Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Montano

Windmühlenbekämpfer
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Hallo zusammen!

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich verstärkt mit Filmmusik und deren Wirkung auf den Hörenden. Es geht mir dabei nicht um das "Ob Filmmusik Emotionen hervorruft", sondern um das "Wie" bzw. "Warum".

In der einschlägigen Literatur findet man diverse Hinweise auf die Wirkung.
Demnach gibt es folgende Aussagen:
- Emotionen werden "gelernt" in der Sozialisation.
- Emotionen sind Grundbestandteile der Spezies Mensch (natürlich gegeben).
- Sprache kann als Klangfolge von Lauten verstanden werden, was somit musikähnlich ist.
- Filmmusik unterstützt die Wirkung der Bilder (und auch umgekehrt).
- ...

Das Zusammenspiel von Bild und Ton ist hier, im Film, künstlich hervorgerufen und müsste somit ja steuerbar sein, wenn es die gewünschten Emotionen hervorrufen soll.
Jetzt stellt sich mir aber die Frage, ob dieses Zusammenspiel wirklich bewusst gesteuert werden kann.

Ich würde mich freuen über Hinweise auf Literatur, in der das Thema leicht verständlich behandelt wird, über eigene Erfahrungen mit Filmmusik, oder generell über Meinungen zum Thema. Habt Ihr Euch schon einmal damit auseinandergesetzt? Habt Ihr Filmmusik, die Ihr einfach nur gut findet? Gibt es Musik in einem Film, die Euch nicht passend erscheint?
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Ich kann mich grob daran erinnern, damals(tm) mal einen Teil einer Fernsehserie über das Filmemachen gesehen zu haben. Darin ging es um klassische Kameraeinstellungen, Schnitte, Filmmusik usw. und welche Wirkung bzw. Erwartungen man damit beim Zuschauer hervorrufen kann. Wahrscheinlich war es irgendwas aus dem Bereich Bildungsfernsehn der DDR.
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Interessant!

Das Zusammenspiel von Bild und Ton ist hier, im Film, künstlich hervorgerufen und müsste somit ja steuerbar sein, wenn es die gewünschten Emotionen hervorrufen soll.
Jetzt stellt sich mir aber die Frage, ob dieses Zusammenspiel wirklich bewusst gesteuert werden kann.
Ja, nur werden es wohl geringe Beeinflussungsmöglichkeiten innerhalb bestimmter Grenzen sein.
 
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Ja, nur werden es wohl geringe Beeinflussungsmöglichkeiten innerhalb bestimmter Grenzen sein.

Genau das ist ja auch das Problem an den Büchern, die ich bisher gelesen habe. Meist bleiben die Autoren im Bezug auf die Steuerung von Emotionen durch Musik recht vage. Beziehungsweise bleiben sie an der Oberfläche und beschreiben nur, wie etwas in einer bestimmten Szene wirkt. Das "Warum" bleibt offen.

Ein kleines Beispiel:
In der Duschszene in Psycho kommen stoßweise Streichinstrumente zum Einsatz, welche quasi die Stiche des Messers darstellen/unterstützen.
In anderen Filmen stellt sich die Musik aber als Hauptträger für Emotionen dar. Beispielsweise bei Star Wars, wo die typische Darth Vader Musik einerseits etwas Bedrohliches aufweist und zudem als Erkennungsmerkmal für Darth Vader zu verstehen ist.
Beim zweiten Beispiel frage ich mich also, wie man mit Hilfe von Musik eine bedrohliche Stimmung aufbaut und warum das für uns bedrohlich klingt.

@sleepthief: Danke für den Tipp. Mal schauen, ob ich das Buch irgendwo mal ergattern kann.
@Cryn: Weißt du noch, wie die Serie hieß?
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Na geh doch mal weg von den Fachchinesen die sich nur mit Filmmusik und Emotion beschäftigen und such dir was zu Musikpsychologie im allgemeinen...
Harmonielehre und so'n Schmu.
 
