Rezension Warcraft Legends 2 [B!-Rezi]

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11. Juni 2007
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Warcraft Legends Band 2


Auch im zweiten Band der Warcraft Legends-Reihe wird Azeroth, die Welt der (World of) Warcraft-Spiele in vier kurzen Geschichten vorgestellt. Dies sind im Einzelnen:

Furcht
von Richard A. Knaak und Jae-Hwan Kim
Der Versuch seiner Stammesbrüder, den untoten Tauren Trag auszulöschen (in Der Gefallene in Band 1), ist fehlgeschlagen und so wandert dieser nun quer durch Azeroth. Dabei hört er ständig die Stimme des Lich-Königs, die seine Mordlust verstärkt und ihn zum Bösen verführen will. Da trifft Trag auf den Ork-Schamanen Thrall, dessen Geschichte Parallelen zu der Trags aufweist…

Gespaltene Kriegerin
Von Grace Randolph und Erie
Das Menschenmädchen Lieren wächst bei den Wildhammer-Zwergen auf. Obwohl die Zwerge – allen voran ihr Stiefvater Kardan – Lieren sehr gut behandeln, fühlt sie sich einsam und als Außenseiterin. Als sie eines Tages heimlich Kardan zu einer Hochelfen-Siedlung folgt, erfährt sie, dass sie eine Zwillingsschwester namens Loania hat. Diese ist bei der Elfin Voldana, einer alten Kampfgefährtin Kardans, aufgewachsen. Nachdem Voldana und Kardan die Mädchen über ihre – tragische – Herkunft informiert haben, beschließen diese, nach ihren Wurzeln zu suchen. Aber die führen in das von Untoten besetzte Dämmerwald…

Sag Niemiles Nie
Von Dan Jolley und Elisa Kwon
Von ihrer Stammesältesten erhält die junge Tauren-Schamanin Kova den Auftrag, ihre Heimat zu verlassen und sich auf die Suche nach einer Seherin zu begeben. Unterwegs verbündet sie sich – einer Prophezeiung folgend – mit dem Gnom Miles Kernkrümmer. Auf ihrem Weg, der sie schließlich sogar in eine „Vergessene Welt“ führt, muss das ungleiche Paar zahlreiche Gefahren überstehen…

Familienbande
Von Aaron Sparrow und In-Bae Kim
Der Ork-Häuptling Jarrg ist gerne dem Beispiel zahlloser anderer Orks gefolgt, hat das Blut der Dämonen getrunken und sich so dem Bösen zugewandt. Sein Bruder, der Schamane Jaruk, ist diesen Schritt nicht gegangen und kann deshalb Jarrgs Begeisterung für das Niedermetzeln unschuldiger Draenei nicht nachvollziehen. Andererseits fühlt sich Jaruk immer noch seinem Stamm zugehörig und ist frustriert darüber, dass seine schamanistische Verbindung zu den Elementen nicht mehr besteht. Deshalb folgt er Jarrg auf dessen Kriegszügen. Als Jaruk aber eines Tages ein kleines Draenei-Mädchen vor seinem Bruder rettet, eskaliert der schon lange schwelende Streit zwischen den beiden und aus den Brüdern werden Todfeinde…

Die zweite Sammlung von Warcraft-Kurzgeschichten kann leider nicht einmal das – auch schon eher durchschnittliche – Niveau des Auftaktbandes halten. Wenngleich man natürlich hier auch wieder neue Facetten der Welt Azeroth aufgezeigt bekommt, stellt sich doch die Frage, ob das den Leser auch wirklich interessiert.

