The Shadow of Yesterday [TSOY] Off Topic: Zur Creative-Commons-Lizenz

oliof

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Vorweg: Ich bin kein Urheberrechts- und Lizenz-Anwalt, sondern spreche als Privatperson. Möglicherweise sind einige rechtliche Details anders, als hier beschrieben.

Spätestens seit d20/OGL hat jeder halbwegs interessierte Rollenspieler mitbekommen, dass es verschiedene Lizenzen für Rollenspielmaterial geben kann.

Ganz klassisch ist die Anwendung des normalen Urheberrechts, mit Ausnahmen für Charakterbögen, die kopiert werden dürfen ("für den persönlichen Gebrauch"). Das heißt, niemand darf einfach Teile des Textes kopieren oder solche Dinge weiterbenutzen, deren Urheber deutlich die Schreiber eines solchen Spieles sind. In einigen Gesetzgebungen gilt das aber nicht für das abstrakte Spielsystem, weil es nicht als schützenswert gilt, sondern nur die jeweilige Beschreibung. Deswegen gibt es das klassische RuneQuest und das neue RuneQuest – die Regeln sind zwar weitgehend die gleichen, weil die Beschreibung aber vom Original abweicht, liegt keine Urheberrechtsverletzung vor. Für Autoren von Supplements, die nicht direkt vom Hersteller herausgegeben werden, war es immer schwierig, genau herauszufinden, ob sie nun vollständige Charaktere abdrucken dürfen oder nur Umrechnungstabellen. Insgesamt eine unzufriedenstellende Situation.

Mit D&D 3.0 hat Wizards sich nun was ganz schlaues ausgedacht: Die OGL. Die klingt nach einer tollen Idee: Man beschreibt, was im Buch frei ist und von allen anderen benutzt werden darf (wenn sie sagen, wo sie es her haben), und was "Product Identity" ist. Einen Kern der Regeln, der frei von aller PI ist, nennt man System Reference Document. wer darauf und auf anderen freien Kram aufbaut, kann selber Sachen unter der OGL veröffentlichen. Einige Hersteller haben es aber geschafft, die Definition von PI so (un)geschickt zu wählen, dass eine Nutzung des "freien" Materials nur schwer möglich ist. Ein Beispiel dafür ist Mutants&Masterminds, bei dem "Power Points" zur PI gehören – die sind aber zentrale Währung für den Bau von Charakteren… grrr. (Die d20-Lizenz ist dann nochmal komplizierter, weil man keine eigene Charaktererschaffung im Buch haben darf und anderer Kram – einige haben sich die Mühe gemacht, ein d20 Logo mit abdrucken zu dürfen).

Die OGL ist eine Lizenz, die für Firmen ohne Rechtsbeistand schnell teuer werden kann, wenn man sich auf unsauber definierte Quellen stützt. Trotzdem gibt es einige andere Rollenspiele, die auch auf die OGL setzen (Grey Ghost Games für Fudge, deswegen auch Evilhat für Spirit of the Century mit Fate).

Im Lichte besonderer Schwierigkeiten mit Urheberrecht und solchen Lizenzen, und weil der Autor aus der OpenSource-Ecke kommt, hat sich Clinton R. Nixon für eine Form der "Creative Commons" Lizenz entschieden. Creative Commons ist ein Projekt, dessen Aufgabe es ist, verschiedene Arten der Lizenzen so zu beschreiben, dass sie für Laien verständlich sind. Zusätzlich ist das Ziel, diese Lizenzen modular anzubieten, und international vergleichbar zu machen: Die Lizenzen werden auf die örtliche Rechtsprechung angepaßt, bleiben aber im Kern zueinander kompatibel.

Ursprünglich stand The Shadow of Yesterday unter der CreativeCommons-Attribution-NonCommercial-ShareAlike-Lizenz veröffentlicht: Man durfte den gesamten Text – Regeln und Weltbeschreibung – nach eigenem Gusto verändern und veröffentlichen, solange man keine kommerziellen Interessen damit verfolgte. Einzige weitere Bedingung: Man mußte sagen, dass sein Kram auf TSOY von Clinton R. Nixon fußt.

Radikal, oder? Nicht alle Autoren sind so freimütig, und man könnte jetzt denken „Klar, ist ja auch nur ein kleiner Autor, der hat nix zu verlieren…”. Aber ist es nicht eher so, dass ein kleiner Autor mit einem Spiel, dass in geringer Auflage produziert und verkauft wird, viel stärker daran interessiert sein sollte, sein eigenes Werk zu schützen? Naja, ausserdem ist er ja davor geschützt, dass andere damit Geld machen…

Wenn er nicht die Lizenz auf eine Creative Commons Attribution-ShareAlike verändert hätte.

Ja, jeder kann jetzt hingehen, den frei verfügbaren Text nehmen, ein eigenes Buch draus backen und es verkaufen. Es muß nur drinstehen, dass es auf TSOY von Clinton R. Nixon beruht.

