Mikro- vs Makromanagement

Skyrock

t. Sgeyerog :DDDDD
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Bekanntlich ist die Rollenspielszene nicht gerade das einige Glücksbärchiland in dem sich alle in den Armen liegen. Schon ehe R.Edwards uns was von G, N und S erzählt hat gab und gibt es immer wieder Differenzen: Realismus oder Cineasmus, Tödlichkeit oder Unverwundbarkeit, d20 oder DSA - oder, worüber ich heute sprechen möchte, Mikromanagement oder Makromanagement.

Jedes Rollenspiel muss sich auf einen dieser Ansätze festlegen, mal mehr und mal weniger; beide gleichzeitig kann man nicht haben da sie sich widersprechen.
Fast jeder Rollenspieler hatte schon mal ein System mit Mikromanagement in der Hand. Unterscheidet das vor euch liegende System bei den Attributen zwischen Geschicklichkeit, Beweglichkeit und Fingerfertigkeit? Müsst ihr euch euer Cyberdeck selbst aus der Ausrüstungsliste zusammenstellen weil sonst Drucker, Monitor, Funkverbindung, Textverarbeitung und Akku fehlen? Differenziert der Survivalskill zwischen Überleben im Wald, Überleben im Eis, Überleben im Sumpf und Überleben im winterlichen sumpfigen Laubwald? Gratuliere, dann habt ihr ein Mikromanagementsystem vor euch liegen. Fast jedes etablierte System setzt auf Mikromanagement, sei es nun DSA, SR oder D&D.

Dem stehen Makromanagementsysteme entgegen - Systeme bei denen im Extremfall alle Charakterwerte auch auf einen Bierdeckel passen könnten, wie etwa [wiki]Risus[/wiki], [wiki]The Pool[/wiki] und [wiki]Wushu[/wiki] zeigen, Systeme die alle Feinheiten beiseite werfen und sehr grob zusammenfassen. Wenn der Charakter den Wert "Cowboy" hat dann kann er damit alleine Lasso werfen, reiten, in der Prärie Lagerfeuer entfachen, mit dem Revolver ballern und Schurken um 12 Uhr mittags auf der staubigen Straße vor dem Saloon niederstarren. Niemand weiß ob er jetzt ein besonders toller Schütze und dafür ein etwas schlechterer Reiter ist oder ob er 12 oder 500 Kugeln für seinen Peacemaker dabei hat - aber andererseits interessiert das den Makromanagementansatz nicht.

Zumindest bei den freien Systemen ist der Makromanagementansatz mehr und mehr auf dem Vormarsch, und auch bei den kommerziellen Systemen meine ich einen Drang zur Vereinfachung zu sehen. SR4 ist ein gutes aktuelles Beispiel das jeder kennen dürfte, aber auch sonst sind es vor allem vergröbernde Systeme die gefeiert werden, wie etwa True 20 als Vereinfachung von d20 oder hierzulande das Arcana-System.

Hat Mikromanagement als Relikt des Hyperrealismus Ende der 80er, der uns solche haarspalterischen Systeme wie Milleniums End und Rolemaster brachte, ausgedient? Gehen wir auf eine neue Ära des Makromanagements zu? Oder bilde ich mir diesen Trend nur ein?

Welchen Ansatz zieht ihr vor, warum, und welchem gebt ihr die größere Zukunft?
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Ich mag beide Extreme nicht. The Pool oder Wushu ist mir viel zu undifferenziert und zu vereinfachend. Solche spiele werden mE auch immer Nischensysteme ohne kommerziellen Erfolg bleiben.

Rolemaster, DSA4 oder Shadowrun 3 mit allem Schnickschnack geht aber zu weit. Wenn man das Regelsystem erst regelrecht studieren muss um damit ordentlich zocken zu können haben die Designer mE etwas falsch gemacht.

