Allgemein SR und film noir

Mibo

Das Brot sagt Toast
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1. Februar 2006
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Shadorwun einerseits und andererseits die Szenerie der flm noir bzw der hard boiled detective story a la Hammet oder Chandler mit ihrem Sam Spade oder Phil Marlowe, oder in neuerer Auflage James Elroy mit Black Dahlia oder L.A. Confidental: die große Stadt, Korruption überall in de rGesellschaft, die Polizei eher ein Teil des Problems als der Lösung, alles und jeder in moralischem Dunkelgrau, und ziemlich viel Verbrechen und Gewalt in fast gesetzloser Umgebung.
Das sind ziemlich viele Ähnlichkeiten, und langsam stelle ich mir die Frage, ob und wie man die literarischen Vorlagen für SR umsetzen kann. Hat das mal jemand gemacht und Erfahrungen damit?
 
AW: SR und film noir

Film Noir war eine der Wurzeln des Cyberpunkgenres, insofern bietet es sich mehr als gut an.
Forciert eingebaut habe ich solche Elemente aber nie - sie kamen einfach nebenher mit rein wie es gerade gepasst hat.
 
AW: SR und film noir

Die Hard Boiled Einflüsse bei Gibson sind recht offensichtlich. Da Shadowrun sich zu großen Teilen am Cyberpunk von Gibson orientiert, ist es kein Wunder dass man dort noch die Wurzeln erahnen kann.

Shadowrun jedoch mit Hard Boiled Elementen zu würzen halte ich für verfehlt. Dafür ist das gesamte Spiel einfach so dermassen Gonzo, dass man nicht nur das Setting, sondern auch die Regeln und am Besten noch die Spieler umkrempeln müsste. Wenn man so weit geht, kann man auch gleich ein ganz anderes Spiel nehmen.

Hard Boiled hat eine Ernsthaftigkeit was die Welt und die Taten der Charaktere angeht, die sich meiner Erfahrung nach nicht mit Shadowrun vereinbaren lässt. Man könnte sich höchstens bei Frank Millers Verballhornung (Sin City) bedienen und sie in SR einbinden. Dessen Gewalt und Figuren haben was von Guignol und Splatter, wofür SR-Runden geradezu prädestiniert sind.
 
AW: SR und film noir

2BuG: Hmh - ist mir noch nie aufgefallen. (Wink: was an mangelnder quantität liegen kann)

Georgios: Das ist jetzt natürlich sehr deutungsoffen, was du mit "Gonzo" meinst ... und an regeltechnische Konsequenzen habe ich noch gar nicht gedacht. Was wäre da zu tun?
Das erste größere Problem, auf das man IMO trifft, ist, dass es sich bei hbds um typsiche Einzelgängersachen handelt -wenn auch nicht ausschließlich. aber es wäre was für eher kleine Gruppen, oder ein Solo.
 
AW: SR und film noir

Bah. Noch kein eindeutiges Symptom.
(Würde Fed dagegen Trenchcoat tragen und aus eine Flasche in seiner Schublade Bourbon trinekn...und ab und zu eine über den Schädel bekommen...)
 
AW: SR und film noir

Georgios: Das ist jetzt natürlich sehr deutungsoffen, was du mit "Gonzo" meinst ...

Entschuldige, mein Fehler. Ich habe den Begriff in letzter Zeit nur häufig in meinem Umfeld benutzt. Mit Gonzo meine ich die enthusiastische, unvoreingenommene Art alles in seine Rollenspielrunde zu schmeissen was irgendwie cool wirkt oder Spaß machen könnte. Man könnte es vielleicht als Lust am Spektakel beschreiben. Das Spiel wird nicht so ernst genommen, als das man groß über das Geschehen sinniert. Es geht darum es in der Runde ordentlich krachen zu lassen und seinen Spaß dabei zu haben 'ne coole Sau zu sein.

Ich denke, diese Einstellung ist bei Shadowrun tief verwurzelt und meiner Meinung nach nur mit viel Mühe aus dem Spiel zu bekommen. (Wenn dem nicht so wäre, wäre das Spiel wohl auch kaum so erfolgreich.)

...und an regeltechnische Konsequenzen habe ich noch gar nicht gedacht. Was wäre da zu tun?

