Rezension Die Frauen von Nell Gwynne's (II) [T-Rezi]

Taysal

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Die Frauen von Nell Gwynne's (II)


Kage Baker [T-Rezi]


Mit „Die Frauen von Nell Gwynne's“ ist beim Mannheimer Verlag Feder & Schwert ein weiteres Taschenbuch unter dem Steampunk-Label erschienen. Es handelt sich dabei um keinen vollwertigen Roman, sondern um eine phantastische Novelle aus der Feder der im Januar 2010 verstorbenen Kage Baker.

Die Novelle beschreibt die dramatische Lebensgeschichte einer Frau namens Lady Beatrice. Sie stammte aus gutem Hause, verbrachte Kindheit und Jugend in den englischen Kolonien und musste gegen unzählige Unbillen zu Felde ziehen. Zurück in London verkauft sie ihren Körper und landet schlussendlich im besten Bordell Whitehalls, wird eine der Frauen von Nell Gwynne's.

Bei den ausgesuchten, quirligen und charmanten Damen geht es hoch her. Nur die wenigsten Menschen wissen jedoch, dass es sich um die Schwesterorganisation der Spekulativen Gesellschaft der Gentlemen handelt. Somit befinden sich gleich zwei Geheimorganisationen im Rennen, als ein mysteriöser Lord zur Auktion ruft. Lady Beatrice und weitere Damen machen sich leicht bekleidet auf den Weg, um das Rätsel um den Lord und die Auktion zu lösen …

„Die Frauen von Nell Gwynne's“ ist eine kleine und feine Geschichte, klar strukturiert und ohne Schnörkel erzählt. Vor allem der gewählte Sprachstil lässt nostalgische Gefühle erwachen und der Leser taucht gerne in diese phantastische Welt ein. Das die Heldin eine Hure ist und schlussendlich ein Bordell als Hauptquartier einer Geheimorganisation dient, macht die Novelle um einiges Reizvoller. Dabei betont Kage Baker zwar die Frivolitäten der gelenkigen Damen, gleitet aber zu keinem Zeitpunkt in den Bereich der Pornografie ab. Im Gegenteil. Frau Baker ruft ein klischeehaftes Bild der viktorianischen Epoche hervor, das einfach entzückend ist. So verrichten die Mädels von Nell Gwynne's ihre Arbeit gerne mal mit Reitgerten in knappen und bunten Kostümen, reiten die Lords der britischen Gesellschaft zu und gehen insgeheim noch ganz anderen Geschäften nach. Das Alles in einer passenden Steampunk-Kulisse.

Diese Kulisse ist stets präsent, aber zu keinem Zeitpunkt dominant. Da gibt es Pillen die Männer zum Reden bringen, künstliche Auge mit Teleskop-Funktion, moderne Kameras zum Filmen, versteckte Pistolen für den finalen Schuss und vieles mehr. Das macht einfach Spaß.

Die Geschichte hat eine angenehme Länge und kann bequem in einem durchgelesen werden. Die einhundertsechzig Seiten sind zügig erledigt. Es gibt keine besonders ausgeklügelte Handlung oder tiefgreifende Charakterskizzen. Die Novelle marschiert stracks auf ihr Ende und dem passenden Höhepunkt zu. Ein unterhaltsames Stück Literatur für einen sonnigen Nachmittag oder kühlen Abend. Das Buch wurde übrigens 2010 – verdientermaßen - mit dem Nebula Award als beste Novelle ausgezeichnet.

Die Übersetzung von Astrid Mosler ist sehr gefällig. Die Aufmachung des Buchs passt sich dem bisherigen Aussehen des Labels an und kommt in gedeckten Herbsttönen daher. Das sieht schick aus und verstärkt den Steampunk-Eindruck.

Wer eine flott geschriebene Geschichte mit einer Portion Steampunk, Erotik und Humor sucht, der wird mit diesem Taschenbuch gut bedient.

Kage Baker
Die Frauen von Nell Gwynne's


Feder&Schwert / Steampunk Taschenbuch (2010)
160 Seiten, ISBN 978-3-86762-074-1
Originaltitel: The Women of Nell Gwynne’s
Übersetzung: Astrid Mosler
Titelfoto: Thomas Adorff

Willkommen in der Welt der phantastischen Literatur
http://www.kagebaker.com/


Copyright © 2010 by Günther Lietz

Diese Rezension erschien zum Zeitpunkt des Eintrags ebenfalls auf Taysal.net und Buchrezicenter.de.Den Artikel im Blog lesen
 
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