Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Tellurian

Ex-M0derat0r
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Inspiriert von der immer wieder hochkochenden Debatte um Würfeldreher "im Sinne der Geschichte" oder um Charaktertode und somit die gefürchtete Entwertung von Charakterhintergründen, an denen die Spieler länger gearbeitet haben, als die Autoren des Spiels an diesem selbst komme ich jetzt zu diesem Thread.
Worum geht es mir?
Einen Stab für den MISSERFOLG von Spielercharakteren (nicht zwangsläufig Spielern!) im Rollenspiel zu brechen.
Warum? Weil Rollenspiel eine dynamische Angelegenheit ist. Und weil NICHTS (Vorsicht verehrter Klugscheißer! Dramatische Übertreibung!) interessanter ist, als SPONTANE IMPROVISATION die aus einem Misserfolg resultiert.

Worauf will ich hinaus?
Spieler und Spielleiter sollten sich bewusst werden, was es eigentlich heißt, Rollenspiel zu machen. Das ist nicht das sich an einen Tisch setzen und aneinander vorbei "schauspielern". Das ist auch nicht, sich an einen Tisch setzen, und an den Lippen einer Person kleben, die effektiv sowieso schon weiß, wie der Abend endet, während kein anderer darauf einen wirklichen Einfluß hat.
Was ist es? Man setzt sich an einen Tisch (oder meinetwegen auf eine Parkbank, den Boden, in ein Auto, eine Sauna oder was weiß ich) und spielt los. Man spielt ergebnisoffen. Man spielt dynamisch.
Aber eigentlich soll das hier kein Plädoyer für ergebnisoffenes Rollenspiel werden.

Das hier soll eín Plädoyer werden für Mut zum Versagen und versagen lassen.
Im schlimmsten Falle, hat eine Runde einen Spielleiter, der sich ein komplettes Abenteuer ausdenkt, mit Einleitung, Hauptteil und Schluss, der den Spielern den Erfolg im Spiel nicht vermasseln möchte, weil die ja seine Freunde sind, und sie deswegen relativ unbeschadet durch diese Geschichte meandern lässt, lange Lagerfeuergespräche und intensives Tavernencharakterspiel mit inbegriffen.
Da müssen sich die Spieler eigentlich nie wirklich Sorgen oder Gedanken machen, ihren Charakteren droht dieselbe Art von Gefahr, wie sie einem in einer Geisterbahn droht. Sieht übel aus, macht aber effektiv nichts.
Spannender ist es doch schon - wenn auch nichts was ich wirklich Rollenspiel nenne würde - wenn man die kleine Änderung einführt, dass der SL das "Netz und den doppelten Boden" entfernt. Vielleicht behält er im Hinterkopf, wie die Ereignisse ihren Lauf nehmen sollten oder könnten, aber wenn die Spieler sich dumm anstellen, oder aber auch nur ein paar Würfelwürfe vergeigen dann kommt kein wohlgesonnener NSC an und bringt sie auf den rechten Pfad zurück oder wird der Patzer ignoriert. Dann werden Konsequenzen gezogen, und die Charaktere damit konfrontiert, und sind dann wiederum in Zugzwang zu handeln. Zu IMPROVISIEREN. Spontan. Ad hoc.
Beispiel wäre:
Ich hocke auf einem Hügel in der afrikanischen Savanne, um mich herum trockenes Gras. Im Visier meines Präzisionsgewehrs der korrupte Polizeichef. Um ihn herum seine Schergen, die einen Konvoi beladen. Ich habe mir minutiös gemerkt, welche Wege sie gehen, weiß genau wer wo ist, atme tief ein, ziehe den Abzug - schwenke das Gewehr auf seine verdutzte Leibwache - ziehe wieder den Abzug und RUMMS zerlegt sich meine Flinte - Rohrkrepierer. Sie wissen wo ich bin. Mein Gewehr ist im Arsch. Fuck.

