Rollenspieltheorie RPG vs. Computer Entscheidungsfreiheit

Sadric

Sethskind
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8. August 2008
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Ich spiele mit meinen Sohn unregelmäßig die Savage Worlds Kampagne War of the Dead.
Gleichzeitig habne wir die Feiertage genutzt um zusammen das Walking Dead Computerspiel zu zocken.
Dabei haben wir die beiden Story's, Handlungen etc. verglichen und über RPG und Computerspiele diskutiert.

Bei Walking Dead gab es einige Stellen (Hershels Farm) wo man sich entscheiden konnte für Handlung A oder Handlung B, also sowas wie "zwei NSC's werden von Zombies angegriffen! Welchen willst du retten?"

Er meint das fehlt ihm im RPG. Die Wahl zu haben zwischen zwei-drei klaren Entscheidungen.

Ich war darüber erstmal verblüfft, besonders da er aus Letsplay wusste das es reichlich egal ist, wie er sich entscheidet. Einer stirbt, der andere nicht. Egal wie man sich entscheidet.

Ich habe ihm verschiedene Möglichkeiten gesagt wie man versuche könnte beide zu retten (Auf Traktor springen, Traktor anlassen, wegfahren um eingeklemmte Person befreien und Kind aus Gefahrenzone zu bringen).
Auch das es gerade in einem Zombie-RPG immer wieder vorkommen wird das mehrere NSC's gleichzeitig "hart bedrängt" sind, und das man sich entscheiden muß welchen man hilft.

Aber Irgendwie war er der Meinung das in einem RPG dieses "STOP-Was willst du tun! Entscheide dich!" zu sehr im normalen Spiel untergeht.


Wie macht ihr das in euren Spielen.
Versucht ihr solche Entscheidungen zu planen und betont ihr sie irgendwie besonders?
Sollte man versuchen solche Entscheidungspunkte künstlich herbeizuführen.
Ist das dann Railroading, wenn man gewzungen wird sich zu entscheiden. :)



Für alle die War of the Dead kennen, wir sind erst bei Woche 6, die Spieler sind gerade erst der Rockergang um Hell entkommen.
Bevor ich die Woche 7 spiele (wenn wir den mal weiterspielen) werde ich sie mit einer Karte von Florida bewaffnet ein bischen wandern und plündern (Nahurng, Benzin, Munition) lassen.
Vielleicht gibt es dort mehr Entscheidungen als auf der eher gradlinnigen Flucht auf der Pinnacle.

Und wie schon gesagt, in dem Computerspiel scheinen die Entscheidungen die ich bisher gesehen habe immer nicht wirklich von Bedeutung zu sein. Vielleicht gibt es eine Szene mehr zu sehen, aber lanfristig scheinen die Entscheidungen nicht von Bedeutung zu sein.
 
Ja. Rollenspiel krankt ein wenig daran, dass "Zeit" dynamisch ist. In eine Szene passt eben genau das rein, was man will/was von SL zugelassen wird.
Daher wird das Paradigma "Zeit" eben auch kaum angewandt. Sei es in der regeltechnischen Umsetzung, als eben wie hier als "entweder A oder B".

Manche werden sagen das ist ein Pluspunkt fürs Rollenspiel. Ich denke aber es ist ein Mess- und Steuerungswert, der dem Rollenspiel abgeht.
 
Ich würde es nicht als Paradigame "Zeit" festmachen. Es ist mehr das für mich der Vorteil von RPG ist das ich eben viel mehr Entscheidungsfreiheit habe.
Dadurch gibt es eigentlich kein "entweder A oder B."
Es wird eher auf ein bisschen A aber mehr B oder umgekehrt sein. Oder eben auch "Spieler 1 versucht A, Spieler 2 versucht B, Spieler 3 hält sich bereit C zu erfinden und Spieler 4 zaubert präventiv Feuerball."

