AW: SR und film noir
Ich bin kein großer Freund des"pädagogischen" Karmas, nämlich weil es den meiner Meinung nach den innersten Bereich der Souveränität des Spieler berührt - in äußeren Dingen kann/muss der SL sie wohl manchmal zu bestimmten Aktionen zwingen, aber solche Entscheidungen sollte der Spieler ganz allein fällen dürfen - ohne "Belohnung" oder "Strafe".
Georgios schrieb:
Das wäre dann Shadowrun ohne Magie, Shadowrunner als Helden gegen den "Totalen Kapitalismus" und mit einer Ausrüstungsliste die in ihrer Gesamtheit auf eine Seite passt.
So weit muss man nicht gehen; obwohl ich sicher der erste wäre, der bei einem Magiearmen oder magielosen SR ganz laut "Hier" scheien würde. Nein, für mich wäre das erst mal ein SR-Deutschland ohne Trollkönigreiche und Zwergenherzogtümer, SR ohne Earthdawn-Crossing, dafür vernünftige Ausrüstungspreise, weniger Vampirorden und Gestaltwandler usw.
Das würde ich eher als Haupteigenschaft des Noir bezeichnen. Hard-Boiled in seinen Anfangsphasen (Chandler, Hammett) baut sehr stark auf einem strikten (und damit veralteten) Verhaltenskodex für den Helden auf.
Nein. HB hat eine starke Tendenz zu Antihelden, und überhaupt fast alle auftauchenden charaktere haben Dreck am Stecken. Schau Dir doch mal den Malteser Falken an: dessen Spade ist wahrlich kein besonders moralischer Mensch. Wenn ich mich recht erinnere, ist er in der Verfilmung sogar noch ein größeres Arsch (schläft er auch im Buch mit der Frau seines Partners?). In L.A confidental haben wir eine Prügelcop, ein intrigante Arsch, das vier Unbewaffnete erschießt, und einen PR-Süchtigen Säufer und Kokser als "Helden".
Da würde ich nicht sagen, dass moralisches Handeln eine Haupteigenschaft des Genres sei.
Wenn man bei Shadowrunnerm und ihrer Welt von Beginn an nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden kann,
Moment, jetzt hast Du mich missverstanden. Ich wollte nicht sagen, dass man nicht unterscheiden _
kann_
Sam Spades Monolog am Ende von The Maltese Falcon sagt doch nichts anderes, als das es Werte gibt, die man nicht einfach ignorieren darf, wenn es einem passt.
Viele seiner Handlungen stehen aber in deutlichem Gegensatz zu seinem Resümee. Es mag diese Werte zwar geben, aber dieser Fundus ist in HB und noir (ich halte es für schwer, hier einen Unterschied zu machen) deutlich geschrumpft. Wie gesagt, derjenige, der das sagt, schläft mit der Frau seines Partners, reagiert ziemlich kalt auf dessen Tod, und zumindest im Buch bleibt es offen, ob Spade nun gegen Ende das "unmoralische Angebot", das man ihm macht, nur zum Schein annimmt oder nicht.
Was Marlowe angeht, so ist seine Ritterlichkeit ebenfalls nur eine sehr selektive - hauptsächlich Frauen gegenüber ausgerichtet. Es gibt eine Menge weniger ritterlicher Szenen.
Es ging mir eher darum aufzuzeigen, dass man um seine Runde in Richtung Hard-Boiled oder Noir zu bringen (und dabei nicht nur auf lakonische Voice-Overs, ausgelutschte Beschreibungen und Klischees zurückgreifen will), man das Spiel ernst genug nehmen muss, um zwischen 'moralisch richtig' und 'moralisch falsch' unterscheiden zu wollen.
Moment. Ich sage ja gar nicht, dass kein Unterscheid exestieren soll. Er ist nur lange nicht so deutlich. Und sicher - die Frage, ob hier "gut" gehandelt wird oder nicht, ist sicher ganz extrem wichtig;
gerade in so einer grauen Welt,
gerade weil die Grenzen oft nicht klar sind und eben
weil nicht nach jeder guten Tat sozusagen die große Hand aus dem Himmel kommt und einem den Hinterkopf tätschelt.
Ich würde aber sagen, das diese Sache allein eine der Spieler und ihrer Entscheidungen ist, nicht der Regeln. Und die WH-Lösung, die anderen einfach als "die Bösen" abzustempeln, halte ich nicht für sehr elegant, und auch nicht dem angestrebten Genre angemessen, sondern eher für plump und sehr "amerikanisch" (bitte die Anführungszeichen mitlesen, das soll jetzt kein Ami-Bashing sein. Man kann auch statt dessen "Hollywood" sagen)
Ich will, dass der Speiler ganz ähnlich wie eben z.B. Marlowe am Ende die Gewissheit hat, für seine Handlung nie eine Belohnung, vielleicht nicht einmal ein Dankeschön zu bekommen einzige Belohnung ist dann die Befriedigung, das richtige getan zu haben, oder eben nicht. (Wann hat Marlowe je das schöne Mädchen, die Kohlen und den Moralpreis bekommen?)