Alles was dazwischen liegt kann mein Gefallen finden, ob es sich nun zur einen (GURPS, Earthdawn) oder anderen (nWoD, Witchcraft) Seite neigt.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Ich springe gleich mal in eine Bresche: Mirkomanagment kann Spaß machen, DSA haben wir lange gespielt und Wenns um Raumschiffe geht darf es schon aus mehr als nur Plotdevicium bestehen ( ;) gell Silvi), aber auf Dauer ... zu anstregend. Makromanagment ist mir zu ... einfach. Das Storytellersystem geht einen guten Weg zwsichen beiden Extremen, darum wird es wohl auch noch lange zu meinen Favorieten zählen.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Ich denke, in den großen Systemen (namentlich D&D und DSA) wird es bei Mikromanagement bleiben. Das liegt vor allem daran, dass ich glaube, diese beiden Systeme verdanken zum guten Teil ihren Erfolg der Tatsache, dass das "Spiel" in "Rollenspiel" groß geschrieben wird, und sie damit auch stärker die Leute ansprechen, welche sonst nichts mit RPGs am Hut haben.

Bei den "kleineren" Systemen (sprich: allen anderen) wird es ein bißchen zum Makromanagent gehen, weil sie was anderes bieten müssen.

Ich persönlich bevorzuge etwas gröber auflösende Systeme, hauptsächlich weil sie einfacher zu lernen sind.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Ich tendiere (wie hier eigentlich schon bekannt ist) eher zum Makromanagement; fusselige Korinthenkackerei um die genaue Anzahl der Schüsse im Blaster oder den exakten Preisen für 25cm² zerschossene Rumpfpanzerung sind mir genauso zuwieder wie Skilllisten, die so esotherischen Unfug wie Wissenschaft: Quantenmechanik oder gleich 10 verschiedene Survivalskills haben.

Allerdings mag ich den Wushu/Risusansatz auch nur bedingt, da mir hier schlicht gesagt zu wenig differenziert wird. Während es mich wie schon gesagt wenig juckt, ob Ranger Smith besser mit dem T-50-Raumjäger auskommt als mit dem T-60-Bomber, so finde ich es schon wichtig zu differenzieren das Ranger Smith zwar besser fliegt als Ranger Ts'Krin, jener dafür aber einen gemeineren linken Haken schlägt. Bei Wushu geht das nicht, da sind beide "Space Ranger 4".


Ein kleines bißchen Crunch muß sein, aber Erbsenzählen mag ich in meiner Freizeit nun wirklich nicht. Daher begrüße ich den Trend zu kompakteren Skilllisten und einheitlichen Abwicklungsmechaniken für alle Subsysteme.

-Silver
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Ehrlich gesagt gebe ich dem Makromanagement-Ansatz im Sinne von z.B. WuShu, was den großen Markt betrifft, die Chancen eines Schneeballs in der Hölle. Nicht, dass ich der Idee irgendwie feindlich gegenüber stehe, es ist nur so, dass ich insgesamt zu wenig Potential darin wittere. Alles, was man mit einem Makromanagement-System machen kann, kann man auch mit einem schlanken Mikromanagement-System, umgekehrt geht das aber nicht. (Anmerkung: SR4 scheint zwar schlanker zu sein als seine Vorgänger, fällt nach deiner Definition aber immer noch in das Mikromanagement-Segment.)
Das größte Manko von Makro-Systemen besteht in der fehlenden Unterscheidbarkeit einzelner SCs. Die häufigsten RPG-Genres haben die Eigenschaft, dass sich die Protgonisten ähneln können. Wenn ich in der Runde zwei Ritter (Cowboys) habe, wollen ihre Spieler sie differenzieren. Ein Makrosystem versagt dabei ziemlich schnell (auf der Regelebene - die Erzählebene ist allen Gerüchten zum Trotz regelsystemunabhängig).
Weiterhin stellen "Mikroregeln" ein Gerüst dar, anhand dessen Spieler ihre Erfolgsmöglichkeiten abschätzen können. Vernünftig gemachte Mikroregeln sind darüber hinaus illustrativ, helfen also bei der Darstellung von Situationen. Viele Spieler schätzen auch den Nervenkitzel, den ein Mikrosystem im Gegensatz zu einem Makrosystem liefert: "Überlebe ich heute?" Mikroregeln sind im Gegensatz zu Makroregeln tatsächlich in der Lage, als Beschreibungshilfe zu dienen, mit den genauen Werten unirdischer "Monster" kann ich mir besser ein Bild dieses Monsters machen, als mit einer einfachen "Makroregelfassung" a lá: Riese: groß & gefährlich; Drache: groß & gefährlich & böse.

