[12.05.2008] Ein Brief an die Hüterin

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The Fnord

Guest
Jack hatte beim Verlassen des Cafés einen handgeschriebenen Brief an die Hüterin des Elysiums an Maya weiter gereicht. Es war nicht die beste Art, um sich zu entschuldigen, aber es war auch nicht die Schlechteste. Dem Brief war eine handsignierte Autogrammkarte beigefügt.


Guten Abend Helena,

ich bedauere es, gleich zwei Mal in Ihrer Schuld zu stehen. Maya war so freundlich mir ein spontanes und improvisiertes Konzert in Ihrem Lokal zu gewähren. Leider unterlief mir ein Fauxpas dabei und ich setzte Macht der Gewohnheit unbewusst meine Kraft der Geschwindigkeit bei meinem Gitarrenspiel ein. Dies ist nicht zu entschuldigen und ich bin mir der Konsequenzen vollkommen bewusst. Auch wenn meine Worte dieses Vergehen nicht bereinigen können, so möchte ich mich dennoch aufrichtig bei Ihnen entschuldigen. Meine Telefonnummer habe ich weiter unten ergänzt damit wir diese Angelegenheit persönlich klären können. Ich habe lange auf Ihre Ankunft im Café gewartet, um dies so schnell wie möglich erledigen zu können, doch scheinbar waren Sie mit wichtigen Aufgaben innerhalb der Stadt betraut. Ich kann mich nur wiederholen indem ich sage wie Leid es mir wegen dieses Vorfalls tut. Einem persönlichen Gespräch sehe ich wohlwollend entgegen.

In Liebe

Jack Cunningham



Ja hatte denn tatsächlich eine Berühmtheit das Café der Hüterin betreten und sich gleichfalls als Kainit geoutet? Ja, Jack Cunningham war in Musikerkreisen kein Unbekannter. Was hatte er bloß in diesem Moloch zu suchen?
 
Nun, ob ein Jack Cunningham für eine Helena O'Niell alias Melinda Dark wirklich eine besondere Berühmtheit war, war noch die Frage, immerhin hatte sie in ihrem Leben schon neben vielen Stars gestanden, ja sie war selber einer, wenn auch in einem anderen Bereich.

Jedenfalls bekam Jack eine SMS, daß er sich am 13. bei ihr melden könnte, da sie zwischen 22 und 24 Uhr im Cafe sein würde.
 
Gegen dreiundzwanzig Uhr abends hielt am 13. ein Taxi vor dem Café und Jack stieg in seiner Abendgarderobe aus. Seine Krawatte wirkte lieblos um den Hals gewickelt. Die letzte Nacht hatte merklich an Jacks Substanz gezehrt und so ging er müde wirkend in das Lokal hinein. Mit einem Peace-Zeichen begrüßte er die Damen an der Theke und zog danach seinen Hut tief ins Gesicht.
 
Irgendwie benahm sich der Kerl wie ein Toreador, allerdings stand er auf den Unterlagen, die sich Helena von der Akademie geholt hatte, er wäre Brujah.

Helena war für jeden Neuankömmling entweder einfach die dritte Bedienstete im Lokal oder wer sich mit Schriftstellerei und Dehbuchautoren auskannte, die Reinkarnation von Melina Dark. Wie Maya, die an der Theke stand, trug auch sie ein schwarzes Kleid, daß deutlich den Touch von Dunkler Seele in sich trug, daß sie Erotik der legendären Helena verströmte würde allerdings an Jack vorbeigehen, denn dazu hätte er auf Frauen stehen müssen.
 
Jack mochte durchaus für viele Anhänger der Camarilla wie ein Toreador wirken. Tatsächlich pflegte er gute Freundschaften zu diesem Clan, denn als Kulturschaffender kam man an dieser Blutlinie einfach nicht vorbei. In erster Linie war der Amerikaner jedoch ein Exzentriker vor dem Herrn. Etwas, das er in Los Angeles besonders mochte, war, dass man ihn dort nie in eine Schublade steckte. Es interessierte einfach niemanden, ob er nun Toreador oder Brujah war. Es interessierte vielmehr, ob sein Herz am rechten Fleck war. Es kam dem Amerikaner in den Sinn, dass er mal wieder ein paar E-Mails in seine Wahlheimat verschicken könnte.

Auch wenn Jack zu Lebzeiten nicht auf erotischer Ebene zu Frauen stand, so konnte er sie dennoch schön und geschmackvoll finden. Bei Helena traf dies auf dem ersten Blick ebenfalls zu.