Ich denke ein wichtiger Punkt bei Hard-Boiled ist ein moralischer Verhaltenskodex, der die Helden von den Bösewichtern unterscheidet und sie mit einer womöglich amoralischen Welt hadern lässt. (Noir sehe ich als Weiterenwicklung von Hard-Boiled an, die mit genau diesem Gegensatz spielt und zum Teil bricht.)

Die Sache ist, dass das SR-Setting einem keinen Grund liefert sich einen solchen Verhaltenskodex zuzulegen oder sich gar an ihn zu halten und die Regeln keine Auseinandersetzung damit provozieren. Aber gerade dass ist es, wie ich finde, was Hard Boiled ausmacht. Wenn deine Spieler natürlich eh darauf hinspielen wollen, dann brauchst du weder Setting noch Regeln, die dir diese Dinge liefern.

Shadowrun spielt sich meiner Erfahrung nach vollkommen wertefrei. Alles ist erlaubt, so lange es Geld bringt und man es ordentlich krachen lassen kann oder wie eine coole Sau dabei aussieht. Der SL muss sich schon als Ethikpädagoge für die Gruppe verstehen ("Du hast dich böse verhalten, dafür gibt's weniger Karma."), um diese (wie ich finde für Hard-Boiled wichtige) Ebene ins Spiel zu bringen.

Hard-Boiled nimmt das Innenleben der Charaktere und ihren moralischen Charakter ernst, bei Shadowrun ist es für den Spielablauf irrelevant und deshalb nur schmückendes Beiwerk. Ich habe meine Zweifel daran, ob sich das überbrücken lässt ohne ein völlig anderes Spiel daraus zu machen.

Das erste größere Problem, auf das man IMO trifft, ist, dass es sich bei hbds um typsiche Einzelgängersachen handelt -wenn auch nicht ausschließlich. aber es wäre was für eher kleine Gruppen, oder ein Solo.

Das ist, je nach Reifegrad der Spieler, weniger ein Problem. Falls die Spieler nicht versuchen sich gegenseitig als Alpha-männchen zu übertrumpfen, statt jeden in seiner Nische glänzen zu lassen, lässt sich da schnell ein gutes Gleichgewicht finden.
 
AW: SR und film noir

Georgios schrieb:
Mit Gonzo meine ich die enthusiastische, unvoreingenommene Art alles in seine Rollenspielrunde zu schmeissen was irgendwie cool wirkt oder Spaß machen könnte.

Hmh...zugegeben, hört sich sehr nach SR an.

Man könnte es vielleicht als Lust am Spektakel beschreiben. Das Spiel wird nicht so ernst genommen, als das man groß über das Geschehen sinniert. Es geht darum es in der Runde ordentlich krachen zu lassen und seinen Spaß dabei zu haben 'ne coole Sau zu sein.

Leider schafft man so aber nur ein spaßigen Abend, aber mehr auch nicht :(

Glücklicherweise ist das offizielle, vor allem das deutsche SR zwar sehr davon durchtränkt, aber es ist nicht zwingend, d.h. man kann es rauslassen, wenn man will. Z.B. zugunsten von mehr noir.


Was moralischen Verhaltenskodex angeht: ich denke nicht, dass ein entsprechendes system Reglen für Moral bräuchte. Im Gegenteil. Hard boiled Novels und auch noir zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass eigentlich alle Dreck am Stecken haben, einschließlich der "Helden". Sam Spade ist eigentlich genauso ein Arschloch wie Ed Exley; Marlowe ist da fast untypisch "gut". Der Unterscheid zu den "Bösen" ist fast nur noch graduell. hard boilde und noir isnd mindestens ebens wertfrei wie Shadowrun.

Alles ist erlaubt, so lange es Geld bringt und man es ordentlich krachen lassen kann oder wie eine coole Sau dabei aussieht.

Genau das ist die Maximer vieler Hb-Helden; Sam spade handelt - vom Punkt coolness abgesehen, denn das war damals erstens noch nicht erfunden und zweitens ist Sam Spade per se cool, spätestens seit er von Bogart verkörpert wurde - nach genau derselben Maxime.


Außerdem: Moral ist etwas, was sich schlecht in Regeln fassen lässt. Es ist das, was durch's Spiel rauskommt. durch das ausgespielte Handlen der Charaktere. Von daher schon schlecht in Regeln zu packen.

Das ist, je nach Reifegrad der Spieler, weniger ein Problem. Falls die Spieler nicht versuchen sich gegenseitig als Alpha-männchen zu übertrumpfen, statt jeden in seiner Nische glänzen zu lassen, lässt sich da schnell ein gutes Gleichgewicht finden.