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Da werden sich halt ebenso Stilrichtungen unterscheiden lassen, wie zB beim Filmschnitt.
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Leider weiß ich nicht mehr, wie die Serie hieß und kann mich auch nur noch Lückenhaft daran erinnern. U.A. wurden da Szenen in verschiedenen Bearbeitungsschritten und Varianten gezeigt. Z.B. eine Szene ohne Ton, eine mit Musik Variante 1 und dann die gleiche nochmal mit anderer Musik. Dabei hatte dann die gleiche Bildfolge je nach "Bearbeitung" unterschiedliche Wirkung.
 
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Na geh doch mal weg von den Fachchinesen die sich nur mit Filmmusik und Emotion beschäftigen und such dir was zu Musikpsychologie im allgemeinen...
Harmonielehre und so'n Schmu.

Mit Musikpsychologie hab ich mich schon etwas beschäftigt, aber ich hatte da auch den Eindruck, dass es da noch keinen Konsens gibt. Außerdem sind die Bücher auch nicht grade einfach, was den musiktheoretischen Teil betrifft.

Aber im Grunde könnte man dieses Thema auf Töne und deren Wirkung reduzieren, dann fehlt mir aber das Visuelle.
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Also ich würde Musik als verstärker für eine Szene oder Film bezeichnen.

Beispielsweise ist the Happening sehr langweilig, jetzt nicht nur für mich sondern ich habe auch in meinem Freundeskreis nachgefragt. Das liegt nicht an der Handlung (meines erachtens) sondern eher daran das es keine Musik gibt. (Ihr dürft mich korrigieren aber bei mir ist da nix hängen geblieben)

Sprich es baut sich für mich in dem Film keine Spannung auf, die Szenen wo sie vor dem Wind wegrennen weil er ein unsichtbares "Gift" transportiert ist total langweilig und ich hab mich an der Stelle noch gefragt ob es dann endlich zuende ist. Leider kann ich da immer nur für mich sprechen.

Vielleicht bin ich auch dafür schon zu abgestumpft und brauche daher einfach musikalische Untermalung.
 
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Hm, dann gibts auch wiederum das andere extrem wo du praktisch keine Musik hast in dem Sinne dir aber die Bässe und Synthesizer-Effekte die Schuhe ausziehen und dir komplett durch den Magen gehen. Vor allem bei guten Horrorfilmen ist das so.

Hm, was absolut typisch ist in Szenen in denen die Hauptfigur sich selbst bemitleidet leises Geigenspiel, das soll dann wahrscheinlich Wehmut erzeugen.
Wilde Geigen wiederum sind seit Hitchcocks "Psycho" in Mordszenen Gang und Gebe.
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Hm, dann gibts auch wiederum das andere extrem wo du praktisch keine Musik hast in dem Sinne dir aber die Bässe und Synthesizer-Effekte die Schuhe ausziehen und dir komplett durch den Magen gehen. Vor allem bei guten Horrorfilmen ist das so.

Hm, was absolut typisch ist in Szenen in denen die Hauptfigur sich selbst bemitleidet leises Geigenspiel, das soll dann wahrscheinlich Wehmut erzeugen.
Wilde Geigen wiederum sind seit Hitchcocks "Psycho" in Mordszenen Gang und Gebe.

Wenn ich das lese, bestärkt sich mein Eindruck, dass Musik in diesen Bereichen schon einmal erfahren wurde und dass somit die enstehenden Erfahrungen "gelernt" wurden. Also doch Sozialisation statt Evolution?

Beim Schauen von "Das Kabinet des Doktor Calligari" - ein Stummfilm mit musikalischer Begleitung - ist mir aufgefallen, dass grade tiefe, harte und manchmal auch monotone Pianotöne für Bedrohung sorgen. Bleibt aber immer noch offen, welche Rolle nun die entsprechenden Bilder dabei spielen. Beim "Kabinett" sind das meist Großaufnahmen und längere Abschnitte. Jedoch sind die alten Filme eher wie Theaterstücke, da sich die Kamera meist an einem festen Standpunkt befindet.
 
