Brainstorming Würfelsysteme

Chrisael

Gott
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Ich hätte da mal eine allgemeine Frage und zwar was für Würfelsysteme gibt es bisher in Rollenspielen?

Es gibt Systeme bei denen man mit einen oder mehreren Würfeln unter einen Wert kommen muss.
Welche bei denen man mit einem oder mehreren Würfeln auf einen Wert drauf würfeln muss.

Es gibt Poolsysteme bei denen man eine begrenzte oder unbegrenzte Anzahl an Würfeln, gleicher Art, in den Händen hält und alle Würfel gewertet werden die einen gewissen Mindestwurf geschafft und/oder übertroffen haben.

Es gibt Systeme wie Eahrtdawn wo man verschiedene Arten von Würfeln in der Hand hält und so hoch würfeln sollte wies möglich ist.

Was für Möglichkeiten gibt es noch und welche interessanten Varianten gibt es?

vielen dank und lg
 
Hat eigentlich irgendjemand schon mal eine systematische Analyse von Würfelprozeduren gemacht, die deren Vor- und Nachteile aufzeigte?

Aus dem Hut mal eine Liste möglicher Vorteile:

1. einfach
Bezieht sich auf Erlernbarkeit und nötige geistige Anstrengung bei der Anwendug

2. schnell
Mit "einfach" verwandt, aber hier geht es einfach nur darum, dass die Prozedur an sich schnell geht

3. anschaulich
Anschaulichkeit ist zum Beispiel gegeben, wenn man bei höheren Werten mehr oder größere Würfel (W12 statt W8 meine ich, nicht einfach nur voluminösere Würfel!) verwendet

4. taktisch interessant
Falls eine Würfelprozedur selbst dem Spieler taktische Möglichkeiten eröffnet (zum Beispiel, wenn sie einem erlaubt, den Wurf eines einzelnen Würfels zu wiederholen, man dann jedoch dessen neues Ergebnis akzeptieren muss, oder wenn man Punkte aus einem Pool auf erwürfelt Ergebnisse verteilen darf)

5. intuitiv
Wenn der Bezug zwischen Prozedur/Ergebnis und Spielgeschehen unmittelbar einleuchtet, ohne dass man sich mit den Regeln bereits auskennen muss

6. flexibel
Wenn Prozeduren einfach sinnvoll für spezielle Situationen oder nach Gruppenvorlieben modifiziert werden können, sowohl fundamental als auch bei gelegentlicher Improvisation

7. skalierbar
Wenn die selbe Prozedur auch in sehr unterschiedlichen Wertebereichen anwendbar ist.

8. annähernd normalverteilt
Die Ergebnisse liegen auf einer Kurve mit einem Maximum in der Mitte, anstatt ein Spektrum gleichmäßig abzudecken wie ein simpler Würfelwurf

9. brauchbare Ergebnisspanne
Zu wenige mögliche Ergebnisse (Münzwurf) schränken die Leistungsfähigkeit ein, zu viele erhöhen unnötig die Komplexität

10. aussagekräftige Ergebnisspanne
Erhält man nur "ja" oder "nein" oder genauere Informationen?

Mal rasch für eine sehr häufig benutzte, simple Prozedur durchgegangen: Man würfelt mit 1W100 und vergleicht das Ergebnis mit einem Fähigkeitswert, auf den man nach Einschätzung des SL je nach Situation einen Bonus oder Malus erhalten hat. Drunter oder gleich ist "geschafft". Das sieht dann so aus:

1. einfach - ja, einen Bonus oder Malus zu einer zweistelligen Zahl addieren und diese dann mit einer erwürfelten Zahl zwischen 1 und 100 zu vergleichen, sollte jeder Grundschüler hinkriegen.

2. schnell - ja, ein Wurf mit zwei Würfeln, und man erhält unmittelbar das Ergebnis. Schneller geht's kaum.

3. anschaulich - nein, ob man einen sehr schwachen oder einen sehr starken Wert hat, macht in der Anwendung der Prozedur keinen Unterschied.

4. taktisch interessant - nein, der Spieler hat keinen Einfluss auf den Wurf.