Sehe ich leider ähnlich; mit ein Grund dafür, dass ich - wenn überhaupt - so etwas am ehesten wohl als solo oder in kleiner Gruppe realisieren kann.
 
AW: SR und film noir

Leider schafft man so aber nur ein spaßigen Abend, aber mehr auch nicht :(

Das sehe ich nicht so. Man kann sehr wohl viel und lange Spaß mit unverändertem Shadowrun haben. Gonzo spielen heißt ja nicht blöd spielen, sondern auf gefälliges Spektakel hin spielen und sich dabei nicht zu ernst nehmen. Das kann über Bord gehen und ins Lächerliche abgleiten, muss (und sollte) es aber nicht.

Glücklicherweise ist das offizielle, vor allem das deutsche SR zwar sehr davon durchtränkt, aber es ist nicht zwingend, d.h. man kann es rauslassen, wenn man will. Z.B. zugunsten von mehr noir.

Das wäre dann Shadowrun ohne Magie, Shadowrunner als Helden gegen den "Totalen Kapitalismus" und mit einer Ausrüstungsliste die in ihrer Gesamtheit auf eine Seite passt. Ich denke da würden dir die Spieler schneller weglaufen als bei einem Lilo-Wanders-LARP.

Was moralischen Verhaltenskodex angeht: ich denke nicht, dass ein entsprechendes system Reglen für Moral bräuchte. Im Gegenteil. Hard boiled Novels und auch noir zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass eigentlich alle Dreck am Stecken haben, einschließlich der "Helden".

Das würde ich eher als Haupteigenschaft des Noir bezeichnen. Hard-Boiled in seinen Anfangsphasen (Chandler, Hammett) baut sehr stark auf einem strikten (und damit veralteten) Verhaltenskodex für den Helden auf. Bei Noir wird explizit damit gebrochen, bzw. Noir funktioniert erst dann, wenn man vorher von einem Hard-Boiled Helden ausgeht. Der Grund weshalb der Morast bei Noir so packend ist, ist doch dass man vorher zwischen gut/böse unterscheiden konnte. Wenn eh alles die gleiche Soße ist, dann ist das nicht packend sondern normal. Wenn man bei Shadowrunnerm und ihrer Welt von Beginn an nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden kann, dann ist auch das ewige Grau nicht packend, sondern einfach nur egal. Damit vollkommen wertefrei.

Ich würde behaupten, dass du erst wenn du 'gut' und 'böse' im Shadowrun-Setting fest verankern kannst (am Besten auf eine Art und Weise, die in die Missions-Struktur der Abenteuer passt), kannst du damit anfangen mit Hard-Boiled oder Noir-ähnlichen Spannungen zu spielen.

Wenn jeder nur ein amoralischer Drecksack ist, der seinen besten Kumpel für ein paar Nuyen verkaufen würde, landest du bei der oben erwähnten Verballhornung im Stile von Sin City. Mir persönlich ist sie zwar verhasst, aber ich weiß dass es auch viele Leute gibt, die sich gerne am düsteren Glamour des menschlichen Abschaums erfreuen.

Der Unterscheid zu den "Bösen" ist fast nur noch graduell. hard boilde und noir isnd mindestens ebens wertfrei wie Shadowrun.

Oha. Ich sehe ehrlich gesagt in keinster Weise wie man so eine Behauptung mit den Originaltexten vereinbaren kann. Hard-Boiled ist nicht einmal ansatzweise wertfrei. Sam Spades Monolog am Ende von The Maltese Falcon sagt doch nichts anderes, als das es Werte gibt, die man nicht einfach ignorieren darf, wenn es einem passt. Die Ritter-Metapher in The Big Sleep ist direkt auf Phillip Marlowe gemünzt: ein ehrenvoller Ritter in einer Welt, in der er vergeudet ist. Hard-Boiled mit wertfrei gleichzusetzen halte ich für grundlegend verfehlt.

Außerdem: Moral ist etwas, was sich schlecht in Regeln fassen lässt. Es ist das, was durch's Spiel rauskommt. durch das ausgespielte Handlen der Charaktere. Von daher schon schlecht in Regeln zu packen.

