Thanathan ap Balor

Memnoch

2-11-13-4
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30. September 2003
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Es ist eigentlich eine Charaktergeschichte zu einem Charakter für Wechselbalg der Traum, aber ich wollte sie euch gerne mal zum Lesen geben.

Sir Thanathan ap Balor, Ritter des flammenden Auges


Tiefschwarze Augen blickten in die Weiten der Nacht hinaus. Thanathan stand am Rand einer Klippe, tief in Gedanken versunken und den Blick ins Leere gerichtet. Das Licht des Mondes ließ seine makellose weiße Haut ätherisch leuchten und der Wind umspielte seinen langen schwarzen, mit silbernen Verzierungen bestickten Mantel. Für die Sterblichen war dieser Mantel nichts weiter, als ein einfacher Ledermantel, doch für die Kithain war er aus schwerem Samt.
Seine Gedanken schweiften in die Ferne, zurück in die Vergangenheit und er wünschte sich nichts sehnlicher, dass sich die Nebel des Vergessens darum legen würden, um den Schmerz in seinem Herzen zu dämpfen.
Er war in Belfast geboren worden und obwohl er gerade erst 18 war, schien es ihm eine halbe Ewigkeit her zu sein. Aber war er erst 18? Seine Seele war uralt und das spürte er, doch die vielen Erinnerungen seiner Seele lagen verborgen in den Nebeln. Warum mussten es bloß die falschen sein. So aber blieb nichts zurück, außer Schmerz und einem Sehnen, dass wohl nie seiner Erfüllung bekommen würde. Arkadien. Es war tief in seinem Herzen und doch würde es ihm wohl auf ewig verwährt bleiben, irgendwann wieder in diesen Gefilden zu wandeln. Er wusste nicht mal, weshalb er sich so danach sehnte, war ihm doch nicht ein einziger Grashalm in Erinnerung geblieben.
Belfast, eine stinkende Stadt voller Industrie. Auch wenn er wusste, dass dies nicht der Fall war, aber irgendwie hatte er immer das Gefühl gehabt, der Himmel sei stets grau und bleiern dort gewesen.
Sein Vater war ein Nichts, ein einfacher Fabrikarbeiter und nicht mehr wert als ein Wurm, den er unter seinem Stiefel zerquetschen konnte. Seine Mutter kannte er gar nicht erst. Sie war schlau genug gewesen, diesen Mistkerl zu verlassen, nachdem sie ihn auf die Welt gesetzt hatte. Ihn hatte sie allerdings zurückgelassen. Er hasste sie dafür.
Immer wieder malte er sich aus, wie sie sich von einem reichen Kerl zum nächsten schwang, von einem Bett ins andere und nicht einmal hatte sie daran gedacht, ihren Sohn aus dieser Scheiße herauszuholen.
Thanathan hatte ein ausgesprochen schönes Gesicht, leicht androgyn und mit zarten Linien. Fuck! Sein Vater hatte ihn dafür geschlagen, weil er der Meinung war, sein Sohn sei ein Weichling und eine verdammte Schwuchtel.
Immer wieder musste er mit Blutflecken auf der abgewetzten Second-Hand-Kleidung zur Schule gehen. Sein Vater machte sich nicht die Mühe sie rauszuwaschen, wenn er ihn wieder zu Boden geprügelt hatte und den finalen Abschlusstritt ausgeteilt hatte. Die Lehrer sahen irgendwann einfach weg. Gefragt hatten sie nie danach, was mit ihm passiert sei. So war das eben in den schlechten Vierteln von Belfast.
Ein Schwächling hingegen war er allerdings nie gewesen. Immer wieder war er mit anderen Schülern aneinander geraten und auch bei den Älteren hatte er nie gekniffen. Zwar hatte er auch meistens seinen Teil abbekommen, aber meist ging er doch als Sieger aus den Prügeleien heraus. Sollte sein Vater das doch schlucken. Er war kein gottverdammter Weichling!
Freunde hatte er nie welche gehabt. Die einen waren sauer auf ihn und die anderen hatten Angst vor ihm. Toll! Ganz große Klasse! Aber was blieb ihm anderes übrig?
Allerdings gab es einen Abend, an dem sich alles geändert hatte. Es war sein 16. Geburtstag. Es war noch am Morgen zuvor gewesen, als er sich mal wieder mit einer der Schulhofgangs angelegt hatte, deren Mitglieder er schon mehr als einmal einen nach dem anderen auseinandergenommen hatte. Diesmal kam die ganze Front auf einmal, in vorderster Reihe ihr Anführer, Macky.
