Wer Wind sät wird Sturm ernten... [Talaganuindale]

Freako

Der Kriegerpoet
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4. April 2004
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Vorgeschichte

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Dies ist eine Geschichte aus Freakos Jugend, der Zeit, bevor er zum Herrscher erwählt wurde und in der er als fahrender Sänger die Lande bereiste. Noch keine großen Taten hatte er vollbracht und niemand lächelte erkennend beim Klang seines Namens. In der Tat spielt diese Geschichte erst wenige Jahre, nachdem er seines Vaters Reich verlassen hatte. Er gibt sie gerne unter seinen Freunden und Vertrauten zum Besten, um sie daran zu erinnern, dass auch große Fürsten eine geringe Vergangenheit haben können und vor Missgeschicken und abgeneigtem Publikum nicht immer gefeit sind.
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Die Sonne stand bereits so tief am Himmel, dass ihre Strahlen sich rot färbten und sich wie geschmolzenes Kupfer auf der Oberfläche des kleinen Sees brachen, der nicht weit von Eichenheim, einem kleinen Menschendorf, entfernt lag. Die Vögel sangen ihre letzten Lieder und würden sich bald in ihre Nester zurückziehen. Die mächtigen Eichen des Waldes, von dem die Siedlung ihren Namen hatte, wiegten sich gemächlich in der angenehm kühlen Abendbrise nach einem sehr heißen Tag.
Ein leiser, platschender Laut unterbrach die natürliche Stille an diesem idyllischen Ort. Auf dem kleinen See waren unruhige, sich gleichmäßig ausbreitende Ringe entstanden, und die zuvor spiegelglatte Oberfläche schlug kleine, unruhige Wellen. Einem aufmerksamen Beobachter wären auch die achtlos hingeworfenen Kleidungsstücke nicht weit vom Ufer aufgefallen; Offensichtlich hatte jemand diesen Weiher zu seinem Badeort auserkoren.
Dieser Jemand ließ nicht lange auf sich warten: Nach einigen Augenblicken tauchte prustend ein Kopf aus dem Wasser auf. Die langen, blonden Haare klebten an ihm, so dass edle, spitze Ohren sichtbar wurden, und die leuchtend blauen Augen funkelten schelmisch. Der Elf tat ein paar kräftige Schwimmzüge und tauchte dann abermals unter, um sich den Schweiß und den Schmutz der letzten heißen Sommertage, die er unterwegs gewesen war, abzuwaschen. Nach einer weiteren Runde um den See schwamm er zurück zu der Stelle, an der er eingestiegen war und kam mit leichtfüßigen Schritten heraus. Ohne die geringste Scheu drehte er sich in den wärmenden, letzten Sonnenstrahlen und sah an seinem drahtigen Körper hinab.
Der Elf war nicht besonders groß, auch nicht für einen seiner Art, doch etwas kräftiger; körperliche Arbeit schien ihm jedoch nicht besonders vertraut zu sein. Dennoch sah er gesund und ausdauernd aus: Seine Haut war sonnengebräunt und glatt. Die blauen Augen stachen durch den dunklen Teint besonders hervor. Wäre er hier nicht in den Hinterlanden der menschlichen Reiche so würde man ihm seine Herkunft leicht ansehen können; doch das edhilische Geschlecht war hier kaum bekannt, und dem Elfen war es recht so.
Er wartete, bis die Sonne seinen Körper getrocknet hatte und begann dann, sein mehr als schulterlanges, hellblondes Haar zu kunstvollen Zöpfen zu flechten. Dann erst legte er seine Kleidung an und zupfte die schlichten, doch eleganten Stoffe zurecht. Schließlich wollte er bei seinem bevorstehenden Auftritt auch gut aussehen- die Menschen neigten dazu, einem gepflegten Sänger eher zuzuhören.
Nach einem prüfenden Blick auf seine Harfe, welche er stets bei sich trug, schnürte er sein Bündel zusammen und machte sich auf den Weg.

Freako genoss dieses Leben. Es war so aufregend. Seit er vor drei Jahren das Reich seines Vaters verlassen hatte war er ständig auf Wanderschaft gewesen und hatte vieles gesehen. Zwar verstand er die meisten Dinge noch nicht, doch er merkte sich stets jede Kleinigkeit die merkenswert war an den Orten die er bereiste. Er hatte vielen Sängern und Barden gelauscht und begann gerade seinen eigenen Stil zu entwickeln.
Eigentlich hatte er vorgehabt nach Thronstadt, der Haupstadt dieser Mark, zu reisen, doch hatte er den Weg falsch eingeschätzt und war an diesem Eckchen herausgekommen. Die idyllische Landschaft gefiel ihm, vor Allem die alten Eichen, denn sie erinnerten ihn an die Wälder in seines Vaters Reich.
Nicht dass er sich nach diesem Ort sehnte, doch etwas Erinnerung tat jedem einmal gut.

