
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@Shadom:
Nur bist du trotzdem kein Nihilist.
Und du glaubst sehr wohl an einen Sinn des Lebens, wenn du noch mal deinen Zweiten Absatz genau liest.

@all:
Wie funktioniert OOT-Code?
 
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Ist das nicht ein bisschen dünn - ich verhalte mich anständig weil ich mich sonst schlecht fühle? Was ist denn wenn du dich mal besser fühlst wenn du NICHT anständig bist? Das finde ICH irgendwie gefährlich, so an gar nichts mehr zu glauben ausser an das eigene Wohlbefinden. Da bin ich trotz Atheismus anderer Ansicht. Manche Dinge sind einfach "richtig", ohne das Begründen zu müssen.


Den Zombie Verlgeich finde ich insoweit aber ganz gut. Nur genau das kann ich eben auch mit jedem anderem HorrorSetting machen.
JEDES "Monster" hat auch einen tieferen Sinn. Ob nun der Werwolf (Sieg der Instinkte über den Verstand, das Monster IN uns usw) oder Frankenstein (Rassismus, Entmenschlichung unserer Selbst usw)... dafür brauche ich den Mythos nicht. Vielleicht liegt es für mich aber auch daran, dass mich Rollenspiele, die meinen Charakter in der ein oder anderen Form als machtlos hinstellen nicht mag. Versteht das nicht als Escapeismus sondern einfach nur als meinen persönlichen Geschmack.

Ist die Machtlosigkeit der Charaktere nicht ersteinmal Grundvorraussetzung für Horrorspiele? Alles andere ist Dark Fantasy. John Wick hat das mal versucht mit Alien und Alien 2 zu erklären. In Alien sind Ripley und die anderen dem Monster ausgeliefert - in Alien 2 haben die Marines eine echte Chance.

Klar, der Nihilismustrip mancher Spielleiter wo man automatisch stirbt ist ... unlustig, aber ich kann auch dem Monster gegenüber machtlos sein.
 
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Im wesentlichen sagt er: Das Konzept von Cthulhu kann seinen wirklichen Horror nur entfalten wenn man grundsätzlich reflektiert über Leben und Tod nachgedacht hat. Da unsere Gesellschaft als ganzes die Frage nach Tod, Leben und Ethik nicht mehr stellt und in einem schwammigen Atheismus nicht wirklich beantwortet hat kommt Cthulhu heute wie ein großer Godzilla rüber. Lovecrafts ursprüngliche Vision funktioniere nur bei Menschen die überhaupt über solche Fragen mal nachgedacht hätten.
Vielleicht beruht das ganze auch einfach auf einer begrenzten Fähigkeit der Immersion. Mann kann sich also durchaus Gedanken über den Tod machen und dann feststellen, daß es reale Möglichkeiten des Sterbens gibt, die einen einfach (in Kombination mit der mangelnden Immersion) daran hindern, Fantasiewesen als schockierend, gruselig oder horrorerzeugend wahrzunehmen, weil die realen Todesmöglichkeiten hier viel schockierender sind.
 
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Das ist aber das Todschlagsargument für jedes "Gruseln zur Unterhaltung". Und ich gebe ganz offen zu, ich fürchte mich wenn Filme/Bücher meinen entsprechenden Nerv treffen.
 
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Ich glaube nicht, dass man nachdenklich sein muss, sehr wohl aber auf eine bestimmte Weise empfindsam. Der Horror (denn eigentlich sollte es kein Grusel sein: ich grusele mich, wenn ich mich auf meiner Couch weiß und im Fernsehen etwas Erschreckendes läuft, von dem ich mich aber distanzieren kann) bei Lovecraft liegt darin, dass unser Verstand vor gewissen Dingen kapituliert, weil er sie nicht begreifen kann. Dass einem Dinge, die flüchtig oder nicht vorstellbar sind, Schaden zufügen, einen Töten können ("Die Musik des Erich Zann", "Der leuchtende Trapezoeder"). Wenn ich einem Phänomen des Mythos gegenüberstehe, ist das eben ein Phänomen; es geschehen Dinge, die ich (als erlebendes Subjekt, also z.B. als SC) nicht fassen kann, die mich aber sehr wohl an-fassen können. Wenn ich als SC erst einmal so weit bin, dem Mythos entgegenzutreten, indem ich ihn interpretiere (z.B. als das Wirken anthropomorpher Götter oder Dämonen), ist der Horror schon halb dahin. Deshalb sind Monster auch ein absoluter Stimmungskiller, wenn sie nicht sehr ätherisch-fremdartig eingeführt werden. (Natürlich gibt es Gegenbeispiele, ich denke hier an eine mittelgroße Echse mit einem zweiten Schwanz statt einem Kopf, die ich als Monster bislang leider nicht einsetzen konnte; der Horror liegt hier darin, dass die bloße Existenz des Monsters unser biologisches Weltbild vernichten würde. Dieser Effekt ist aber vermutlich nicht sonderlich effekt-iv.)