Makrosysteme haben ihren Punkte: Geschwindigkeitsoptimierung, Schlankheit der Regeln, Augenmerk auf die Erzählung. Diese Punkte werden von den Mikrosystemen wahrgenommen und entsprechend umgesetzt, als weitere Parameter eingebaut, nach dem Motto: Ich will nicht nur SR, ich will das schnellstmögliche SR. Makrosysteme haben also einen Einfluss auf den Rest, werden aber vermutlich ein Randphänomen bleiben, da sie zu viele Spielvarianten ignorieren, die Mikrosysteme auch anbieten.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Shub-Schumann schrieb:
(Anmerkung: SR4 scheint zwar schlanker zu sein als seine Vorgänger, fällt nach deiner Definition aber immer noch in das Mikromanagement-Segment.)
Ich weiß. Es scheint aber das extreme Mikromanagement das SR bisher gezeigt hat über Bord zu werfen und das ganze zu vereinfachen, auch wenn es natürlich immer noch Lichtjahre von The Pool entfernt ist.

Mir ist klar dass es 1.000 Wege zwischen Risus und Rolemaster gibt, aber die Darstellung von Extremen schien mir der beste Weg zu sein um auch den Unbedarften zu verdeutlichen was ich meine.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Skyrock schrieb:
aber die Darstellung von Extremen schien mir der beste Weg zu sein um auch den Unbedarften zu verdeutlichen was ich meine.
Die Extreme scheinen mir zu extrem zu sein, vor allem, da sich der zu erwartende Standard im bereich "schlankes Mikrosystem" einpendeln wird.
 
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Ich halte wenig von den Extremen beider Kategorien. Extremes Mikromanagment ist mir zu aufwändig, Shadowrun ist mir da manchmal schon zu viel, auch wenn es zu meinen Lieblingssystemen gehört. Ich hab insgesamt nur bedingt Lust, wirklich jede Kleinigkeit auszurechnen, den Rüstungsschutz an meinen Fußsohlen zu berechnen und über jede Fackel Buch zu führen.

Auf der anderen Seite schätze ich ein gut ausgearbeitetes Fertigkeiten und Attributssystem und ich möchte, dass sich dieses eignet zwischen Charakteren auch regeltechnisch zu Unterscheiden. Auch bin ich mir bis zu einem gewissen Grad gern darüber bewußt, was mein Charakter besitzt.

Reine Makrosysteme sprechen mich eher nicht an, zumindest nicht, wenn es darum geht über einen längeren Zeitraum einen Charakter zu spielen. Ich schätze es Entwicklung zu sehen, die sich auch auf einem Charakterbogen manifestiert. Dennoch bin ich mir sicher, das man mit einem System wie Wushu zumindest einen Abend ordentlich Spass haben kann.

Genrell differenziere ich noch zwischen Systemen die in der heutigen Zeit spielen und solchen die (Fantasy-)Mittelalterszenarien abdecken. Im ersten Fall ist mir etwas mehr Makromanagment lieber, für die zweite Art System bevorzuge ich etwas stärkeres Mikromanagment.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Shub-Schumann schrieb:
Die Extreme scheinen mir zu extrem zu sein, vor allem, da sich der zu erwartende Standard im bereich "schlankes Mikrosystem" einpendeln wird.
Nicht bei "crunchiges Makrosystem"? ;)