Oder? Drücke ich jetzt auf F9 und lade meinen letzten Quicksave? Ignoriere ich als SL den kritischen Patzer?
Klar, das könnte ich tun. Aber dann entgeht mir das hitzige Feuergefecht, bei dem ich mich hinter dem nächsten Baumstumpf verkrieche, feststelle, dass der Wind in Richtung des wartenden Konvois gedreht hat, und daraufhin mit mit einem gezielten Molli ein kleines Buschfeuer zur Ablenkung entfache, in Windeseile um den sich rasend schnell ausbreitenden Brand drumherum bewege, und den wütenden Schergen des jetzt toten Polizeichefs in die Seite zu fallen...
Okay. Vielleicht nicht das BESTE Beispiel (Danke Far Cry 2!), aber so kann Mut zum Versagen aussehen.
Im Rollenspiel natürlich noch ganz, ganz anders.
Der Unterhändler der Gruppe vergeigt bei der Besprechung mit dem Mafiaboss seinen Gebräuchewurf - Der Don beschließt, den Burschen Respekt zu lehren und schickt sie auf ein Himmelfahrtskommando. Etc. pp.
Nur weil die SCs Protagonisten sind, heißt das nicht, dass sie gefälligst immer und mit allem was sie tun erfolgreich sein müssen, oder gar einen Anspruch darauf hätten.
Vor allem, weil man im Erfolgsfalle selten dazu gezwungen ist, schnell und effektiv zu improvisieren.
Vielleicht spielt es sich so weniger straight, vielleicht verhagelt das einem so manch "total tolle Geschichte / Abenteuer" die man sich als SL ausgedacht hat, und möglicherweise geht dabei der eine oder andere SC drauf - aber meiner Überzeugung nach Gewinnt man beim Rollenspiel VIEL VIEL MEHR wenn man dem Versagen eine Chance gibt.
 
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Ja das stimmt und allen Rollenspielen mit kritischen Fehlschlägen sei hier gedankt. Und ja, ich würde das regeltechnisch verankern und nicht erzählerisch/willkürlich. Nur vielleicht sollte man den Konsequenzen der kiritsichen Fehlschläge eigene SL-Hilfen zugrunde legen, um sie wirklich storyfördernd einzusetzen. Denn Potential für bleibendes Spielerlebnis haben sie definitiv.
 
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Paralell dazu:

Mehr mut zur Inkompetenz! Mehr "unfähige" Charaktere! Mehr Platz für Charakterentwicklung. Mal im ernst, wer ist interessanter, der unbesiegbare Alleskönner Superman, oder der "Hey Cool" teenager Spiderman?
 
AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Nein. Charaktere SOLLEN kompetent sein.
Aber sie SOLLEN ebenso auch versagen können. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe.

Mehr TPKs. Aber NOCH VIEL MEHR TPKOs!
Ausgeknockte SCs passieren irgendwie viel zu selten... Daraus lässt sich auch sehr viel ziehen...
 
AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Paralell dazu:

Mehr mut zur Inkompetenz! Mehr "unfähige" Charaktere! Mehr Platz für Charakterentwicklung. Mal im ernst, wer ist interessanter, der unbesiegbare Alleskönner Superman, oder der "Hey Cool" teenager Spiderman?
Also mehr im Spiel wirklich angewandte Nachteile. (Nicht nur einmal bei der Charaktererschaffung abgefragt.)


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Skar schrieb nach 53 Sekunden:

NOCH VIEL MEHR TPKOs!
Ausgeknockte SCs passieren irgendwie viel zu selten... Daraus lässt sich auch sehr viel ziehen...
Spiel Castle Falkenstein. :)
 
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Mehr TPKs. Aber NOCH VIEL MEHR TPKOs!
Ausgeknockte SCs passieren irgendwie viel zu selten... Daraus lässt sich auch sehr viel ziehen...

Kein Wunder, bei Deinem Würfel... Glück?
 
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Ja das stimmt und allen Rollenspielen mit kritischen Fehlschlägen sei hier gedankt.

Ich hasse kritische Fehlschläge, v.a. wenn sie zu penetrant sind. Bestes Beispiel altes Star Wars D6 - da geht ein Kampf zwischen zwei Jedi normalerweise genau solange bis einer einen kritischen Patzer würfelt - dann ist er nämlich tot. Wenn das statistisch alle 6 Runden passiert ist das ganz schlecht.