Mein Sohn war halt der Meinung das im RPG so viele "kleine" Entscheidungen zu treffen sind (wer hält die Fackel, wer geht voran, wen greife ich an) das WICHTIGE Entscheidungen oft untergehen.
Ich hatte ihn erst ausgelacht, da er selber gesagt hat "rette den dummen Jungen, der andere stirbt sowieso." Die Entscheidung war also völlig egal und unwichtig.
Trotzdem denke ich darüber nach ob man im RPG was anders machen kann, öfters aufzeigen welche Optionen offen sind etc.

Spiderman hatte auf der Brücke auch die Option zwischen Mary Jane oder die Gondel voller Schulkinder retten. Und er hat beides geschafft. :)
 
Dein Sohn ist sehr weise.
Jetzt habe ich doch noch Hoffnung für das Rollenspiel. Vielleicht wird das so eine Art Re-import aus anderen RPG-Medien.

Das hat m.E. vor allem mit der Umsetzung der Entscheidung zu tun. Eine Entscheidung ist nicht erstmal gut, nur weil sie da ist. Gehst du nach links oder rechts? Gehst du erst in die Taverne oder sofort zur Stadtwache? Ehrlich? Ist mir doch scheissegal.
Im Rollenspiel wird aber genau das propagiert. Du kannst alles tun und lassen, wann immer du willst. Und in Sandboxen ist das noch perfider, weil da argumentiert wird: Vorsicht, jede (langweilige) Entscheidung KÖNNTE ja wichtig sein/werden. Also quält man sich da durch.
Die meisten Leute wollen aber nicht tun und lassen, was sie wollen, sie wollen Abenteuer erleben und die sind nunmal bestimmten Einschränkungen unterworfen.
 
Versucht ihr solche Entscheidungen zu planen und betont ihr sie irgendwie besonders?
Nein.

Sollte man versuchen solche Entscheidungspunkte künstlich herbeizuführen.
Nein.

Ist das dann Railroading, wenn man gewzungen wird sich zu entscheiden.
Ja.

Jaja, ich führ's ja schon weiter aus: Diese Art von Cutscene-Entscheidungen halte ich auch in Computerspielen für schlecht. Entscheidungen sollten durch das Gameplay erzeugt werden und nicht auf "an diesem Punkt bitte A oder B wählen" hinauslaufen. Und natürlich schon gar nicht auf "an diesem Punkt bitte A oder B wählen. Im Falle der Wahl von B wird automatisch A gewählt." Warum ist das schlecht? Weil solche Sperenzchen die Künstlichkeit dieser Konstruktion deutlich hervortreten lassen und mich aus der Spielwelt herausreissen.
Warum mag ich das nicht? Weil ich sowohl Computer- als auch PnP-Spiele immersiv betreibe.
Es wäre ja auch geradezu ein Treppenwitz, wenn die Richtung im PnP dahin gehen soll, die Entscheidungsmöglichkeiten auf das Niveau typischer Computerspiele verarmen zu lassen, während es bei Computerspielen (z.B. Spec Ops - the Line) ja gerade als wünschenswerte Innovation gilt, dieses letztlich den technischen Beschränkungen geschuldete Schema zu durchbrechen.

Das hat natürlich nicht zu heißen, dass es keine klaren Entscheidungssituationen im PnP geben kann oder sollte. Aber die sollten sich organisch aus der Spielsituation ergeben und nicht in ein starres Baumschema gepresst werden.
Unwichtiges zu kappen ist im Übrigen eine ganz andere Baustelle. Das alte D&D-Leiden (auch bei DSA nicht selten) von wegen "Wer hält die Fackel? In welcher Reihenfolge geht ihr? Mit welcher Geschwindigkeit, auf halbe km/h genau?" hängt mir auch zum Halse raus.
 
"Wer hält die Fackel? In welcher Reihenfolge geht ihr? Mit welcher Geschwindigkeit, auf halbe km/h genau?" hängt mir auch zum Halse raus.