Es liegt m.E. ein größeres Problem in der Vorbildung der Spieler als in derer Intellektualität oder Überzeugungen. Wenn ich einem unerklärlichen Phänomen begegne und es - innerlich, für mich - als das Wirken eines Dämons interpretiere und mir weiter keine Gedanken mache - also damit die Existenz von Dämonen akzeptiere -, verfehlt der Horror seinen Effekt. Man muss als Spieler bereit sein, sich auf Unerklärliches einzulassen, bzw. darauf, dass die Erklärung irgendwann scheitert oder falsch ist. Das ist einfach eine Sache des Empfindens - dem einen taugts, dem andern nicht.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Keine Ahnung was Horror vs Dark Fantasy angeht. Evtl liege ich da falsch was die Definition angeht. Trotzdem kann ich ja sagen was mir gefällt und was nicht ;)
Und es bleibt dabei das mir der Mythos nichts bietet was nicht auch ein folkloristisches Monster bietet (also auch die TIEFE Bedeutung)

OffTopic
Wenn es mir irgendwann egal sein sollte was ich tue, dann mache ich "böse" Dinge schlicht und einfach. Und dann wird es andere geben, die sich aufgrund von dem was ich tue schlecht fühlen und dementsprechend gegen mich vorgehen.
Das ist im Glauben genauso. Im Endeffekt gibt jede Religion regeln vor (Gewissen). Wenn einer sich nciht um die Regeln schert dann ist es meist die Aufgabe der anderen ihn auf welche Art auch immer an die Regeln zu "erinnern".
Du hast recht ich glaube an mein eigenes Gewissen und das der Sinn des Lebens darin liegt es zu genießen, was auch immer das bedeutet. (das dürft ihr nicht so flach sehen. Auch tiefsinnige Dinge machen Spaß)

EDIT: So langsam geht das aber echt ZU weit offtopic... wer sich weiter darüber unterhalten will kann ja einen Thread bei Off Topic aufmachen.
 
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Hallo zusammen,

nein für Cthulhu muss man kein nachdenklicher Mensch sein.

Ganz im Gegenteil viele Punkte aus denen in den Geschichten Horror gezogen werden sollen wirken beim heutigen nachdenklichen Menschen kaum.

Das es eine nichtchristliche, nichteuropäische und nicht demokratische Gesellschaft gibt ist nichts Neues. Inzwischen werden fremde Kulturen als etwas positives aufgenommen. Der Kalte Krieg hat ein Stück weit dazu geführt das man sich auch an eine stete Bedrohung für die ganze Welt gewöhnt hat.
Konzepte wie eine ungesteuerte Entwicklung des Lebens, die Quantenphysik und die Relativitätstheorie mit ihren teilweise unglaublichen Folgen werden zwar nicht von allen vollständig verstanden aber sie sind zum Teil in den Alltag eingezogen.
Selbst extreme Phänomene des Weltalls wie Schwarze Löcher, Wurmlöcher oder auch der Urknall sind inzwischen Allgemeingut.
Auch Konzepte wie das Aussterben von Lebewesen durch katastrophale Ereignisse, die parallele Entwicklung von humanoiden Vorläufern des Menschen und eine nicht geradlinige Geschichtsentwicklung sind heute nicht mehr Neu oder gar bedrohlich und zum Wahnsinn führend.

Die cthuloiden Monster die aus meiner Sicht Repräsentanten dieser als fremd und Furcht einflößend empfundenen Dinge dienen verlieren so ihren Horror. Je nach Abbildung oder Beschreibung werden sie im Gegenteil als lächerlich oder langweilig empfunden.

