Blog [Annonsemang] Adventure-Now-Archiv in den B!ogs

Skyrock

t. Sgeyerog :DDDDD
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10. September 2003
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Da die meisten wohl nicht in das B!og-Fitschär reinschauen, annonsiere ich auch mal in einem eigenen Thread: Ich archiviere in meinem B!og zeitlich um ein Jahr versetzt meine Adventure-Now-Artikel, zum einen um sie einem neuen Publikum zum lesen und kommentieren hinzureichen, zum anderen um sie rückblickend selbst noch einmal zu kommentieren.

Ist für den einen oder anderen Blogverächter etc. sicher nicht uninteressant einfach wie im Foren seinen Senf hinzufügen zu können, und ich hoffe auf rege Beteiligung.

Zu finden ist es kondensiert hier: Blutschwerter - Adventure Now!

RSS-Feed gibt es leider nur für den gesamten B!og, nicht nur für die Kategorie, aber dennoch für die diesen Weg vorziehen um einen Blog im Auge zu behalten (darunter auch mich): Blutschwerter - B!ogs - Geblubber eines ARSonisten von Skyrock
(Adventure-Now-Artikel haben zusätzlich ein [AN] vornedran gestellt, sind also im Feed auf einen Blick zu erkennen.)
 
Die Links sind tod. Kannst Du einem ARSeologen bitte mal mit einer guten Artikelreihe über Flags und Hooks aus Deiner Feder weiterhelfen?
 
Ich bin fündig geworden. Viele der Links sind inzwischen tot, und die Formatierung scheint im neuen Forum auch nicht an allen Stellen hinzuhauen, aber tut dem Inhalt keinen Abbruch.

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Emotionales Investment III, R-Map und Development in Play: One Love, One Heart
Letztes Mal habe ich angekündigt über Relationship-Maps zu reden, also will ich das auch tun. Eng damit zusammenhängend soll es auch um einen Punkt gehen den Georgios und Settembrini jüngst angesprochen haben, nämlich Development in Play: Das Mitwachsen von und das Hineinwachsen in ein Set-Up im Kampagnenverlauf.

Über die R-Map
R-Maps sind kurz gesagt formalisierte Abbildungen von Beziehungen zwischen Charakteren (egal ob SCs oder NSCs). In rudimentärer Form gab es das schon recht früh: Shadowrun hatte beispielsweise Connections als festes Regelelement, während die oWoD diverse Hintergründe wie Gefolgsleute, Kontakte und Verbündete aufwies.
In ausgefeilterer und so benannter Form tauchte die R-Map ganze erstmals in Sorcerer auf: Ein Kasten mit den vier Feldern Price, Cover, Lore und Humanity, und da wurden einfach alle Personen in genau das Feld reingeschrieben wo sie am besten passen, teilweise zwischen den Feldern überlappend. Von da aus haben sich R-Maps über die Indiewelt ausgebreitet.

Tatsächlich gibt es nicht _die_ R-Map. Gerade für TRS kommen oftmals sehr barocke Netze zum Einsatz, mit Pfeilen und widersprechenden Rückpfeilen, Charakteren die hin- und hergerissen zwischen verschiedenen Fraktionen sind und zwischen den Fronten wandeln, und alles ist darauf ausgelegt Fraktionen instabil zu gestalten und Konfrontation zwischen SCs heraufzubeschwören.
Es sei gleich gesagt dass solche Komplexität für ARS nicht nötig ist, ja sogar schädlich sein kann. Hier sollte man eher mit klaren und stabilen Fronten arbeiten um den Zusammenhalt des Teams zu stärken und den Feind (und damit den Marschweg für Herausforderungen) klarer herauszustellen. Ein kleiner innerer Konflikt hier und da ist ganz nett um die Sache aufzulockern und lebendiger wirken zu lassen, aber wer 180°-Wenden und angstige thematische Konflikte will ist beim klassischen ARS falsch.