Ich meinte hier auch nicht irgendwelche plumpen Humanity-Checks aus der WoD oder Sorcerer. Es ging mir eher darum aufzuzeigen, dass man um seine Runde in Richtung Hard-Boiled oder Noir zu bringen (und dabei nicht nur auf lakonische Voice-Overs, ausgelutschte Beschreibungen und Klischees zurückgreifen will), man das Spiel ernst genug nehmen muss, um zwischen 'moralisch richtig' und 'moralisch falsch' unterscheiden zu wollen. Das kann man indem man etwa die Regeln damit verknüpft (bei Dogs in the Vineyard sehr effektiv gemacht) oder das Setting klar zwischen den beiden unterscheiden lässt. Bei Warhammer ist letzteres recht clever gelöst, indem die Opposition in einem Abenteuer der Charaktere auch immer das abgrundtief böse Chaos darstellt. Dadurch das man gegen ein definitiv greifbares 'Böses' antritt, kann man sich dazu positionieren und selber viel, wenig oder gar nicht 'gut' sein.
 
AW: SR und film noir

Der SL muss sich schon als Ethikpädagoge für die Gruppe verstehen ("Du hast dich böse verhalten, dafür gibt's weniger Karma."), um diese (wie ich finde für Hard-Boiled wichtige) Ebene ins Spiel zu bringen.

Genau dieser Ansatz - also der Weg diese Ebene per Karma in den Spielregeln zu realisieren - findet sich ja auch im offiziellen Shadowrun. Besonders deutlich wird das bei früheren Veröffentlichungen (mein Lieblingsbeispiel: DNA/DOA), aber auch später kann man das immer wieder erkennen.

Mit der Zeit hat sich die offizielle Darstellung aber immer weiter davon distanziert - leider wie ich finde -, ich kann da zwar nur spekulieren, aber mich hat immer wieder der Verdacht beschlichen, dies geschähe im Rahmen eines merkwürdigen Versuchs "erwachsener" (oder doch gleich "darker"? :ROFLMAO:) zu wirken.

mfG
bca
 
AW: SR und film noir

Geht mir auch so: Ich war ein Fan des moralischen Karmas. Obwohl der Effekt effektiv rein kosmetisch war (da es alle Spieler bekommen) hat es einen zusätzlichen Anreiz dazu dargestellt nicht einfach einen brandstiftenden, folternden und Zeugen in Säure auflösenden Psycho zu führen, sondern sich von Zeit zu Zeit Gedanken dazu zu machen was der Charakter da tut und ob es wirklich dermaßen notwendig ist um den Job zu erfüllen.

Wobei die Regel meiner Erfahrung nach von den meisten anderen Spielern ignoriert wurde (weil sie etwas versteckt ist/unrealistisch ist/"es nun mal eine harte und brutale Welt ist").
 
AW: SR und film noir

Ich bin kein großer Freund des"pädagogischen" Karmas, nämlich weil es den meiner Meinung nach den innersten Bereich der Souveränität des Spieler berührt - in äußeren Dingen kann/muss der SL sie wohl manchmal zu bestimmten Aktionen zwingen, aber solche Entscheidungen sollte der Spieler ganz allein fällen dürfen - ohne "Belohnung" oder "Strafe".




Georgios schrieb:
Das wäre dann Shadowrun ohne Magie, Shadowrunner als Helden gegen den "Totalen Kapitalismus" und mit einer Ausrüstungsliste die in ihrer Gesamtheit auf eine Seite passt.

So weit muss man nicht gehen; obwohl ich sicher der erste wäre, der bei einem Magiearmen oder magielosen SR ganz laut "Hier" scheien würde. Nein, für mich wäre das erst mal ein SR-Deutschland ohne Trollkönigreiche und Zwergenherzogtümer, SR ohne Earthdawn-Crossing, dafür vernünftige Ausrüstungspreise, weniger Vampirorden und Gestaltwandler usw.

Das würde ich eher als Haupteigenschaft des Noir bezeichnen. Hard-Boiled in seinen Anfangsphasen (Chandler, Hammett) baut sehr stark auf einem strikten (und damit veralteten) Verhaltenskodex für den Helden auf.