Exakt diese Fragen sind aber dem Freiheitsdrang der P&Pler geschuldet. Die Kehrseite der Medallie ist nämlich, dass man in einer A oder B Auswahlsituation im Pen&Paper Rollenspiel tatsächlich fast immer versuchen wird "C" zu nehmen und beide hart bedrängte NPC zu retten. Üblicherweise endet es dann in eher seltsamen ingame Situationen oder in dem sehr, sehr, sehr anstrengenden Metaspiel, bei dem man den SL davon überzeugt das die Aktion die man gerade versucht total logisch und perfekt ist. Oder dass der SL unlogisch gehandelt hat. Für letzteres ist es dann nötig zu wissen wer die Fackel hält und in welcher Reihenfolge man geht - jedenfalls wenn man sich auf das Spiel einlässt.

Man müsste also einfach nur die Spieler zu mehr Genrekonformität bringen, sprich, Spieler die kapieren das man bestimmte NSC einfach nicht tötet oder verstehen das man in manchen Sitationen nicht zu Leonardo da Vinci II. werden sollte. Dann ist auch Wurst wer die Fackel hält.
 
The Saint schrieb:
Man müsste also einfach nur die Spieler zu mehr Genrekonformität bringen
Genau.

Das Walking Dead-Videospiel hat diese binäre Entscheidung ja als Stilmittel gewählt. "Du kannst nicht alle retten." ist eben perfekt für ein Zombie-Spiel.

Aber ich will das mit dem Faktor "Zeit" noch mal ausführen, was meiner Meinung eben auch ein gewisses Paradigma bei der Entwicklung der beiden betrachteten Spielformen mit sich bringt.
Der Faktor "Zeit" funktioniert im Computerspiel ganz prima und kann vom Rechner übernommen werden. Daher steht dieses Werkzeug in der Spielentwicklung/Abenteuerentwicklung bereit. Das ermöglicht zB solche Szenen wie die genannte.
Im Rollenspiel gibt es keine wirksame Umsetzung von Zeit. Die ist immer subjektiv und innerhalb der Szenen dynamisch.

"Immer dienstags von 22-24 Uhr ist in der fröhlichen Taverne Zum düsteren Questgeber Happy Hour" oder "Exakt Mitternacht erfolgt der Angriff der Barabaren auf das Nomadenlager" funktioniert im Rollenspiel nicht.
Es gibt ein paar Krücken, aber eben nichts richtig valides.
 
Ich kann dir mit der Zeit nicht ganz folgen.
Im Rollenspiel ist es "Wen hattet ihr für Mitternacht als Wache aufgestellt? Ok, als Alric Wache hält hört er...."
Im Computerspiel Walking Dead gab es die Entscheidung tags oder nachts die Stadt zu verlassen. Nachts lief es glatter, tags gab es noch eine Actionscene mehr. Aber sosnt ist es egal.

Irgendwie ist bei beiden Medien die Zeit erzählerisch fixiert. "Ok, ihr wartet bis es dunkel ist."

Oder meinst du eher so "echte" Zeit in WoW wo eben wirklich von 18:00 bis 19:00 Uhr das Dorfzentrum voller spawnender Feinde ist.
 
Ja. Rollenspiel krankt ein wenig daran, dass "Zeit" dynamisch ist. In eine Szene passt eben genau das rein, was man will/was von SL zugelassen wird.
Daher wird das Paradigma "Zeit" eben auch kaum angewandt. Sei es in der regeltechnischen Umsetzung, als eben wie hier als "entweder A oder B".

Manche werden sagen das ist ein Pluspunkt fürs Rollenspiel. Ich denke aber es ist ein Mess- und Steuerungswert, der dem Rollenspiel abgeht.
Warum fehlt beim Rollenspiel grundsätzlich die Zeit? In meiner VtM-Runde hab ich immer nen Blick auf die Uhr. Wenn die SCs da in ner Stunde zu nem Termin müssen, dann haben die eben auch nur 60 Minuten Zeit um sich etwas zu überlegen, wie sie ihre aktuelle Situation lösen.

Trotzdem denke ich darüber nach ob man im RPG was anders machen kann, öfters aufzeigen welche Optionen offen sind etc.

Spiderman hatte auf der Brücke auch die Option zwischen Mary Jane oder die Gondel voller Schulkinder retten. Und er hat beides geschafft. :)
Genau hier liegt für mich eine der großen Stärken des P&P-RPGs. Wenn man den Entscheidungsaspekt aber betonen will, würde ich einfach empfehlen, härtere Entscheidungen zu verlangen, also strenger zu sein.