„Mann, bist du Dumpfbacke zu feige? Bringst du gleich schon deine Meute von hirnrissigen Ja-Sagern mit?“ Hey, er war noch nie auf den Mund gefallen, aber das war wohl einer seiner schlechteren Tage. Und er sollte weis Gott noch schlechter werden. „Das ist eine Sache zwischen mir und dir, Großmaul!“ Wow, das war einer von Mackys besten Tagen!
Tja, was soll man sagen; kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, hatte er auch schon seine Faust im Gesicht. Hey, keiner hatte je behauptet, er würde fair kämpfen.
Es war nur eine kurze Prügelei und Thanathan hatte klar die Überhand. Macky und seine räudige Hundemeute zogen ziemlich schnell ab, nicht ohne noch mal mit der Faust zu drohen und ein Nachspie anzukündigen.
Und das Nachspiel sollte auch folgen, schneller als Thanathan es sich ausmalen konnte. Es war noch am selben Abend, als er gerade auf de Weg nach Hause war. Er war den ganzen Tag durch das Industriegebiet gestreunt und so langsam war es an der Zeit, dass er sich mal wieder daheim blicken ließ. Aber da hatten ein paar Leute was dagegen. Es war Macky, der ihm in den Weg trat, in der Hand eine Fahrradkette haltend. „Scheiße Mann, was soll das denn jetzt werden? Egal, mit dir nehme ich es trotzdem auf!“ Thanathan hatte Angst, aber das, was da aus ihm sprach war nichts anderes als Trotz. Macky grinste ihn nur an und ließ ein wenig die Kette rasseln. Aber es dauerte nicht lange, da mischten sich andere Geräusche dazu. Leises Kichern aus den Gassen, das dumpfe hohle Dröhnen, wenn ein schwerer Gegenstand gegen ein Rohr geschlagen wird. Vor ihm trat die gesamte Bande aus den Gassen, jeder von ihnen bewaffnet, sei es mit Messern, Baseballschlägern oder Ketten. Er hatte keine Chance und das wusste er ganz genau.
Also rannte er; er rannte so schnell er konnte und die ganze Meute hinter ihm her. Die Straßen und Gassen flogen nur so an ihm vorbei. Müllcontainern wich er behände aus und mehr als eine Mülltonne wurde von ihm umgeworfen.
Leider kam er nicht weit. Sackgasse. Endstation Eden. Der letzte Bahnhof seines Zuges. Fast besinnungslos vor Wut sank er auf die Knie und schrie die Nacht an. Er fühlte, wie seine Stirn zu brennen begann. Ein rotes Glühen erfüllte nun die Gasse und es schien, als wollten sich schon die Pforten der Hölle für ihn auftun. Die massive Backsteinmauer vor ihm schien rotglühend wie Lava zu schmelzen und plötzlich war in ihm nichts anderes als Hass und Wut. Ein schwerer Samtmantel umhüllte seinen Körper und in seiner Hand spürte er das Heft eines Schwertes.
Er hatte den Kopf gesenkt und schon hörte er die schweren Schritte von Mackys Gang hinter sich. Sie näherten sich nur zögerlich. Wellen einer unsichtbaren Energie drangen wie konzentrische Kreise aus seinem Körper. Mit einer anmutigen Bewegung, die ihn sich um 180° drehen ließ, stand er auf. Sein Mantel wehte in einem geisterhaften Wind und machte die Geräusche von schlagenden Schwingen. Augen, schwarz wie die Abgründe der dunkelsten Seele starrten sie hassverzerrt an und auf seiner Stirn hatte sich ein Auge geöffnet, rot glühend, als wäre es aus Feuer geformt.
„Scheiße Jonathan, was ist da mit dir passiert?“, wimmerte Macky vor ihm. Die ganze Gang war stehen geblieben und glotzten ihn angsterfüllt an. „Ich bin Sir Thanathan ap Balor. Was wagt ihr Kreaturen es euch, sich mir in den Weg zu stellen!“ Dunkles Metall blitzte auf als er sein Schwert erhob und das rote Glühen, dass aus seinem dritten Auge trat, ließ es wie Feuer auflodern. Es dauerte eine Weile, bis Thanathan erkannte, dass nicht nur er sich verändert hatte. Mackys Haut war weiß und ledrig, sein Mund voller spitzer Zähne, die scheinbar alles zermalmen konnten. „Gemeiner, du wagst es die Stimme zu erheben ohne, dass ich dich aufgefordert habe? Gegenüber einem Sidhe, einem von adligem Geblüt? Du musst sehr töricht sein.“ Ein raubtierhaftes Grinsen umspielte Thanathans Mund und kaum hatte er zu Ende gesprochen, kam er wie ein Dämon über sie. Macky schlitzte er von links nach rechts den Bauch auf, so dass er auf den Boden fiel. Die anderen bekamen den Knauf seines Schwertes zu spüren oder schafften es rechtzeitig abzuhauen Er war Thanathan ap Balor, ein zum Leben erwachter Alptraum. Sollten sie der Welt verkünden, dass er auf die Erde zurückgekehrt war.
