Löwenclub Times are changing...und die Spieler auch

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gelöscht 1282

Guest
Die Zeiten ändern sich und das wusste nicht nur Bob Dylan. Ebenso wie dieser Songwriter in die Jahre gekommen ist, so sind meine Spieler nicht mehr die Frischesten. Ich schreib mal meine Spieler, aber ich habe bei herumschauen festgestellt das ich nicht der Einzige bin der diese Erfahrungen gesammelt hat. Natürlich folgt jetzt ein Lamento wie schlecht die Spieler heute sind und wie gut früher alles war. Nur leider hilft so etwas nicht weiter. Meine Spieler haben die Dreißig überschritten, haben Familie und Beruf und finden ab und zu mal Zeit zum spielen. Für sie steht Entspannung und Unterhaltung im Vordergrund, die meisten spielen auch MMoRPG’s. Auf Vorbereitung und Bücher studieren haben sie wenig bis keine Lust. Aufgrund jahrzehntelanges Spielens von dutzenden Systemen sind sie kaum noch zu überraschen und haben ihre ‚Lieblingsrollen’ gefunden. Kurzum, scherzhaft gesprochen, sie sind zu Allem bereit und zu nichts zu gebrauchen. Die Idee die Spieler ändern zu wollen oder endlos durch neue Spieler zu ersetzen, habe ich aufgegeben, denn das ist genauso erfolglos wie bei einem Lebenspartner ;) Was ich ändern kann ist das Abenteuer, das was und wie es gespielt wird. Mir ist klar das ich nicht Weltliteratur schaffen möchte, sondern eher Soap Opera. Hier eine erprobte Idee zu diesem Thema:

Erspielte Charaktererschaffung
Der Charakter soll so individuell wie möglich sein, gleichzeitig möchte ich mich nicht durch hunderte Seiten Regeln oder Setting durcharbeiten. Völlig freie Auswahl verwirrt mehr als das sie anregt. Vorgeschichten sollen aktuell sein und die Zusammenführung irgendeinen Sinn ergeben. Das erste was mir in dem Sinn kam, war die Menuführung von Computerspielen. Ein Tutorial oder Prolog der die Spieler direkt in die Rolle versetzt. Der mechanische Teil erfolgt im Hintergrund. Wenn man die Entscheidungen des Spielers in Einzelteile herunterbricht, so sind es meistens: Rasse (Festwerte), Klasse (Startwerte), Fertigkeiten und Sonstiges (Bonusse, Mali). Diese wiederum werden wiederum in Details aufgeteilt. Mein Abenteuer muss also die Entscheidung zu diesen Schritten wiederspiegeln. Das Setting grenzt die Auswahl ein. Für mein Abenteuer oder Kampagne irrelevante Dinge filtriere ich von vorneherein heraus, dabei berücksichtige ich die Vorlieben der Spieler. Nichts frustriert meine Spieler mehr als einen schönen Charakter zu haben der keinen Anteil am Spiel haben kann, weil seine Auswahl nicht im Inhalt vorkommt. Die Reihenfolge ist nur bedingt, wenn es aufbauende Elemente gibt, also von Rasse zu Klasse oder Klasse zu Fertigkeiten. Bei der Präsentation muss ich den Spieler lediglich auf die typischen Merkmale meines Settings aufmerksam machen oder warum ist mein Elf anders als der X-beliebige Elf anderer Settings. An dieser Stelle halte ich auch gern ein Gimmick bereit, das mein Setting von anderen grundsätzlich unterscheidet oder hervorhebt.
Der erste Eindruck ist entscheidend. Dieser allgemein gültige Merksatz trifft auch auf mein Abenteuer zu. Ich starte mit einem BANG!, die Spieler müssen in den ersten Sätzen erfahren warum sie dieses Setting erspielen wollen und kein Anderes. Das ist nicht so schwierig, ich muss ja nur wiedergeben, was mich an diesem Setting so begeistert hat, das ich Abenteuer bastele. Nach den kurzen einleitenden Sätzen wird dem Spieler schon eine Entscheidung aufs Auge gedrückt. Da der Spieler mit Informationen unterversorgt ist, der Charakter ist ja noch nicht vorhanden, muss diese Entscheidung einfach gehalten werden. Diese Entscheidung kann allerdings bereits zur Gewichtung der Ausrichtung des Charakters benutzt werden. Am besten eignet sich hier ein Szenario wo der Charakter sich nicht philosophisch hinterfragt (Wer bin ich, was mache ich hier, wo gehe ich hin). Wie in einem Film steigen wir mitten in eine Szene hinein und erklären diese später. Innerhalb der Szene werden die Möglichkeiten der Rasse und Klasse vorgestellt und durch Entscheidung oder Affinität entscheidet der Spieler wie sein Charakter geformt wird. Die einzelnen Bauteile werden dann zusammengefügt und es folgt der Start in den regulären Teil des Abenteuers. Das kann übergangslos sein, ein Flashback oder ein anderes einschneidendes Erlebnis im Charakterleben.