Spidy KANN seine Freundin und die Kinder retten - aber was ist, wenn beides so schwierig ist, dass es schon eine Herausforderung darstellt auch nur eines von beiden zu bewältigen?
Dann hat er die Wahl zwischen
a) Freundin
b) Kinder
c) beides versuchen und womöglich bei beidem scheitern.

Oder man macht eben deutlich genug klar, dass es gleichzeitig geschieht und beides gleichzeitig nicht möglich ist.

Ich persönlich mag allerdings solche gerailroadeten Entscheidungen garnicht. Ist wohl auch eine Geschmacksfrage. Die Damsel-in-distress als Plotausgangspunkt und Abenteuermotivation finde ich ja durchaus legitim, aber ein konstruiertes "deine Freundin und ein Bus voller Waisenkinder hängen an der Klippe - wen rettest du?" ginge mir auf die Nerven.
...geht mir auch in Büchern udn Filmen so.

Positive zwischenmenschliche Beziehungen sollten nach meinem Geschmack bei aller Verantwortung, die sie für einen Helden NATÜRLICH auch mit sich bringen, nicht in erster Linie eine Belastung sein und der Zuschauer/Leser/Spieler sollte nur soweit dass Gefühl haben, dass die Sympathieträger seinetwegen in Gefahren geraten, wie es sich eben schlüssig aus dem Plot folgern lässt. Wenn ich aber das Gefühl habe, der SC bringt NSCs, die ich mag einfach nur konstruiert in Gefahr, weil mein SC die eben mag, dann würde ich ihn mal ernsthaft darauf ansprechen, ob sein Ausgangspunkt für die Chronik nicht vielleicht unausgesprochen lautet
"Eure SCs sind verflucht. Wer eure Sympathie gewinnt, wird vom Schicksal auf die Abschussliste gesetzt, nur damit ihr ein hartes Leben habt."

...kann zu manchen Settings passen.
Aber wie bei allem gilt auch hier mMn: Konstruierte Spannungsmittel gehen auf Dauer nach hinten los, weil sie einfach zu beliebig sind.
 
Ja echte Zeit.

Das beinhaltet auch sowas wie "4 Sekunden nach der Sirene folgt der Einschlag". Das geht im Rollenspiel nicht. Folglich geht auch die Szene "Rette A oder B (für mehr ist nicht Zeit)" nicht. Bzw nicht anhand des Messwertes Zeit.
Das könnte man dann hier nur über den SLl lösen, was man aber eben als SL-Willkür oder wie oben gesagt Railroading auslegen kann.
 
Warum fehlt beim Rollenspiel grundsätzlich die Zeit? In meiner VtM-Runde hab ich immer nen Blick auf die Uhr. Wenn die SCs da in ner Stunde zu nem Termin müssen, dann haben die eben auch nur 60 Minuten Zeit um sich etwas zu überlegen, wie sie ihre aktuelle Situation lösen.
Rollenspiel in Echtzeit geht nicht. Denk da noch mal drüber nach. :)
 
Ja echte Zeit.

Das beinhaltet auch sowas wie "4 Sekunden nach der Sirene folgt der Einschlag". Das geht im Rollenspiel nicht. Folglich geht auch die Szene "Rette A oder B (für mehr ist nicht Zeit)" nicht. Bzw nicht anhand des Messwertes Zeit.
Das könnte man dann hier nur über den SLl lösen, was man aber eben als SL-Willkür oder wie oben gesagt Railroading auslegen kann.

Willkür ist es auch im Computerspiel, immerhin ist es die Software bzw. der Storyschreiber, der festlegt, dass A und B zur gleichen Zeit in Bedrängnis geraten und ich nur einen davon retten kann. Wäre nun festgelegt dass einer davon fünf Sekunden später vom Zombie gebissen wird, sähe das vielleicht schon wieder ganz anders aus.
 
Dein Sohn ist sehr weise.
Jetzt habe ich doch noch Hoffnung für das Rollenspiel. Vielleicht wird das so eine Art Re-import aus anderen RPG-Medien.