Hoch erhoben über dem reglosen Leib Mackys, ließ er ein schallendes Lachen in die Welt hinaus. Er war zurück.
Es war schon spät und obwohl sein Sohn noch nicht zu Hause war, schien es seinen Vater nicht zu kümmern. Nur in Unterhosen und Unterhemd bekleidet saß er auf der Couch und starrte auf den Fernseher, als plötzlich die Tür aus den Angeln gerissen wurde.
Hoch erhobenen Hauptes trat Thanathan in das Wohnzimmer seiner Wohnung. „Vater, willst du sehen, was deine Lenden gezeugt haben? Einen Schwächling sagst du. Ich will sehen, ob du das noch sagst, wenn diese Nacht vorbei ist.“ Er griff seinen Vater an der Brust, nicht darauf achtend ob er nun Haut und Haar oder das Unterhemd zu fassen bekam und riss ihn hoch auf die Beine. Einen kleinen Augenblick später klirrte es und Thanathan hielt ihn baumelnd gegen die Wand gepresst. „Ein Fleisch gewordener Alptraum, das ist deinen Lenden entsprungen.“ In dieser Nach konnte er seinem Vater alles heimzahlen, was er ihm die Jahre zuvor angetan hatte.
Morgens wachte er in seinem Bett auf. Er sah wieder vollkommen normal aus. Es war, als hätte er alles nur geträumt. Müde und verschlafen durchquerte er die Küche und betrat das Wohnzimmer. Die Verwüstung und die kaputte Tür belehrten ihn eines Besseren.
In der Schule ging ihm jeder aus dem Weg oder sah ihn angsterfüllt an. Von Macky war keine Spur zu sehen, aber er schnappte auf, dass er wohl im Koma lag und ins Krankenhaus gebracht worden war.
Von diesem Tag an war alles anders. Sein Vater schien das Geschehene vergessen zu haben und ein paar Tage später schien auch ie Schule sich zu normalisieren, einzig Macky kehrte nicht zurück. In der Schule ließ man ihn nun in Ruhe und sein Vater behandelte ihn plötzlich ausgesprochen zuvorkommend, auch wenn scheinbar nur er noch Erinnerungen an diese besondere Nacht hatte.
Aber andere Probleme nahmen den Platz der alten ein und manchmal fragte er sich, ob die Neuen nicht noch viel schlimmer waren.
Als er wieder in den Straßen unterwegs war, begegnete er plötzlich anderen, die so waren wie er. Na ja, fast. Es waren Sidhe vom Lichten Hof und sie führten ihn an den Hof König Finns von Ulster, oder sollte man besser sagen, sie entführten ihn? Wie auch immer, sie brachten ihn also nach Emain Macha, oder Navan Fort, wie es heute hieß.
König Finn nahm ihn in Empfang. Fast der ganze Hof schaute zu, denn ein Sidhe, der so offensichtlich dem Haus Balor angehörte, war eine Attraktion, wie man sie schon lange nicht mehr am Hof gesehen hatte.
„Sir Thanathan ap Balor, Ritter des flammenden Auges, was führt Euch an meinen Hof?“ Er war, so wie es sich gehörte, vor dem König auf die Knie gesunken und hatte den Kopf geneigt. Das dritte Auge auf seiner Stirn war geschlossen. Nach seinem Erwachen, seiner Chrysalis hatte er gelernt, dass er es, wie seine anderen Augen auch, problemlos kontrollieren und somit auch öffnen und schließen konnte. Einzig, wenn die Wut oder der Hass wieder in ihm die Überhand gewann, öffnete es sich von selbst und er konnte nichts dagegen tun. Das Blut der Fomorii begann dann in ihm zu kochen und wie einer der dunklen Götter, die die Fomorii waren, stand er dann vor seinen Feinden. Im Moment jedoch war er ruhig.
„Ich bin gekommen, weil ich unter den meinen sein will, weil mir die Gegenwart der Menschen nicht genügt. Ich will unter Feen sein, ich will unter Sidhe sein.“
König Finn lachte leise, aber s war ein höfisches Lachen, klar und ohne Emotionen.