Während er wieder auf die schmale, schlecht ausgebaute Lehmstraße trat, um das letzte Stück nach Eichenheim zurückzulegen, stimmte er fröhlich pfeifend ein Lied an. So betrat er schließlich nach kurzer Zeit auch das kleine Dorf, das aus nicht mehr als einem knappen Dutzend ärmlicher Häuschen und einer Taverne bestand, und die Leute staunten nicht schlecht als sie den Elfen sahen. Einen von seiner Art traf man nicht oft in Eichenheim. So war es denn auch nicht verwunderlich dass sich die Taverne, kurz nachdem Freako sie betreten hatte, rasch füllte.

Zuerst fiel es ihm nicht auf, doch er merkte, dass etwas anders war als sonst. Die Männer waren allesamt kräftige Bauernburschen, hochgewachsen, mit breiten Schultern, starken Nacken und dicken, behaarten Armen, die sich in der Tavernee eingefunden hatten, um einander von einem weiteren ereignisslosen Tag zu berichten und sich zu betrinken. Doch heute waren sie ausnahmslos gereizt, und die drohende Atmosphäre die stets entstand, wo viele wütende Gemüter zusammenfanden, war das, was Freako spürte und das ihn sich wundern ließ. Er wusste nicht, dass genau an diesem Tag der fürstliche Steuereintreiber das Dorf besucht hatte; wie immer hatten die Dorfleute einen nicht geringen Teil ihrer Erträge entrichten müssen und dementsprechend war ihre Laune.

Nachdem Freako nun also einen Augenblick lang etwas besorgt dreinblickend an der Türschwelle gestanden hatte zuckte er mit den Schultern und trat ein. Die Männer blickten auf, und ihre Blicke verfinsterten sich. Ein Fremder war an diesem Tage wahrlich nicht gerne gesehen, und einige halblaut gemurmelte Verwünschungen wurden laut. Dennoch wurde niemand handgreiflich, denn man hing im Allgemeinen zu tief über seinem Bierkrug.

Freako schritt also leichtfüßig und lächelnd zum Tresen, wo ihn der Wirt unfreundlich unter seinen buschigen, schwarzen Augenbrauen beäugte. Einen Moment lang wartete er vergeblich auf einen Gruß, dann zuckte er abermals- diesmal aber nur innerlich- die Schultern und sprach:

"Seid mir gegrüßt, werter Herr. Mein Name ist Freako, und ich bin ein weitgereister Barde, der eine Unterkunft und eine Gelegenheit sucht, sein Spiel an die Ohren der Leute zu bringen. Ich frage mich, ob Ihr..."

Weiter kam er nicht, denn der Wirt unterbrach ihn unwirsch: "Quatsch mir kein Ohr ab, Bursche- entweder du trinkst jetzt was oder du verschwindest hier. Deine geblümten Worte heb dir für jemand anders auf."

Etwas perplex starrte Freako den Wirt an, bevor er seine Fassung wiederfand und sich zu einem neuerlichen Lächeln durchrang.

"Ja.. ja natürlich, werter Herr." stammelte er. "Ich kann Euch gut verstehen. Ich möchte dann also..."

"Willst du jetzt was trinken oder nicht?" polterte der Wirt.

Freako schluckte einmal und sagte dann: "Nein, danke. Nur ein Zimmer für die Nacht."

"Vier Kupfermünzen!" schnauzte es, und der Elf hatte es eilig seine Geldbörse hervorzukramen und dem Wirt das Gewünschte auszuhändigen. Dieser nickte und wollte sich schon umwenden, als Freako ihn noch einmal vorsichtig zurückhielt:

"Würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich hier..."

"Ist mir egal, was du machst, Bursche, Hauptsache du machst keinen Ärger und stielst mir nicht meine Zeit!"

Ein ignoranter, grober Kerl, dachte Freako- so etwas hatte er noch nicht erlebt. Vielleicht hatte er einen schlechten Tag gehabt. Nun, er selbst würde sich die Laune jedenfalls nicht verderben lassen. Er ließ den Blick durch den kleinen Schankraum schweifen und erblickte eine kleine, freie Ecke auf der gegenüberliegenden Seite. Mit schnellen Schritten gelangte er dorthin und legte sein Bündel beiseite. Mit geübter Hand ergriff er seine Harfe und stimmte sie ein; währenddessen wandten sich immer mehr Blicke ihm zu.

So fühlte er sich schon eher in seinem Element, auch wenn die Aufmerksamkeit die man ihm schenkte nicht unbedingt positiver Natur zu sein schien; er spielte einen letzten Akkord und hub dann an zu sprechen.