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Ich hab mich während des Studiums (Nebenfach Musikwissenschaften) immer mal wieder mit Filmmusik beschäftigt, da ich dieses Thema sehr spannend finde.

Die grundsätzlichen Dinge wurden hier bereits genannt: die Untermalung des Geschehens mit musikalischen Mitteln und die damit verbundene Assoziation mit Gefühlen.
Dabei spielt natürlich auch die eigene Harmonietradition eine große Rolle, in anderen Kulturen, die andere tonale Folgen und Möglichkeiten haben und nutzen, sieht die Wirkung ganz anders aus als hierzulande, von daher kann man also die kulturelle (Vor-)Prägung als wichtigen Faktor festhalten.

Damit haben wir auch die Verbindung zum visuellen Geschehen: Beim Blick auf weite, offene Flächen kann die Musik dies entweder mit einem ebenso weiten Klangteppich unterstützen, beim Heraufgehen einer Treppe werden die Töne ebenfalls höher etc. Im Extremfall wird es zum sogenannten "Mickey-Mousing", benannt nach den alten Mickey-Kurzfilmen, wo wirklich JEDE noch so kleine Handlung ihren Gegenpart in der Musik fand.

Die Streicher in Psycho sind übrigens die fortgesetzte Kadenz des Schreies des Opfers, insofern ein sehr gutes Beispiel für das Zusammenspiel von Handlung und Musik.

Literatur findet sich wirklich nicht viel, aber schau mal nach Norbert Jürgen (oder Enjott, wie er sich auch nennt) Schneider. Der Mann hat die erste deutsche Filmmusikprofessur inne und entsprechende Bücher veröffentlicht. Er hat zwar stellenweise einen sehr, nun, nennen wir ihn eigenen Stil, aber andere Werke finden sich schlecht.
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Dabei spielt natürlich auch die eigene Harmonietradition eine große Rolle, in anderen Kulturen, die andere tonale Folgen und Möglichkeiten haben und nutzen, sieht die Wirkung ganz anders aus als hierzulande, von daher kann man also die kulturelle (Vor-)Prägung als wichtigen Faktor festhalten.

Das klingt auf jeden Fall spannend. Ich werde die empfohlene Literatur mal sichten. Bin auf jeden Fall gespannt.
 
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In der einschlägigen Literatur findet man diverse Hinweise auf die Wirkung.
Demnach gibt es folgende Aussagen:
- Emotionen werden "gelernt" in der Sozialisation.

Bestimmte Töne rufen aber ungeachtet der gelernten Zusammenhänge bestimmte Emotionen herfür - unabhängig von Kulturkreis und Sozialisierung.

- Sprache kann als Klangfolge von Lauten verstanden werden, was somit musikähnlich ist.

Würde ich nur sehr vorsichtig behaupten, soweit ich weiß benutzen Musik und Sprache verschiedene Areale des Gehirns, zumal Sprache eigentlich das emotionsfreiste Konzept ist, das dem Mensch in die Wiege gelegt wird.


Es gibt eine ganze Dokureihe über Gehirnchemie und -Anatomie insbesondere in Bezug auf Musi... Heißt "The Musical Brain" oder so; wenn's mir wieder einfällt, trage ich das nach. Sollte nämlich den Großteil der Fragen beantworten, oder zumindest aufzeigen, welche Fragen noch nicht beantwortet sind/werden können.
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Bestimmte Töne rufen aber ungeachtet der gelernten Zusammenhänge bestimmte Emotionen herfür - unabhängig von Kulturkreis und Sozialisierung.

Welche meinst du bzw. beziehst du dich auf menschliche Laute wie Babyweinen o.ä. oder auf musikalische Töne?
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Ich meine z.B. dass jede Kultur Molltöne mit einer gedrücken Stimmung asoziiert (ist jetzt ein Beispiel ausm Kopp ohne nachgeschlagen zu haben, keine Garantie^^). Also musikalische Töne. Dass Dinge wie Babyweinen (was auch der Grund für das gequietsche von Katzen ist) per Hardware einen Einfluss haben ist ja klar, meinte ich aber nicht.
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Einzelne Töne haben kein Tongeschlecht, erst in ihrem Zusammenspiel entsteht Dur oder Moll, aber ich weiß, was du meinst. ;)
Dem würde ich jetzt entgegensetzen, daß es z.B. in der arabischen Musik andere Tonleitern gibt und die europäischen Tongeschlechter Dur und Moll nicht überall eine Rolle spielen, also wären wir wieder bei musikalischer Sozialisation.
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

also wären wir wieder bei musikalischer Sozialisation.