Dennoch ist eine R-Map auch für ARS nützlich. Hier kann man schnell und übersichtlich die NSCs erfassen die der Gruppe freundlich oder feindlich gegenüber stehen, und man hat gleich eine grafische Übersicht darüber wo Konflikte und Bande bestehen und wo Entitäten noch (zu) isoliert dastehen.
In der Kampagnenvorbereitung ist es definitiv hilfreich. Wer eine gemeinsame Spielvorbereitung will, in der jeder von Anfang an emotional in das Set-Up investiert findet hier ein Werkzeug um kurz, knapp und übersichtlich Beziehungen festzuhalten. Wer Set-Ups lieber frontal präsentiert findet hier eine Hilfe um alles übersichtlich festzuhalten.


Über Development in Play
Es ist nun nicht notwendig das gesamte Set-Up am Anfang zu definieren. Gerade im Kampagnenspiel ist es hilfreich am Anfang nur die wichtigsten Eckpunkte zu definieren und den Rest nach und nach einfließen zu lassen wie er auftaucht.

Settembrini hat dazu erst kürzlich in seinem eigenen Board eine interessante Feststellung gemacht und es schon vor Monaten hier und da in seinem Rifts-Spielbericht auf der Schmiede angeschnitten.

In einem Kampagnenspiel tauchen fortlaufend neue Freunde, Feinde, Verbündete, Gegenspieler, Organisationen, kurz gesagt Spielweltentitäten auf, und damit verknüpft finden sich offene Enden. Man erhält also auf ganz natürlichem Weg eine Wundertüte voller Entitäten. Viele werden nach einmaligem Auftauchen wieder verschwinden, aber die Spieler können sich Figuren die sie interessieren hinauspicken und ins Spiel integrieren, etwa wenn sie das Waisenmädchen das nur am Rande auftauchte nicht einfach wieder aus den Augen verschwinden lassen, sondern sich um sie kümmern und so ihre Existenzbedingungen verändern. Durch diese gemischte Kreativität (Figurenerschaffung durch den SL, Einmischung durch die Spieler) kommt wahrhaft geteilte Fiktion heraus, und im Laufe der Zeit wachsen sowohl die Spielteilnehmer zusammen, da ihre geteilte Fiktion mit dem Spielverlauf mitwächst und die Kreativität der Spielteilnehmer immer stärker ineinander greift, als auch die Spielercharaktere da sie nach und nach immer mehr Beziehungen und Ziele teilen.
Das ist auch gut für das emotionale Investment, denn in Dinge die man selbst mit seiner Kreativität beeinflussen konnte und die so als selbstgeschaffenes "Kunstwerk" einen ideellen Wert haben ist man emotional stärker involviert, und die geteilte Kreativität schweißt die Absichten der Spielteilnehmer zusammen und fokussiert sie.

Als Beispiel möchte ich einmal eine alte Shadowrun-Kampagne von mir aufführen: Da ist als einmalige Verbündete für einen einzelnen Run eine Teeny-Ökoaktivistin namens Lauryn aufgetaucht, und alle Merkmale die ich als SL neben dem Statblock festgelegt hatte waren "sanftes Wesen", "unterschwellige, noch nicht ausgebrochene Magiebegabung" und "wird von ihrem Vater geschlagen". Im Laufe des Abenteuers entdeckten die SCs dass sie häuslicher Gewalt ausgesetzt ist, und ein beiläufiges Askennen brachte die unterschwellige Magiebegabung zum Vorschein.
Ratz-fatz wurde sie als Connection gekauft, zum HQ mitgenommen und in den Schatten vor ihrem gewalttätigen Dad versteckt. Im Laufe der folgenden Abenteuer wurde sie in der Downtime mit einem Kellnerinnenjob versorgt, in der Magie ausgebildet und so durch den Input der Spieler verändert, bis sie eine Straßenschamanin-Connection hatten die sich von einer vom Reißbrett dadurch unterschied dass alle Spielteilnehmer auf sie eingewirkt haben und somit ein Stück gemeinsamer Kreativität erschaffen haben, in das alle emotional investiert waren und darum die Aufmerksamkeit aller Spielteilnehmer hatte, wenn sie im tatsächlichen Spiel aufgetaucht ist.