„Ein Balor an einem lichten Hof, wer hätte das gedacht. Was glaubst du denn, erwartet dich hier, wenn ich dir gestatten würde hier zu bleiben. Aber ich will dir eine Chance geben, denn es soll nicht heißen, König Finn von Ulster wäre ohne Gnaden oder hätte kein gutes Herz. Bestehe gegen mich in einem Duell. Nur die Waffen des Traums, kein weltlicher Stahl...“ Etwas schärfer im Tonfall fügte er noch eine versteckte Beleidigung an: „...und kein kaltes Eisen.“
Thanathan wusste, dass er keine Chance haben würde. Er konnte nicht gegen den König bestehen, allenfalls wäre Finn lange nicht mehr König. Doch sein Stolz ließ es nicht zu, diese Herausforderung abzulehnen und er spürte langsam wieder die Wut in sich hochkochen. Das Auge Balors, das seine Stirn zierte, wollte sich bereits öffnen. Diese Chance war eine Farce, die ihn zu einer Belustigung des Hofes werden lassen sollte. Gott, was hasste er die lichten Feen. Er wusste nun, dass er sich an einem lichten Hof niemals lange wohl gefühlt hätte.
Er fühlt sich hin- und hergerissen. Das Duell hielt für ihn keinen Preis breit, sondern eine Strafe und er hatte schon mal gar keine Lust sich zum Affen zu machen, nur weil die Lichten einen Grund brauchten, auch mal bei Hof tüchtig einen ablachen zu dürfen. Immer mehr öffnete sich das Auge und immer mehr kochte er innerlich. Am Ende siegte doch der Stolz. Verdammt, er konnte es einfach nicht ertragen, wenn man ihn als Feigling abstempeln würde.
Also ließ er sich auf das Duell ein.
Erhobenen Hauptes stand er wieder auf und hielt seine rechte Hand offen hin, den Arm weit von sich gestreckt. Er würde ihnen niemals den Gefallen tun und um sein Schwert betteln, aber kein geringeres würde er benutzen. Es war schon seit Äonen in seiner edlen Linie von Generation zu Generation gegeben worden. Es war ein Familienerbstück, eines von zweien die er trug. Der andere war weitaus jünger als das Schwert. Es war der Kalteisendolch, mit dem sein Vater, Thanathans, nicht Jonathans Vater, seinen Bruder erstochen hatte um die Thronfolge annehmen zu können. So sah es aus, eigentlich hätte Thanathan ein Prinz sein sollen. Leider waren ihm da ein paar ältere Brüder im Weg gewesen. Jemand hatte ihm einmal gesagt, sie wären ihm ein Don im Auge gewesen. Dafür hatte dieser die Zunge lassen müssen. Doch eigentlich zählte das alles nicht mehr. Das war in Arkadien gewesen und es war eine der wenigen Erinnerungen, die er sich bewahrt hatte.
Man brachte ihm sein Schwert und König Finn erhob sich ebenfalls, sein eigenes Schwert in der Hand haltend. Erhaben trat er die Stufen von seinem Thron herab und sie begannen damit, sich gegenseitig im Saal zu umkreisen und sich abzuschätzen. Schließlich stürmte Thanathan auf Finn zu, als er meinte eine Lücke ausgemacht zu haben und Stahl traf auf Stahl, Traum traf auf Alptraum, Licht auf Dunkelheit. Funken sprühten und es wechselte von einem kleinen Geplänkel zu einem wilden Kampf. Thanathan fügte Finn einige Schnitte zu, die zum Teil recht tief waren, doch er selbst unterlag. Blutend, zerschunden und zerschnitten sank er vor dem König auf die Knie, das Heft des Schwertes nach wie vor fest umklammert und die Schneide von Finns Schwert an seinem Hals. Erst jetzt, nachdem der Kampf vorbei war, hörte er das raunende Gelächter des Hofstaats und es rauschte in seinen Ohren; es ließ sein Blut kochen. Stiefellecker, Ja-Sager, hielten sich für was besseres, aber er war Balor. Sein Has war zweifach von göttlichem Adel gesegnet. In ihm floss das Blut zweier Linien, das der Tuatha de Danaan und das der Fomorianer. Sie konnten ihn alle mal. König Finn hielt ihm die Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen, aber er schlug die Hand weg und stand trotzig alleine auf. Er sah es nicht ein, sich noch weiter verhöhnen zu lassen.
