Rezension Warcraft Legends 4 [B!-Rezi]

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11. Juni 2007
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Warcraft Legends Band 4


Auch Band vier der Warcraft Legends-Reihe enthält wieder vier Kurzgeschichten aus dem (World of) Warcraft-Universum, wobei diesmal aber nur zwei Geschichten wirklich für sich alleine stehen. Bei den beiden anderen handelt es sich um das letzte bzw. erste Kapitel mehrteiliger Stories.

Schicksal
von Richard A. Knaak und Jae-Hwan Kim
Im letzten Kapitel der Saga um den untoten Tauren Trag tritt dieser endlich dem Lichkönig gegenüber, dessen Einflüsterungen schon seit geraumer Zeit versuchen, Trag auf seine Seite zu ziehen. Während Trag sich mit aller Willenskraft gegen den Einfluss des Lichkönigs wehrt, zieht eine kleine Gruppe von Taunka unter Führung von Trags Freund Akiak (s. Feind in Band 3) los, um dem Tauren zur Seite zu stehen…

Blutsegelbukanier
von Dan Jolley und Fernando Heinz Furukawa
Auf einem Angelausflug werden drei Jungen von den berüchtigten Blutsegelbukanieren entführt und zum Dienst auf deren Schiff gepresst. Dort müssen Jimmy, Liam und Bram nicht nur hart arbeiten, sie werden auch dazu gezwungen, sich an den Überfällen der Bukaniere zu beteiligen und an deren Seite zu kämpfen. Nach erstem Widerstand beginnen zumindest Liam und Bram, sich langsam mit ihrem Schicksal abzufinden. Aber als die Defias, die Erzfeinde der Blutsegelbukaniere, Jimmys Eltern als Geiseln nehmen, ändert das alles…

Blut ist dicker
von Tim Beedle und Ryo Kawakami
Silas Dunkelmonds Jahrmarkt hat sich im umkämpften Azeroth eine neutrale Stellung bewahrt und kann deshalb sowohl frei durch die Länder der Allianz als auch durch die der Horde ziehen. Die Mitglieder des Jahrmarkts sind Ausgestoßene beider Parteien, die hier ein neues Zuhause finden. Als der Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns getötet wird, fällt der Verdacht auf Kerri, die als „starke Frau“ beim Jahrmarkt arbeitet und kurz vor dem Tod des Ermordeten einen heftigen Streit mit diesem hatte. Kerri beteuert zwar ihre Unschuld, aber die belastenden Beweise sind erdrückend. Gut für Kerri, dass sich die Gemeinschaft der Jahrmarktsleute als Familie versteht – und eine Familie hält nunmal zusammen…

Kriegerin durch und durch – Teil 1
von Christie Golden und In-Bae Kim
In einer Zeit lange bevor die Orcs eine Allianz mit den Dämonen eingingen, als sie sich das Land noch mit den Draenei friedlich teilten, wird in dem Orcstamm der Frostwölfe das Mädchen Draka geboren. Dass Draka schwach und kränklich ist, ist eine große Schande für ihre Eltern. Nur die Schamanin Kashur sieht großes Patenzial in Draka. Sie ist es auch, die dem Mädchen vorschlägt, die Ehre ihrer Familie wiederherzustellen, indem sie drei gefährliche Tiere tötet. Eine Mission, für die Draka so gar nicht geeignet erscheint…

Warcraft Legends 4 bestätigt den Eindruck der bisherigen Bände, dass man nämlich bei einer Sammlung mit Kurzgeschichten verschiedener Kreativer vorher nie so genau weiß was man kriegt.