5. intuitiv - geht so: Zumindest das Ergebnis leuchtet sofort ein (geschafft oder nicht geschafft), aber der Zusammenhang zwischen Werten und Modifikatoren und tatsächlichen Erfolgswahrscheinlichkeiten ist nicht ganz trivial (+10 bedeutet eben bei einem Wert von 05 etwas ganz anderes als bei einem Wert von 45), wenn auch Prozentwahrscheinlichkeiten vergleichsweise vertraut sind.

6. flexibel - ja, da der SL in jeder Situation nach seiner Gesamteinschätzung einen simplen Modifikator vergeben kann.

7. skalierbar - nein: Werte unter 0 (oder auch nur nahe 0) und über (oder nahe) 100 ergeben im Kontext des Systems keinen Sinn, und der Unterschied zwischen 10 und 20 ist nicht der gleiche wie zwischen 80 und 90 (einer erhöht die Erfolgschance um den Faktor 2, einer lediglich um den Faktor 1,25).

8. annähernd normalverteilt - nein, die Ergebnisse sind linear verteilt.

9. brauchbar Ergebnisspanne - ja, sogar mehr als notwendig (das gleiche System mit 1W20 statt 1W100 und entsprechend angepassten Fähigkeitswerten böte vermutlich bereits genügend Genauigkeit, aber Prozentwerte sind anschaulicher, und Werte auf dieser Skala lassen sich öfter um geringe Beträge steigern, falls man Wert darauf legt).

10. aussagekräftige Ergebnisspane - nein, man erhält nur "ja" oder "nein", aber keine Informationen über beeindruckend gute oder katastrophal schwache Ergebniss.
 
Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil, und wenn ja, warum?
Das ist ein Vorteil, weil man dann Ergebnisse linear interpretieren und Ergebnisskalen verschieben kann. Der Grundgedanke ist, dass die Ergebnisse von Aktionen typischerweise normalverteilt sind - meistens passiert das Erwartete, manchmal jedoch etwas besonders Günstiges oder Ungünstiges, wobei das Erwartete von der Ausgangssituation (insbesondere auch der Kompetenz des Handelnden) abhängig ist.

Wenn man nun vernünftigerweise fordert, dass erwartete Ergebnisse bei einer Würfelprozedur häufiger eintreffen als weniger erwartbare, dann muss man diese nichtlineare Verteilung entweder aus der Würfelprozedur selbst erhalten oder bei der Intepretation des Ergebnisses anwenden.

Beispiel 1: 1W20

Sagen wir, wir wünschen uns folgende möglichen Ergebnisse: Katastrophal, gründlich gescheitert, knapp gescheitert, knapp geschafft, deutlich geschafft und hervorragend geschafft. Dann können wir zum Beispiel folgende Ergebnisskala definieren:

1: Katastrophal (5%)
2-4: Gründlich gescheitert (15%)
5-10: Knapp gescheitert (30%)
11-16: Knapp geschafft (30%)
17-19: Deutlich geschafft (15%)
20: Hervorragend geschafft (5%)

Hier hat man dann eine akzeptable Ergebnisverteilung, jedoch etwas schwierig zu merkende Ergebnisgrenzen. Vor allem aber lässt sich diese Skala nicht verschieben, da die Ergebnisklassen ja unterschiedlich breit sind.

Beispiel 2: 1W10-1W10 (das ist das Gleiche wie 2W10 -11, also 2W10 mit Null statt Elf als Mittelpunkt der Verteilung)

Durch die Addition (Subtraktion) zweier Würfelergebnisse sind die mittleren Gesamtergebnisse von allein am häufigsten, und mit zunehmender Extremität nach oben und unten werden sie unwahrscheinlicher. Jetzt definieren wir unsere Ergebnisskala so:

(-9)-(-7): Katastrophal (6%)
(-6) - (-4): Gründlich gescheitert (15%)
(-3)-(-1): Knapp gescheitert (24%)
0-2: Knapp geschafft (27%)
3-5: Deutlich geschafft (18%)
6-8: Hervorragend geschafft (9%)
9 (bis 11, falls man Modifikatoren hat): Sensationell geschafft (1%)

Leider sind die Wahrscheinlichkeiten nicht symmetrisch (dazu müsste man eine ungerade Anzahl Würfel addieren, damit der Erwartungswert kein mögliches Ergebnis ist, aber andererseits ist das auch nicht notwendig, sondern lediglich eine ästhetische Frage). Die Ergebnisklassen sind gleich groß, und somit ist auch ein Verschieben der Skala problemlos möglich, und die Ergebnisgrenzen liegen jeweils im Abstand von 3, was sich leicht merken lässt. (Ich würde statt 3 eher 5 benutzen, aber es ging mir hier um ein Beispiel, welches zu dem mit dem W20 passt.)