Mich wundert eigentlich dass es noch kein Mikrosystem gibt das alle Proben und Konflikte auf einen einheitlichen Mechanismus mit einheitlichen Auswirkungen reduziert... Kein Risus das den Cowboy in Reiten, Schießen, Survival und Einschüchtern aufteilt oder Vor- und Nachteile auf seine Traits legt, etwa "Vorteil: Guter Reiter" um ihm einen Extrawürfel beim Reiten mit seinem Cowboy zu geben, oder "Nachteil: Schlechter Schütze" um ihm einen Würfel beim Schießen mit seinem Cowboy-Trait zu nehmen. (Für letzteren Ansatz empfehle ich einen Blick auf das Vorteils-/Nachteilssystem von Paparazzi.)
Würde das nicht als die verlangte Individualisierung ausreichen und damit immer noch mehr von einem Makro- als von einem Mikrosystem haben?
 
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Skyrock schrieb:
Nicht bei "crunchiges Makrosystem"?
Nicht bei deiner Definition von "Makrosystem" mit den beispielen Wushu, Risus und Pool.

Skyrock schrieb:
Mich wundert eigentlich dass es noch kein Mikrosystem gibt das alle Proben und Konflikte auf einen einheitlichen Mechanismus mit einheitlichen Auswirkungen reduziert...
Einfache Antwort: Weil die Mehrheit der Spieler (geraten - aber wage nicht, mir zu widersprechen) ein gegenüber den Restregeln ausgefeilteres Kampfsystem präferiert. Wenn es schon ans Eingemachte geht, will man wissen, wieso man blutspuckend am Boden liegt, und man will mehr als eine verdammte Chance, das zu verhindern. Trotzdem gibt es genug Systeme, die Prinzipiell einen Mechanismus verwenden: W20-Wertunterwürfeln bei DSA z.B. Oder "Würfelpool gegen feste Schwierigkeit" (nWoD).

Skyrock schrieb:
Würde das nicht als die verlangte Individualisierung ausreichen und damit immer noch mehr von einem Makro- als von einem Mikrosystem haben?
Es würde möglicherweise ausreichend individualisieren, auch wenn es immer noch recht wenige Möglichkeiten sind, die anderen Vorteile eines Mikrosystems würden aber nicht erfüllt.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Shub-Schumann schrieb:
Nicht bei deiner Definition von "Makrosystem" mit den beispielen Wushu, Risus und Pool.
Wenn meine Definitionen allein selig machend und absolut wären dann wären aber auch deine "schlanken Mikrosysteme" ein Widerspruch in sich ;)

Wenn es schon ans Eingemachte geht, will man wissen, wieso man blutspuckend am Boden liegt, und man will mehr als eine verdammte Chance, das zu verhindern.
Auch bei sozialer Interaktion kann es ums Eingemachte gehen, etwa wenn man am Hof des Vampirprinzen eine faustdicke Lüge durchbringen muss deren Aufdeckung einen sofort Kopf und Kragen kosten könnte. Trotzdem gibt es keine Discussion Points die auf 0 reduziert werden müssen, kein Armor Value für dickes Fell und keinen Schadensbonus für besonders spitze Zungen. Alles wird in einem platten Wurf auf Fast Talk oder Charisma aufgelöst.

Ebenso kann ein Kampf eine freundschaftliche Prügelei sein bei der es um nichts wichtiges geht.

Warum muss also gerade der Kampf elaboriert werden?