Das hat m.E. vor allem mit der Umsetzung der Entscheidung zu tun. Eine Entscheidung ist nicht erstmal gut, nur weil sie da ist. Gehst du nach links oder rechts? Gehst du erst in die Taverne oder sofort zur Stadtwache? Ehrlich? Ist mir doch scheissegal.
Im Rollenspiel wird aber genau das propagiert. Du kannst alles tun und lassen, wann immer du willst. Und in Sandboxen ist das noch perfider, weil da argumentiert wird: Vorsicht, jede (langweilige) Entscheidung KÖNNTE ja wichtig sein/werden. Also quält man sich da durch.
Die meisten Leute wollen aber nicht tun und lassen, was sie wollen, sie wollen Abenteuer erleben und die sind nunmal bestimmten Einschränkungen unterworfen.
Farbfilme sind übrigens auch doof. Früher gab es so gute Schwarz-weiß-Filme wie Nosferatu!
Letzte Woche hat meine Tante ihren Geburtstag in Farbe gefilmt. Mann, war das laaaaaangweilig. An dieser Langeweile krankt der Farbfilm. Wer Ahnung von Filmen hat, will schwarz-weiß!
 
Hinsichtlich des Walking Dead Computerspiele und der Nutzung der Entscheidungen kann man argumentieren, wenn man will, das die Entscheidungen nicht dazu dienen den Handlungsablauf nachhaltig zu beeinflussen, sondern den eigenen Charakter darzustellen bzw. zu beschreiben.

Das heißt die eigentliche Frage ist nicht: Rette den einen oder den anderen.
Sondern mehr so etwas wie: "Rettet mein Charakter das hilflose Kind das ggf. eine Belastung ist oder den Jungen worauf einen die Eltern des Kindes anmoppern werden."

Unter einem ähnlichen Gesichtspunkt laufen auch die Entscheidungen im Spiel über den kein großes "Entweder,.. Oder,.." Schild hängt. Das heißt Dialogoptionen oder was man sich bei den Spielszenen ansieht. So etwas wonach man mitgeteilt bekommt "XY will remember that", "XY noticed you support them".

Zumindest wird damit (etwas) relativiert das sämtliche Entscheidungen wenig nachhaltig sind. Das heisst wenn man zwei Personen zum retten zur Auswahl hat stirbt idR. in der folgenden Episode (ggf. folgenden drei Episoden) die Person die man rettete.

Er meint das fehlt ihm im RPG. Die Wahl zu haben zwischen zwei-drei klaren Entscheidungen.
Kann ich nachvollziehen.
Das heißt das beim RPG der Eindruck entsteht das eine effektive Wahl fehlt.
Das heißt man entscheidet sich zwar dauerend, hat aber - in der Regel - nicht die Möglichkeit mal schnell zurück zu gehen und zu überprüfen ob es wirklich eine Wahlmöglichkeit gegeben hat.

Ich habe ihm verschiedene Möglichkeiten gesagt wie man versuche könnte beide zu retten (Auf Traktor springen, Traktor anlassen, wegfahren um eingeklemmte Person befreien und Kind aus Gefahrenzone zu bringen).
Wobei dort die Herausforderung besteht das der Eindruck entsteht das es eigentlich keine Herausforderung, keine Wahl gibt?
Der Spieler muss sich nur irgendwas einfallen lassen und es gibt kein "Entweder,... Oder,..." sondern ein undramatisches "Beides", vielleicht noch mit einer Pseudokonsequenz (Finger verstaucht beim Traktor wegfahren, kurzer, innerer Emo-Monolog).
Ist zumindest einer meiner Punkte die mich an dem Fate-System ganz massive stören.

Wie macht ihr das in euren Spielen.
Versucht ihr solche Entscheidungen zu planen und betont ihr sie irgendwie besonders?
Ich plane relativ wenig. Wenn es eine "Entweder,.. oder,.." Situation gibt, die muss nicht so binär sein, würde ich vermutlich schon drauf hinweisen.



