Gildenhaus [15.05.2008] Ein würdiger Empfang

J.H.Grimm

Ahn der Pyramide
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Grimm rauschte ins Gildehaus, Josef im Schlepptau, dem er gerade genug Zeit gelassen hatte den Wagen zu parken bevor er den Aufzug der Tiefgarage gerufen hatte.
Ohne auf Marias Gruß zu reagieren wandte er sich an Josef.

"Hol mir den Neuankömmling und danach direkt diese unsägliche und nicht tot zu kriegende Frau Reeben. Wenn sie sich schon zur Ruhe begeben haben wirf sie raus aus ihrem Bett oder Sarg - ich will sie heute Nacht noch sprechen! Ich bin in meinem Arbeitszimmer."

Grimm rauschte davon und lies Josef mit der Aufgabe zurück. Der alte Herr mit dem Kaiser-Wilhelm-Bart machte sich sofort auf dem Weg zu den Zimmern der beiden Herrschaften.
 
Anna würde der Ghul tatsächlich in ihrem Zimmer finden. Sie saß an ihrem Laptop. Durch die Tür hinweg würde der Ghul bereits persische Sätze hören können. Es waren Banalitäten.. Offensichtlich war sie dabei, sich diese Sprache anzueignen und zu lernen. Anna fühlte sich leer. Das hier gab ihr wenigstens etwas zu tun. Und sie musste sich selbst nicht spüren.
 
Josef kam vor dem Zimmer an, das besagte Frau Reeben bewohnte und klopfte höflich aber bestimmt an die Tür. Sein Herr war kein geduldiger Mann und seine Stimmung schien sich während des Kampfes am Skilift weiter verfinstert zu haben. Fast bedauerte Josef, der eigentlich ein geduldiger und freundlicher Mann war, die junge Dame. Nach dem Herein betrat er das Zimmer und verneigte sich kurz vor Anna.
"Guten Abend gnädiges Fräulein, ich bin Josef" lies sich der Ghul mit leichtem Wiener Akzent vernehmen, "mein Herr, der Ahn Johannes Honorius Grimm, lässt sich dem gnädigen Fräulein empfehlen und erbittet ihre sofortige Anwesenheit in seinem Arbeitszimmer zwecks einer Unterredung bezüglich ihrer Rückkehr. Wenn gnädiges Fräulein mir bitte nach unten folgen würden?"
 
Das 'Herein' von Anna erfolgte auch prompt lediglich eine Sekunde nach dem Anklopfen des Ghuls. Es gab für Anna keinen Anlass jemanden warten lassen zu wollen. Sie saß an ihrem Schreibtisch und hatte sich auf dem Stuhl zur Tür herum gedraht, um ihren Besucher ansehen zu können. Ihr Laptop war hoch gefahren und das Sprachlernprogramm darauf pausierte. Ihr Gesicht blieb vollkommen ohne Regung, während der Ghul sich und sein Anliegen vorstellte, obwohl Anna durchaus positiv angetan war. Die Sprache der Höflichkeit, derer er sich bediente, war endlich etwas, was Anna hier in Finstertal ohne größere Probleme verstand, anders als so viele andere Dinge. Hier hatte sie jemanden vor sich, der seinen Platz kannte und wo die Rollenverteilung klar war. Die meisten anderen, die ihr bisher begegnet waren, bereiteten ihr weit größere Probleme. Sie registrierte sehr wohl dass Josef sie auch über seinen Herren nicht im Geringsten im Unklaren ließ, was seinen Namen und seine Stellung im Clan anging. auch dafür war Anna dankbar, selbst wenn man es für eine Selbstverständlichkeit halten mochte.

Ein Lächeln bekam Josef dennoch nicht. Obwohl Anna ihn ansah und ihre Aufmerksamkeit dadurch deutlich auf ihn gerichtet war, wirkte sie teilnahmslos. "Selbstverständlich, Josef.", antwortete sie ihm. In einer Bewegung direkt nach dem Aufstehen strich sie ihren schwarzen Hosenanzug glatt, den sie seid ihrer Abfahrt in Wien zusammen mit einer schlichten weissen Bluse trug. "Ich danke Ihnen.", folgte noch ihren ersten Worten, bevor Sie sich anschickte, dem Ghul sofort zu seinem Herren zu folgen.