Es würde möglicherweise ausreichend individualisieren, auch wenn es immer noch recht wenige Möglichkeiten sind, die anderen Vorteile eines Mikrosystems würden aber nicht erfüllt.
Dein Hauptkritikpunkt war mangelnde regelseitige Individualisierung. (Mit Betonung auf regelseitig - auch in DSA4 oder SR3 kann ich mir einen stumpfen Klopftroll/Metzelthorwaler bauen, ebenso wie ich eine komplexe Psyche in Risus aufbauen kann.)
War da noch was? *zurückblätter*

Ach ja, richtig, Mikrosysteme engen die Möglichkeiten für Spieler und SLs ein, zwingen alles in ein enges Korsett und lassen zu wenig Interpretationsmöglichkeiten beim Ausgang von Konflikten ;)
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Soziale Interaktionen sind dialoglastig, was dazu führt, dass man nicht beschreibt, was man tut, sondern tatsächlich ausspielt, was man tut. Folgerichtig benötigt man dafür weniger Beschreibungswerkzeug, als für den Kampf oder andere Actionsequenzen; das ist wohl der Bereich des Rollenspiels, der den größten Wert auf "Rolle" legt. Aus dem Grund sind Discussionpoints eher hinderlich, auch wenn man natürlich welche erfinden kann, um darzulegen, dass der gängige "Mikrosystemansatz" konzeptionell nicht lupenrein ist. Macht nix, er tut, was man von ihm will.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Wie schon mehrfach hier gesagt, stehe auch ich vorwiegend auf eine Mischung aus beidem. Wenn man so will dem "unzoomed System" zwischen Makro- und Mikrosystem.

Wichtig für meinen Spaß mich mit dem System auseinander zu setzen, ist dabei vor allem, dass es sich schnell und/oder flüssig liest, weniger ob es Mikro- oder Makroaufnahmen zeigt.
Je nach Aspekt des Systems, um dass ich mich gerade kümmer, entscheide ich dann eh, ob ich es eher aus Mikro- oder aus Makrosicht in meinem Spiel betrachten werde. Lassen mich meine Absichten nicht mit dem System erfüllen, gefällt es mir nicht. :)
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Skyrock schrieb:
Trotzdem gibt es keine Discussion Points die auf 0 reduziert werden müssen, kein Armor Value für dickes Fell und keinen Schadensbonus für besonders spitze Zungen. Alles wird in einem platten Wurf auf Fast Talk oder Charisma aufgelöst.
Für d20 gibt es inzwischen ein paar Systeme mit diesem Ansatz.

Anderes Beispiel: Im The Dying Earth Roleplaying Game, das wohl irgendwo zwischen den beiden hier betrachteten Extremen liegt, werden Kampf und sozialer Konflikt (und alle anderen Auseinandersetzungen) nach dem gleichen System abgewickelt.


Shub-Schumann schrieb:
Soziale Interaktionen sind dialoglastig, was dazu führt, dass man nicht beschreibt, was man tut, sondern tatsächlich ausspielt, was man tut.Folgerichtig benötigt man dafür weniger Beschreibungswerkzeug, als für den Kampf oder andere Actionsequenzen; das ist wohl der Bereich des Rollenspiels, der den größten Wert auf "Rolle" legt.
Das "Gute" an einer Regelmechanik, die eine solche Situation wie einen "sozialen Kampf" behandelt, ist, dass auch ein Spieler, der aus seiner Veranlagung so etwas nicht ausspielen kann, somit einen "redegewandteren" Charakter spielen kann. So wie ich ja auch einen Schwertmeister spielen kann, obwohl ich mich real vermutlich selbst mit dem Ding erstechen würde. Ob man das nun mag oder nicht, zumindest die Möglichkeit ist da.


Skar schrieb:
Wie schon mehrfach hier gesagt, stehe auch ich vorwiegend auf eine Mischung aus beidem. Wenn man so will dem "unzoomed System" zwischen Makro- und Mikrosystem.
*unterschreib*
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Skyrock schrieb:
Warum muss also gerade der Kampf elaboriert werden?

Weil er der klassische Fall der akut lebensbedrohlichen Situation im Rollenspiel ist. Und da der Tod wiederum der klassische Fall des Verlustes der Spielfigur ist (ein solcher wiederum klassischerweise das Ende des Spiels für den Betroffenen bedeutet) halte ich es für eigentlich sehr gut verständlich, dass hier die Regeln besonders gut greifen (besonders gut ausgearbeitet) sein sollen.