Nachtrag: Ach so, was beim "Verschieben" vielleicht nicht klar ist: Wenn ein Akteur etwas besser kann als ein anderer, dann muss sein erwartetes Ergebnis natürlich auch besser sein, aber dieses bessere Ergebnis muss natürlich bei ihm wiederum häufiger sein als die benachbarten - die gleiche Verteilungskurve also, nur halt nach "rechts" verschoben.
 
In diesem Fall ist es aber nur dann ein Vorteil wenn Simulationismus ein Designziel ist.

Lineare Eregbnisskalen haben nämlich auch einen Vorteil. Sie sind sehr leicht im Kopf zu berechnen. Das heist, das System gibt mir eine sehr gute Übersicht, die Kompetenz meines Charakters abzuschätzen.
 
Capes: Würfel den Würfel deiner Partei möglichst hoch. Gib Punkte aus um ihn zu teilen. Hoffe darauf, dass ihr am Ende der vorgebenen Zeit mehr habt als die Gegenseite.

Cortex+: Zähle die zwei höchsten Wx zusammen, um den Erfolg zu bestimmen, bestimme einen weiteren, um mit dessen Größe die Effizienz zu bestimmen. Der Gegner erhält für alle Einsen die Möglichkeit seine Ressourcen zu erhöhen. Gib Ressourcen aus, um weitere Würfel ins Total oder für die Effizienz zu zählen.

DitV: Lege in deinem Zug zwei deiner ausliegenden Würfel vor. Ihre Augensumme ist dein Wert. Der Gegner muss Würfel einsetzen, deren Summe mindestens genauo hoch ist. Schafft er das nicht mit zwei Würfeln, erhält er womöglich nach der Szene negative Konsequenzen. Danach ist der Andere dran. Wer nicht mehr "sehen" kann, hat verloren. Eskaliere den Konflikt, um weitere Würfel auszulegen.

Otherkind: Verteile deine Würfel auf die Kategorien Erfolg, eigene Gesundheit und die Option andere Leute nicht umbringen zu müssen.

Bacchanal: Das erkläre ich nicht aus dem Kopf. ^^
 
Hat eigentlich irgendjemand schon mal eine systematische Analyse von Würfelprozeduren gemacht, die deren Vor- und Nachteile aufzeigte?

Kann man sicherlich machen. Nur leider ist das hier alles sehr vage.


1-2, 4, 5 Einfach/Schnell/Intuitiv/Taktisch: Was schnell und einfach ist, hängt sehr vom Rest des Spiel ab. Wenn der Mechanismus das einzige ist, was man lernen muss, kann er auch komplizierter oder ungewöhnlicher sein. Wenn er in einem Spielabschnitt nur einmal abläuft, kann er länger dauern. Ein weiteres Kriterium ist, welche Informationen aus dem Wurf gewonnen werden. Sind die die komplexer, kann auch der Mechanismus komplexer sein.

3 Anschaulich: OK.

6 Flexibel: Ist egal, es sei denn du willst kein Spiel, sondern ein Proto-Spiel, einen Spielbaukasten herausgeben.

7 Skalierbar: Die Prozedur sollte eigentlich auf alle Eingangswerte anwendbar sein, die für den Mechanismus eine Rolle spielen. Das können im Übrigen auch keine sein.

8 Annährend normalverteilt: Das halte ich für ziemlich egal.

9-10 Brauchbare & aussgekräftige Ergebnisspanne: Das sind keine Qualitäten an sich. Die Frage ist, wie bereits angedeutet: Ist der Aufwand, den ich betrieben habe, gerechtfertigt, um diese Ergebnisse zu erhalten.
 
In diesem Fall ist es aber nur dann ein Vorteil wenn Simulationismus ein Designziel ist.