Furcht setzt direkt dort ein, wo die Geschichte Der Gefallene aus dem ersten Band der Serie aufhörte. Die Handlung wird mit einem kurzen Prosa-Text eingeleitet, der über die Charaktere und bisherigen Geschehnisse informiert. Sehr schön, aber vor dem ersten Teil wäre das auch schon hilfreich gewesen. Leider besteht dieses Kapitel der Geschichte des Lebens (oder besser Untodes) des Tauren Trag vor allem darin, dass der Ork Thrall Trag seine Lebensgeschichte erzählt. Nun ist Thrall zwar eine der zentralen Figuren sowohl der Warcraft-Strategiespiele als auch des Online-Rolenspieles und auch Hauptcharakter in einigen Romanen und hat durchaus so einiges erlebt, das sich zu hören lohnt. Leider ist das Kapitel seiner frühen Geschichte, von dem Thrall Trag berichtet, wenig interessant. Furcht ist so leider wenig mehr als die Schilderung eines Gespräches zweier alternder Männer mit pseudo-tiefschürfenden Dialogen. Etwas mehr Handlung hätte hier gut getan, allerdings ist Trags Geschichte mit Furcht noch lange nicht zu Ende und jeder Mehrteiler hat ja zwischendrin zumindest einen Durchhänger. Dazu sind die umfangreichen Texte aufgrund der kleinen Schriftgröße recht schwer zu lesen, vor allem Trags Off-Erzähler-Texte, da diese zusätzlich noch in schwarz auf grauem Hintergrund gedruckt sind. Aber vielleicht werde ich auch nur alt und brauche langsam eine Brille. Immerhin sind die detaillierten Zeichnungen Jae-Hwan Kims das optische Highlight dieses Bandes. Allerdings ist Furcht auch die mit Abstand kürzeste Geschichte in diesem Band.
Zwillinge die bei der Geburt getrennt wurden. Zwei ungleiche Schwestern, die dann doch zueinander finden. Die Suche nach der eigenen Vergangenheit, die mit Gefahren verbunden ist. Gespaltene Kriegerin ist vollgepackt mit klassischen literarischen Klischees. Leider schafft die Geschichte nicht, der abgedroschenen Story neue Seiten abzugewinnen und plätschert so vor sich hin. Auch sind die Figuren viel zu oberflächlich gezeichnet, um wirklich interessant zu werden. So tauchen die Unterschiede zwischen der zwergisch-aufbrausenden Lieren und der elfisch-ruhigen Loania nur ganz am Rande auf. Und dass die so gegensätzlichen Kardan und Voldana so harmonisch zusammenarbeiten, ist auch etwas schwer nachvollziehbar. Dazu wird die Geschichte auch viel zu schnell erzählt und lässt den Zwillingen – deren beider Leben ja hier eine gravierende Veränderung erfährt – gar keine Zeit für die Entwicklung. Dieser Geschichte hätte es sicher gut getan, wenn sie epischer angelegt gewesen wäre und man ihr zumindest einen ganzen Band gewidmet hätte. Dann aber bitte ohne die Zeichnungen von „Erie“, die mich nämlich unheimlich an die alten und schlecht gemachten Biene Maja- oder Captain Future-Comics erinnern. Lediglich die Paneleinteilung ist hier nett gemacht, da in ruhigen Szenen „ordentliche“ rechteckige Muster verwendet werden, in den Actionszenen aber – wahrscheinlich als Parallele zur modernen Handkamera – dynamischere Bildfolgen und Perspektiven.
Sag Niemiles Nie wollte ich – trotz des unerträglichen Wortspiels im Titel – mögen. Eine heitere Geschichte um zwei skurrile Figuren auf einer Suche, die eigentlich für beide eine Nummer zu groß ist. Daraus hätte man eine originelle oder zumindest wirklich witzige Geschichte machen können, was Dan Jolley aber leider versäumt. Es gibt zwar einige nette Gags (Miles‘ mechanisches Reithuhn oder Kovas Angewohnheit, ihr Essen wiederzukäuen), aber insgesamt plätschert die Geschichte einfach so vor sich hin, die Streitereien zwischen den Hauptfiguren sind nicht nachvollziehbar, gehen aber auch über freundschaftliches Gezerge hinaus. Vor allem aber der nervige Miles, der sich meist einfach nur blöd verhält ohne dass es dafür einen nachvollziehbaren Grund gibt, ist ärgerlich. Da versöhnt auch die nette Schlusspointe nicht wirklich.
Die epische Fehde der beiden Orkbrüder in Familienbande leidet daran, dass eigentlich keiner der beiden einen nachvollziehbaren Grund dafür hat, dem anderen den Tod zu wünschen. Gut, Jarrg ist darüber enttäuscht, dass Jaruk sich der neuen Lebensart der Orks nicht anschließen will und Jaruk ist darüber frustriert, dass sich die Orks dem Bösen zugewandt haben. Trotzdem nimmt Jaruk aber zunächst an ihren Kriegszügen teil und entscheidet sich dann plötzlich dafür, sich doch gegen sie zu stellen. Ist doch immer wieder interessant zu sehen, wie sehr die Bedrohung eines niedlichen kleinen Kindes einen ausgewachsenen Mann/Ork verändern kann. Jedenfalls in Fantasy-Geschichten. Hinzu kommen mehrere Zeitsprünge, die kaum merklich vollzogen werden und im Ergebnis deutlich machen, dass Jarrg seinen Bruder über Jahre (!) hinweg fanatisch verfolgt, weil dieser ihm ein (!) Opfer entrissen hat. Dafür sind immerhin die Gefahren in den wilden Länders Draenors nett dargestellt und die Geschichte ist überraschend blutig und endet doch anders als man es erwartet hätte. Dafür immerhin ein paar Pünktchen.

