AW: [11.05.2011] Überwacht die Überwacher
Ein weiterer kleiner Fehler wurde Kai gerade klar, aber Sekunden später war sein Hand lautlos gestellt und er hatte eine Sorge weniger, die Suche konnte beginnen. Er lauschte erst an den Türen die Nahe bei den wartenden waren und wurde schnell fündig. Eine Stimme, nicht gerade kräftig war an einer ersten Tür zu hören, nicht motiviert und nur in Gedanken daran die Schicht zu Ende zu bringen. Es machte Sinn, nur weil Finstertal ein Hexenkessel war wurde das Budget noch lange nicht erhöht. Das nötigste an Leute war vorhanden, mehr aber auch nicht. Wahrscheinlich zwei oder drei Leute für den normalen Kram, Anzeigen aufnehmen, Akten abarbeiten und was hier sonst so an Büroarbeit war. Eine der Personen war wahrscheinlich ohne Kundschaft nur am Aktenwälzen und dabei auch noch für die Tür zuständig, einer an der Funkzentrale und man hätte im Mindestfall drei Personen die fest hier sind, vielleicht auch einer oder zwei mehr. Dazu noch ein paar Polizisten auf Streife und ein paar die hier in Bereitschaft waren und auf ihre nächste Streifenfahrt warteten.
Ausreichend
Er hatte was er wollte, einfaches genervtes Personal das nicht gut verdiente und sicher einen Nebenverdienst nicht abschlagen konnte, besonders wenn man es den Leuten gut genug einredete. Hinter sich hörte er Schritte, die Frau die er an der Eingangstür gesehen hatte, er folgte ihr. Auch aus ihr sprach keinerlei große Motivation, vielleicht eine Folge der „Virusinfektion“ der letzten Tage, oder sie war einfach auch so kein begeisterter Mitarbeiter der Polizei. Es waren nur ein paar Ecken um die sie ging, bevor sie eine Tür öffnete und in einen kleinen Raum trat, ein gemütlich eingerichteter Bereitschafts/Aufenthaltsraum mit Sitzgelegenheiten, einem Tisch und dem wahrscheinlich wichtigsten in der Nachtschicht, einer Kaffeemaschine. Kai konnte den Duft riechen, der Kaffee verströmte keine Milde, kein sanftes Aroma, stattdessen war er sich sicher das man hier auch gleich das Kaffeepulver pur durch die Nase ziehen könnte und man kaum mehr Koffeein aufnehmen würde als durch dieses Gesöff, Getränk konnte man es wahrscheinlich kaum noch nennen. Er sah der Polizistin zu wie sie eine Tasse aus einem Regal nahm, die zu drei vierteln füllte und einen ersten Schluck probierte.
„Verdammt, wer hat den Mist heute schon wieder gemacht?“
Den Rest mit reichlich Zuckerwürfeln und Milch auffüllte, zwischendurch probierte sie ein paar mal und hörte nebenbei kaum auf zu meckern. Erst nach mehreren Versuchen nahm sie die Tasse ohne weitere Proteste und ging wieder zur Tür, genug Zeit für Kai für eine oberflächliche Prüfung auf Kameras, der Raum war sauber. Nur war die Dame nicht unbedingt sein Ziel. Als sie die Tür öffnete verlies auch Kai den Raum wieder und sah sich ein wenig in den Korridoren um, nichts ungewöhnliches war zu sehen. Er sah vereinzelt die halbrunden Gläser von Überwachungskameras, aber diese allein würden bei weitem nicht ausreichen um ihn zu entdecken. Bisher verfügte auch keine der Türen über eine Sicherung die über ein Türschloss hinausging, man machte sich wohl keine Sorgen um Personen die unerlaubt hier drinnen unterwegs waren. Er holte das Endoskop aus der Tasche und führte seine Arbeit fort, langsam und vorsichtig schob er den dünnen Schlauch unter den Türen durch, spähte in die Zimmer hinein und sah in den meisten Fällen nur Dunkelheit oder leere, schlecht beleuchtete Räume. Im Moment schien wohl nur der vordere Bereich am Eingang belebt zu sein.
Ruhig und verschlafen, die Ruhe vor dem Sturm als Dauerzustand.
Er ging zurück zu den wartenden, der ältere Mann der vorhin noch hier saß war inzwischen weg, dafür saß eine neue Frau da. Jung, höchstens 20, mit zerrissener Jeans, blonden Dreadlocks und einem blutigen Taschentuch an die Nase gedrückt. Für einen Moment nahm er das Aroma war das sie verströmte, brachte sich aber mit ein wenig Mühe dazu es zu ignorieren. Ihre linke Augenbraue war leicht angeschwollen, am Arm waren Kratze und ihre Jacke hatte schon bessere Tage hinter sich, ihr Grinsen dagegen zeigte das es entweder für sie doch noch sehr gut ausgegangen war, oder für den oder die andere/n zumindest sehr viel schlechter. Der Anblick fesselte Kai für einige Momente. So viele Zeichen von Leben in ihrem Gesicht, von einem Leben in dem das Blut noch eigenständig im Körper unterwegs war, angetrieben von einem lebendigen Herzen und nicht kontrolliert durch den Geist. Es schien für den Moment so unendlich lange her das Kai selbst das erlebt hatte, er wollte die Frau berühren, Teilnehmen an echtem leben, aber das war unmöglich.