Nein. HB hat eine starke Tendenz zu Antihelden, und überhaupt fast alle auftauchenden charaktere haben Dreck am Stecken. Schau Dir doch mal den Malteser Falken an: dessen Spade ist wahrlich kein besonders moralischer Mensch. Wenn ich mich recht erinnere, ist er in der Verfilmung sogar noch ein größeres Arsch (schläft er auch im Buch mit der Frau seines Partners?). In L.A confidental haben wir eine Prügelcop, ein intrigante Arsch, das vier Unbewaffnete erschießt, und einen PR-Süchtigen Säufer und Kokser als "Helden".
Da würde ich nicht sagen, dass moralisches Handeln eine Haupteigenschaft des Genres sei.

Wenn man bei Shadowrunnerm und ihrer Welt von Beginn an nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden kann,

Moment, jetzt hast Du mich missverstanden. Ich wollte nicht sagen, dass man nicht unterscheiden _kann_



Sam Spades Monolog am Ende von The Maltese Falcon sagt doch nichts anderes, als das es Werte gibt, die man nicht einfach ignorieren darf, wenn es einem passt.

Viele seiner Handlungen stehen aber in deutlichem Gegensatz zu seinem Resümee. Es mag diese Werte zwar geben, aber dieser Fundus ist in HB und noir (ich halte es für schwer, hier einen Unterschied zu machen) deutlich geschrumpft. Wie gesagt, derjenige, der das sagt, schläft mit der Frau seines Partners, reagiert ziemlich kalt auf dessen Tod, und zumindest im Buch bleibt es offen, ob Spade nun gegen Ende das "unmoralische Angebot", das man ihm macht, nur zum Schein annimmt oder nicht.
Was Marlowe angeht, so ist seine Ritterlichkeit ebenfalls nur eine sehr selektive - hauptsächlich Frauen gegenüber ausgerichtet. Es gibt eine Menge weniger ritterlicher Szenen.


Es ging mir eher darum aufzuzeigen, dass man um seine Runde in Richtung Hard-Boiled oder Noir zu bringen (und dabei nicht nur auf lakonische Voice-Overs, ausgelutschte Beschreibungen und Klischees zurückgreifen will), man das Spiel ernst genug nehmen muss, um zwischen 'moralisch richtig' und 'moralisch falsch' unterscheiden zu wollen.

Moment. Ich sage ja gar nicht, dass kein Unterscheid exestieren soll. Er ist nur lange nicht so deutlich. Und sicher - die Frage, ob hier "gut" gehandelt wird oder nicht, ist sicher ganz extrem wichtig; gerade in so einer grauen Welt, gerade weil die Grenzen oft nicht klar sind und eben weil nicht nach jeder guten Tat sozusagen die große Hand aus dem Himmel kommt und einem den Hinterkopf tätschelt.
Ich würde aber sagen, das diese Sache allein eine der Spieler und ihrer Entscheidungen ist, nicht der Regeln. Und die WH-Lösung, die anderen einfach als "die Bösen" abzustempeln, halte ich nicht für sehr elegant, und auch nicht dem angestrebten Genre angemessen, sondern eher für plump und sehr "amerikanisch" (bitte die Anführungszeichen mitlesen, das soll jetzt kein Ami-Bashing sein. Man kann auch statt dessen "Hollywood" sagen)

Ich will, dass der Speiler ganz ähnlich wie eben z.B. Marlowe am Ende die Gewissheit hat, für seine Handlung nie eine Belohnung, vielleicht nicht einmal ein Dankeschön zu bekommen einzige Belohnung ist dann die Befriedigung, das richtige getan zu haben, oder eben nicht. (Wann hat Marlowe je das schöne Mädchen, die Kohlen und den Moralpreis bekommen?)
 
AW: SR und film noir

Ich bin kein großer Freund des"pädagogischen" Karmas, nämlich weil es den meiner Meinung nach den innersten Bereich der Souveränität des Spieler berührt - in äußeren Dingen kann/muss der SL sie wohl manchmal zu bestimmten Aktionen zwingen, aber solche Entscheidungen sollte der Spieler ganz allein fällen dürfen - ohne "Belohnung" oder "Strafe".

In seiner Entscheidungsfreiheit ist der Spieler ja auch nicht eingeschränkt. Seine Entscheidungen haben allerdings Konsequenzen. Und zwar Konsequenzen die - nach dieser Regelung, beziehungsweise Abwandlungen davon - spürbar machen was "gut" und "böse" ist.
Die Existenz von Gut und Böse, sogar in einem ganz naiven Sinne, das ist für mich gerade das, was den phantastischen im Sinne von Fantasy Aspekt von Shadowrun weit mehr ausmacht, als alle Drachen, Zauberer und Geister zusammen.

mfG
bca
 
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Nein. HB hat eine starke Tendenz zu Antihelden, und überhaupt fast alle auftauchenden charaktere haben Dreck am Stecken.