Lineare Eregbnisskalen haben nämlich auch einen Vorteil. Sie sind sehr leicht im Kopf zu berechnen. Das heist, das System gibt mir eine sehr gute Übersicht, die Kompetenz meines Charakters abzuschätzen.

Ich würde das nicht als Simulationismus bezeichnen. Ganz im Gegenteil berachte ich eine Ergebnisskala eher als wichtiges Werkzeug im dramaturgisch geprägten Erzählspiel!

Die gewünschte Abschätzung der Kompetenz eines Charakters steht bei mir übrigens auch ganz oben auf der Prioritätenliste und steht NICHT im Widerspruch zu einer kurvenproduzierenden Prozedur - eher im Gegenteil! Dadurch, dass der Fähigkeitswert, der zum Würfeln herangezogen wird, mit einem Erwartungswert korreliert, kann ein Spieler sogar ohne jedes Verständnis des Regelsystems die Kompetenz seiner Figur einschätzen.

Rasches Beispiel (ich nehme jetzt einmal mein eigenes System, das ich schon längere Zeit benutze): Die grundlegende Prozedur ist K +W10 - W10, wobei K die Kompetenz der Figur ist (zum Beispiel ein Fähigkeitswert). Es gibt folgende Ergebnisklassen:

<= -10: Katastrophal
(-9)-(-5): Schlecht
(-4)-(0). Schwach
1-5: Ordentlich
6-10: Gut
11-15: Hervorragend
16-20: Brillant
>= 21: Unglaublich

Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist an die zu erwartenden Ergebnisse von Akteuren mit einer gewissen Kompetenz geknüpft:

Ein (Dilettant/Lehrling) kriegt es üblicherweise schwach hin.
Ein (Erfahrener/Geselle) macht es normalerweise ordentlich.
Ein (Profi/Meister) macht es üblicherweise gut.
Von einem (Experten/Großmeister) kann man das Hervorragende als Normalfall erwarten.

(Falls das nicht klar ist: Der Erwartungswert bei einer entsprechenden Kompetenz fällt jeweils in die zugeordnete Ergebnisklasse.)

Auf diese Weise kann der Spieler also OHNE den Umweg über das Regelsystem und ohne irgendwelche Berechnungen unmittelbar ablesen, welches Ergebnis seine Figur bei einer Handlung in der Spielwelt erwarten kann! (Das war sogar mit meine Hauptmotivation bei der Entwicklung dieses Systems.)
 
Warum gehst du (a) davon aus, dass Würfeln etwas mit Kompetenz von Charakteren zu tun hat, (b) überhaupt etwas mit Charakteren zu tun hat, und man (c) daraus etwas über die Erfolgsqualität von Handlungen erfahren könnte?

OK, das kann man alles machen. Aber zunächst mal würfeln Teilnehmer an einem Tisch. Sie tun das, um Informationen über die Entwicklung der gemeinsamen Fiktion zu gewinnen. Sie können z.B. auch auf eine Zufallstabelle für Wolkenformationen würfeln.
 
Warum gehst du (a) davon aus, dass Würfeln etwas mit Kompetenz von Charakteren zu tun hat, (b) überhaupt etwas mit Charakteren zu tun hat, und man (c) daraus etwas über die Erfolgsqualität von Handlungen erfahren könnte?

OK, das kann man alles machen. Aber zunächst mal würfeln Teilnehmer an einem Tisch. Sie tun das, um Informationen über die Entwicklung der gemeinsamen Fiktion zu gewinnen. Sie können z.B. auch auf eine Zufallstabelle für Wolkenformationen würfeln.
Ich weiß nicht recht, was dieser Einwand soll. Selbstverständlich ging ich (so wie gewiss jeder andere auch) von der grundlegenden, im Spiel verwendeten Regelprozedur aus, deren Hauptaufgabe es ist, aus einer gegebenen Situation heraus und unter Einschluss eines Zufallselements die Folgen der versuchten Handlungen von Spielfiguren zu bestimmen. Dass man, wenn man möchte, auch auswürfeln kann, wie viele Frauen innerhalb einer Stunde die Toilette einer Disco benutzen - klar, aber das ist keine Regelprozedur, sondern ein simulationistischer Vorgang, und daher auch komplett unabhängig vom benutzten Regelwerk.
 