Mit einer auffallend überschwenglichen Geste verbeugte sich der Brujah kurz und nahm dabei seinen Hut vom Kopf hinunter in die rechte Hand.

"Frau O'Niell, ich danke Ihnen sehr für die Einladung."
 
Innerlich schüttelte sich Helena bei der Anrede "Frau O'Niell", aber das würde Jack nicht merken. Er hatte sie in einem Brief frech Helena genannt und nun "Frau O'Niell" sowas ging ja mal garnicht.

"Guten Abend", sagte sie dann und tat dann etwas was sie normalerweise nie kam, wenn sie jemandem gegenüber stand, dessen Sprache sie beherrschte. "Herr Cunningham, nehme ich an. Setzen sie sich doch und erzählen sie mir, was sie auf dem Herzen haben."

Es war einfach so, daß man bei ihr sofort den Eindruck hatte in guten Händen zu sein.
 
Jack nickte und setzte sich auf einen freien Stuhl. Den Hut setzte er aber wieder auf.

"Nun, ich habe die Situation selbst schon in meinem Brief an Sie beschrieben. Ich war einfach zu sehr in meinem Gitarrenspiel vertieft. Wahrscheinlich hat es kaum jemand gemerkt, aber der Einsatz einer Disziplin ist ein klares Vergehen gegen die Traditionen der Camarilla und dafür übernehme ich selbstverständlich die volle Verantwortung."
 
Helena sah ihn an, als würde sie alleine an seiner Reaktion sein ganzes Wesen ablesen können.

"Ja, und warum haben sie es nicht einfach für sich behalten und es hätte keinen gestört, hat ja auch keinem geschadet", entgegnete sie dann.
"Wenn ich nicht nach dem was mir so zu Ohren gekommen ist, damit rechnen müßte, daß sie ein Scherge der Geissel sind, würde ich sagen, vergessen wir es einfach und sie tun es nicht wieder. Allerdings fürchte ich, dann führt ihr nächster Weg zu Malik, der mit Sicherheit auf der Suche nach Dingen ist, aus denen er mir einen Strick drehen kann."
 
Jack eine Scherge der Geißel? Ernsthaft?? Wer hat ihr denn so einen Quatsch erzählt?

Der Amerikaner konnte nicht anders als heiter über diese Spekulation zu lachen. Gelassen und amüsiert führte er die Unterhaltung dann weiter.

"Wer hat Sie denn auf diesen Irrweg geführt? Man kann sagen, dass Malik und ich uns gut verstehen, aber mehr auch nicht. Neben Alfons Thürmer war er eine der beiden Personen, die mir nach meiner Ankunft in der Stadt geholfen haben. Dafür haben die Beiden jeweils einen Gefallen bei mir gut, aber ich mische mich nicht in die Streitigkeiten von Anderen ein. Das ist nicht meine Art und endet für niemanden gut. Ich kann nicht beurteilen, was das schlechte Verhältnis zwischen Ihnen und Malik verursacht hat, aber es ist auch nicht meine Angelegenheit und um ehrlich zu sein interessiert es mich auch nicht."

Jack dachte kurz nach. Sein Blick wanderte dabei zur Decke als würde er dort irgendetwas sehen können.

"Was Ihre andere Frage betrifft: Ich bin ehrlich. Deswegen erzähle ich Ihnen von meinem Ausrutscher während des Auftritts. Dies ist Ihr Café und ein guter Gast hat die Regeln des Hauses zu befolgen. Also, wie wollen wir nun weiter in dieser Angelegenheit verfahren?"
 
"Hm, sie verstehen sich mit Malik gut, liegt vielleicht an ihrem Clan, also ich mag keine Leute, die Spaß daran haben jemanden zu töten und schön garkeine, die das als Show zelebrieren. Aber das war auch nur ein Caitiff, vermutlich wird er die Ventrue und den Brujah mit Samthandschuhen anpacken." Sie zuckte die Schultern. Sophia hatte ihr erzählt, Jack habe hier gegen die Ahnen der Camarilla gehetzt und Malik verstand sich gut mit ihm, sehr seltsam, das stimmte doch was nicht.

"Wer hat ihnen denn gesagt, daß sie einen Bürgen brauchen? Das ist hier doch garnicht Usus, das braucht man wenn man neu ist und ein Amt anstrebt."