Doch. Was die Helden bei Hard-Boiled eben ausmacht, ist der fehlende Opportunismus. Sie sind ihren Prinzipien treu, während die Welt um sie herum für Geld und Macht alles tut, und stehen gerade deshalb so schlecht da.

Schau Dir doch mal den Malteser Falken an: dessen Spade ist wahrlich kein besonders moralischer Mensch. Wenn ich mich recht erinnere, ist er in der Verfilmung sogar noch ein größeres Arsch (schläft er auch im Buch mit der Frau seines Partners?). In L.A confidental haben wir eine Prügelcop, ein intrigante Arsch, das vier Unbewaffnete erschießt, und einen PR-Süchtigen Säufer und Kokser als "Helden".

Wenn ich hier von "Helden" spreche, dann meine ich keine Jesus-ähnlichen Heiligen. Ich bezeichne diese Personen als Helden, weil sie die Sympathien des Lesers bekommen und die Erzählung ihre Aufmerksamkeit auf sie richtet. Natülich bedienen sich Spade und Marlowe der Gewalt, der Irreführungen und der Manipulation um ihr Ziel zu erreichen. Trotzdem stehen sie am Ende als bessere Menschen da, als die Leute mit denen sie sich auseinander gesetzt hatten. Vor allem aber haben sie ein Gewissen, dass sich meldet, wenn sie sich nicht so benehmen wie sie es für richtig befinden. Wenn Marlowe Canino in The Big Sleep erschießt, dann sagt er dass er ihn wie einen Gentleman noch mal hätte schießen lassen könnte, es ihm aber zu gefählich ist. Sein Abschluss-monolog drückt nichts anderes aus, als dass er unter seinem schlechten Gewissen leidet.

Der moralische Verhaltenskodex der Hard-Boiled Helden lässt sich auch als Gewissenhaftigkeit formulieren. Wenn sie 'falsches' tun, dann bleibt das an ihnen haften. Sie verändern dann nicht eben ihre Vorstellungen von richtig und falsch, um abends besser einzuschlafen.

Moment, jetzt hast Du mich missverstanden. Ich wollte nicht sagen, dass man nicht unterscheiden _kann_

Ich weiß. Ich sage, dass man es nicht kann. Dass es im Shadowrun-Setting kein 'richtig' oder 'falsch' gibt, es sei denn die Gruppe setzt sich selbst diese Kategorien. Ich behaupte, dass es nicht viele SR-Gruppen gibt, die das so sehr interessiert, dass sie sich die Mühe machen sich mit dem Setting auseinanderzusetzen und dass es noch viel weniger SR-Gruppen gibt, die dann aus eigener Motivation heraus sich mit genau diesem Spannungsfeld auseinandersetzen will.

Aber genau dass ist es, was Hard-Boiled (und später Noir) so spannend macht. Shadowrun spielt sich am ehesten wie GTA, was nun wirklich kein Spiel ist, bei dem 'richtig' und 'falsch' irgendeine Bedeutung für den Spieler hat.

Moment. Ich sage ja gar nicht, dass kein Unterscheid exestieren soll. Er ist nur lange nicht so deutlich. Und sicher - die Frage, ob hier "gut" gehandelt wird oder nicht, ist sicher ganz extrem wichtig; gerade in so einer grauen Welt, gerade weil die Grenzen oft nicht klar sind und eben weil nicht nach jeder guten Tat sozusagen die große Hand aus dem Himmel kommt und einem den Hinterkopf tätschelt.

Meine Rede. Kein Karma vom SL, dass einen belohnt. Auch keine Humanity-Checks oder ähnliches. Aber für Hard-Boiled muss das Setting Eckpunkte für richtig/falsch liefern. Es reicht nicht, dass eine Mutter Theresa-NPC in irgendwelchen Erweiterungsbänden rumäuft; die Spielergruppe muss im Laufe ihres Abenteuers (dem Run) sich damit auseinandersetzen müssen 'richtig' oder 'falsch' zu handeln. Bei Vampire wird das Ganze aus der Gegenrichtung ins Spiel verankert: als Vampir musst du Menschen töten (oder irgendwie anders um die Runden kommen). Etwas was die Spieler offensichtlich als 'falsch' empfinden, aber durch das Spielkonzept dazu genötigt werden. Je nachdem wie sich der Charakter mit dieser Problematik auseinander setzt, kann man zwischen 'guten' oder 'bösen' Charakteren unterscheiden. (Wenn denn die Gruppe auf diesen Aspekt des Spiels Wert legt. Ich habe auch von Runden gehört, wo das in 3-4 Sätzen abgehandelt wird, bevor man es richtig krachen lässt und wie 'ne coole Sau dasteht.)