Also ich kenne eine ganze Reihe Spiele, die keinen Mechanismus beinhalten, dessen "Hauptaufgabe es ist, aus einer gegebenen Situation heraus und unter Einschluss eines Zufallselements die Folgen der versuchten Handlungen von Spielfiguren zu bestimmen". Ein paar habe ich oben schon genannt. Und bei denen wird massig gewürfelt.

Die Idee von Spieldesign sollte ja sein, neue Möglichkeiten zu erschließen. Und da ist die Basis: Spieler würfeln, um irgendwelche Ergebnisse zu erhalten. Mit dieser Grundlage lässt sich herrlich kreativ werden. Viele denken allerdings gleichsam in der Kiste. Den Innenraum dieser Kisten ein wenig zu beleuchten, ist mir eine Freude und Privileg. Deshalb sah ich mich aufgefordert, dir deine Präkonzeptionen spielerisch vorzuführen.
 
Also ich kenne eine ganze Reihe Spiele, die keinen Mechanismus beinhalten, dessen "Hauptaufgabe es ist, aus einer gegebenen Situation heraus und unter Einschluss eines Zufallselements die Folgen der versuchten Handlungen von Spielfiguren zu bestimmen". Ein paar habe ich oben schon genannt. Und bei denen wir massig gewürfelt.

Die Idee von Spieldesign sollte ja sein, neue Möglichkeiten zu erschließen. Und da ist die Basis: Spieler würfeln, um irgendwelche Ergebnisse zu erhalten. Mit dieser Grundlage lässt sich herrlich kreativ werden. Viele denken allerdings gleichsam in der Kiste. Den Innenraum dieser Kisten ein wenig zu beleuchten, ist mir eine Freude und Privileg. Deshalb sah ich mich aufgefordert, dir deine Präkonzeptionen spielerisch vorzuführen.
Ohne diesen Thread jetzt in eine Definitionendiskussion entarten zu lassen: Es gibt einen gemeinsamen Nenner dafür, was wir unter Rollenspiel oder Erzählspiel verstehen. Kniffel ist dabei außen vor, obwohl dort "Spieler würfeln, um irgendwelche Ergebnisse zu erhalten". Und auch, wenn Du jetzt weiter argumentieren kannst: DU WEISST GENAU, WAS SOWOHL DER THREAD-ERSTELLER ALS AUCH ICH MEINEN. Eröffne doch einfach einen eigenen Thread, in dem Du Experimente um der Experimente willen beschreibst!
 
Ich würde das nicht als Simulationismus bezeichnen. Ganz im Gegenteil berachte ich eine Ergebnisskala eher als wichtiges Werkzeug im dramaturgisch geprägten Erzählspiel!

Die gewünschte Abschätzung der Kompetenz eines Charakters steht bei mir übrigens auch ganz oben auf der Prioritätenliste und steht NICHT im Widerspruch zu einer kurvenproduzierenden Prozedur - eher im Gegenteil! Dadurch, dass der Fähigkeitswert, der zum Würfeln herangezogen wird, mit einem Erwartungswert korreliert, kann ein Spieler sogar ohne jedes Verständnis des Regelsystems die Kompetenz seiner Figur einschätzen.

Rasches Beispiel (ich nehme jetzt einmal mein eigenes System, das ich schon längere Zeit benutze): Die grundlegende Prozedur ist K +W10 - W10, wobei K die Kompetenz der Figur ist (zum Beispiel ein Fähigkeitswert). Es gibt folgende Ergebnisklassen:

<= -10: Katastrophal
(-9)-(-5): Schlecht
(-4)-(0). Schwach
1-5: Ordentlich
6-10: Gut
11-15: Hervorragend
16-20: Brillant
>= 21: Unglaublich

Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist an die zu erwartenden Ergebnisse von Akteuren mit einer gewissen Kompetenz geknüpft:

Ein (Dilettant/Lehrling) kriegt es üblicherweise schwach hin.
Ein (Erfahrener/Geselle) macht es normalerweise ordentlich.
Ein (Profi/Meister) macht es üblicherweise gut.
Von einem (Experten/Großmeister) kann man das Hervorragende als Normalfall erwarten.