Anna hatte den Namen des Mannes noch nie gehört. Sein Ghul hatte ihn nicht Regent genannt, also war die Regentin eventuell noch am Leben. Das wäre Anna angenehm. Angst empfand Anna nicht einmal im Ansatz. Dafür war sie... zu leer.
 
Josef neigte leicht den Kopf. "Gnädiges Fräulein erlauben das ich Sie nicht geleite, da ich noch einen anderen Neuankömmling zu Hr. Grimm rufen soll. Bitte gehen Sie ins Erdgeschoß, Hr. Grimm ist in seinem Arbeitszimmer das direkt gegenüber vom Zimmer von Regentin McKinney ist. Mein Herr erwartet Sie bereits."
Mit diesen Worten empfahl sich der alte Mann mit dem gepflegten Kaiser-Wilhelm-Bart und dem angenehmen Wiener Dialekt. Josef wirkte auf Anna wie ein Relikt aus dem vorigen Jahrhundert. Wenn der Mann so alt war dann war er sicherlich schon der Lakai seines Herrn bevor Anna in ihr sterbliches Leben geboren worden war. Ein Fingerzeig auf das Alter seines Meisters?
 
Anna ahnte ja nicht, dass sie so gleich einen Faux Pas begehen würde, für den sie nichts konnte. Den Ghul schätzte sie sehr wohl korrekt ein und nahm ihn für das Erste auch als einen Hinweis auf das Alter seines Herren, auch wenn dies kein völlig sicherer Schluss war. Einigen wenigen Guhlen war es nach dem Tod ihrer Herren vergönnt von einem anderen Kainiten übernommen zu werden. Josef gegenüber neigte sie zum Zeichen ihrer Zustummung leicht ihren Kopf. Sie trödelte auch nicht herum sondern ging sofort nach unten zu dem benannten Arbeitszimmer um mit exakten doppelten Klopfschlag, der in der Intensität hinter dem des Ghuls an ihrer Tür zurück blieb, aber dennoch deutlich hörbar war, um Einlass zu bitten. Es war lediglich aus dem Grunde heraus kein einfacher Schlag, weil ein solcher zu leicht mit einem Zufall verwechselt werden könnte. Sollte sie herein gebeten werden, wäre wohl das erste, was Anna tun würde ein Knicks in angemessener Tiefe für einen Ahnen, jedoch ohne in dem Knicks zu verbleiben, wie es wohl jemand tun könnte der versuchte sich einzuschleimen. Anna jedoch hielt sich stets exakt an die Konventionen der Etikette. Sprechen würde sie selbstverständlich nur nach nach Aufforderung. Ihrem Gesicht und ihrer Körperhaltung wäre wie immer nichts zu entnehmen. Nicht ein My überflüssiger Bewegungen war an ihr zu sehen: kein Blinzeln, keine Hände, die sich zu beschäftigen suchten. Kein Lächeln erhellte ihr Gesicht, wie es so mancher bei Begrüßungen für höflich erachtet, sondern es blieb komplett ohne Ausdruck.
 
Grimm hatte sich gerade in das Werk vertieft das er vor einigen Nächten für den Clan akquiriert und danach so weit es ging kopiert hatte bevor das Original nach Wien verbracht worden war. Leider war der Text teilweise in Enochäisch verfasst und damit war ein normales Übersetzen quasi nicht möglich weil die Sprache sich nicht nur aus Silben und Vokalen sondern auch aus Mathematik und Verweisen auf gewisse lokale Begebenheiten durchsetzt war, so dass sie sich dem zeitgenössigen Leser in diesen Tagen nur nach und nach eröffnete.
Grimm war wie immer schnell in die Schrift vertieft gewesen und reagierte wie üblich ungehalten auf Annas Klopfen, obwohl er selbst um diesen Besuch gebeten hatte. "Herein" schnarrte seine unmelodiöse Stimme durch die Tür Anna entgegen.
Als diese eintrat und in den Knick versank zeigte sich eine steile Unmutsfalte auf der Stirn des Ahnen. "Guten Abend Frau Reeben und willkommen zurück in Finstertal" begrüsste er die Tremere wobei die Eiseskälte in seiner Stimme die eigentlich warmen Worte Lügen strafte.
"Mein Name ist Grimm, Ahn und Regent des siebten Zirkels der Geheimnisse von Clan und Haus Tremere, Sonderbotschafter des Inneren Zirkels und derzeitiges Primogen der Domäne Finstertal. Ich will mit Ihnen darüber sprechen was in der Nacht geschah als Sie den unserem Haus schutzbefohlenen Herrn Zierglowski an unsere Feinde übergeben haben. Es wird sich gleich ein weiterer Neuankömmling zu uns gesellen den ich in diese Unterhaltung einbinden werde in der Hoffnung das der Mann so schnell begreift was hier derzeit geschieht. Meine erste Frage an Sie: Ist Ihnen überhaupt klar welchen Schaden sie mit dieser Ungeheuerlichkeit angerichtet haben?"
 
