Sturmtänzer

Inconcabille

l.A l.Umière d.E d.Ieu
Registriert
19. Juli 2006
Beiträge
6.693
Oli5.jpg


Wild tanzen die Schneeflocken.. und lassen sich auf dem zierlichen Körper, welcher regungslos zusammen gerollt im Schnee liegt nieder. Kein einziger Laut dringt durch die Wälder, kein Atemzug geht von der angeblichen toten Hülle aus. Doch mit der Stille folgt die Einsamkeit.. und ein innerlicher Ruf, stärker als jeder andere.. ein Verlangen lässt den Körper zu neuem Leben erwachen. Eine Regung, die Flamme im Wind.. wild funken smaragdgrüne Augen auf.. tierisch, gierig und unberechenbar. Nur der Schnee verschleiert so manchen klaren Blick in die Wildnis. Wieder wird die Person ein Teil der Nacht, ein gieriges und dennoch so unendliches freies Raubtier, welches am Tage schläft, und zur Nacht erwacht.. eine sanfte Stimme.. ein Flüstern.. ein Schicksal..

"Es ist so schwer, so unendlich schwer zu Überleben, doch ich.. ich will nicht aufgeben, ich hab es jemanden versprochen, tief in meinem Innern. Ich vermisse ihn so sehr, meinen Vater. Es ist immer noch alles so verwirrend, irritierend, suchend nach dem was ich bin, suchend nach Antworten auf quälende Fragen. Er zog mich auf seinen Schoss, wieder sagte er wie sooft meinen Namen, und sanft legte er meinen Hals frei, ein Flüstern an meinem Ohr.. 'Ich werde tun, was ich dir versprochen habe' ..sagte er sehr leise.. 'ich werde dich befreien.. von allem ..außer dem Schmerz' ..und mit diesen Worten senkten sich seine Fänge in meinen Hals.
Dann war alles ruhig, vollkommende Stille. Ich bin gestorben. "Ja, ja".. wollte ich sagen .. "genau". Meine Lippen bewegten sich, aber sie blieben stumm, doch darauf kam es nicht mehr an, alles was ich jemals hätte sagen wollen, stand mir deutlich vor den Augen. Es gab so viel Zeit, so unendlich viel Zeit, um etwas zusagen, um etwas zu tun. Es gab keinen Grund zur Eile. Verzückung.. ich wusste, was es bedeutete, dieses eine Wort, obwohl ich es nicht laut aussprechen oder meine Lippen bewegen konnte. Ich war körperlos und versank in einem Netz strahlender Träume. Mir fiel auf, das ich nicht mehr atmete. Etwas anderes atmete an meiner Stelle, und zwar genau im Rhythmus der Natur und ich liebte diesen körperlosen ewigen Rhythmus und ich musste nicht mehr atmen oder sprechen oder irgendetwas wissen. Einige Sekunden später hatte ich meinen Körper wieder, mit seinem Gewicht, seinem Leid und Schmerz.
Er schenkte mir die Freiheit, doch der Tribut ist Einsamkeit und Sehnsucht, und immer noch höre ich seine Stimme, so rau und eisig.. 'Lauf mein Kind, lauf und lerne zu überleben'. Und das tat ich auch, ich rannte bis ich nicht mehr konnte, doch dieser quälende Durst wurde immer unerträglicher. Meine Ohren vernahmen ein Geräusch, eine kindliche Stimme und dann sah ich das arme elendige Menschlein, welches sich wimmernd in den Schnee gelegt hatte. Durst.. ich hatte solchen Durst. Behutsam nahm ich den jungen Burschen auf meine Arme, er war gerade einmal 6 Jahre alt.. schätze ich. Mein Körper spannte sich wieder an, bebte innerlich förmlich.. vor Begierde und Verlangen. Ich konnte nicht mehr.. mit schlechten Gewissen biss ich dem jungen Burschen in den Hals. Das Blut floss aus der Wunde und benetzte meine ausgedörrten Lippen.
Meine Zunge leckte das Blut gierig auf. Mich traf es wie einen Peitschenschlag und mit aller Macht gab ich mich der Quelle hin, die meinen Durst wie keine andere je wieder löschen könnte.. dann durchflutete mich eine plötzliche Taubheit, als ob alle meine Glieder langsam einschliefen, und dann war da ein erregendes Prickeln, das sich allmählich steigerte, als mein Körpergefühl von neuem erwachte, aufs Äußerste geschärft war, und die Taubheit durchdrang.
Aber schöner noch war das süße, köstliche Blut, das in mich floss, während ich wieder die Fänge in das junge Fleisch schlug, und dann trank. Mehr, noch mehr, das war alles, woran ich denken konnte, falls ich überhaupt noch einen Gedanken hatte, denn dieser dickflüssige Saft war wie Licht, das in mich drang, meinen Geist zu durchfluten schien, ein warmer, roter Strom, der alle verzweifelten Wünsche meines Lebens tausendfach erfüllte.. Blut und Blut und Blut.
Und nicht nur mein quälender Durst wurde gelöscht, sondern auch mein Verlangen, alles, was ich jemals erstrebt und begehrt hatte. Schwach vernahm ich den Herzschlag.. jenen welchen ich nicht mehr besaß. Ich ließ ab, einen Moment schaute ich etwas hilflos auf die Wunde, wollte sie verdecken, aber ob es der richtige Weg war? Wieder beugte ich mich über den Hals.. blinzelte einen Moment sehr überfragt und dann leckte ich über die Wunde, welche sich verschloss. Innerlich seufzte ich erleichtert auf.. ich lernte. Und was sollte ich nun mit dem fast ausgehauchten Leben machen? Wieder schlug ich wie sooft meine Augen nieder, dann legte ich das Menschlein wieder zurück in den Schnee. Nun sollte Gott entscheiden ..es war nicht mehr meine Aufgabe und ich wollte die Verantwortung auch nicht tragen...
Die Zeit vergeht und dennoch bleibt eine nie gestillte Sehnsucht.."

Die Stimme.. jenes Flüstern wurde leiser.. als es in einem unverständlichem Murmeln unterging. Die smaragdgrünen Augen schlossen sich wieder.. das Tier im Innern wurde wieder ruhiger.. und den zierlichen Körper bedeckte eine weisse Decke aus Schnee.

Einst war ich des Prinzens Ghul.
Beinahe des Toreadors Geliebte.
Knapp entgangen des Lasombras Schatten.
Doch in den Wäldern um Amiens.
Begegnete ich dem Herr der Wälder.
Ich nannte ihn nur.. Sturmtänzer!

rvtaffrailwebs.jpg


Inspiration durch Anne Rice, Bilder von der roten Vampirin. ;)
Ode an meine alte Gangrel.
 
Zurück
Oben Unten