Sie verstand nicht wirklich, was das sollte, hatte ihn jemand einfach nur verarscht um Gefallen zu erschleichen?

"Na, machen sie doch einen Vorschlag, was sie als Sühne zu tun gedenken."
 
Helena konnte Jacks Überraschung merklich an seinem Gesichtsausdruck ablesen. Unschuldige exekutieren? Die Knöchel des Brujahs wurden weißfarben. Den innerlichen Zwist trug er mit sich selbst aus. Entweder erzählte Helena ihm Lügen oder aber Malik war ein mieserer Typ, als es sich Jack je hätte vorstellen können. Innerlich hin und her gerissen schnellten die Gedanken in seinem Kopf umher.

"Bitte was? Der hat WAS getan?!?"

Jack sprang vom Stuhl auf und ergab sich seinem Zornesausbruch.

Alle weiteren Aussagen von Helena gingen spurlos vorbei. Rache!

Helena sah sich nun mit einer unangenehmen Situation konfrontiert: Ein beinahe rasender Brujah in ihrem Lokal war alles andere als die Wunschklientel.
 
Hatte wohl ein wenig viel von Maliks Blut gesoffen der Kleine oder nur einfach grössenwahnsinnig, wie sie diese Typen hasste. Dann sollte man doch mal wieder zu einem Mittel greifen, das ihm gleich zeigen würde, daß er mit solchen Kindereien bei ihr an der falschen Adresse war. Sie drückte eine Taste an ihrem Rechner und gleichzeitig wurde sie zu einer so mächtigen Erscheinung, daß selbst ein Werwolf in Ehrfurcht erstarren mochte.

"Setzen sie sich!" Es war eindeutig ein Befehl und einer, der schon Willenskraft forderte um ihm nicht nachzukommen.
 
Fast hätte Helena gegrinst, Präsenz und Seelenstärke, sie liebte es einfach.
"So und jetzt bedenken sie, was ich ihnen gesagt habe, ihr grosser Freund hat einen Caitiff der gefesselt und wehrlos war einfach geköpft, also werde ich sie mit ausgesprochener Vorsicht beobachten und ich erlaube auch ihnen hier keine Ausfälle innerhalb meiner Räumlichkeiten, ich hoffe wir verstehen uns." Eine kleine Pause, hatte sie wirklich nicht verstanden, daß er das mit Malik nicht gewußt hatte oder hatte er sie nur angegriffen wie jeder nach einer Hirnwäsche, an das Gute im Bösen glaubte.
"Aber mal eine ganz andere Sache, was sollte dieses schwachsinnige Gerede gegen unsere Stadtoberen, sie sind hier zu Gast, also benehmen sie sich auch so."
 
Helena hatte sich mit ihrer Aktion nun mindestens so unbeliebt gemacht wie Malik, wenn sich die Gerüchte über diesen tatsächlich bewahrheiten sollten. Jack war sich nicht ganz klar über die Art der geistigen Machtergreifung. Diese mystische Fähigkeit hatte ihn wie ein Güterzug überrollt, doch Jack wäre kein waschechter Rebell gewesen, wenn er seine geistigen Kräfte nicht genutzt hätte um dagegen erfolgreich an zu kämpfen. Seine Augen formten sich zu engen Schlitzen und eine unbändige Wut flammte in seinen Pupillen auf. Es fiel ihm nicht leicht körperlich ruhig zu bleiben, doch mit genügend Anstrengung erklomm er auch diese Hürde. Die Handflächen ruhten auf seinen Oberschenkeln.