Das zeigt auch, wie Festhaltung solcher Dinge durch formalisierte R-Maps hilfreich sein kann um sie ins Spotlight zu heben. SR hat mit seinem Connectionsystem (und der Kompendien-Option diese im Spielverlauf mit Karma nachzukaufen) geholfen, diesen NSC ins Spotlight zu heben. Er stand gleich neben Ausrüstung und Kampfwerten auf dem Charakterbogen aller Spieler, und mit der Verbesserung dieses NSCs haben sie auch gleichzeitig nebenher ihre eigene Effizienz erhöht, da sie so eine loyalere und fähigere Connection aufbauen konnten.

Gelegentlich können solche Werke gemeinsamer Kreativität auch kampagnenübergreifend wirken. Ein Beispiel aus meiner SR-Zeit dafür wäre Jack the Kipper, ein kettenrauchender Barkeeper der nur als witzige Nebenfigur für eine Szene auftauchen sollte. Er hat sich aber schnell zu einem Running Gag entwickelt, wurde fortlaufend OOC von den Spielern imitiert, und bald war er ein so fester Bestandteil des Spiels dass er in jeder neuen SR-Kampagne darauf zu _dem_ Standardschieber für neue Runner wurde und so kampagnenübergreifend als zentrale Bezugsperson für die verschiedenen nacheinander gespielten Runnerteams fungierte.


Weiterführendes zu R-Maps
[ul][li][Conflict Webs] Einsatz und Design von Konfliktnetzen mit ganz konkreten Beispielen und Bildern[/li][li]Creating Situation: a practical example von Vincent "Lumpley" Baker (DitV-Autor) als Beispiel für Abenteuerbau unter Zuhilfenahme von R-Maps[/li][/ul]


Ausblick
Hiermit ist die Reihe zu höherem emotionalem Investment durch abgefahrene Schmiede-Techniken erst einmal abgeschlossen, da ich keinen Stoff mehr habe.
Von Dom kam zwar vor einer Weile der Vorschlag Bangs im ARS zu beleuchten, aber das halte ich für unergiebig da es sich wirklich um eine reine TRS-Technik handelt: Eine Situation die eine thematische Entscheidung erzwingt (etwa wenn ein SC herausfindet dass seine Freundin eine Vampirin ist, die sich nur von kleinen Kindern ernähren kann und er so zwischen Liebe und Gewissen entscheiden muss). So etwas kann man auch von Zeit zu Zeit im ARS haben, aber das kommt von selbst durch den normalen Spielverlauf. Bangs zu forcieren würde hingegen den Spielstil nur aufweichen.
Auch die im Threadverlauf angesprochenen Issues (zentrales inneres Problem eines Charakters das ihn umtreibt, etwa Minderwertigkeitskomplexe) halte ich für unergiebig. Sie mögen als Ausschmückung für diesen oder jenen Charakter sicher ganz nett sein, aber im allgemeinen spielt man im ARS eher die Mover und Shaker die aus voller innerer Überzeugung Hintern treten ohne darüber rumzuangsten was sie tun sollen.
Vielleicht fällt aber einem der hiesigen Theoretiker noch eine Forge-Technik ein, die was fürs ARS sein könnte, und wie die bisherigen Artikel in dieser Reihe beleuchtet und für den ARS-"Breitensportler" zur schnellen Verwendung im Spiel ohne abgefahrene Mechaniken oder langes Theoriepauken aufbereitet wird. Oder einer der mitlesenden Pragmatiker hat vielleicht eine Frage zu einer Technik, von der er mal gehört hat und von der er nicht weiß wie er sie für sein Spiel nutzen könnte.

Generell wird es ab jetzt in diesem Blog etwas geruhsamer zugehen, jetzt wo die drängendsten Artikel geschrieben sind, diese Reihe vorläufig abgeschlossen ist und genug Inhalt geschaffen wurde, um den Besuch dieses Blogs interessant zu gestalten. Rechnet nur noch mit etwa 1-2 Artikeln pro Woche.

