Passiver Menschlichkeitsverlust?

Sycorax

uninterested.
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Huhu!

Ich habe mir überlegt, dass die Hierarchie der Sünden für die Menschlichkeit ja an sich ein ganz verwertbares Werkzeug ist, um das Hinabgleiten des Charakters in die Monstrosität bzw. den verzweifelten Versuch, genau das zu verhindern, in Spieltechnik umzusetzen. Aber dieses System behandelt nur aktive Taten des Charakters: Raub, Mord, selbstsüchtige Gedanken sind alles Dinge, für die man selbst aktiv werden muss.
Was ist aber mit Situationen und Lebensumständen, mit Dingen die um jemanden herum oder mit jemandem getan werden, die dieser ganz passiv erdulden muss?

Es ist ja so, dass das Umfeld zumindest bei Menschen schon eine große Rolle dafür spielt, wie sensibel oder abgestumpft jemand ist. Man kann von Opfern von Krieg und Folter ja nicht erwarten, über eine Lüge oder einen Diebstahl derart erschüttert zu sein wie es vielleicht ein Mensch wäre, der völlig behütet aufgewachsen ist, meinetwegen (um bei den Extremen zu bleiben) ein Amish.

Ich bin deshalb der Auffassung, dass auch Vampire Menschlichkeit verlieren sollten, wenn sie sich in einem völlig unmenschlichen Umfeld aufhalten oder selbst Gewalt und Folter ausgesetzt sind. Wenn es einen nicht mehr schockiert, nächtlich Prügel zu beziehen oder anderen Misshandlungen ausgesetzt zu sein, ist man doch wesentlich näher dran, es ganz normal zu finden, auch selbst gewalttätig oder sadistisch zu sein, ganz ohne die Möglichkeit zur Reue, weil man ja nicht einmal mehr merkt, dass dies ein unnormales, unmoralisches, bereuenswertes Handen ist.
(Anders ist es natürlich, wenn es einen auch nach längerer Zeit noch immer schockiert; das wäre dann aber die Sache, die ich auswürfeln lassen würde.)

Ein Beispiel:
Kai N. ist ein junger Vampir und verdrischt auf übelste Art einen armen Sterblichen. Er hat Menschlichkeit 8, also muss er würfeln. Entweder er bereut es bitter und behält seine Menschlichkeit oder er hält es für gerechtfertigt / normal und verliert einen Punkt. Er ist im letzten Fall ein Stück weit abgestumpft und der Monstrosität näher. Bein nächsten Mal überlegt er vielleicht nicht mehr so lange.

Abe L. ist auch ein junger Vampir und hat das Pech, von seinem sadistischen Erzeuger aufs übelste verdroschen zu werden. Er hat Menschlichkeit 8, also müsste er nach meinem (noch völlig unausgereiften) Modell würfeln. Entweder er ist total von der Rolle über die Brutalität, die ihm widerfahren ist und er behält seine Menschlichkeit oder er hält es für gerechtfertigt / normal und verliert einen Punkt. Er ist im letzten Fall ein Stück weit abgestumpft und der Monstrosität näher. Wenn ihn mal jemand nervt, langt er vielleicht selbst ohne zu zögern zu.

Wie seht Ihr das? Wie handhabt Ihr derartiges in Euren Spielerunden?

Liebe Grüße,
die Syco
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Ich kenne etwas vergleichbares von Changeling the Lost her. Da ist es durchaus möglich durch äußere Umstände an Klarheit zu verlieren, beispielsweise wenn das eigene Haus abbrennt oder man seinen Job verliert. Generell ist soetwas problematisch, weil die Charaktere so in eine Opferrolle gedrängt werden. Generell verliert es einiges an persönlichem Horror wenn man sein eigenes Herabgleiten nicht zu verantworten hat. Auch stellt sich die Frage womit man sich gegen soetwas verteidigen könnte. Gewissen kommt meiner Auffassung nach eher weniger in Frage, dann eher Mut oder Selbstbeherrschung.
Generell sehe ich MacBeth als deutlich interessanteren Spielercharakter an als Hiob.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Hm, mir geht es nicht nur um Spielercharaktere...
Aber davon ab finde ich es auch spannend, einen Charakter in einer Lage zu haben, aus der er sich befreien muss, um den Verfall aufzuhalten.
Ich finde man kann auch gerade wegen dieser Opferrolle, die Du ansprichst, einiges an Horror herausholen, wenn man es mit etwas Fingerspitzengefühl anfängt, aber davon abgesehen wäre es einfach realistischer, oder findest Du nicht?

Ich kenne jetzt die Geschichte um Hiob nicht so genau, aber ich nehme mal an, er hatte von vornherein keine echte Chance, oder? ;) (Immerhin war er doch sowas wie ein Wettobjekt von Gott und seinem Widersacher, wenn ich nicht irre.)
Und MacBeth hätte sich auch einfach dagegen entscheiden können, irgendwie aktiv zu werden.