An unsere Feinde? Und was ist mir der Regentin geschehen? Lebt sie noch? Anna war sich nicht bewusst gewesen, dass Herr Pareto und Lurker in dieser Stadt als Feinde der Tremere betrachtet wurden, als Konkurrenten, nun ja... im Gegenteil, die Regentin schien sie sogar eher als Verbündete zu zu betrachten. Aber Anna wäre nicht Anna, wäre ihr irgend etwas anzusehen. Sie blieb regungslos wie zuvor und angesichts der Tragweite und der genauen Definition der Frage des Ahns musste er sogar so um die 5 Sekunden warten, bevor die reglose Gestalt vor ihm den Mund auf machte. Dabei machte sie bei beileibe nicht den Eindruck, als wäre sie abwesend, sondern ihre Augen lagen aufmerksam und dennoch ungerührt auf ihrem Ankläger. Er muss wissen, dass ich die Fesseln nicht gelöst haben kann und ohne Anweisung nie gehandelt hätte. Und dass ich mich einem Befehl des ausgerufenen Kriegsherren nicht hätte verweigern können. Sei es drum. Das ist nicht relevant. Anna würde nicht anfangen, sich zu rechtfertigen, sondern jedes Urteil akzeptieren. Etwas anderes kam nicht in Frage. Immerhin hätte sie ja auch in Wien anrufen können und der Regentin in den Rücken fallen, wenn sie es für nötig und richtig befunden hätte. So begann sie damit den aus ihrer Sicht vermuteten Schaden aufzuzählen, weil sie sich nicht im Klaren darüber war, ob sie das gesamte Ausmaß überblicken konnte. Und dafür brauchte sie eben jene fünf Sekunden, die sie den Ahn auf ihre Antwort warten ließ. Dafür kam sie danach auch flüssig in ihrer einförmigen Art und Weise.

"Mir ist bewusst, dass der Wiedergänger ungefähr zweihundert Jahre von Lord Johardo und dem Prinzen studiert wurde, ohne dass das Geheimnis seines Blutes und seiner Form der Unsterblichkeit gelüftet werden konnte. Sein Blut hat neben einem einzigartigen Geschmack eine süchtig machende Wirkung als auch die Möglichkeit, Blut über unser normales Maß hinaus benutzen zu können. Der Wiedergänger bot mir an, für meinen Karriereaufstieg in Wien zu sorgen, wenn ich eine Frau namens Sarah befreien würde, in dem er das Geheimnis seines Blutes verraten würde. Trotz dem, was Ziegelowsky meinte wahr zu nehmen, bin ich mir sicher, dass er getäuscht wurde. Eine technische Übertragung war nicht möglich. Die noch vorhandene Existenz dieser Frau oder ihre Gefangenschaft ist damit völlig unbewiesen und ohne jeden Anhaltspunkt. Dies sind die Ausmaße, die ich abschätzen kann."

Die Unsterblichkeit hatte sie erwähnt ebenso wie die ihr bekannten wirkungen seines Blutes... dass der Lude damit ein sehr wertvolles Forschungsobjekt war, war mehr als klar. Weiteren Schaden konnte Anna mit ihren Kenntnissen von den Geheimnissen des Clans nicht erkennen, was nicht gleichbedeutend damit war, dass es sie nicht gab. Zusätzlich hatte sie hatte sie es gewagt, etwas mehr als die direkte Frage zu beantworten, aber immerhin hatte der Primogen ja auch schon erwähnt, dass er insgesamt über den Abend des Verhörs reden wollte.