Kalt verkündete König Finn sein Urteil: „Hört die Worte des Königs, von heute an und für immer sei Sir Thanathan ap Balor, Ritter des flammenden Auges, verbannt aus Ulster. Freies Geleit sei ihm über die Grenzen hinaus gewährt, doch sollte er sie danach je wieder überschreiten, soll ihm keine Gnade zu Teil werden.“
Der König wurde eingehüllt von einem roten Licht. Wieder war es Thanathans Auge, das zornig brannte und den Saal mit seinem wütend pulsierenden Leuchten flutete, doch diesmal hatte er sich im Griff, knapp, aber es gelang ihm mit den Zähnen zu knirschen, sich umzudrehen und aus dem Thronsaal zu stapfen. Das war dann Ulster. Nach Belfast konnte er nicht zurück, denn Belfast lag in Ulster. Besser gesagt, er konnte dort nicht bleiben. Also kehrte er doch dorthin zurück und packte seine restlichen Sachen zusammen in einen Rucksack, donnerte ihn auf den Rücksitz von dem Wagen seines Vaters und stieg ein. Er wollte gerade den Zündschlüssel umdrehen, als ihm auf dem Lenkrad eine kleine zierliche Gestalt auffiel, kaum so groß wie seine Handfläche. Sie grinste ihn verschmitzt an und ließ die Beine in der Luft baumeln. Ach ja, sie war nackt, dunkelblau und hatte rote, schmetterlingsartige Flügel und strubbeliges Haar in der selben Farbe.
Thanathan verdrehte die Augen. „Wer bist du schon wieder?“, stöhnte er genervt. „Ich bin Twix, eine Pixie.“ Thanathan hob skeptisch eine Augenbraue. „Du weist schon, dass du wie ein Schokoriegel heisst?“ Sie sah ihn beleidigt an und zog einen Schmollmund. Irgendwie war sie ja ganz niedlich. „Ok, andere Frage, was willst du hier?“ „Ich dachte mir, du könntest etwas Gesellschaft gebrauchen.“ Damit stand sie auf und flog auf seine Schulter. „Glaub mir, du kannst dir keine bessere vorstellen.“ Irgendwie sollte sie recht behalten.
Twix war seine beste Freundin, na ja, sie war auch seine einzige Freundin, aber hey, wer wird denn kleinlich sein. Thanathan wusste, dass er mit ihr zusammen jeden Mist durchmachen konnte und alle Scheiße bauen konnte, die den beiden in den Sinn kam. Darauf kam es an. Es war echte Freundschaft und es war die erste in seinem Leben.
Heute stand er an einer Klippe in Munster. Er war seit seiner Verbannung aus Ulster quer durch Irland gefahren und nie lange irgendwo geblieben. Die anderen Kithain sollten ihn nicht finden. Er hasste es. Er war ein Balor und eigentlich sollte man ihn allein schon aufgrund seiner Abstammung an jedem Hof willkommen sein. Aber er wollte das nicht, er wollte nicht noch mal zurück an einen Lichten Hof. Die Lichten, die er getroffen hatte, reichten aus, damit die restlichen ihn anwiderten. Er hatte keine Lust auf die Spielchen. Es konnte ihn doch ohnehin niemand dort verstehen. Sein fomorianisches Blut brodelte unter seiner Haut und sein Balor-Erbe machte ihn zu einem Alptraum. Manchmal war ihm danach, sich auf einen Nachtmahr zu setzen und mit flammendem Haar, die apokalyptischen Reiter im Schlepptau, durch die Straßen der Städte zu ziehen und Tod und Verderben zu hinterlassen, aber dazu war es bislang nicht gekommen. Aber so ein Nachtmahr, das wäre schon was tolles. Manchmal sehnte er sich danach, dass sein Auto irgendwann erwacht und als Nachtmahr vor ihm stand. Und es war sein Auto. Jahrelang hatte es seinen Vater zur Arbeit und wieder zurück gekarrt. Fucking Banality! Mit ihm hatte es zusammen Abenteuer erlebt. Er wollte sich am Glamour besaufen, koste es, was es wolle. Wer ihn kannte, nannte ihn Sturmkrähe, denn wo er auftauchte, da war Ärger meistens nicht weit.
Sein Auto stand neben ihm und auf der Motorhaube räkelte sich Twix. Sein Blick wandert kurz zu ihr. Er brauchte die seinen. Twix war zwar seine beste Freundin, aber eine Schimäre konnte nicht auf ewig andere Kithain, andere Sidhe ersetzen. Er musste endlich einen Finsteren Hof finden.
Langsam breitete er die Arme aus und ließ sich einfach fallen. Es heißt, dass man fliegen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt. Eigentlich war er auch nur ein ganz normaler Junge, mit ganz normalen Träumen. Nun ja, fast normal.
 
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