(Falls das nicht klar ist: Der Erwartungswert bei einer entsprechenden Kompetenz fällt jeweils in die zugeordnete Ergebnisklasse.)

Auf diese Weise kann der Spieler also OHNE den Umweg über das Regelsystem und ohne irgendwelche Berechnungen unmittelbar ablesen, welches Ergebnis seine Figur bei einer Handlung in der Spielwelt erwarten kann! (Das war sogar mit meine Hauptmotivation bei der Entwicklung dieses Systems.)

Die Angabe, die das System dem Spieler direkt gibt beschränkt sich allerdings darauf:
"Jeh höher K ist, desto wahrscheinlicher schaffe ich die Probe"

Wenn die Frage jedoch lautet: Für den Sprung über die tödliche Grube brauche ich mindestens ein Ergebnis von X, bei einem Wert von K stehen meine Chanchen = ? Und wie sieht es aus, wenn mein Kumpan meinen Wurf Bufft, und mir ein K+2 Beschert, um wie viel Wahrscheinlicher ist mein Erfolg dann?

oots0004.gif


In diesem Fall ist die Berechnung die man im Kopf durchführen müsste schon recht kompliziert. Selbst bei einem System mit nur Zwei Würfeln.

Bei einem Linear Verteilten System:
K + 1W20 = P (Probenwert)
Ist P > S (Schwierigkeit) ist die Probe gelungen. Ist es viel leichter die Kompetenz des eigenen Charakters einzuschätzen.
 
@Zeromant: Ich finde es sehr spannend, dass du zu wissen meinst, was andere Leute denken. Aber ist auch egal. Was du sagst, ist weitenteils nicht direkt falsch. Es stellt nur sehr ausgewählte Spezialfälle dar. Eine deiner Aussagen muss ich allerdings beanstanden:

Dass man, wenn man möchte, auch auswürfeln kann, wie viele Frauen innerhalb einer Stunde die Toilette einer Disco benutzen - klar, aber das ist keine Regelprozedur, sondern ein simulationistischer Vorgang, und daher auch komplett unabhängig vom benutzten Regelwerk.

Das hier ist eine unzulässige Unterscheidung, wenn man nämlich dieses bedenkt: Alles was die Teilnehmer in Bezug auf das Spiel tun und woraufhin sich kein Widerspruch regt, ist zweifelsfrei Teil der Regeln, welche die Spielrunde benutzt. Man kann also wohl behaupten, dass diese Regelprozedur etwas simulieren soll, aber eine Regelprozedur ist es. Genauso wie du behaupten kannst, dass Attackewürfe irgendwas simulieren, von denen du anscheinend auch annimmst, dass sie eine Regel darstellen.
 
Die Angabe, die das System dem Spieler direkt gibt beschränkt sich allerdings darauf:
"Jeh höher K ist, desto wahrscheinlicher schaffe ich die Probe"

Wenn die Frage jedoch lautet: Für den Sprung über die tödliche Grube brauche ich mindestens ein Ergebnis von X, bei einem Wert von K stehen meine Chanchen = ? Und wie sieht es aus, wenn mein Kumpan meinen Wurf Bufft, und mir ein K+2 Beschert, um wie viel Wahrscheinlicher ist mein Erfolg dann?

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In diesem Fall ist die Berechnung die man im Kopf durchführen müsste schon recht kompliziert. Selbst bei einem System mit nur Zwei Würfeln.

Bei einem Linear Verteilten System:
K + 1W20 = P (Probenwert)
Ist P > S (Schwierigkeit) ist die Probe gelungen. Ist es viel leichter die Kompetenz des eigenen Charakters einzuschätzen.
Nein, Du denkst da schon zu sehr in Regeln. Es geht ja gerade nicht darum, Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen - das ist ja auch eine unrealistische Sichtweise! Eine reale Person denkt ja auch nicht "Hm, ich bin ein Meisterathlet, also habe ich eine 95%ige Chance diese Grube zu überspringen, aber mein Kumpel ist kein so toller Sportler, der hat nur 40% Chance!"

Eine reale Person denkt: "Hey, ich bin ein Meisterathlet, und um über diese Grube zu kommen, reicht ein mittelguter Sprung - das schaffe ich! Aber mein Kumpel, der ist nicht so sportlich, der springt wahrscheinlich ein Stück zu kurz."