"Ich lüge den Prinzen an."
"Er bemerkt es und hetzt seine Leute auf dich."

Ist es nun die Lüge oder der anschließende Kampf mit den Häschern des Prinzen, die den Charakter töten? Sieht man sich das grosse Bild an, dann sagt man vielleicht eher es sei die Lügerei gewesen, zerlegt man das ganze dagegen in kleinere und kleinere Ereignisse und betrachtet diese, dann war es vielleicht doch eher das Messer dieses Henkerknechtes. Grosses Bild? Kleines Bild? - Makromanagement? Mikromanagement?

Vielleicht wären Kampfregeln weniger zentral, wenn Gewalt ein weniger akzeptiertes Mittel zur Problemlösung für Charaktere wäre...

mfG
bvh
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

blut_und_glas schrieb:
Vielleicht wären Kampfregeln weniger zentral, wenn Gewalt ein weniger akzeptiertes Mittel zur Problemlösung für Charaktere wäre...
Glaube ich nicht. Bei HeroWars/HeroQuest wird NICHT unterschieden zwischen Konfliktauflösung im Kampf (Gewalt) oder in sozialen, kommunikativen, spirituellen Situationen.

Trotzdem ist in vielen Kulturen die gewaltsame Lösung von Meinungsverschiedenheiten einfach verbreitet. Eine Aussage des Haupt-Kultes der Orlanthi: "Gewalt ist IMMER eine Lösung." Nicht unbedingt die Beste, wohlgemerkt. Und auch das ist in der obigen Kultur eine Kult-Ansicht: "Es gibt IMMER einen anderen Weg" (als den der Gewalt).

Obwohl hier also in für Fantasy-Settings durchaus üblichem Maße eine Gewaltszene vorkommen kann, ist das regeltechnische Auflösen von Kampfszenen und z.B. einer Diskussion identisch.

Man kann hier auch in einer Diskussion "verletzt" werden. Das ist so zu verstehen, daß das eigene Ansehen durch die Niederlage bei der Argumentation etwas leidet. Und das könnte sich beim nächsten Versuch Mittel und Gefolgsleute zu rekrutieren z.B. nachteilig auswirken.

Die Gleichbehandlung von Kampf-Szenen und Nicht-Kampf-Szenen im HQ-Regelwerk funktioniert deshalb, weil die Charaktere NICHT durch einen unglücklichen Würfelwurf umkommen KÖNNEN. Es entscheidet immer der Spieler, ob und wann (und wie) er seinen Charakter abtreten lassen will. Das ist auch kein Problem, da es hier um HELDEN geht, nicht um "helden", wie in den meisten anderen Fantasy-Settings. Ein echter HELD lebt nicht ewig. Aber er stirbt mit Stil und so, daß die nachfolgenden Generationen jedesmal zu Tränen gerührt sind, wenn diese Stelle seiner Legende erzählt wird.

(In diesem Sinne ist übrigens der Film "Robin & Marian", wo ein alternder, desillusionierter Robin Hood, der Richard Löwenherz nach Palästina begleitet hatte und nun nach England zurückkehrt, am Ende stirbt ein Film über einen HELDEN. Selbst der Tod nimmt dem Helden nicht seine Größe. Das - u.a. - macht diesen Film zu einem meiner Lieblingsfilme.)

Oft sind es die "Makro"-Systeme, die eben gerade nicht eine Niederlage in einem (gewalttätigen) Konflikt mit dem Tod der Charaktere enden lassen. Hier gibt es oft Regelungen für einen Ausweg, ein Abbiegen des Schicksals.

Warum?

Weil in diesen Systemen ein Ausspielen des Charakters und somit ein gewisses Investment in diesen Charakter wichtig ist. Wenn mir die Regeln nicht genau sagen, was ich zum Belabern von widerspenstigen Beamten oder zum Abwimmeln von neugierigen Reportern zu würfeln habe (z.B. Überreden, Einschüchtern, ...), dann muß ich mir das selbst überlegen. Durch dieses Selbstüberlegen investiere ich schon viel mehr an eigener Energie in die Lösungsfindung des betreffenden Konfliktes. Wenn ich aber stets mit viel Energie (gerade bei Risus) überlegen muß, wie ich was alles mit meinen paar Klischees bewältigen kann, dann trifft mich ein Verlust eines Charakters.