Wobei ich Entscheidungen wer die Fackel trägt,... weniger für Entscheidungen halte.
Das ist als würde man die Frage ob und mitwievielen Heiltränken & Dietrichen bewaffnet man in der OpenSource-Welt herumzieht als Entscheidung betiteln. Uhm, ne, nicht wirklich.
 
Exakt diese Fragen sind aber dem Freiheitsdrang der P&Pler geschuldet. Die Kehrseite der Medallie ist nämlich, dass man in einer A oder B Auswahlsituation im Pen&Paper Rollenspiel tatsächlich fast immer versuchen wird "C" zu nehmen und beide hart bedrängte NPC zu retten. Üblicherweise endet es dann in eher seltsamen ingame Situationen oder in dem sehr, sehr, sehr anstrengenden Metaspiel, bei dem man den SL davon überzeugt das die Aktion die man gerade versucht total logisch und perfekt ist. Oder dass der SL unlogisch gehandelt hat. Für letzteres ist es dann nötig zu wissen wer die Fackel hält und in welcher Reihenfolge man geht - jedenfalls wenn man sich auf das Spiel einlässt.
Als Spieler sollte man hier einfach auch mal selbst wissen, was man eigentlich will.

Wenn sich bei mir in der Runde spontan ein Kampf entwickelt und ich die Spieler frage "Moment mal: Habt ihr eure Waffen überhaupt dabei?", dann kommt da auch ein ehrliches
"Oh... wir sind hier ja auf nem Ball. Nein, ich habe keine Waffe dabei - verdammt! Hast du deine?"
oder auch
"Ich? Naja, normal nehme ich die immer mit, aber hier? Da habe ich bisher garnicht drüber nachgedacht. SL, was meinst du? Hatte ich vor der Veranstaltung irgendeinen Grund dazu anzunehmen, dass ich eine Waffe brauchen könnte"
SL: "Eigentlich wohl nicht, aber stimmt: Dein SC ist ja sonst auch immer so misstrauisch. Was hältst du davon: Mach mal eine Auspex-Probe ob du vielleicht doch irgendwie ohne dir dessen bewusst zu sein, etwas geahnt hattest. Wenn du die bestehst, hat der die Waffe dabei."

...und das liegt sicher nicht daran, dass die Spieler bei mir nicht voll mit ihren SCs mitfiebern würden und es ihnen nicht wichtig wäre, dass diese Erfolg haben. Es gibt nur einfach eine Trennung von Ingame- und Meta-Ebene. Eine Herausforderung überstehen, weil man auf der Meta-Ebene zu Unrecht den Detail-Streit gewinnt, hätte für meinen Spieler keinen wert. Meine Spieler wissen, dass wenn sie sagen "Ich will den Kampf gewinnen.", dann sage ich "Ihr habt den Kampf gewonnen, bekommt nen dicken Orden, 1 Billionen Dollar und eine Urkunde, dass ihr von nun an die Herrscher der Welt seid. Ende der Chronik.".

Mal ehrlich:
Wen bringt denn dieses verkrampfte Meta-Spiel weiter?

Man müsste also einfach nur die Spieler zu mehr Genrekonformität bringen, sprich, Spieler die kapieren das man bestimmte NSC einfach nicht tötet oder verstehen das man in manchen Sitationen nicht zu Leonardo da Vinci II. werden sollte. Dann ist auch Wurst wer die Fackel hält.
Genau. Man sollte einfach am Anfang klären, was man da spielen will. Und wenn die Antwort nicht gerade "Abenteuer-Taktik-Hartwurst-Simulation" lautet, sollte man sich bei späterer Relevanz auch problemlos in 10 Sekunden darauf einigen können, wer gerade die Fackel in der Hand hält.
Rollenspiel in Echtzeit geht nicht. Denk da noch mal drüber nach. :)
Jein.

Kämpfe in Echtzeit gehen nicht - dafür gibt es da aber meist einen Zählmechanismus wie Kampfrunden. Gespräche in Echtzeit gehen problemlos. Und bei beschleunigter oder verlangsamter Zeit, kann ich als SL ja dennoch gemeinsam mit den Spielern die Ingame-Zeit im Auge behalten.
 