Da ich erzählorientiertes Rolenspiel präferiere, will ich eben NICHT, dass meine Spieler in Wahrscheinlichkeiten denken - ich will, dass sie allein aus den Gegebenheiten der Situation heraus entscheiden, wie sie handeln. Zu diesen Gegebenheiten gehört natürlich auch ihre jeweilige Kompetenz, aber eben nicht als Zahlenwert, sondern als normalsprachlicher Begriff.

Die Angabe, die das System macht, ist also hinreichend genau (und nicht weniger aussagekräftig als eine Prozentchance):

"Ich schaffe das wahrscheinlich", wenn die geforderte Leistung den eigenen Fähigkeiten entspricht

"Ich schaffe das sehr wahrscheinlich", wenn die eigene Kompetenz eine Klasse höher liegt

"Ich schaffe das ganz bestimmt", falls sie zwei oder mehr Klassen höher liegt

"Ich schaffe das wahrscheinlich nicht", wenn sie eine Klasse niedriger liegt

"Ich schaffe das bestimmt nicht", wenn sie zwei oder mehr Klassen niedriger liegt.

Genaue Prozentchancen sind nicht nur unrealistisch, sie sind auch Augenwischerei - was hast Du denn davon, wenn Du weißt, dass Du 38% Chance hast, etwas zu schaffen? Du übersetzt das doch eh im Kopf zurück zu "Ich schaffe das vielleicht, aber wahrscheinlich nicht."

Ach ja, und Modifikatoren (zum Beispiel +2, weil einem jemand hilft) verändern natürlich einfach die effektive Kompetenz, mit der man siene Einschätzung vornimmt.
 
@Zeromant: Ich finde es sehr spannend, dass du zu wissen meinst, was andere Leute denken. Aber ist auch egal. Was du sagst, ist weitenteils nicht direkt falsch. Es stellt nur sehr ausgewählte Spezialfälle dar. Eine deiner Aussagen muss ich allerdings beanstanden:



Das hier ist eine unzulässige Unterscheidung, wenn man nämlich dieses bedenkt: Alles was die Teilnehmer in Bezug auf das Spiel tun und woraufhin sich kein Widerspruch regt, ist zweifelsfrei Teil der Regeln, welche die Spielrunde benutzt. Man kann also wohl behaupten, dass diese Regelprozedur etwas simulieren soll, aber eine Regelprozedur ist es. Genauso wie du behaupten kannst, dass Attackewürfe irgendwas simulieren, von denen du anscheinend auch annimmst, dass sie eine Regel darstellen.
Ich weiß jetzt echt nicht, ob Du Dich stur stellst... Ich sagte, sie sind UNABHÄNGIG VOM BENUTZTEN REGELWERK, nicht dass sie nicht Teil der Regeln seien! Simulationistische Würfe kann man unabhängig von den benutzten Regelprozeduren in jedem Rollenspiel anwenden - eine Zufallstabelle dafür, wie morgen das Wetter wird, funktioniert in D&D genau so wie in Warhammer, in Rolemaster oder in Runequest.

Und Du benutzt hier die Formulierung "sehr ausgewählte Spezialfälle" so wie ein Mathematiker, der einem erklärt, dass die mathematische Methode, nach der man seinen Wasserverbrauch berechnet, nur für den Spezialfall von kommutativen Gruppen funktioniert. Lass das!
 
Das Regelwerk ist aber wohl die Menge der verwendeten Regeln oder siehst du das anders? Wenn ja, bin ich gespannt zu hören, wie du den Begriff "Regelwerk" verstehen würdest.
 
Das Regelwerk ist aber wohl die Menge der verwendeten Regeln oder siehst du das anders? Wenn ja, bin ich gespannt zu hören, wie du den Begriff "Regelwerk" verstehen würdest.
Aslo, ich hätte ja nichts dagegen, wenn ein Mod aus diesem Thread hier einen neuen mit dem Titel "Definitionsdiskussionen" herauslösen würde...

Ein Regelwerk ist die Summe der für ein Rollenspiel vorgeschlagenen Regeln. Die von einer Spielgruppe tatsächlich "verwendeten" Regeln sind noch einmal etwas anderes.