Fehlschläge sind in Ordnung, es kann (und darf) nicht alles gut gehen, aber wenn die Spieler sich einen wirklich guten Plan ausgedacht haben und dann aufgrund eines einzelnen dummen Würfelwurfs scheitern ist das extrem nervtötend, vor allem wenn sowas öfter passiert.
Da bin ich dann eher der Storyteller, der auch mal sagt "okay, extrem geiler Plan, ich drück hier mal ein Auge zu und lass es trotzdem durchgehen". Sonst hören die Spieler nämlich irgendwann auf große Pläne zu schmieden und man hat genau das Gegenteil von dem was man erreichen wollte.

Außerdem bin ich der Meinung, dass ein Spezialist auf einem Gebiet bei Lapalien nicht mehr versagen sollte, jedenfalls nicht regelmäßig. Wenn ab und an mal etwas nicht klappt ist das okay, aber wenn es regelmäßig vorkommt wird es extrem nervig. Der Superakrobatikelf der sich mit einem Saltosprung vom Ast herunter vorstellen möchte und dabei aufs Maul fliegt ist für mich ein absolutes NoGo - sowas darf einfach nicht passieren, weil es die ganze Spielatmosphäre kaputt macht.

Und es kommt natürlich auch auf das Setting an. Bei Midgard ist es in Ordnung wenn ich mir wegen einem ein-Meter-Sturz das Bein breche, bei Starship Troopers kommt sowas einfach nur dämlich.
 
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Jein.
Wenn ein einziger Würfelwurf den Plan der SCs killen kann, dann war er's nicht wert.
Warum denn ÜBERHAUPT in der Situation würfeln, wenn ich das Ergebnis das ich haben will und zulasse eh vorher weiß?
Ein perfekter SC Plan überzeugt den SL so, dass würfeln dann gar nicht mehr notwendig ist. Gibt's. Passiert.
Aber wenn gewürfelt wird, dann wird sich am Ergebnis des Wurfs orientiert...
 
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Ich denke ja das das mit den Plänen noch niiiie geklappt hat.
 
AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Ich zitiere da einfach Burning Wheel, das widerum ein anderes Spiel zitiert: Let it ride...

Das Ausspielen von Mißerfolgen ist auch was Sorcerer für mich interessanter gemacht hat.
 
AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Da mein Setting eine "Sandbox" ohne vorgeplante Handlungsabläufe bei den Abenteuern ist,
ist es mir erst einmal egal, ob die Charaktere nun mit einer bestimmten Aktion erfolgreich oder
erfolglos sind - solange die Geschichte weitergeht, ob mit den selben oder neuen Charakteren,
und solange die Wahrscheinlichkeiten für kritische Mißerfolge plausibel sind, paßt es für mich
(und zumindest bislang auch für die Spieler).

Wenn also der besagte Superakrobatikelf bei seinem Schausprung vom Ast auf die Nase fällt
und sich womöglich das Genick bricht, dann hat er eben das Risiko falsch kalkuliert oder ein-
fach Pech gehabt - "shit happens", "Murphy's Law" und so.
Außerdem können manche Mißerfolge einer Geschichte ja auch eine interessante neue Rich-
tung geben, in diesem Falle etwa: Weshalb ist der Elf gestürzt - hat ihm vielleicht jemand ein
schlimmes Pülverchen in seinen Morgennektar gemischt ?
 
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Nein. Charaktere SOLLEN kompetent sein.
Aber sie SOLLEN ebenso auch versagen können. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe.
Wenn man einen Nieten-Charakter spielt, dann ist sein Versagen das ÜBLICHE. Man ERWARTET, daß er nichts drauf hat, daß er versagt, daß er nicht mit den anderen Charakteren und der Welt im Allgemeinen mithalten kann. - Solch ein Charakter NERVT.

Ein KOMPETENTER Charakter, dem trotz all seiner Schützenabzeichen und seines x-ten gewonnenen Triathlons ein Mißgeschick passiert, DAS ist interessant.