Beispiel (Eine Skizze für einen SF Prolog):
Die Charaktere betreten einen rauschenden dekandenten Ball im Design der 40’ Jahre (Bang!). Musik ist Swing. Sie können sich an nichts erinnern. Es haben sich 3 Gruppen von Gästen gebildet (1. Entscheidung: Rasse: Zu wem gesellst du dich): Menschen, Antropomorphe und Monster. Die Charaktere gehören danach auch schon eindeutig in diese Kategorie. Die Gespräche in den einzelnen Gruppen sind pornografischen Inhaltes (Gimmick).
Unterbrechung 1: (Scratchmusik) Eine Stimme erzählt etwas von Ausnahmefehler
Eine Diva betritt den Saal und begibt sich zu den Charakteren, sammelt sie ein und erklärt das die Party ihrethalben wäre. Fragen beantwortet sie so gut wie möglich. Die meisten Fragen kann sie nicht beantworten, das sie die Antwort nicht kennt. Sie bezeichnet sich selbst als ‚Mutter’. Die Charaktere sollen sich amüsieren während sie ‚wiederhergestellt’ werden (Klassenwahl 1: Wie viel Spaß haben die einzelnen daran Kontakte zu knüpfen oder Dinge aufzuspüren).
Unterbrechung 2: (Scratchmusik) Ein Stimme erzählt das die Datenbank nicht wiederhergestellt werden kann.
Es tauchen MiB’s auf. Mutter flüchtet mit den Charakteren in einem Schulraum, dort erhalten sie Tests (Fertigkeitenauswahl). Mutter entschuldigt sich, es sind nicht mehr genug Daten vorhanden zum rekonstruieren. MiB’s ergreifen sie und schleppen sie weg. MiB geben an das die Charakter sich retten sollen, das Raumschiff bricht auseinander.
Unterbrechung 3 (Ambiente) Charaktere wachen in medizinischen Bottichen auf, Alarme heulen und die Luft schmeckt bereits seltsam. Die Charaktere haben stark nach ihrer Auswahl veränderte Körper. Das Computersystem ist nahe dem Zusammenbruch und spuckt nur wenig brauchbare Daten aus. Flucht zu einer Rettungskapsel ist die höchste Priorität. Auf dem Weg müssen sie Hindernisse überwinden, einen Kampf bestehen und mysteriösen Zeichen interpretieren. (Klassenwahl 2: Wer legt welchen Schwerpunkt – Kampf, Fertigkeit, Ausrüstung)
Die Rettungskapsel wird gefunden. Übergang zum regulären Abenteuer.
 
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Ich halte das weniger ingame. Das macht es für mich auch leichter:


  1. Die Gruppe wird gefragt ob sie XY spielen wollen.
  2. Ich gebe auch Nachfragen einen Überblick, was XY ist.
  3. Am Spieltisch gibts dann ingame eine Szene, die den Spielern klar macht wo genau sie innerhalb eines Settings stehen und was die Anforderungen an die Charaktere sind.
  4. Dann erst werden die Charaktere gemeinsam erschaffen. So erschafft keiner am Abenteuer/an der Kampagne vorbei und es erfolgt eine Abstimmung mit den anderen Spielern/Charakteren.
 
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Ja klar:

Ihr seid eine Handvoll an Jugendlichen von Billionen auf Mort. Zufällig hat euer Lebensweg sich mit dem Scheinwerfer einer Kamera gekreuzt, die von Trendscouts und Headhuntern ausgewertet wurde. So kamt ihr zu der Castingshow, aus der ihr als Gewinner-Squad hervorgegangen seid.
Ihr bekamt eine militärische Ausbildung und seid jetzt bereit als Medienstar und Auftragskiller aus der Masse herauszustechen. Genau genommen seid ihr schon mittendrin und euer erster BPN führte euch in die Abwasserkanäle unter Mort City und direkt in ein Nest von Carriens, die sich geifernd auf euch stürzen.