In einem solchen Regelwerk gibt es Regeln, die voneinander abhängen, und solche, die unabhängig von den anderen sind. Alle Regeln, welche Figurenwerte benutzen, hängen logischerweise mit den Regeln zur quantitativen Figurenbeschreibung zusammen. Eine Regel, nach der man das Wetter des nächsten Tages bestimmt, wird in den allermeisten Fällen (wenn nicht irgendwelche magischen Rituale der Spielerfiguren Einfluss darauf nehmen oder so) vom restlichen Regelwerk unabhängig sein und könnte deswegen, wenn man (im selben oder einem vergleichbaren Setting) ein anderes Regelwerk benutzt, problemlos übernommen werden.

Ein Hinweis, dass man den Geburtsmonat einer Spielerfigur mit einem W12 ermitteln kann, ist KEINE Regelprozedur. Prozeduren leisten nämlich genau das, was ich bereits vorher geschrieben habe: Aus einer gegebenen Situation heraus und unter Einschluss eines Zufallselements die Folgen der versuchten Handlungen von Spielfiguren zu bestimmen. (Okay, das Zufallselement ist prinzipiell fakultativ, aber wir sprechen in diesem Thread ausdrücklich über Würfelprozeduren, die per Definition ein Zufallselement einbringen.) Das ist die Aufgabe von Regelprozeduren in einem Erzählspiel/"Paper&Pen"-Rollenspiel.

Neben diesen Regelprozeduren stehen simulationistische Prozeduren, die von ihnen unabhängig sind, und die versuchen, Vorgänge in der Spielwelt zu simulieren, so wie eben das Wetter, den Ausgang der Fußballweltmeisterschaft oder das Sternzeichen der jungen Frau, mit der eine männliche Spielerfigur gerade flirtet. Diese können Teil eines Regelwerks sein (wenn sie sich in der entsprechenden Produktion befinden) oder auch nicht (auf die Idee, ein Sternzeichen mit einem W12 zu ermitteln, kann nun wirklich jeder SL allein kommen).

Für die Diskussion in diesem Thread sind jedoch offensichtlich nur Regelprozeduren wichtig (siehe Eingangspost).
 
Vielen Dank für deine Antwort.

Ein Regelwerk ist die Summe der für ein Rollenspiel vorgeschlagenen Regeln.

In Ordnung. Ich stimme dir unbedingt zu, dass es einen Unterschied zwischen den Regelvorschlägen in einem Buch gibt und dem, was die Runde damit macht. Nehmen wir auch gerne an, dass wir die Regelvorschläge als Regelwerk bezeichnen wollen. Das tut dann nichts zur Sache. Demnach kann dann also der Autor in das Buch schreiben, dass für jeden Spieltag das Wetter auf folgende Weise ausgewürfelt werden möge. Sowas gibt es ja auch. Ältere D&D-Publikationen sehen z.B. vor, dass für jeweils eine gewisse Zeit eine Zufallbegegnung ermittelt werden möge.

Du schreibst aber weiter und da kommen wir auf meine ursprüngliche Frage:

Prozeduren leisten nämlich genau das, was ich bereits vorher geschrieben habe: Aus einer gegebenen Situation heraus und unter Einschluss eines Zufallselements die Folgen der versuchten Handlungen von Spielfiguren zu bestimmen.

Das ist also deine Definition. In diesem Fall ist natürlich in der Tat eine Zufallsbegnung keine solche Regelprozedur. Ich muss allerdings gestehen, dass mir diese Begriffsbildung noch nicht einleuchtet, denn sie stammt weder unmittelbar von dem Begriff der Regel noch von Prozedur. Es ist eben genau genommen eine Charakterhandlungserfolgsbewertungs-Regelprozedur, im Gegensatz zum Beispiel zu einer Zauberpatzer-Regelprozedur, einer Raumschiffspielwertbestimmungs-Regelprozedur oder einer Wie-verfällt-ein-Charakter-dem-Wahnsinn-Regelprozedur.

Ich kann dich jetzt nicht hindern, weiter an deiner Definition festzuhalten. Ich kann nur ausdrücken, dass sie nicht besonders fundiert erscheint. Das habe ich hiermit getan. Insofern bedanke ich mich, dass wir meine Frage zusammen eruieren konnten.
 
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