Schon schwieg die Tremere wieder. Es war ihr kein schlechtes Gewissen anzusehen. Auch unangenehm berührt wirkte sie nicht. Auch nichts schadenfrohes, oder widerspenstiges lag in ihren Worten oder ihrer Gestik. Da war einfach... nichts ausser den reinen Worten

uff... ich hoffe, die Übergabe war an dem selben Abend. Ich habe zwar den Thread gefunden, in dem Enio ihn zu Lurker brachte, aber mir fehlt der Teil, in dem Enio Ziege übergeben bekommen hat. Weiss zufällig noch jemand wo das stehen könnte zum nachlesen? Müsste zwischen 11.4.2011 und 2.5.2011 liegen, wenn es überhaupt ausgespielt wurde.
 
Du erinnerst definitiv falsch. Lurker und Enio wurden informiert, dass nur die Regentin die Fesseln lösen könne, jedenfalls weder Anna noch Maria seien dazu in der Lage. Die Fesseln seien thaumaturgisch auch gegen das Absäbeln der Glieder gesichert. Immherin hatte Caitlin eine sichere Verwahrung von Ziege versprochen. Später gab es in Abseits der Nacht einen Thread, wo Enio den toten Ziege zu Lurker schleppt. Beide Threads kann ich dir gern verlinken. Meine Anna wäscht sich daher bis auf weiteres die Hände in Unschuld, was die tatsächliche Übergabe angeht und zu mindest die Untersuchung in ihrem Kopf dürfte ebenfalls nichts anderes ergeben haben - zu mindest beim Verhör. Einen Thread/Beitrag, in dem Ziege übergeben wurde, habe ich bisher nicht gefunden, deshalb meine Nachfrage nach eben jenem
 
Grimm starrte Anna mit seinem eiskalten durchdringenden Blick an als könnte er schon damit jede Lüge erkennen, er wirkte auf Anna wie Richter und Henker in einer Person, seine Augen bohrten sich in ihre und als sie sich mit ihrer Antwort Zeit lies begann er ungeduldig auf das Dokument mit den fremdartigen Symbolen und Schriftzeichendas vor ihm lag zu tippen.

"Sarah, wer ist das? Wissen Sie wo die Frau steckt und in welcher Beziehung sie zu Zieglowski steht?"

Grimms schnarrende Stimme zerrte an Annas Nerven, sie trug zu dem insgesamt unangenehmen Eindruck bei den der Ahn bei Anna erweckte und den er wohl auch erzielen wollte. Mit Speck fängt man Mäuse schien keine Maxime zu sein die der Ahn unterschreiben würde.
 
"Nein, ich weiss nicht wo sich die Frau befindet." Dieses Mal kam die Antwort unverzüglich. Der Blick des Ahns konnte so durchdringend sein, wie er wollte, die Stimme noch so unangenehm. Er löste scheinbar nicht das geringste bei Anna damit aus. Tatsächlich löste er damit so etwas wie ein Sicherheitsgefühl bei Anna aus. Ungnädige, durchdringende Art kannte sie bereits von ihrem Erzeuger und hatte damit schon seid langem keine Probleme mehr. Im Gegenteil, sie kam damit sehr viel besser zurecht als mit der empathischen Art der Regentin, wo sie sich nie sicher war, wie sie sich verhalten sollte oder konnte. Hier war für sie alles geklärt.

"Ziegelowsky erzählte mir von der Übertragung folgendes, als Herr Pareto und der Nosferatu nicht mehr im Raum waren:" Fast wortgetreu wiederholte Anna jetzt, was ihr der Lude damals erzählt hatte inklusive der kleinen Details des Raumes, in dem die Frau dem Anschein nach fest gehalten wurde. "Allerdings kann er keine echte Übertragung gesehen haben. Ich war selbst nicht in dem Raum anwesend, als er sie gesehen hat. Die technischen Voraussetzungen für eine solche Übertragung eben so wenig. Seinen eigenen Worten nach liebt er diese Frau. Sein Herr hatte sie wegen Verrates zum Tode verurteilt und er selbst musste sie jagen. Während der angeblichen Übertragung entschuldigte er sich unter Tränen bei ihr dafür. Am Anfang stand die Tür für ein Kabel, dass von dem 'übertragenden' Fernseher ins Leere ging, ein wenig offen, so dass ich alles hören konnte, was gesprochen wurde. Nach dem eigentlichen Verhör wurde ich in die Zelle gerufen, um eine Visitation vor zu nehmen. Er selbst verzieh ihr alles und meinte zu erkennen, dass sie gezwungen und verleudmet worden war durch ihre Gefangennahme. Er war überzeugt, dass sein Herr sie nach seinem Wiedererscheinen sofort töten würde, sie aber ausreichend Fähigkeiten besitzen würde um sich vor ihm selbst und seinem Herren zu verbergen, wenn sie nur vor Mitternacht frei wäre. Ich erwähnte ihm gegenüber selbstverständlich nicht, dass er auf eine Farce herein gefallen war, sondern gab mich kooperativ."