Gruß Jochen
 
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Die cthuloiden Monster die aus meiner Sicht Repräsentanten dieser als fremd und Furcht einflößend empfundenen Dinge dienen verlieren so ihren Horror. Je nach Abbildung oder Beschreibung werden sie im Gegenteil als lächerlich oder langweilig empfunden.

Hm, das würde aber bedeuten, dass nach deinen Ausführungen eine Runde Cthulhu Now (oder jedwedes andere Horror-orientierte Spiel in der Gegenwart wie Hunter oder Witchcraft) kaum funktionieren würde, da wir ja - und sei es nur durch die Bildzeitung - quasi von allem irgendwie schon mal gehört haben.
Ich glaube um den gewünschten Effekt zu erzielen braucht es einfach begeisterungsfähige Spieler und Leute, die sich wirklich in Situationen reindenken können. Dazu gehört es auch den Zeitgeist zu übernehmen (was mit potentiellem Rassismus oder auch der Allgegenwärtigkeit von Krieg durch politisch instabile Situationen einher geht). Wer das nicht hinkriegt ist glaube ich im falschen Hobby. Schließlich muss man in allen anderen Rollenspielen ebenfalls sehr stark abstrahieren und Dinge als gegeben hinnehmen.
 
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Ängstigt euch der Mythos noch?
Nein. - Das hat der Mythos auch noch NIE.

Was den Gruseleffekt aufkommen läßt, daß ich manche Kurzgeschichten von HPL nicht zum Einschlafen lesen mag, ist die Art der DARBIETUNG dessen, was erzählt wird.

Die Sprache ist - sogar noch in Übersetzung - der WIRKSTOFF Lovecraft-schen Grusels. - Und das ist auch der Grund, weshalb "Mythos-Geschichten" anderer Autoren meist (wenige Ausnahmen gibt es schon) so LAHM wirken. - Und aus demselben Grund auch ALLE CoC-Szenarien!

Was bekommt man denn von CoC als Rollenspiel geboten?

Regeln, die SCs künstlich schwächer und sterblicher machen, als man es plausiblerweise erwarten würde (denn SOOO schnell wie in CoC-Szenarien sind die Protagonisten der Cthulhu-Geschichten als deren Vorlagen nämlich NICHT kleinzukriegen!).
Szenarien (im deutschen Cthulhu), die vielleicht noch für den Spielleiter als Lektüre taugen, aber sprachlich am notwendigen Stil komplett vorbei gehen.
Szenarien (in CoC), die als Lokationen mit dort wirkenden Kräften, als Dungeons, als Wildnis, als Stadt-Abenteuer nicht wirklich anders als schon zu D&D-Zeiten (für 1st Level Charaktere wegen der leichten Sterblichkeit der CoC-Charaktere) daher kommen.
Ein Mythos, der außer Tentacle-Sex-Evil-Gods-of-Metal Albumcovers nicht wirklich was Erschreckendes enthält.

Im Ernst, ich empfand den Hintergrund von Engel WIRKLICH anrührend und schaurig - traurig stimmend, schrecklich hoffnungslos.

Der "Anspruch" des Cthulhu-Mythos sozusagen unsere sicher geglaubten Realitäten ins Wanken zu bringen, den kann ich nicht nachvollziehen. - Endloses Internet- und Con-Geschwalle über "Nihilismus" usw. gehen halt nicht zusammen mit dem Unterwasser-Flattermann-mit-Gesichtsgemüse. - Sorry, aber es ist NICHT der Mythos, der gruselt.

Es sind die MENSCHEN, in deren LEIDEN und deren VERZWEIFLUNG man durch die Sprache der Geschichten hineingezogen wird. - Man FÜHLT MIT. - Und DAS ist es, was einen ENTSETZT.

Es ist die Resonanz in einem selbst, die entsteht durch das intensive, von der Sprache so unheimlich harmlos beginnende, aber immer stärker packende MITFÜHLEN mit den MENSCHEN in den Geschichten, daß den Grusel bei HPL ausmacht.

Und das ist eben im Rollenspiel ANDERS.