Das ist m.E. auch den Machern, den Autoren dieser leichtgewichtigen Systeme bekannt und ein Grund für diese "Airbag"-Funktion zur Charakter-Rettung.

Das ist bei manchen Settings jedoch nicht stimmig.

Damit will ich sagen, es gibt Settings, in denen eine gewisse Zufallsbestimmtheit auch bezüglich des Überlebens des Charakters mit zum Spielgefühl dieses Settings gehört. Und in manchen, eher weniger heroisch angelegten Settings gehört es einfach zum erwarteten Resultat einer Handlung, die - in den Grenzen des Settings - mit dem Anspruch eines gewissen Realismus abgewickelt werden soll.

Wenn Marv in Sin City im Treppenhaus durch den Kugelhagel der Bullen herunterspringt und sich NICHT das Genick bricht, während er zu einem Fleischsieb zerschossen wird, dann ist das eben für die Charaktere in einem Sin City Setting normal.

Wenn hingegen den gleichen Stunt ein Verdächtiger im Tatort oder beim alten Derrick *gähn* versuchen würde, dann wäre dies ein Bruch in der Erzählkonvention dieser Fernsehserien bzw. etwaiger darauf aufbauender Settings.

Somit haben für mich Detailtiefe und Setting-Konventionen durchaus etwas miteinander zu tun.

Ich würde Engel z.B. nicht nach D20 für stimmig spielbar halten. Nach HQ jedoch sehr. Mit dem Arkana-System übrigens - aufgrund der nichtvorhandenen Quantitäten - sogar weniger stimmig als mit HQ.

Hingegen ist für die Welt Midgard im eher gemäßigten Fantasy-Bereich das Midgard-Regelwerk, obwohl nach meinem derzeitigen Gefühl zu buchhalterisch, durchaus stimmig. Ich könnte mir nicht vorstellen auf Midgard dasselbe Gefühl in einem Szenario zu entwickeln, wenn ich dort nach HQ-Regeln oder nach GURPS-Regeln spielen würde. Das liegt vielleicht auch daran, daß hier System und Setting zusammen entstanden, gewachsen, gereift sind.

Ich finde, je austauschbarer ein Regelwerk sein soll, desto weniger settingspezifische Stimmungselemente können DIREKT vom Regelsystem unterstützt werden.

Z.B. Deadlands. Hier ist das System auf diese Western-Genre-Mischung ausgelegt und enthält tief im System schon spezifische, stimmungsbeeinflussende Aspekte.
Deadlands soll noch dieses Jahr für das eher generische (nicht wirklich generisch wohlgemerkt) Savage Worlds System herauskommen. Obwohl ich ein begeisterter Savage Worlds Fan bin, so bin ich auch ein begeisterte Deadlands-Fan und eine auch nur ähnlich stimmige Umsetzung des Deadlands-Settings in dem (weniger crunchy) Savage Worlds Regelwerk kann ich mir derzeit nicht vorstellen (mal sehen, wie es aussieht, wenn es erschienen ist und ich ein paar Proberunden gespielt habe).

Und dann gibt es natürlich noch Systeme, die von ihrer Detailtiefe nicht mit ihrem Setting zusammenpassen. Engel D20 hatte ich ja schon erwähnt. Babylon 5 D20 dasselbe Problem. Beides sind epische Settings mit einem Regelsystem, welches die Spieler ständig wieder auf den Boden des Charakterblatts herunterzieht, wo sie doch eigentlich fliegen/schweben sollten. Umgekehrt hat Engel nach Arkana-System eigentlich zu wenig "crunch", vor allem fehlen jegliche Quantitäten, um Grundfunktionen eines Rollenspielregelsystems zu erlauben.