Dass ich mir trotzdem eine Genehmigung von Clinton eingeholt habe, sein Werk zu übersetzen und zu veröffentlichen, ist nur einem Gebot der Höflichkeit zu danken, dem ich mich verpflichtet fühle.

Auch wenn meine derzeitigen Anstrengungen noch unter der NonCommercial Lizenz stehen (ich hab das so im Buch stehen), wird dieser Umstand irgendwann angepaßt, und dann kann jede/r losgehen, und mit dem Buch machen, was er oder sie will.

Ich fänd das toll. Im Moment wäre meine größte Befürchtung, dass jemand mit meinem derzeitigen Stand irgendwas anstellt, der ist nämlich noch deutlich bearbeitungswürdig! Tatsächlich gabs von ein paar Leuten Anfragen, ob sie Pfade/Keys für ihr Rollenspielprojekt benutzen dürfen, und natürlich hieß die Antwort immer "Ja sicher!".

Und auch das ist toll: Wenn ich ein Element des Spiels irgendwo sehe, muß ich mich nicht ärgern, dass jemand geklaut hätte, sondern ich kann mich freuen, dass dieses Element auch anderen gefällt.
 
AW: Off Topic: Zur Creative Commons-Lizenz

Da bin ich gleich viel stolzer, das Buch gekauft zu haben. Sowas muss man unterstützen.
 
AW: Off Topic: Zur Creative Commons-Lizenz

Die Lizenz an sich ist schon mal eine gute Sache. Hat er die denn sozusagen ins Leben gerufen oder gabs die schon vorher? Und machen bereits andere die Lizenz nach?

Die Lizenz kann natürlich auch marketingtechnische Gründe haben.
 
AW: Off Topic: Zur Creative Commons-Lizenz

Schöpfer der Lizenz ist das Creative Commons Projekt. Es kümmert sich darum, dass es für alle Jurisdiktionen rechtlich saubere Fassungen der Lizenz (bzw. ihrer Module) gibt, die untereinander kompatibel sind. Sie wird in vielen anderen Bereichen (z.B. Musik und Kunst) benutzt, aber soweit ich weiß, ist TSoY bisher das einzige Rollenspiel, das unter einer CC-Lizenz veröffentlicht wurde.

Die Entscheidung für die Lizenz ist politisch/philosophisch begründet. Es gab auf der Fudge-Mailingliste eine Diskussion, wo es darum ging, ob man TSoY als "Fudge-Derivat" sehen kann; wenn es so gewesen wäre, hätte TSoY unter der OGL stehen müssen, und das hat Clinton R. Nixon abgelehnt.

Skar: Welchen Marketing-Effekt siehst Du durch die Wahl einer freien Lizenz?
 
AW: Off Topic: Zur Creative Commons-Lizenz

Die Lizenzwahl allein wird einem der Mitbegründer der Forge vielleicht nicht als spürbarer Marketingeffekt reichen…

Was ich vergessen habe zu erwähnen: Auch bei der Produktion des Buches wurden nur Open-Source-Programme benutzt.

Hier ist ein Archiv des Mail-Verkehrs, in dem Clinton R. Nixon schreibt, dass er aus moralischen und rechtlichen Gründen nicht die OGL sondern die CC-Lizenz benutzt. Weiter unten dann, dass eine OGL-Fassung von TSoY mit dem Fudge-Logo marketingtechnisch für beide Seiten eine gute Idee wäre…
 
AW: Off Topic: Zur Creative Commons-Lizenz

TSoY ist nicht das einzige Rollenspiel unter CC-Lizenz. Wushu, Donjon und unter den deutschsprachigen System Das Weltenbuch fallen mir spontan ein; sicher gibt es noch mehr.
 
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Interessant. Das CC auch im Rollenspielbereich greifen könnte war mir so nicht bewußt. Andererseits: Zu einem gewissen Grad wäre das Ding auch unter normalen Nutzungsbedingungen sicherlich nicht so schlecht....
 
AW: Off Topic: Zur Creative Commons-Lizenz

Welches Ding und unter welchen 'normalen Nutzungsbedingungen'? Creative Commons birgt ja die zusätzliche Feinheit, dass es mit Hinblick auf grenzübergreifende Entsprechung entwickelt wird; ob z.B. die OGL in Deutschland zulässig oder erzwingbar ist, hat soweit mir bekannt ist kein Anwalt geprüft (ich lasse mich gerne belehren, schließlich bin ich kein Anwalt).

Skyrock: Heh. Dass Donjon auch unter CC ist, liegt ja nahe. An WuShu Open hatte ich gar nicht gedacht – wobei: Auf der Website von Daniel Bayn steht die WuShu Open License, und da steht "Based on Creative Commons License, Attribution 2.0" drunter. Damit hab ich aber gleich den Hauptvorteil einer CC-Lizenz verloren…
 
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