Das heißt also, dass auch innerhalb einer bestimmten Gruppe aufgrund von unterschiedlicher Sozialisation ein und die selbe Musik (im Film) unterschiedlich wahrgenommen wird?
Wäre ja auf jeden Fall spannend, ab wann die Unterschiede aufkommen. Wie groß muss also der Unterschied in der Musik sein oder wie groß muss der Unterschied in der Sozialisation sein?

Dur und Moll sind also Stimmungsträger. Wie sieht es da in anderen Gesellschaften aus, z.B. dem genannten arabischen Bereich?

Generell sollte man auch bedenken, dass man zwischen bewusst und unbewusst unterscheiden sollte:
Spricht bewusst wahrgenommene Musik andere Hirnareale an als unbewusst wahrgenommene? Oder steckt da der gleiche Verarbeitungsmechanimus dahinter?
Babyschreien könnte ja als Tonfolge eher primitive und instinktive Areale des Hirns ansprechen, hingegen können Balladen von Chopin einerseits auch instinktiv (weil Töne an sich) und andererseits "verarbeitend" (weil gelernt diese Musik zu hören) wirken
 
AW: Wirkung von Filmmusik - ungelöstes Rätsel?

Das heißt also, dass auch innerhalb einer bestimmten Gruppe aufgrund von unterschiedlicher Sozialisation ein und die selbe Musik (im Film) unterschiedlich wahrgenommen wird?
Den Rahmen der entsprechenden Gruppe würde ich auf jeden Fall sehr groß ziehen, da kaum jemand musikalisch auf einer einsamen Insel befindet und sich, ausgehend von der europäischen Musikgeschichte, gleiche Elemente überall wiederfinden, egal, ob es nun Klassik oder Pop ist, die Musik nutzt dieselben Töne bzw. das entsprechende Repertoire an musikalischen Mitteln. Demzufolge wirst du in der "westlichen Welt" da keine großartigen Unterschiede feststellen können.

In den angesprochenen anderen Kulturen, zu denen vielleicht auch noch relativ isoliert lebende Eingeborene oder vergleichbare Menschen gehören, würde ich das anders sehen, eben aufgrund der unterschiedlichen Entwicklung der Musik und der verwendeten Töne. So gibt es im arabischen Raum enorm viele ungerade Takte (so gibt es z.B. ein Musikstück, das gewöhnlich gespielt wird, wenn die Braut zum Altar geht und einen 7/6 Rhythmus hat - die Gute müßte also hinken, wenn sie im Takt laufen würde...) und für unsereins seltsam klingende Tonfolgen bis hin zum Dissonanten.
Zwar treten diese Erscheinungen auch in anderer Musik auf (Jazz z.B.), doch erfordert die eruopäische Musiktradition eine entsprechende konsonante Auflösung der dissonanten Tonfolgen.

Filmmusik wird in den seltensten Fällen bewußt wahrgenommen, wenn man nicht gerade darauf achtet oder ein Ohr dafür entwickelt hat. Gerade wenn es eher um Soundkreationen geht wie z.B. bei Minority Report oder bei Mullholland Drive wirkt die Musik direkt auf den Zuschauer oder zur direkten Unterstützung der Szene.
Bei Mullholland Drive meine ich die Szene im Restaurant, als die beiden nur miteinander sprechen, durch die Musik allerdings eine Bedrohung aufgebaut wird. Als er danach nach draußen geht und diesem Monster begegnet, hat man durch die Soundkomposition das Gefühl eines Hörsturzes.
 
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