Das kann man natürlich auch noch verfeinern und mehr in bestimmte Charakterklassen steuern, die in der kommenden Kampagne nützlich sind. Gerade in Settings, wo die Bandbreite an "Klassen" recht hoch ist. Wenn ich zum Beispiel in einer DSA-Piratenkampagne den Charakteren ein Schiff in die Hand geben will, dann sollten diese auch Seefahrerkenntnisse haben - bzw wenigstens bei der Charaktererschaffung schon wissen, was auf sie zukommt.
 
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Eine gute Vorgehensweise. Lieferst du dann die Begriffserklärungen im Nachhinein? Ist die Szene für die Spieler in irgendeinerweise verbindlich, d.h. setzt ihr dann an dieser der Stelle das Abenteuer an oder soll es nur ein 'Gefühl' für die Charaktererschaffung liefern?
 
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Ja, Begriffserklärungen gibt es natürlich und da setzt dann auch das tatsächliche Abenteuer ein. Es ist eher eine Hilfe, dass die Charaktere in die repäsentative Szene der Kampagne reinpassen.
So haben sie ihre Freiheit bei der Erschaffung, wissen aber worum es gehen wird. Und da die Charaktere zusammen erschaffen werden, können sie sich auch untereinander noch abstimmen.
 
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Was bei mir recht gut angekommen ist war vrogefertigte "Packages" als ich meine Runde in ein eigenes Setting und System eingeführt habe. Es startete ganz klischehaft mit Amnesie. Die Gruppe stand in einem Dorf, das völlig verwüstet war, scheinbar durch einen Luftangriff.

Anhand des Speilerverhaltens eröffnete ich gewisse Entscheidungsoptionen. Ich hatte Pakete aus bestimmten Fertigkeiten bereits vorgeschnürt und für die 3 Speiler in jeweils 3 Bereiche aufgeteilt. Der Charakter, der als erstes nach den Wunden der Toten sah wurde von mir gefragt ob er das wissenschaftlich-medizinische Package haben wolle. Ein anderer suchte sofort nach einem Computer und bekam das Techie-Paket. Der dritte sah sich schon nach den Waffenspuren um und nahm das Paket für Waffenexperten. Später stolperte sie dann über Schriftzeichen in verschiedenen Sprachen. Einer der Spieler beschloß an der Stelle das Package "der Bereiste" zu nehmen, das diverse Sprachen und Kulturkentnisse umfasste...
 
AW: Times are changing...und die Spieler auch

Soweit sind wir nie gekommen, aber klar, dem hätte nichts im Wege gestanden.
 
AW: Times are changing...und die Spieler auch

Meine verwöhnten Spieler mögen natürlich, dass ihre Charaktere mit dem Wahnsinn flirten. Aber egal welches System ich nehme, die Mechaniken dafür gehen alle in dieselbe Richtung, dem Spieler die Kontrolle über den Charakter zu entziehen. Natürlich nicht sofort, aber unterschwellig ist klar, wenn ich meinen Charakter ‚überzeugend‘ spiele, dann ist er Ruck-Zuck ein NSC. Andrerseits ist dem Spieler jederzeit klar, sein Charakter hat ein Problem, also reagiert der Spieler nicht ‚natürlich‘ auf die Spielwelt.
Als Lösung für meine kleine Gruppe bin ich erstmal davon ausgegangen, dass eine psychisch kranke Person sich erst hinterfragt wenn akuter Anlass dazu vorhanden ist (wenn sie es überhaupt tut). Alle Charaktere in diesem Szenario fingen als geisteskranke Personen mit unterschiedlichen Krankheiten an. Dem Spieler ist dieser Fakt zunächst nicht bekannt. Um nicht jeden Spieler eine komplett eigene Beschreibung für jede Szene liefern zu müssen, bekommt er zwei Karten ausgehändigt. Jedesmal wenn er eine Karte ausspielt bekommt er einen ‚Hinweis‘ und eine ‚Erfahrungspunktebelohnung‘ . Der Hinweis ist eine Ausgeburt seines Wahnsinns, wobei sich nützliche Fakten und die Fantasterei je nach Szene vermengen. Der EP Bonus ist einfach ein zusätzlicher Anreiz. Die Kampagne selber ist so aufgebaut, das alle in dem Wahn wahrgenommen Infos möglich sein könnten. Dadurch bestätigt sich der Charakter in seiner ‚Weltsicht‘ . Da dies aber alle Spieler tun und die Weltsichten durchaus konträr laufen, ergibt dies interessante Spielsituationen.
 
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