Es ist die Sprache der Pulp-Ära. Ein knapper, effizienter Stil, der einen ohne unnötige Schnörkel wie ein Degen mitten ins Herz trifft. Ein sprachlicher Stil, wie unter Umgehung des kritischen Verstandes jegliches Zweifeln an dem, was gerade geschildert wird, für die Zeit des Weiterlesens gar nicht erst aufkommen läßt. - Es ist der Pulp-Stil, der einen abholt wie ein lange Jahre vertrauter Freund, der einem den Arm über die Schulter legt, und der einen dann ohne Ankündigung nicht im guten, vertrauten, sauberen Eck der Unterhaltungsliteratur absetzt, sondern der einen mitnimmt auf eine Reise in die Gefilde, wo mehr nicht stimmt, als man geahnt hätte. Und via der Protagonisten ist man hier mittendrin statt nur dabei.

Wer als Autor diese Klinge nicht zu führen weiß, dessen Geschichten zu Cthulhu-Themen sind leider ohne dieses trickreiche Verführen zum Einsteigen und nicht mehr Herauskönnen.

Da es hier beim Grusel-Effekt allein auf die INNENWELTEN der Charaktere ankommt, in die man durch das Lesen einen fesselnden Einblick bekommt, kollidiert diese Eigenschaft mit den Mitteln und Charakteristika des Mediums Rollenspiel. - Und zwar ganz grundsätzlich.

Rollenspiele drehen sich um ENTSCHEIDUNGEN. - HPL-Protagonisten sind aber oftmals entscheidungs-unlustig, träge, unfähig eine Entscheidung zu treffen und in ihren eigenen Empfindungen, Ängsten, usw. gefangen.

Dieses INNENBILD kann keine Sanity-(Hitpoint)-Skala abbilden.

Das Rollenspiel CoC dreht sich um INVESTIGATOREN, die ENTSCHEIDUNGEN treffen können, und die etwas BEWIRKEN wollen und auch können. - Daß sie dabei eine außerordentlich hohe Zerbrechlichkeit haben, fördert die Sorge um den eigenen Charakter, aber NICHT den Grusel.

Jedes Regelsystem setzt den Spielenden eine andere "Brille" auf, mit der man das gesamte Cthulhu-Setting betrachtet. So bringt BRP-CoC andere Geschichten hervor, als Gumshoe-Trail of Cthulhu, als Cthulhu D20, oder als SW-Realms of Cthulhu. - Jede Regeladaption ist ANDERS, hat andere Schwerpunkte.

Und mit jeder Regeladaption kann man packendes Rollenspiel betreiben, jedoch immer anders und immer NICHT wie in den HPL-Geschichten.

Das finde ich aber auch nicht schlimm. Rollenspiele unterhalten halt ANDERS als Kurzgeschichten.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Als langjähriger Mythos Leser und auch CoC Spieler, der KEIN Fanboy ist würde ich dazu sagen:

Da ist tatsächlich einiges drin dem ich zustimmen würde und einiges was mich nachdenklich macht.
Zum großen Teil ist es aber relativer Unsinn der aus ungenügender Kenntnis und persönlichem Geschmack heraus kommt.
Da sind einige Dinge drin die einfach nicht stimmen.

Aber ich find's gut wenn es auch kritische Stimmen zum Mythos und dem RPG gibt. Hört/Liest man nicht so oft.

cheers
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Ich bin relativ gut mit einem Cthulhu-Autor befreundet und habe da auch schon einige Abenteuer probegespielt. Und wir sind uns da einig, dass der Cthulhu-Mythos per se nicht gruselig ist. Auch wird der Horror von Lovecraft in den Geschichten nicht wirklich gut aufgebaut. Da ist dann von "unvorstellbarem Schrecken" die Rede und das war es. Die Geschichten an sich sind also meist einfach nicht gruselig. Aber dann kommt die "Weniger Tentakel, mehr Schatten"-Formel, denn je weniger ein SL seinen Spielern die Monster beschreibt, desto schrecklicher werden sie in der Vorstellung der Spieler (unsere Erfahrung).

Und das ist dann etwas was ich an diesem Spiel liebe: Ich kann mich immer gruseln auch wenn ich die Monster an sich (in den Quellenbüchern etc.) nicht gruselig finde. Was hab ich mich schon gegruselt, auch bei Cthulhu Now und deswegen würde ich sagen: Es kommt vor allem darauf an, ob man sich gruseln will oder eben nicht und das gilt dann sowohl für das Spiel als auch für die Geschichten von Lovecraft.
 
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