Charaktere sollen HAUPTPERSONEN in den gespielten Geschichten sein. Hauptpersonen machen stets Dinge, die MEHR EINDRUCK hinterlassen, als Nebenfiguren. Sie siegen glanzvoller, sie leiden schmerzlicher, sie hassen erbitterter, und sie scheitern tragischer als die Normalos der Spielwelt.

Ich mag z.B. Deadlands Classic mit seinen vielfältigen und BUNTEN Möglichkeiten des Charakterscheiterns. - Ein Huckster, der durch einen Rückschlag für den nächsten Tag nicht mehr zaubern kann, wird natürlich genau in dieser Zeit als Geisel genommen. Normalerweise wäre er mit "hex hex" auf und davon. Jetzt nicht. - Der Rückschlag hat somit KOMPLIKATIONEN gebracht, die eine viel interessantere Problemlösung erforderten, als sich einfach mit einem Zauber aus der Affäre zu ziehen. - Mad-Science-Gizmos, die zwar supertolle Eigenschaften hatten, aber immer auch Fehlfunktionswahrscheinlichkeiten, führten schon OFT zu ausgesprochen interessanten, alternativen Handlungsverläufen.

Bei Savage Worlds ist es so, daß Extras, die Normalos der Spielwelt, zwar scheitern können, aber NICHT KRITISCH! - Das kritische Scheitern ist nur etwas für die Hauptfiguren, die Wildcards. - Auch hier gilt: die Hauptfiguren haben das Potential für STÄRKEREN Eindruck, den sie der Spielwelt aufdrücken.

Mehr TPKs. Aber NOCH VIEL MEHR TPKOs!
Ausgeknockte SCs passieren irgendwie viel zu selten... Daraus lässt sich auch sehr viel ziehen...
Das kommt auf das Setting an. - Gerade bei TV-Serien-Settings wie in Funky Colts oder Angel bzw. BtVS gehört das KO-Schlagen von Hauptfiguren durch Schurken einfach dazu. Beim Cinematic Unisystem gibt es für diesen heftigen Eingriff in die Spielerbestimmung über den Charakter Drama-Points als Schmerzensgeld, die man bei findigen Lösen der neuen Komplikation auch gebrauchen kann. Ähnlich bei den Daring Tales of Adventure, die alte 30er-Jahre-Action-Filme als Inspirationsquelle nehmen, und bei denen auch das KO-Gehen aller SCs, die dann z.B. in einem Raum mit einer nur noch zwei Minuten anzeigenden Zeitbombe aufwachen, in die Setting-Regeln eingebaut ist.

Castle Falkenstein, Pirates of the Spanish Main, Slipstream, usw. - Alles Rollenspiele bzw. Settings, bei denen die Spielercharaktere (und die wichtigen Bösewichter!) nicht einfach so draufgehen, sondern bei denen man die Komplikationen des krassen Scheiterns als Keim für die nächsten spannenden Szenen nehmen soll. - In diesen besonders cinematisch ausgerichteten Rollenspielen paßt das auch sehr gut.

In einem realistischer gedachten, konsequenzenhärteren Rollenspiel hat man eben doch schneller einen TPK als ein TPKO erzeugt (außer bei Verwendung von Gas oder anderen, die gesamte Gruppe ausschaltenden Mitteln). - Ein SC, dem seine Filamentgranate beim kritisch fehlgeschlagenen Wurf mitten unter die SC-Gruppe fällt, kann somit den Tod der gesamten Gruppe bewirkt haben. (So etwas ist uns aber auch schon bei Midgard passiert - und da war es ein kritischer Fehler eines wichtigen NSCs.)

Generell gilt: Scheitern ist interessant.

Aber: Interessantes Scheitern ist oft auch eine enorme Herausforderung für den Spielleiter!