"Meine lieben Freunde, ich grüße Euch! Ein wunderbarer Tag ist zu Ende, voll von schweißtreibender, gesunder Arbeit. Doch eine gemütliche Nacht beginnt nun, in der Ihr Eure wohlverdiente Ruhe genießen wollt. Ich störe Euch nun in dieser Ruhe, doch nicht umsonst: Lasst mich an diesem Abend Euer Spielmann sein und eure Ohren mit süßen Klängen und aufregenden Geschichten erfreuen. Ihr werdet es nicht bereuen!"

Im Raum war es vollkommen still geworden; man musterte den aufdringlichen Elfen mit undeutbarem Blick; doch da ihn niemand unterbrach, begann Freako ein Lied auf seiner Harfe zu spielen, zu dem er nun sein neuestes Stück singen wollte, das er sich auf dem Weg hierher ausgedacht hatte.

"Im schönen grünen Eichenland,
voll braver Leute mit starker Hand,
erfüllt von Fleiß und Tugend gewiss:
ihr wisst, wovon die Rede ist."

Die Dörfler schwiegen noch immer, doch der eine oder andere sah nun weniger düster drein. Vielleicht war dieser Fremde doch recht unterhaltsam. Freako schöpfte dadurch neuen Mut und fuhr selbstsicher fort:

"Es könnte hier nicht schöner sein:
es wächst das Korn, gedeiht der Wein
so reich der Ertrag der Ernte war:
in diesem wie in jenem Jahr."

Er fügte ein mehr oder weniger kunstvolles Zwischenspiel auf der Harfe hinzu, und gerade begannen ein oder zwei der Männer zustimmend zu nicken und ihm zuzuprosten, als das Unheil seinen Lauf nahm.

"Über das grüne Eichenland
herrscht nun ein Fürst mit gütiger Hand."

Die Minen der Zuhörer erstarrten. Die erhobenen Bierkrüge verharrten reglos in der Luft, doch Freako war vertieft in sein Spiel und nahm keine Notiz davon.

"Ein wackerer Mann ohne Fehl und Tadel:
Man sieht's ihm an, er ist von Adel.
Die Steuern sind niedrig, der Feste sind viel-
der glückliche Untertan ist ihm das Ziel."

Die Bierkrüge knallten auf die Tische, so dass der Schaum verspritzte, und einige wütende Rufe wurden laut. Freako begriff nicht, was geschah; Er schien etwas falsch zu machen. Er improvisierte und fügte eine neu gedichtete Zeile hinzu:

"Vor allem die Bürger vom Lande er liebt,
und zeigt dies indem er sich freigiebig gibt:
Belohnt ihren Fleiß, ihre Arbeit und Schweiß
und zahlt für ihre Früchte ein' lohnenden Preis."

Stühle stürzten um, als sich mehrere der Dörfler sprunghaft erhoben. Freako musste den Kopf einziehen, als ein Bierkrug auf ihn geschleudert wurde; dieser verfehlte ihn knapp und zerschellte an der Wand hinter ihm, so dass seine Kleidung von dem übelriechenden Gebräu benetzt wurde.

"Aber aber, meine Freunde- was ist denn in Euch gefahren? Gefällt Euch mein Spiel denn nicht?"

Doch niemand hörte ihm zu. Gleich vier oder fünf der Männer stürzten sich auf ihn und rissen ihn mit sich zu Boden. Eine Reihe harter Schläge traf ihn, und er verlor seine Harfe. Immer mehr Männer kamen hinzu, und es entstand eine regelrechte Prügelei, bei der es den Beteiligten egal zu sein schein, auf wen sie eindroschen; das letzte was Freako sah war eine geballte Faust, die ihn Sekundenbruchteile später hart ins Gesicht traf und sein Bewusstsein auslöschte.

Als er erwachte spürte er einen kühlen Luftzug und einen Augenblick später einen schrecklichen Schmerz, der an jeder Stelle seines Körpers gleichzeitig zu wüten begann. Er versuchte die Augen zu öffnen, doch es gelang ihm nur mit einem; das andere war so dick zugeschwollen dass er nichts dadurch sehen konnte. Er tastete um sich und bemerkte, dass er auf staubigen Boden lag. Seine Harfe war verbeult und lag zusammen mit seinem Gepäck neben ihm.
Benommen richtete er sich auf und sog die Luft ein vor Schmerz. Als er sicher war sicheren Stand zu haben und nicht sofort wieder umzukippen blickte er sich um. Es war Nacht, doch der Mond stand hell am Himmel; die Fenster der umliegenden Häuser waren ausnahmslos dunkel. Das Dorf lag so friedlich vor ihm dass es ihm wie blanker Hohn vorkam. Mühsam raffte er seine Habseligkeiten zusammen und lud sie sich auf die Schulter. Heute Nacht würde er wohl im Freien übernachten müssen.

Während Freako das Dorf in Richtung Thronstadt verließ dachte er bei sich, dass er das nächste Mal mit der Wahl des Stücks etwas vorsichtiger sein sollte.
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Re: Wer Wind sät wird Sturm ernten...

Liest sich sehr gut. Nette Begebenheit... ;)
 
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