Exakt diese Fragen sind aber dem Freiheitsdrang der P&Pler geschuldet.

Wobei Freiheitsdrang und das Bedürfnis, eine Situation immer unter Kontrolle haben zu müssen und sich nicht einschränken lassen zu wollen nicht prinzipiell dasselbe ist. Frei zu sein bedeutet einfach, die Einschränkung von Notwendigkeiten akzeptieren zu können. Hat man DAS erstmal akzeptiert, fällt es einem viel leichter, sich innerhalb notwendiger Grenzen möglichst frei zu bewegen.

Beim Computerspiel fällt uns das leichter, weil wir überhaupt nicht weiterspielen könnten, wenn wir nicht akzeptieren würden, dass man zwischen A und B entscheiden muss. Im Rollenspiel nehmen wir solche Einschränkungen viel zögerlicher in Kauf, weil wir es ja mit einem Spielkonzept zu tun haben, wo wir uns nicht zwingend mit A oder B abfinden müssen. Wir können, wenn alle Stricke reißen, ja auch mit dem SL diskutieren, um einer unliebsamen Entscheidung vielleicht doch auszuweichen. Beim Computerspiel geht das offenkundig nicht, und da akzeptieren wir's halt.
 
Exakt diese Fragen sind aber dem Freiheitsdrang der P&Pler geschuldet.
Nein, die sind sinnlosem Micromanagement geschuldet, sinnlos aus dem einfachen Grunde, dass die Antworten auf diese Fragen in praktisch allen Fällen vollkommen egal sind.

Leider fehlt im Deutschen eine so klare Dichotomie wie bei choice und decision. Ich substituiere mal Entscheidung* und Beschluss. Wenn der Spielleiter beim Nachtlager fragt "Okay, wer hält die 1./2./3. Wache?", dann ist die Festlegung dieser Reihenfolge ein Beschluss der Spieler - aber keine Entscheidung. Warum nicht? Weil es keine für die Spieler abwägbaren Konsequenzen gibt.

Wenn es gar keine Konsequenzen gibt, weil nachts sowieso nichts passiert, sollte das hoffentlich allgemein einsichtig sein - dann war die Frage von vorneherein überflüssig.
Aber auch wenn der Spielleiter beispielsweise ausgewürfelt hat, dass während der zweiten Wache etwas passiert, war die Frage überflüssig. Da die Spieler keine Möglichkeit hatten, den Zeitpunkt des Ereignisses auch nur zu erahnen, läuft ihr Beschluss letzten Endes auf Zufall hinaus. Und etwas Zufälliges kann man im Rollenspiel auch gleich mit der bewährten Methode des Auswürfelns bestimmen."Okay, während [W3-Wurf] Rogars Wache bemerkt er ein seltsames Leuchten..."
Natürlich müssen sich die Spieler darauf einlassen, es muss also ein Maß an Vertrauen zur SL da sein, dass diese den Spielern nicht echte Entscheidungen vorenthält, sondern lediglich die Scheinentscheidungen aussiebt.

Das wäre die eine Art von Scheinentscheidung: Beschlüsse, deren Konsequenzen in keiner Weise abwägbar sind. Die andere Art sind Beschlüsse, deren Konsequenzen komplett offensichtlich sind. Auch die finden wir im Hartwurstbereich: "Wer geht vorne?" "Hm, eine schwierige Frage. Vielleicht, ich weiß nicht, der Charakter, dessen explizite Aufgabe es ist, im Dungeon vorne zu gehen und Fallen zu finden? So wie er es die letzten 23 Mal auch gemacht hat?" Bei solchen Dingen kann man einfach davon ausgehen, dass die Charaktere das naheliegende tun. Hier ist natürlich eine Grundfairness der SL vorausgesetzt: Also kein "Höhö, ihr habt nicht ausdrücklich gesagt, dass ihr Proviant auf die Überland-Expedition mitnehmt." Bei Entscheidungen, die aus Charaktersicht nicht offensichtlich waren, ist es natürlich etwas anderes.