Viele Regelsysteme regeln zwar das AUFTRETEN eines kritischen Fehlschlages, aber NICHT die EFFEKTE. - Jemand versucht einen Raum zu durchsuchen. Er würfelt auf "Suchen" und erhält einen kritischen Fehlschlag. - Was soll der Spielleiter nun machen? Die Regeln lassen ihn im Regen stehen. Er soll sich "halt was ausdenken". Mitten in einer Situation, wo die anderen Spieler auch etwas machen wollen, und man einfach die Handlung voranbringen möchte. Jetzt etwas ausdenken. Auch noch möglichst interessant und einzigartig (also NICHT "Du stolperst über den Teppichrand und fällst hin für 3 Punkte Vorwärtssturzschaden").

Wie macht man das Scheitern INTERESSANT? Und zwar mitten im Spielverlauf. Ohne langes Überlegen oder "Auszeiten"?
 
AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Aber: Interessantes Scheitern ist oft auch eine enorme Herausforderung für den Spielleiter!

Viele Regelsysteme regeln zwar das AUFTRETEN eines kritischen Fehlschlages, aber NICHT die EFFEKTE. - Jemand versucht einen Raum zu durchsuchen. Er würfelt auf "Suchen" und erhält einen kritischen Fehlschlag. - Was soll der Spielleiter nun machen? Die Regeln lassen ihn im Regen stehen. Er soll sich "halt was ausdenken". Mitten in einer Situation, wo die anderen Spieler auch etwas machen wollen, und man einfach die Handlung voranbringen möchte. Jetzt etwas ausdenken. Auch noch möglichst interessant und einzigartig (also NICHT "Du stolperst über den Teppichrand und fällst hin für 3 Punkte Vorwärtssturzschaden").

Wie macht man das Scheitern INTERESSANT? Und zwar mitten im Spielverlauf. Ohne langes Überlegen oder "Auszeiten"?

Das ist wohl wahr.
Im genannten Beispiel könnte man den SC einfach falsche Spuren finden lassen, die dann irgendwie hintenrum zu SC in Ärger und neuem Abenteuer (SC aus Ärger raushauen) führen können. Dabei ist allerdings eine Messerscharfe Unterscheidung von Spieler / Charakterwissen erfoderlich, wenn der Wurf offen erfolgt ist. Gerade bei solchen Geschichten wie Suchen oder so "Gesinnung Spüren" ist es irgendwie was anderes, wenn der Spieler genau weiß, dass sein Charakter grade voller Zuversicht und Begeisterung auf der völlig falschen Fährte die völlig falschen Schlüsse zieht, und sich tief in dicken Ärger reitet anstelle das "richtige" zu tun. Wenn der Spieler das weiß, ist es halt die Frage, wie sehr er da am Ball bleibt, wissend dass es eben die FALSCHE Fährte ist...

Um Scheitern als SL effektiv und schnell interessant zu machen, muss man vor allem gut improvisieren (oder abwägen?) können... Oder alternativ eine ganze Latte von Tabellen zum Bewürfeln haben... o_O
 
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Ein simples Beispiel für interessantes Scheitern könnte mMn zB so aussehen.
 
AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Galatea schrieb:
Fehlschläge sind in Ordnung, es kann (und darf) nicht alles gut gehen, aber wenn die Spieler sich einen wirklich guten Plan ausgedacht haben und dann aufgrund eines einzelnen dummen Würfelwurfs scheitern ist das extrem nervtötend, vor allem wenn sowas öfter passiert.

Man könnte sagen: Der Plan war geil, aber diese dumme Würfelwurf hat alles versaut. Oder man geht rollenspielerisch (auch storytellig) an die Sache ran und sagt: Fuck, da hat wohl jemand seine Fähigkeiten überschätzt.
Ein Plan der steht geht ja in die Richtung, dass jeder seine Aufgabe hat und dann wird das durchexerziert. So, jetzt soll Mick laut Plan die Tür aufmachen, weil er der Mechaniker ist. Kritischer Misserfolg bei der Schlosserprobe und was passiert? Der Dietrich bricht, die Bolzen verhaken, was auch immer - Plan vorübergehend erstmal zunichte gemacht.
Und im Kampf - man muss es einfach mal sagen - kann eine ganze Menge schief gehen. Deswegen sollte man sich besser überlegen ob die Offensive immer so eine gute Idee ist.