Ich würde aber sagen, das diese Sache allein eine der Spieler und ihrer Entscheidungen ist, nicht der Regeln. Und die WH-Lösung, die anderen einfach als "die Bösen" abzustempeln, halte ich nicht für sehr elegant, und auch nicht dem angestrebten Genre angemessen, sondern eher für plump und sehr "amerikanisch" (bitte die Anführungszeichen mitlesen, das soll jetzt kein Ami-Bashing sein. Man kann auch statt dessen "Hollywood" sagen)

WFRP ist britisch. Hard-Boiled ist amerikanisch. Ich verstehe da nicht so ganz was du meinst.

WFRP spielt sich nicht als plumpes Gut/Böse-Schattentheater, sondern immer als dreckig, fies und gemein. Eben da die Gonzo-Einstellung der Spieler im Kontrast zum 'puren Bösen' des Settings steht. Ich erlebe es auch immer wieder, dass WFRP-Spieler früher oder später, dann doch versuchen das 'Richtige' zu tun. Obwohl es dafür so gut wie nie Geld, Ruhm oder Ehre gibt. Ich behaupte, dass es diese Motivation weit seltener gäbe, wenn die Opposition im Setting nur aus Egoisten bestehen würde. Eben weil es in einem solchen Setting nichts gibt, zu dem man seine Charaktere positionieren kann.

Ich habe A|state nicht gespielt, aber was ich davon gehört habe, baut es auf einer ähnlichen Idee auf.

Ich will, dass der Speiler ganz ähnlich wie eben z.B. Marlowe am Ende die Gewissheit hat, für seine Handlung nie eine Belohnung, vielleicht nicht einmal ein Dankeschön zu bekommen einzige Belohnung ist dann die Befriedigung, das richtige getan zu haben, oder eben nicht. (Wann hat Marlowe je das schöne Mädchen, die Kohlen und den Moralpreis bekommen?)

Ich habe kein Wort davon gesagt, dass die Spieler belohnt werden sollen, wenn sie das Richtige tun. Aber wie soll man sich entscheiden das 'Richtige' zu tun, wenn es nichts 'falsches' gibt, gegen dass man sich entscheidet? Schlimmer noch, 'falsch' wird allein daran gemassen, was erfolgreich ist. Falsch ist bei SR das was kein Geld bringt oder einen umbringt; die Unterscheidung ist rein ergebnisorientiert. Das lässt sich nicht mit der Art von Entscheidungen vereinbaren, die einen typischen Hard-Boiled Held ausmachen.
 
AW: SR und film noir

Ich habe A|state nicht gespielt, aber was ich davon gehört habe, baut es auf einer ähnlichen Idee auf.

Tut es. Und da es sich ja auch vieler Dark Future/Cyberpunk-Versatzstücke bedient halte ich das auch für einen sehr guten Vergleich zu Shadowrun.
Der Unterschied (wenn man von den ganzen Oberflächlichkeiten absieht, und eng beim Threadthema bleibt) liegt hier meiner Meinung nach vor allem darin, dass sich a/state recht konsequent bemüht besagte Ebene ins Spiel einzubeziehen oder sogar in den Vordergrund zu rücken. Dies ist ein Unterschied in der Präsentation, a/state könnte leicht so Gonzo sein wie Shadowrun, und umgekehrt, ohne die Hintergründe an sich zu verändern.

mfG
bca
 
AW: SR und film noir

Dies ist ein Unterschied in der Präsentation, a/state könnte leicht so Gonzo sein wie Shadowrun, und umgekehrt, ohne die Hintergründe an sich zu verändern.

Diesen Punkte sollte man nicht unterschätzen. Ich würde sagen, dass Präsentation teilweise das Verständnis formt und damit auch das Spielverhalten beeinflussen kann.