[Kleiner Einschub, das hätte ich eigentlich vorausschicken sollen. Diejenigen Pappenheimer, die common sense ablehnen oder mit "Ist doch alles Willkür"-Sperenzchen totdiskutieren wollen, brauchen eigentlich das ganze Posting nicht zu lesen.]

Also, um das kurz zusammenzufassen:
Konsequenzen eines Beschlusses zu 0% abwägbar -> Keine Entscheidung, kann weggelassen werden.
Konsequenzen eines Beschlusses zu 100% abwägbar -> Keine Entscheidung, kann weggelassen werden.
Echte Entscheidungen liegen irgendwo dazwischen, idealerweise ziemlich in der Mitte. (Und wer jetzt sagt "Wieso, bei 50% Abwägbarkeit kann ich ja auch gleich würfeln", sollte nochmal nachdenken.)

P.S.: Obwohl Ioelets Methode, im Zweifelsfall die Charakterfähigkeiten ins Spiel kommen zu lassen, natürlich auch gangbar ist.

*Wahl wäre näher am Wortsinn, klingt aber irgendwie unpassend.
 
Wobei Freiheitsdrang und das Bedürfnis, eine Situation unter Kontrolle zu haben und sich nicht einschränken lassen zu wollen nicht prinzipiell dasselbe ist. Frei zu sein bedeutet einfach, die Einschränkung von Notwendigkeiten akzeptieren zu können. Beim Computerspiel fällt uns das leichter, weil wir überhaupt nicht weiterspielen könnten, wenn wir nicht akzeptieren würden, dass man zwischen A und B entscheiden muss. Im Rollenspiel nehmen wir solche Einschränkungen viel zögerlicher in Kauf, weil wir es ja mit einem Spielkonzept zu tun haben, wo wir uns nicht zwingend mit A oder B abfinden müssen. Wir können, wenn alle Stricke reißen, ja auch mit dem SL diskutieren, um einer unliebsamen Entscheidung vielleicht doch auszuweichen. Beim Computerspiel geht das offenkundig nicht, und da akzeptieren wir's halt.
Und gerade wenns allzu konstruierte Dramatik ist, wo der SL mal eben zu Showzwecken völlig aus der Luft gegriffen den liebgewonnenen NSC killt, dann haben wir im P&P eben auch die Gelegenheit ihm ins Gesicht zu sagen, was wir davon halten...

Mann, hatte mich das damals bei dem sonst so coolen Alpha Protocol genervt als man diese unsinnige Bombenrettungs-Entscheidung treffen sollte.

...was mich dann auch nochmal zu dem Eingangspost zurückführt:
Nein, ich finde man sollte solche Entscheidungen nicht auch noch betont hervorheben.

Ja, es gibt Situationen, da hat man nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Aber Situationen, wo der Bösewicht diese Wahl gezielt so hinbastelt, dass es nur einzig und allein links oder rechts gibt und sich die nichtgewählte Alternative dann mit Sicherheit verschließt?
Mensch, wenn der Kerl die Möglichkeit hat, mir Alternativen mit Sicherheit zu verbauen, warum zur Hölle, verbaut er dann nicht einfach beide? Warum gibt er mir zwei Bomben in Reichweite, statt einfach gleich beide außer Reichweite zu platzieren?

Ja, es gibt sicherlich einige Psycho-Thriller-Settings wo das im Rahmen von Demoralisierung einen Sinn ergibt, aber dann ist es eben auch keine Betonung des SLs eines auf der Metaebene konstruierten Entscheidungszwangs, sondern die Betonung eines NSCs eines ingame konstruierten Entscheidungszwangs.
 
Wieso? Das ist doch dann auch noch Willkür. :)

Natürlich. ;) Ich meinte auch, dass der Computerspiel-Entwickler es völlig in der Hand hat wie die Situation sich darstellt. Wenn B fünf Sekunden später in Gefahr gerät, gibt es kein Entweder-Oder, und der Entwickler kann das gestalten wie er will... gibt es also ein Entweder-Oder, dann ist das gewollt. Genau dasselbe lässt sich im P&P machen.
 
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