Weg mit den Gedanken, konzentrier dich.
Seine Verdunkelung durfte nicht fallen, aber er hatte sich ausreichend Konzentration gekostet um zu bemerkten wie die Leute auf unruhiger dasaßen. Er hatte es schon ein paar Mal erlebt gehabt, auch wenn er nicht gesehen wurde schienen manche Menschen doch unterbewusst auf seine Anwesendheit zu reagieren und nervös zu werden, was folgte war das einzige sinnvolle, er ging einige Meter in die Richtung des Korridors auf den Aufenthaltsraum zu, Augen und Ohren offen.
Wisst ihr überhaupt was ihr am Leben habt?
Erst ein paar Schritte die er hörte brachten ihn wieder hierher zurück, zwei Polizisten, wahrscheinlich gerade zurück von einer Streifenfahrt.
„Glaubste doch manchmal echt nicht was die wegsaufen können.“
„Solang die dann nur umkippen solls mir egal sein, bin letzte Woche schon fast vollgekotzt worden.“
„War das der der dann mitm Gesicht voraus aufn Boden gekippt ist?“
„Ja, der. Ich komm gleich nach.“
„Wieder der Kaffee? Die sollten echtmal anderes Zeug kaufen.“
Die Wege der beiden trennten sich damit, der eine ging in Richtung der Kaffeemaschine im Aufenthaltsraum, beim anderen tippte er darauf auch seinen Weg vorausahnen zu können. Kai griff in die Tasche und betätigte die Aufnahmefunktion an seinem Handy.
Wurde auch Zeit.
Geduld war eine Tugend und manchmal notwendig, er folgte dem einen der Polizisten bis er an einer Tür mit der Aufschrift WC ankam. Alles an dem Mann wirkte durchschnittlich, knapp einen Meter achtzig groß, vielleicht etwas weniger, vielleicht 75 Kilogramm und ein Gesicht das man sofort vergessen konnte, keinerlei besondere Merkmale bei einem geschätzten Alter von Mitte 20.Das WC war nicht gerade groß, zwei Urinale, zwei Kabinen, aber groß genug das Kai schnell an ihm vorbei war und ihm im Weg zum Urinal stand. Kurz darauf blickte der Beamte in die Augen eines Mannes der sicher schon seine 40 Jahre hinter sich hatte, mit zurückgehenem dunklen Haar der plötzlich vor dem Polizisten stand. Er flüsterte.
„Bleiben sie ruhig stehen bis ich mit ihnen gesprochen habe, sehen sie mich an. Wenn sie auf ihrem Telefon angerufen werden und das Gespräch mit den Worten „Wären sie so freundlich mir zu sagen..“ beginnt, antworten sie wahrheitsgemäß mit Ja falls sie frei reden können und nicht beobachtet werden, oder mit nein wenn sie nicht frei reden können. Wenn sie darauf mit den Worten „Wären sie so freundlich…“ aufgefordert werden etwas zu tun, werden sie dem folge leisten und die Anweisung ausführen. Nennen sie mir ihre Handynummer.“
Der Mann stand da, wie in Trance und nannte seine Nummer, keinerlei Widerstand ging von ihm aus.
„Sie haben mich nie gesehen, sobald ich an ihnen vorbeigehe und aus ihrem Blickfeld trete werden sie mich vergessen haben, darauf werden sie die Toilette benutzen wie sie es davor wollten. Sollten sie ein Gerät verwenden das Bild oder Tonaufnahmen von diesem Moment macht werden sie diese Aufnahmen beseitigen, sollten von diesem WC Überwachungsaufnahmen gemacht werden werden sie diese ebenfalls beseitigen.“
Und schon trat er mit diesen Worten am Mann vorbei und das gesamte Gespräch war nie geschehen. Der Polizist pfeiffte vergnügt als er seine Arbeit vollrichtete, trat aber ohne sich die Hände zu waschen aus dem WC heraus, König folgte flink. Die Arbeit war damit getan, jetzt musste er nur noch warten bis der erste der Leute die Polizeistation verlassen würde. Es verging etwas eine Viertelstunde bis sich für ihn die Möglichkeit bot zu gehen, diesmal war es einer der Jugendlichen der ging. Draußen, auf den Straßen von Finstertal stellte er sein Handy wieder auf normale Lautstärke, suchte sich eine ruhige Seitenstraße und wertete die kurze Aufnahme aus, wobei er sich die Nummer im Handy notierte.