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Emotionales Investment II, Kicker: Spinning Bird Kick!
Wie im vorigen Eintrag angekündigt werde ich aufzeigen wie man von Flags aus noch einen Schritt weiter zum [wiki]Kicker[/wiki] gehen kann. Nein, nicht die Fußballzeitschrift, sondern die Technik aus dem TRS wie sie ursprünglich mit [wiki]Sorcerer[/wiki] eingeführt wurde. Dabei werde ich teilweise meinen Text aus dem alten B!-Thread Wie muss ein guter Kicker aussehen? recyclen, aber auf ARS-Tauglichkeit zugeschnitten.

Ein Kicker hängt eng mit Flags zusammen, und wie Purzel nicht ganz unrichtig festgestellt hat waren unter den von mir als Beispiele geschilderten Flags auch einige die schon stark in Richtung Kicker übergehen. Was einen Kicker aber klar von Flags abgrenzt ist, dass der Kicker vom Spieler erschaffen wird.
Den Unterschied sieht man gut am neulich verlinkten dritten Teil von Myrmidons Kampagnen-Workshop in der zugehörigen Forendiskussion: Dort beschränkt sich die Aufgabe des Spielers darauf die Flags abzuliefern, und der SL bastelt daraus eine Startsituation und präsentiert sie dann frontal.
Beim Kicker erschafft der Spieler diese Startsituation, und es ist die Aufgabe des SLs das Set-Up nach den Startsituationen auszurichten und alle Kicker darin so unterzubringen dass eine zusammenhängende Kampagne dabei rauskommt. Diese Technik ist schon deutlich abgefahrener als Flag-Framing da es hier zwingend erforderlich ist die Spielvorbereitung gemeinsam durchzuführen, über die Kicker zu reden und sie hier und da zurechtzufeilen damit alles glatt zusammenpasst, aber die Belohnung dafür ist ein Spiel mit noch höherem emotionalem Investment.

Selbst wenn man diese Technik als zu abgefahren empfindet um sie einzusetzen: Die Grundsätze für den Bau von Kickern helfen auch dem SL, um gute Startsituationen für die frontale Präsentation zu bauen.


Allgemeine Grundsätze

Der Kicker muss ASAP zu Aktion führen
Nur ein Kicker der den Charakter jetzt dazu zwingt zu agieren ist ein guter Kicker.

Da tritt der rote General jetzt deine Tür ein um dir im Namen des Königs die Rübe abzuhacken. Du sitzt jetzt unschuldig im Kerker, und im Morgengrauen werden sie dich erhängen. Der Imperator hat jetzt deine einzige wahre Liebe in seinem Todesstern gefangen, und es können nur noch Stunden sein bis er sie für sich tanzen läßt, ihr dann die Wäsche vom Leib reißt und sie vergewaltigt.

Der Kicker muss den Charakter lange beschäftigt lassen
Ein Kicker der sich mit einem Kampf auflösen läßt ist ein mieser Kicker.

Der rote General ist nicht genug - selbst wenn du ihn zu Hackfleisch verarbeitest und deinen Hunden vorwirfst werden noch mehr Probleme kommen. Der König wird weitere Henker entsenden, die Stadtgarde wird jedes Rattenloch auf die Suche nach dir durchsuchen, und wenn sie dich kriegen wirst du deines Lebens nicht mehr froh.

Der Kicker muss *stark* sein
Wo ich schon dabei bin: Ein Kicker muss unausweichlich sein und darf sich nicht ignorieren lassen.

Bleiben wir doch mal bei dem Kicker mit dem König und dem roten General. Die Sache läßt sich absolut nicht ignorieren. Nicht der General der dem Charakter ans Leder will, nicht die Schergen, nicht die anderen Mordpläne des Königs. Der Charakter kann sich nicht einfach ins Gasthaus "Zur lustigen Queste" setzen: Noch bevor der dort beheimatete alte Zausel ihm von seinem entführten Töchterchen erzählen könnte wären die Royalen Soldaten im Schankraum um ihn mit ihren Kurzschwertern an die Theke zu nageln.