Ein gutes Rollenspiel in Hinsicht auf Detailtiefe des Regelsystems ist für mich eines, in welchem die vom Setting zu erwartende Detailtiefe (und auch die zu erwartende Tödlichkeit für die SCs) vom Regelwerk abgebildet und unterstützt wird.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

also zu Skyrocks letztem ost auf der ersten Seite:

Es gibt so etwas in der Art: Tri-Stat-dX...
Du hast nur die Werte Body, Mind und Soul.
Dann kannst Du noch vorteile, "besonders Geschickt", und Nachteile "Nicht sehr Stark" dazu holen...
diese modifizieren dann deine Entsprechenden Proben.

Das System gibts bei den Guardians of Order Kostenlos als PDF, oder für 10€ in Print.
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Zornhau schrieb:
Glaube ich nicht. Bei HeroWars/HeroQuest wird NICHT unterschieden zwischen Konfliktauflösung im Kampf (Gewalt) oder in sozialen, kommunikativen, spirituellen Situationen.

Trotzdem ist in vielen Kulturen die gewaltsame Lösung von Meinungsverschiedenheiten einfach verbreitet.

Wusste ich doch dass er wieder HeroQuest aus dem Ärmel zieht... :D

Ich glaube ich habe mich da leider ziemlich missverständlich ausgedrückt. Eigentlich war es mehr die Ebene der Spieler auf die ich mich beziehen wollte, schon von diesen ausgehend wird "handfeste Action" nämlich oft genug ins Spiel gebracht. Action, oder sagen wir es weniger beschönigend(?) Gewalt, sind in vielen (ich behaupte einmal den allermeisten) Fällen ein nicht nur akzeptierter sondern sogar gewollter Teil des Spiel(erlebnis), und das schlägt sich natürlich auch auf Regelsysteme nieder.

Rollenspiele haben Kampfregeln, weil Rollenspieler kämpfen wollen.

Jetzt könnte man natürlich darüber philosophieren, ob nicht vielleicht diese ausgefeilten Actionregeln zu dem Bedürfnis der Spieler nach Action geführt haben, und wir es jetzt mit einer Art Teufelskreis zu tun haben, aber das halte ich eigentlich für ziemlich müßig. Mag sein, dass Kampfregeln und der Spass am Kampf ein Relikt aus Wargaming Zeiten sind, aber wenn ich mir ansehe, dass auch definitive Nicht-Wargamer ihre Freizeit mit Sin City (egal ob Comic oder Kino - danke für das Beispiel Zornhau) verbringen, dann halte ich so eine Analyse für von höchstens akademischen Interesse.

I just provide what the customer wants.

mfG
bvh
 
AW: Mikro- vs Makromanagement

Lechloan schrieb:
Ich denke, in den großen Systemen (namentlich D&D und DSA) wird es bei Mikromanagement bleiben. Das liegt vor allem daran, dass ich glaube, diese beiden Systeme verdanken zum guten Teil ihren Erfolg der Tatsache, dass das "Spiel" in "Rollenspiel" groß geschrieben wird, und sie damit auch stärker die Leute ansprechen, welche sonst nichts mit RPGs am Hut haben.

Kaum. Der Grund dafür ist, dass es halt schon immer so war.

Guck dir mal Capes an. Das spielt sich tatsächlich fast wie ein Gesellschaftsspiel:
- ohne SL
- mit einem Dutzend unumstößlicher Regeln
- und Mechanismen, die dir ganz klar sagen, ob du etwas richtig gemacht hast.
Dabei ist es in gewisser Weise noch makromanagement-iger als Risus.

Oder nimm Inspectors. Das hat auch kein Mikromanagment und ist trotzdem einem normalen Gesellschaftsspiel ähnlicher als DSA und Konsorten: Bei 14 Franchise-Punkten ist das Spiel vorbei. (Oder auf wieviele man sich vorher auch immer geeinigt hatte.)
 
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