Die Versatzstücke für Hard-Boiled sind in SR schon vorhanden. Der Aufwand jedoch die gesamten Spielelemente neu zu arrangieren, damit am Ende ein Spiel entsteht welches der Hard-Boiled Tradition folgt, ist meiner Meinung nach nicht zu unterschätzen und hält mich zumindest von einem solchen Unterfangen ab. Da man ja - da SR so bekannt und weit verbreitet ist - auch noch gegen feste Vorstellungen und liebgewonnene Spielarten arbeiten muss.
 
AW: SR und film noir

Georgios, ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Ich hab ja nichts generell gegen eine moralische Kategorie. Auch nichts dagegen, das ins Spiel einzubringen.
Ich habe nur was gegen einen entsprechenden Regelmechanismus. Seien das jetzt Gesinnungspunkten oder Sanity-Tests.

2BuG:
In seiner Entscheidungsfreiheit ist der Spieler ja auch nicht eingeschränkt. Seine Entscheidungen haben allerdings Konsequenzen. Und zwar Konsequenzen die - nach dieser Regelung, beziehungsweise Abwandlungen davon - spürbar machen was "gut" und "böse" ist.
Die Existenz von Gut und Böse, sogar in einem ganz naiven Sinne, das ist für mich gerade das, was den phantastischen im Sinne von Fantasy Aspekt von Shadowrun weit mehr ausmacht, als alle Drachen, Zauberer und Geister zusammen.

Klar, wie gesagt, es _gibt_ natürlich gut und böse. Und natürlich hat das Konsequenzen. Aber rein Inplay (wobei die Konsequenz des Bösen meist verlockender sein wird als dei des Guten)
Es sollte IMO nicht wie z.B. mehr Karma sein. (wobei "Mehr Karma" noch die Lösung wäre, mit der ich mich am ehesten anfreunden könnte)

Und nicht zuletzt setzt so ein "pädagogischer SL" voraus, dass er, der SL, besser weiß und erkennen kann, was gut und was böse ist als die Spieler. Was macht man, wenn es zu anderen Auffassungen kommt? Ob ein bestialischer Mord moralsich ist oder nicht, wird meisten klar sein. Aber wie sieht es bei einem Grenzfall aus? Was, wenn z.B. ein Spieler eine Arztes es für richtig hält, einem Todkranken NPC seine Diagnose zu verschweigen, der SL es aber anders sieht?
 
AW: SR und film noir

Ich habe nur was gegen einen entsprechenden Regelmechanismus. Seien das jetzt Gesinnungspunkten oder Sanity-Tests.

Dann sind wir da einer Meinung. Aber schau dir mal Dogs in the Vineyard an und schau mal wie dort Gewissensfragen in die Regeln und den Spielverlauf eingefügt werden, ohne dabei auf Gesinnungspunkte, Sanity-Tests oder ähnliches zu greifen. Der Spieler muss diese Entscheidungen im Namen seines Charakters fällen und kann sie nicht auf einen Würfelwurf oder Punktevergabe abwälzen. Wird das dann noch mit der Settingdefinition von 'richtig' und 'falsch' verknüpft (die Doktrin die im Buch des Lebens steht), so haben die Spieler hier die Möglichkeit mit ihren Charakteren Stellung zu beziehen und sich mit ähnlich vertrackten, 'moralisch grauen' Situationen herzumzuschlagen. Denn Regeln sind halt nicht nur dafür da, um während einer begnadeten Erzählung ignoriert zu werden. Sie können auch dabei helfen, immer wieder tolle, spannende und packende Erzählmomente/Situationen zu produzieren. Vor allem weil es auch spannender ist, wenn solche Momente nicht immer vom SL ausgehen, sondern so unkontrolliert entstehen können wie in anderen Spielen der Ausgang eines Kampfes.

Gewissenhaftigkeit der Charaktere ins Spiel zu bringen, lässt sich mit mit der Kombination aus Regeln und Setting gut machen. Vor allem wird sie dadurch eben nicht nur schmuckes Beiwerk, dass man ignorieren kann, wenn es einem nicht passt; sondern zu einem wichtigen Bestandteil des Spiels. Um etwas ähnliches bei SR zu erreichen, müsste man wohl viel Arbeit in das Setting stecken und darauf hoffen, dass die Spieler gewillt sind sich vom typischen SR zu lösen und dem Gewissen ihrer Charaktere genausoviel Aufmerksamkeit zu schenken, wie ihren Boni auf Aufgriffswürfe.
 
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