Der Kicker muss den *Spieler* interessieren
Ganz, ganz wichtig. Der Kicker sagt aus was der Spieler im Spiel sehen will, worum sich das Abenteuer drehen soll. Wenn es sich bei dem Kicker um etwas handelt das beim Spieler Gähnkrämpfe auslöst wird auch das Spiel selbst unweigerlich zum Einschlafen verleiten. Ebenso wie bei Flags ist auch hier Metagaming sehr wichtig.

Der Kicker muss klare Handlungsmöglichkeiten bieten
Hier liegt es am großen Teil am SL den vorgegebenen Kicker mit Handlungsoptionen und Angriffspunkten gegen die Antagonisten zu unterfüttern, aber man sollte schon als Spieler darauf achten dass der Kicker möglichst konkret ist. Bitte keine schwammigen Ziele und Gegner, bitte keine reinen Mystery-Kicker ohne dass man weiß was los ist, sondern etwas was man ganz konkret tun kann und etwas was man ganz konkret zu einem Ende bringen kann. Andernfalls wird der SL wieder zur Brechstange der frontalen Präsentation genötigt um den SC in eine konkrete Handlung einzubringen, oder man erhält noch eine diffuse Endloskampagne bei der man nicht weiß wann der Punkt angelangt sein soll um ein Ende zu finden, und man eiert noch in 10 Jahren am gleichen Punkt rum (auch manch einer nur das als richtige Kampagne zu empfinden scheint, wenn ich in einschlägige Foren schaue).


ARS-Spezifische Grundsätze

Der Kicker darf den Gruppenzusammenhalt nicht schwächen
Im TRS-Bereich (und teilweise auch beim xErz) sind PvP, nebeneinander statt miteinander agierende SCs und dergleichen nichts besonderes und teilweise sogar erwünscht. Für klassisches ARS (jetzt mal abseits von TRoS-Blood-Opera & Co), wo der Teamgedanke im Vordergrund steht wäre ein solcher Effekt aber fatal und schlecht für das erwartete Spielerlebnis. Hier sollte man sich eher zurücknehmen und danach schauen, dass die Kicker auf ein gemeinsames Ziel zusammenlaufen. Auch sollte man im Falle des Falles nicht vergessen dass "Mein Charakter ist nun mal so" eine verdammt blöde Ausrede ist um seinen Mitspielern gegen das Schienbein zu treten.


(Für TRS und gewisse Formen von xErz wäre jetzt noch interessant: Der Kicker muss mehrere Möglichkeiten zur Auflösung lassen. Da ist es nämlich wichtig dass der Charakter mehrere Möglichkeiten hat mit seinem Problem umzugehen und so thematische Entscheidungen in Bezug auf das Problem selbst zu treffen.
Beim ARS dürfen die Möglichkeiten ruhig etwas linearer sein und z.B. nur über diesen einen Dungeon führen wo genau dieser eine McGuffin rumfährt - Hauptsache innerhalb der Strukturen selbst ist Raum für strategische und taktische Entscheidungen.)


Weiterführende Links


So weit für heute, ich hoffe dieser Artikel hilft dem einen oder anderen.
Nächstes Mal geht es dann um R-Maps und damit zusammenhängend auch um mit dem Kampagnenverlauf mitwachsende Set-Ups.

(ursprünglich gepostet am 10.4.2008)

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...that you care?

Wie im letzten Eintrag angekündigt werde ich über emotionales Investment im ARS schreiben. Ich beginne mit einem Punkt der nicht schwer im Spiel umzusetzen ist und keine besonders abgefahrenen Regeln und Techniken verlangt: Einen Charakter durch Flags so gestalten dass man hohes emotionales Investment reinsteckt und rauszieht.