Insgesamt ist zu sagen, dass Warcraft Legends 2 zwar einige Facetten des Hintergrundes von Azeroth beleuchtet, die Geschichten allerdings nicht gerade dazu einladen, sich intensiver damit zu beschäftigen. Sie sind alle wenig originell und (bis auf Furcht) auch schlecht gezeichnet. Klassischer „Lizenz-Schrott“ eben, den auch ein beinharter Warcraft-Fan nicht unbedingt gelesen haben muss.
Gerade die Stories in diesem Band leiden darunter, dass sie eigentlich Fantasy-typische epische Geschichten erzählen wollen, dafür aber nur viel zu wenige Seiten zur Verfügung haben. In der Starcraft Frontline-Reihe ist es deutlich besser gelungen, kleine Ereignisse und persönliche Schicksale zur Illustration des Universums heranzuziehen. Aber im Fantasy-Bereich will wahrscheinlich jeder Autor ein zweiter Tolkien sein und stets von der ganz großen Suche berichten – das ist nämlich das Thema, das alle vier Geschichten dieses Bandes teilen.
Ach, und die attraktive vollbusige Nachtelfe vom Cover taucht natürlich in dem ganzen Buch nicht auf.
Naja, die Starcraft Frontline-Reihe hat immerhin gezeigt, dass ein schlechter Band einer Reihe nicht heißen muss, dass die weiteren Bände das Niveau nicht noch steigern können. Den hier braucht aber wirklich niemand.

Nutzen für Rollenspieler: Gering
Wer plant, eine Kampagne in Azeroth anzusiedeln – sei es durch Verwendung der offiiziellen World of Warcraft-Rollenspiele oder eine eigene Adaption – der bekommt in diesem Band zumindest einige Hintergrundinformationen, die sich verwerten lassen. Vor allem Familienbande zeigt die Gefahren, die eine Reise durch die Wildnis bietet (insbesondere die dort lebenden wilden Tiere) ganz anschaulich. Daraus lassen sich bestimmt einige interessante Begegnungen entwickeln. Dazu liefern sowohl Familienbande als auch Furcht Hintergrundinformationen über die Orks, insbesondere über deren Bund mit den Dämonen und das Verhältnis von Ork-Häuptlingen und Schamanen. Sag Niemiles Nie führt sogar das beliebte Konzept einer „Vergessenen Welt“ – natürlich inklusive Dinosauriern – in das Warcraft-Universum ein. Eine Umwandlung der Geschichten in Abenteuer dürfte aber eher schwer sein, da sie alle sehr eng mit den Hintergründen der Hauptfiguren verbunden sind.Den Artikel im Blog lesen
 
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