Schicksal ist, ehrlich gesagt, eine ziemliche Enttäuschung. In den ersten drei Bänden wurde nun die Spannung aufgebaut, wie die lang erwartete Konfrontation zwischen Trag und dem Lichkönig aussehen würde und dann geht es alles sehr schnell, unspektakulär und ist vorbei bevor man es sich versieht. Es war ja zu erwarten, dass die Figur des Lichkönigs keine erheblichen Veränderungen erfährt – immerhin wird der ja für das World of Warcraft MMORPG noch gebraucht. Aber zumindest bei Trag hätte diese epische Konfrontation ruhig einen bleibenderen Eindruck hinterlassen können. Man fragt sich, ob man denn nun wirklich vier Bände lang diese Geschichte verfolgt hat nur um ein so unspektakuläres Finale mitzuerleben. Da erscheint der Titel dieser Geschichte fast schon als Hohn. Warum man den Höhepunkt nicht noch etwas ausgedehnt und die Geschichte auch noch in den letzten Band der Reihe erstreckt hat, das wissen nur die Götter Azeroths.
Blutsegelbukanier nimmt sich die Zeit, seine jungen Hauptfiguren langsam einzuführen, und das ist auch wichtig, um deren Veränderungen im weiteren Verlauf der Geschichte nachvollziehen zu können. Dem Leser wird so ein interessanter Einblick in das alltägliche Leben einer der gefährlichsten Piratenbanden Azeroths verschafft. Auch wird durchaus nachvollziehbar geschildert, wie eine so berüchtigte Gruppe wie die Blutsegelbukaniere sich ihren eigenen Nachwuchs heranzieht. Es ist nämlich nicht einfach so, dass sich nur „böse“ Wesen dazu entschließen, ihnen beizutreten. Vielmehr wird ganz „normalen“ Jugendlichen wie den drei Hauptfiguren durch Angst, Gewalt und indem sie nach außen als vollwertige Mitglieder der Piraten dargestellt und so geächtet werden, gar keine andere Wahl gelassen als bei den Piraten zu verbleiben. Der Höhepunkt der Geschichte und das Happy-End wirken zwar etwas aufgesetzt und die Zeichnungen sind auch eher mau, insgesamt aber ein akzeptabler Beitrag.
Angesichts des epischen Konflikts zwischen Horde und Allianz fragt man sich, ob es denn in Azeroth gar keine neutrale Fraktion gibt. Blut ist dicker beantwortet diese Frage und bringt mit dem Dunkelmond-Jahrmarkt eine Gruppe, deren Mitglieder peinlich darauf bedacht sind, sich ihre Neutralität zu bewahren und es sich mit keiner der beiden Seiten zu verderben. Dabei kommt die Story um die Suche nach dem wahren Mörder und die Entlastung der (offensichtlich) unschuldigen Kerri anfänglich daher wie eine klassische Columbo-Folge. Spuren werden gesucht und Zeugen befragt. Erst als dieser Weg in eine Sackgasse zu führen schient, besinnt sich die „Jahrmarktsfamilie“ auf ihre – originellen – Fähigkeiten, um eine der ihren aus dem Gefängnis zu befreien. Die Geschichte ist zwischendurch etwas langatmig und ein bisschen zu sehr darauf bedacht, Kerri als plausible Verdächtige darzustellen und krankt außerdem etwas an den karikaturesken Zeichnungen Kawakamis, dessen überzogenes Charakterdesign so wirkt als sei er eher bei One Piece zuhause als bei Warcraft. Andererseits verfügt die Geschichte auch über einen sehr schönen düsteren Twist am Ende, der die etwas überlange Wartezeit hierauf vergessen lässt und – anders als viele andere ach so originelle Twists – wirklich einmal überrascht.
Kriegerin durch und durch befasst sich – wie auch die anderen drei Geschichten des Bandes – mit Außenseitern in der stark von Gruppendynamik geprägten Welt von Warcraft. Hier geht es um das Orcmädchen Draka, der genau das fehlt, was einem Orc bei den seinen Anerkennung verschafft: Stärke. Sehr deutlich und nachvollziehbar wird geschildert wie Drakas körperliche Schwäche dazu führt, dass ihre ganze Familie an Ansehen und Stellung im Stamm verliert. Das macht Drakas späteren Entschluss, eine lebensgefährliche Queste auf sich zu nehmen, um den Namen ihrer Familie wieder reinzuwaschen, umso glaubhafter. Auch wenn die Geschichte hier noch kein Ende findet, ist doch zu erwarten, dass auch diese „Coming of Age“-Story so laufen wird wie man es aus dutzenden Jugendbüchern (und nicht erst seit Harry Potter) kennt: Der Außenseiter erweist sich als überraschend mächtig und beeindruckt diejenigen, die ihn ursprünglich für schwach gehalten haben, mit seinem Können. Aber ich lasse mich auch gerne von einer anderen Wendung überraschen, insbesondere da die schönen Texte und realistischen Dialoge Christie Goldens und die harmonischen Zeichnungen In-Bae Kims das Lesen angenehm gestalten.

Warcraft Legends 4 kann das Niveau des hervorragenden Vorgängers leider nicht halten und bewegt sich – wie auch die anderen Bände der Reihe – eher auf durchschnittlichem Niveau. Eine Sammlung von Kurzgeschichten, die einem die Langeweile auf einer Zugfahrt, im Freibad oder an einem verregneten Nachmittag angenehm vertreibt, die aber nicht wirklich länger im Gedächtnis bleibt.

Nutzen für Rollenspieler: Gering
Die Geschichten dieses Bandes sind alle von vorneherein so sehr auf ihre jeweiligen Hauptfiguren zugeschnitten und auf das jeweilige Ende hin ausgerichtet, dass es sehr schwer sein dürfte, sie in Abenteuer für die eigene Rollenspielgruppe umzuwandeln. Andererseits vermitteln alle Geschichten (bis auf Schicksal) Hintergrundwissen über interessante (und rollenspieltechnisch gut verwertbare) Gruppen: die Blutsegelbukaniere, Silas Dunkelmonds Jahrmarkt der Ausgestoßenen und die Orcstämme vor dem „Fall“. Also insgesamt eher ein Quellenbuch als eine Abenteuervorlage.Den Artikel im Blog lesen
 
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