Tellurian schrieb:
Wenn der Spieler das weiß, ist es halt die Frage, wie sehr er da am Ball bleibt, wissend dass es eben die FALSCHE Fährte ist...

Das ist aber auch nicht zwingend spannend ... Man hat heutzutage nicht mehr soviel Zeit wie früher um allein drei Sitzungen ins Nichts verlaufen zu lassen, nur weil der Spieler absichtlich der falschen Fährte folgt.
 
AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Meiner Erfahrung nach gibt es zwei sehr unterschiedliche Funktionen von Versagen im Rollenspiel, die nur bedingt miteinander kompatibel sind.

Das eine ist die Erzählspieler-Variante: Versagen gehört dazu, keine interessante Geschichte ohne Rückschläge. SCs machen Fehler, oft machen die Spieler diese Fehler sogar absichtlich, weil es zum Charakter passt bzw. zu einer interessanten Komplikation führt. Die Spieler haben überhaupt kein Problem damit, ihren Charakter sehenden Auges in sein Beinahe-Verderben rennen zu lassen oder ihn ggf. sogar zum dramatisch passenden Zeitpunkt zu opfern. Ihn sein Gesicht verlieren zu lassen, ihn zu entstellen, was weiß ich. Manchmal stämmen sie sich auch gegen das Schicksal, manchmal wollen sie den Erfolg, manchmal kriegen sie ihn trotzdem nicht, aber ein Fehlschlag ist eben kein Scheitern des Spielers, nichts, worüber der Spieler sich ärgert, möglicherweise sogar etwas, was der Spieler so haben wollte.

Das andere ist die Erfolgsspieler-Variante: Versagen ist das Gegengewicht zum Erfolg. Nur wenn die reale Möglichkeit des Versagens bestand, ist auch der Erfolg etwas wert. Hier wird der Spieler niemals absichtlich Versagen. Er wird sehr wahrscheinlich mit einem Fehlschlag hadern, die Würfel verfluchen, vielleicht mit dem SL über Regelauslegungsfragen diskutieren. Wenn er sich wieder beruhigt hat, wird er den Fehlschlag annehmen, vielleicht sogar die neuen Möglichkeiten erkennen, die dieser eröffnet, und sich fest vornehmen, die Kerbe wieder auszubügeln. Der nächste Triumph, die Rache, wird umso süßer sein. Aber trotzdem ist der Fehlschlag ganz klar ein Scheitern des Spielers: Seine Fähigkeiten oder sein Glück haben versagt, er hat verloren. Man kann eben nicht immer gewinnen bzw. wenn man immer gewinnt, ist ein Sieg nichts wert.

Insofern: Versagen ist toll, aber man sollte rechtzeitig klären, welche Einstellung die Spieler in einer gegebenen Kampagne zum Versagen haben.
 
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Ich liebe die Möglichkeit spektakulär zu versagen. Gerade bei Systemen deren Protagonisten Antihelden sind oder zumindest sein sollten, wie z.B. Cyberpunk 2020 oder auch Shadowrun. Auch bei Star Wars d6 kamen die interessantesten Situationen aus den spektakulären Patzern heraus (eben genau wie in den alten Star Wars Filmen).

Gebt mir die Welt für 10%!
 
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Ich bin kein Freund von absichtlichem Versagen, "weil der Charakter halt so ist" oder sonst wie begründet.
Idealerweise (!) versuchen die Spieler ihre Charaktere so effektiv wie möglich zu spielen, und akzeptieren Scheitern als Quelle neuer, interessanter Gelegenheiten.
Taschenlampenfallenlasser mag keiner.
 
AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Taschenlampenfallenlasser mag keiner.
Eine Geschmacks- und Systemfrage, bei Call of Cthulhu beispielsweise kann das durchaus gut passen.

Und grundsätzlich ist mir zumindest das Ausspielen auch der Fehler und Schwächen eines Charakters
weit lieber als das klischeehafte Spielen fehler- und schwächenloser Charaktere. :)
 
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