"Ich werde ihre Aussage überprüfen und wenn sie sich bewahrheitet, dann hat sich für die Zukunft jeglicher Kontakt meinerseits zur Geißel erledigt. Vielleicht sollte ich aber auch einfach dabei zusehen, wie Sie und Malik sich gegenseitig vernichten. Sie sind doch keinen Funken besser als er. Erst konfrontieren Sie unverhohlen einen jungen Brujah mit solchen Informationen und wenn dieser darüber aus gutem Grund wütend auf Malik ist, versengen Sie zum Dank dafür den Geist Ihres Gesprächspartners? Und da wundern Sie sich auch noch warum ich so schlecht auf viele Mitglieder der Camarilla zu sprechen bin? Der Zahn der Zeit muss Ihre Seele schon vor langer Zeit in den Abgrund der Perversion gerissen haben. Kainiten wie Sie sind doch alle gleich. Sie verstricken sich in Intrigen, gehen über Leichen und zur eigenen Machterhaltung ist Ihnen jedes noch so niederträchtige Mittel recht. Jene wie ich, die in der Welt nach Freiheit und Gerechtigkeit suchen, finden natürlich kein Gehör und sind immer auf der Flucht vor den Korrupten. Meine Heimat wurde mir schon genommen. Was will man mir noch nehmen? Wer nichts mehr besitzt kann nicht mehr weiter bestohlen werden. Natürlich könnten Sie nun versuchen mich zu vernichten und vielleicht hätten Sie damit auch Erfolg. Aber Sie können sich sicher sein, dass Sie eines Tages an den Falschen geraten werden. Wenn Sie jedoch wider Erwarten einen restlichen Funken Anstand in Ihrer verderbten Seele haben, dann werden wir zwei dieses Gespräch wie zivilisierte Menschen beenden und von nun an auf ewig getrennte Wege gehen."
 
"Schön, wenn sie meinen, daß sie im Recht sind, dann sollten sie verschwinden und das ganz schnell, bevor ich es mir anders übelege", erwiderte Helena. "Und ich möchte sie hier oder in einem anderen Elysium nicht mehr antreffen und noch was. Und halten sie sich von meinen Leuten fern, sonst verspreche ich ihnen ein Sonnenbad."

Dann nahm sie doch einen Datenstick und warf ihm diesen zu.

"Ich habe es nicht nötig zu lügen, viel Spaß damit. Und jetzt raus hier."
 
Für einen Brujah war es nicht einfach in einer solchen Situation die Nerven zu behalten. Auf der anderen Seite hatte er seiner Meinung nach die Hüterin sehr gut in ihre Schranken verwiesen und seinen Standpunkt nicht nur verdeutlicht, sondern auch sehr gefestigt. Vielleicht besaß Helena ja die Gabe der Selbstreflexion, doch wetten wollte Jack auf diese schwindend geringe Möglichkeit nicht. Das Lodern in seinen Augen war immer noch präsent. Es kostete ihn einiges an Anstrengung, um seine Coolness weiter aufrecht zu erhalten.

Jack stand für alle anwesenden Beobachter seelenruhig auf. Unter welcher Anspannung er wirklich stand verbarg er jedoch. Kurz hob er seinen Hut an.
Mit dieser Geste des Abschieds drehte er sich auf der Stelle um und verließ stillschweigend das Café. Weitere Worte waren nicht angebracht gewesen.

Als ihn wieder die kühle Nachtluft auf der Straße umhüllte nahm er sich sein Smartphone und rief erneut ein Taxi. Es dauerte eine Viertelstunde bis dieses am Bürgersteig zum Halten kam. So lange wie er auf die Mitfahrgelegenheit warten musste stand er einfach nur am Straßenrand und blickte in die Ferne.
 
Helena atmete einen Moment tief durch. Sie hatte das Lodern natürlich gesehen, immerhin war sie lange genug im Geschäft. Jack hatte sich in dem Moment eine Tür zu geschlagen, die er nur schwer wieder geöffnet bekäme, aber wer verbohrt, irgendwo auch größenwahnsinnig und geistig nicht auf der Höhe war, würde bestimmt denken, er hätte jetzt einen schlauen Schachzug gemacht.

Naja, sollte er sich doch in seinem augenblicklichen Triumpf sonnen, daß er damit genau das falsche gemacht hatte, konnte er nicht ahnen, sie mußte jetzt nur sehen, wie sie Jenny aus der Sache heraus hielt, denn der Typ würde bestimmt nur Mist bauen und das dann im Namen der Anarchie, wer dem wohl ins Gehirn *zensiert* hatte. Sie würde sich die Sache bestimmt von so einem nicht kaputt machen lassen.

Was die Kraft anging, die auf ihn gewirkt hatte, vermutlich konnte er es einfach nicht selber und das ärgerte ihn natürlich, würde zu ihm passen.

Sie nahm das Telefon zur Hand und wählte die Nummer von Antonia ...
 
Antonia würde nach wenigen Augenblicken dran gehen.

"Guten Abend, Helena", meldete sie sich. "Wie kann ich dir helfen?"
 
"Hallo, Antonia", erwiderte Helena. "Sagt dir der Name Jack Cunningham was?"

Sie hatte mitbekommen, daß die Harpyie gestern noch im Cafe gewesen war.
 
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