Zu diesem Punkt kursieren besonders durch den Einfluss von SchErzenden Hirn-Schadbären Falschvorstellungen: Dort wird Charakter mit Charakterisierung gleichgesetzt, dort werden fünfseitige Hintergrundgeschichten geschrieben und die 20 Fragen zum Musikgeschmack des Schwippschwagers des SCs beantwortet, und dort gilt es als Krönung des Charakterspiels mit seinem über das Briefmarkensammeln definierten Vampirs bei einem Glas Wein bedeutungsschwangere und pseudophilosophische Monologe über das Pfeifenrauchen als Metapher für den Lauf des Lebens zu halten.

Hier greift, was Fredi der Elch einmal auf den Punkt gebracht hat:
"Don't try to make me feel like I live there, make me care about it."
Die verbreitete Stimmungsspiellehre setzt auf "live there", mit Eintauchen in Spielwelt und Charakter, Festsetzung von Details (vom Namen der Eltern bis hin zur bevorzugten Schuhmarke) sowie der Leitlinie "wie es sich stimmig ergeben müsste", nicht "was der Spieler haben will".
Das Resultat von nach dieser Lehre entwickelten Charakteren sind meistens Windbeutel, außen mit üppiger Hülle und innen hohl. Charaktere die nach diesem Motto entwickelt wurden sind oftmals teflonbeschichtet, da nicht bewußt darauf hingearbeitet wurde den Charakter mit dem Set-Up zu verzahnen, so dass der SL oftmals dazu gezwungen ist zur Auftraggeber-Brechstange zu greifen um den Charakter ins Spiel zu ziehen. Selbst wenn sich gute Ansatzpunkte im Aufschrieb befinden gehen sie unter lauter irrelevantem Kleinkram unter, und es ist nicht sichergestellt dass der SL gerade nach den Plothooks greift die auch den Spieler interessieren, da es so viele Gelegenheiten gibt vorbeizugreifen.


Einen in Bezug auf emotionales Investment besseren Charakter bekommt man, wenn man "care about" als Motto benutzt.
Zunächst einmal beschränkt man sich beim Charakter auf das absolut wesentliche; meine Leitlinie dabei ist dass ein Charakter der mehr als fünf Sätze zur Beschreibung braucht schlecht ist. ([wiki]The Pool[/wiki] hat das übrigens schon in den Regeln verankert: Man muss einen Hintergrund verfassen, und der darf wiederum maximal 50 Wörter enthalten.)
Viele, die nur "live there" kennen werden mich jetzt mit großen Augen anschauen und fragen, wie zur Hölle man auf so wenig Platz einen Charakter beschrieben kriegt. Die Antwort ist simpel: Man beschränkt sich auf das allerwichtigste, das was einen als Spieler interessiert und das was man auch im Spiel sehen will. Der Rest läuft unter "ferner liefen" und wird nur im Kopf behalten, um hier und da eingestreut zu werden.
Hierbei ist ausdrücklich Metagaming erwünscht da es hier um den Spieler und seine Wünsche geht, nicht um den Charakter und wie er von der Stimmigkeit her sein müsste. Wenn der Spieler Säbelrasseln mit einem Erzrivalen haben will, dann schreibt er den einäugigen Schwertkämpfer in den Hintergrund der seine Eltern umgebracht hat, und hebt hervor dass er ihn töten will. Wenn romantische Rettungen will schreibt er seine atemberaubende Freundin rein auf die auch der häßliche und böse Sheriff von Nottingham scharf ist, und wenn er als großer Beschützer dastehen will schreibt er seine kleine, hilflose und niedliche Schwester rein (die geradezu danach schreit entführt und schurkischen Plänen ausgesetzt zu werden).