Selbstverständlich unterließ Anna jegliche Spekulation über den tatsächlichen Verbleib der Frau oder dem, was dort in dem Labor geschehen war, sondern beschränkte sich auf die ihr bekannten Fakten. Wenn Grimm ihre eigenen Schlüsse zu dem damaligen Geschehen wissen wollte, würde er danach fragen. Ansonsten waren ausschließlich Fakten von belang, wenn man mit Kainiten wie ihm sprach und es wäre sogar aus ihrer Sicht ein Fehler ihn ungefragt mit ihrer Sicht der Dinge, ihren Vermutungen zu behelligen.
 
"Gut, dann werden Sie sich mit dem Neuankömmling gemeinsam in Erfahrung zu bringen wo diese Frau ist. Wo bleibt der Kerl eigentlich? Macht der noch schnell die schwedische Übersetzung von Der Untergang des Römischen Reichs? Der hat sich übrigens auch über Jahrhunderte hingezogen. Achja, wann fällt Westrom an Theoderich und Fall Konstantinopel an die Türken?" schoss Grimm seine Fragen unerwartet an Anna ab. Der Alte erwartete das ein Lehrling mit dergleichen Themenwechseln klarkam. "Was datiert der Historiker allgemein mit diesen beiden Daten?"
Währendessen kramte er kurz in Caitlins Bericht bezüglich der Fesseln des Luden. So wie er Anna hier kennengelernt hatte konnte er sich nicht vorstellen das sie von Lurker und Pareto so eingeschüchtert war das sie Ziege ohne Befehl herausgegeben hätte.
 
Die Antworten lieferte Anna dem Primogen prompt und ohne zu zögern, fast wie aus der Pistole geschossen. Als Historikerin mit dem ihrem hervorragenden Gedächtnis gehörte dies zu den Lieblingsspielchen ihres Erzeugers, dass er bald frustriert aufgab. Immerhin wollte er, dass sie versagte. Anfangs mochte sie die eine oder andere Frage nicht direkt beantwortet haben, aber er konnte keine Frage ein zweites Mal stellen, ohne dass sie danach die Antwort wusste. Für Gülden war es schon bald nicht mehr amüsant. Und Anna? Gleichtmut in Person. Es war ihr auch keine Freude oder stolz anzumerken, wenn sie die antwort auf eine Frage wusste, genau so wenig wie Scham. allerhöchstens entschuldigte sie sich nötigenfalls für ihre Unwissenheit.

Allerdings war Anna auch kein Kücken mehr, was Grimm bemerken durfte, als sich ihr Mund nach den Antworten doch noch weiter auf tat. "Ich bezweifel, dass die Frau sich noch in der Stadt aufhält geschweige denn, dass sie sich in Gefangenschaft befindet. Die Nachforschungen verstehen sich jedoch von selbst."
 
Grimm schien mit den Antworten zufrieden zu sein und neigte auch leicht den Kopf als Anna zum Fall Wetroms bei den Daten 476 und 480 nannte, bei denen sich die Geschichtsforscher nicht einig waren sowie 1453 für den Fall Konstantinopels. Das die beiden Daten das Ende der Antike und den Beginn und Ende des Mittelalters sowie den Beginn der Neuzeit bezifferten war ebenfalls korrekt.
Grimm begann sich für die Frau zu erwärmen, aber tatsächlich im intellektuellen Sinn. Sie belästigte ihn nicht mit überflüssigen Emotionen und typisch weiblichen Problemen und Schwächen, war offensichtlich gebildet, pflegte einen angemessenen und nicht übertriebenen Kleidungsstil auch wenn Grimm immer noch nicht verstand warum es Frauen erlaubt war Hosen zu tragen. Bei Jean d´Arc hatte das mit zu den Anklagepunkten in ihrem Ketzerprozeß gehört.
Jetzt galt es nur noch herauszufinden welche Ziele Anna selbst hatte und wie man sie am Besten als Werkzeug verwenden konnte.

"Da wir ja noch auf diesen Alexander warten, der offensichtlich einen Umweg über Indien auf dem Weg hierher nimmt, bringen Sie mich doch bitte über ihre Studien in Thaumaturgie auf den Stand der Dinge. Wo stehen sie da und womit beschäftigen sie sich sonst noch in ihren Forschungen?"
 
"Lady McKinney hatte leider noch keine Zeit einen Lehrplan mit mir zu erstellen. Deshalb habe ich mich in meiner freien Zeit weiter mit der Blutthaumaturgie beschäftigt und sie bis zu dem mir möglichen Maße verfeinert." Natürlich erwähnte Anna mit keinem einzigen Wort, was dies konkret bedeutete. Sollte Grimm jedoch zuvor ihre Akte gelesen haben, dann hatte sie während ihrer Jahre in Hamburg nur sehr langsame Fortschritte im Bereich der Thaumaturgie und den clanseigenen Disziplinen gemacht und jetzt laut eigenen Angaben einen Sprung von zwei Stufen innerhalb von 7 Tagen hingelegt. Irgend etwas passte dort unter Umständen nicht ganz zusammen. Auffällig war ebenfalls, dass ihr Erzeuger lediglich vom Ritual der Vorstellung schrieb und die Regentin mit dem Tag ihrer Ankunft zwei weitere nützlichere Rituale notiert hatte.

"Rituale habe ich keine neuen lernen können, da ich noch keinen Zugang zu den entsprechenden Schriften hatte und die Zeit für direkten Unterricht fehlte. Meine verbleibende Zeit in Finstertal nutzte ich zum weiteren Lernen von Sprachen."

Sehr bewusst erzählte Anna nicht, womit sie in Hamburg hauptsächlich beschäftigt gewesen war: überwiegend handschriftliches Übersetzen und Kopieren historischer, aber für die Thaumaturgie vollkommen belanglose Texte.
 
"Gut, den Pfad des Blutes sollte jeder aufstrebende Tremere möglichst schnell beherrschen. Sprachen, das sind ja alles größtenteils weltliche Dinge. Haben Sie ein Händchen für Sprachen oder weshalb beschäftigen Sie sich damit in Ihrer freien Zeit? Wie steht es mit den anderen Disziplinen der Tremere? Beim Umgang mit Sterblichen und dem Einschätzen von anderen Kainskindern sind das wertvolle Werkzeuge. Verstehen Sie mich recht, die Wiedererlangung von Martin Zieglowsky wird nicht allein mit unseren Fähigkeiten der Thaumaturgie zu erlangen sein. Dafür benötigen wir Einsichten in die Pläne der Nosferatu, wenn möglich uns untertan gemachte Augen und Ohren in deren Reihen oder Druckmittel gegen einzelne von deren Clansmitgliedern. Das erreicht man oft besser durch Beherrschung oder Auspex. Es ist Ihnen gewiss klar das es für Sie von Vorteil ist Miss McKinney und mir dabei zu assistieren."
 
"Selbstverständlich" antwortet Anna noch kurz nach dem Klopfen, denn sie hat keinerlei Interesse die folgenden Worte wen auch immer noch zusätzlich mit hören zu lassen. Es war so schon mehr als peinlich genug und eine Unzulänglichkeit von ihr, die ihr nur zu bewusst war. Trotzdem schien nach wie vor nichts sie zu berühren oder zu bewegen. Immerhin hielt sie sich kurz. "Ich fürchte, in diesen Punkten bin ich noch vollkommen unzulänglich. Bei unserer Hellsichtigkeit beherrsche ich lediglich die elementarsten Grundlagen, unsere andere Clandisziplin ist mir völlig fremd." Gut. Das letzte war eine glatte Lüge. Allerdings bezog sich die Frage des ahn darauf, ob sie die Disziplin anwenden könne, und nicht darauf, ob die Disziplin bei ihr angewendet wurde. Diese... 'freundlichen' Anwendungen hatten bei Anna für eine starke Abneigung gegen diese Disziplin bewirkt. Die Sprachen liess Anna für das Erste hintenüber fallen. Ja, sie war in diesem Bereich leidlich talentiert, doch dieses Thema konnte sie auch vor anderen Ohren erörtern.
 
"Herein", na endlich, schnauzte Grimm auf das Klopfen hin. Na, mal sehen was uns der Sturm jetzt in die gute Stube gespült hat.
 
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