Insbesondere sollte hierbei darauf verzichtet werden Dinge nur deshalb reinzuwursteln "weil das in einen runden Charakterhintergrund gehört". Wenn der Spieler nicht will dass seine Eltern und Geschwister im Spielverlauf auftauchen weil ihn das anödet, dann schreibt er nichts über seine Familie rein. Wenn er nicht mit Angelegenheiten aus seiner Schulzeit konfrontiert werden will, dann schreibt er einfach nichts über seine Schulzeit rein.
Es ist kein schlechtes Rollenspiel Familie, Mentoren, Ex-Lehrer und andere langweilige persönliche Bindungen und Fakten unter den Tisch fallen zu lassen - Hauptsache der Charakter hat überhaupt Punkte an denen er ins Abenteuer gezogen werden kann. Stellt also einfach sicher dass Plothooks vorhanden sind die euch auch interessieren. (Wenn ihr gar keine Plothooks einbaut dürft ihr euch auch nicht darüber wundern wenn wieder die Auftraggeber-Brechstange ausgepackt wird - wo sonst soll man denn bitteschön euren [wiki]Teflonbilly[/wiki] anpacken ohne dass er gleich wieder aus der Hand flutscht?)

Ein weiterer Weg um einen knapperen und auf das nötigste eingedampften Hintergrund zu erreichen ist der Einsatz von Klischees. Es gibt so viele Archetypen und Klischees die immer wieder auftauchen: Der weise Magier, der grimmige Cowboy, der weichherzige Kleriker, der desillusionierte Cop, der ehrenhafte Ritter... Alle diese Klischees lassen sofort Bilder vor unserem inneren Auge auftauchen, und was nicht explizit gesagt wird wird gleich von unserer Klischeevorstellung ausgefüllt (wie etwa die Robe, der Stab, der lange Bart und der spitze Hut des weisen Magiers - Hand hoch wer auch dieses Bild vor Augen hatte).
Und: Klischees sind auch toll, um durchbrochen zu werden, und erfüllen dann immer noch den Zweck der automatischen Ausfüllung. Bei einem meiner Lieblings-SR-Charaktere habe ich etwa mit dem Klischee des harten und unerbittlichen Straßensamurais und der gut aussehenden und amerindianischen Elfen-Schamanin gespielt: Ich habe eine niedliche und zierliche Indianerelfe genommen, mit allen Girlymerkmalen vom bunten Regenbogentop bis zur Plüschtierliebe ausgestattet - und sie dann zum Samurai gemacht, als kleine Göre die eine große Klappe hat, auf hart macht und mit Nagelmessern rumpost um zu zeigen was für eine echte Messerklaue sie doch ist.


Und hier zeigt es sich dass ich doch gelogen habe: Flags brauchen Techniken und Kooperation seitens des Spielleiters um zu funktionieren. Zwar keine besonders abgefahrenen Techniken, aber dennoch Techniken mit denen der übliche "live there"-Spielleiter möglicherweise nicht vertraut ist. Keine Sorge, es ist ganz schmerzlos: Anstatt wie üblich den Charakterhintergrund zu überfliegen, abzunicken und die Spieler wieder in die Taverne zum fröhlichen Auftraggeber zu railroaden muss bei Flags der Charakterhintergrund genau gelesen und als Basis für den Kampagnen- oder Abenteuereinstieg genutzt werden. Da die Hintergründe mit der "care about"-Methode auf das wichtigste eingedampft sind geht das auch wirklich flink, und da man nur Plothooks erwischen kann die auch den Spieler interessieren sollte Kooperation gesichert sein. Beispiele, wie das gehen kann, finden sich unten unter dem weiterführenden Link zu Myrmidons ARS-Küche.

Wer diese Tips und Hinweise beherzigt, hat schon einmal einen guten Schritt zu größerem emotionalem Investment gemacht. Natürlich geht die Involvierung noch direkter wenn man nicht nur Flags, sondern auch [wiki]Kicker[/wiki] benutzt, aber darum soll es das nächste mal gehen.


Weiterführende Links

(ursprünglich gepostet am 9.4.2007)
 
Super, vielen Dank. Ich hab gerade eine Gruppe, da geht es mit Charakterhintergründen drunter und drüber. Die einen schreiben seitenlange Romane und die anderen basteln teflonbeschichtete Einzelgänger. Ich bin das nicht mehr gewohnt...
 
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