Wr hätten (wären es SCs ;)) also einen mit sehr wenig Fingerspitzengefühl vom Erzähler in die Ecke gedrängten Charakter und einen, der - wenn er sich für Passivität entscheidet - für sich genommen reichlich langweilig ist.
Und an der Stelle könnte man ja einhaken: Kann er überhaupt so moralisch sein? Hat nicht der Krieg, den er vorher erleben musste, ihn schon so weit zerrüttet, dass er so abgestumpft war, nichts mehr dabei zu empfinden, als er den König tötete?
Auf so etwas wollte ich hinaus. ;)

Ach so: Warum fällt Gewissen raus? Ich denke, es geht ja immer noch um moralische Entscheidungen, also kann man sie auch mit Gewissen behandeln. Es geht ja um die Einschätzung, ob das Leid, das einem zugefügt wird, Normalität ist oder Unmenschlichkeit. Man hätte nur kein "Schlechtes Gewissen", wenn die Probe gelingt, sondern das Gefühl, das einem Schlimmes angetan worden ist.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Abe L. ist auch ein junger Vampir und hat das Pech, von seinem sadistischen Erzeuger aufs übelste verdroschen zu werden. Er hat Menschlichkeit 8, also müsste er nach meinem (noch völlig unausgereiften) Modell würfeln. Entweder er ist total von der Rolle über die Brutalität, die ihm widerfahren ist und er behält seine Menschlichkeit oder er hält es für gerechtfertigt / normal und verliert einen Punkt. Er ist im letzten Fall ein Stück weit abgestumpft und der Monstrosität näher. Wenn ihn mal jemand nervt, langt er vielleicht selbst ohne zu zögern zu.

Hmmm ich denke nicht, dass es die Regel ist, dass eine Person die misshandelt wird automatisch auch brutal wird. Ich würde eher denken, dass genau das Gegenteil eintritt (nicht bei allen, dass ist klar)
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Möglich, klar. Aber welche der beiden Varianten häufiger ist... keine Ahnung.
*Soziologiebücher rausleg* (Präzisiere: Gewalt. Beschreibungen - Analysen - Prävention. Heitmeyer/Schröttle (Hrsg.) (Klick!))

In jedem Fall ist ein Abstumpfen wohl eine gängige Reaktion, ob sie sich in Aktionen niederschlägt oder nur in einer Geisteshaltung ist für den Menschlichkeitswert ja unerheblich. Vampire mit Menschlichkeit 4 müssen ja auch nicht unbedingt rauben und gewalttätig sein, sie haben nur kein Problem damit.


Wikipedia sagt übrigens:

Wikipedia schrieb:
Auch die Kinder sind - indirekt - von der Gewalt in der Partnerschaft betroffen. Wenn die Kinder zusehen müssen, wie ihre Eltern offene Gewalt austragen, leidet ihre Psyche schwer darunter. In den meisten Fällen nehmen sie die Gewalthandlungen nicht nur wahr, sondern werden von den Parteien instrumentalisiert bzw. vom gewalttätigen Partner ebenfalls misshandelt. Dies führt, wie verschiedene Untersuchungen z.B. von Pfeiffer [9] oder Lenz [10] [11] ergeben haben, später zu ebenfalls gewalttätigem Verhalten, psychischen Verhaltensstörungen oder anderen Problemen.
Nur so als Beispiel. ;)
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Ich spiele schon länger mit dem Gedanken Charakteren auch Würfe aufzunötigen, wenn sie daneben stehen wenn jemand foltert/mordet etc.
Aber deiner Variante ist IMO die Eskalationsgefahr in- und outtime zu groß als das es im Spiel noch Sinn machen würde.
Im Klartext:
Entweder sind deine Spieler angepisst, dass sie jetzt auch schon für Sachen die sie nicht mal kontrollieren gefickt werden oder aber die SCs fangen dann ruck-zuck an abzuwägen: Du ich nichts verliere ich Punkte, bringe ich ihn um auch. Aber da nur einmal...
Ist natürlich immer die Frage welches Spielziel die mit der Änderung hast?!
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Spielziel? Wie gesagt, es geht mir um realistischere Reaktionen und ich denke da nicht nur an meine SCs, sondern an meine ganze Welt.
Meine Gruppe ist auch nicht so gestrickt, dass sie sich derartige Gedanken machen würden, zum Glück. Die sind oft einfach froh, wenn etwas schief geht und der Charakter Probleme kriegt, denn dann wird es am spannendsten (Und nachdem ich jetzt auch mal ne Runde spielen durfte, schließ ich mich selbst da voll mit ein). Proper fucked gefallen uns unsere Charaktere am besten. ;)
Also seh ich da wenig Gefahren.

Aber von solchen "Gefährdungen am Spieltisch" mal abgesehen, wie ließe sich sowas umsetzen? Die Hierarchie der Sünden müsste ja grundlegend anders aussehen und ich wüsste auch nicht, ob man nach einem Vorfall schon würfeln lassen sollte, oder ob eine Situaltion schon Regelfallcharakter haben muss, um sich auszuwirken,
Ganz zu schweigen von den Auswirkungen, die es haben könnte, wenn Pfadanhänger Situationen ausgesetzt sind, die ihren Moralvorstellungen zuwider laufen (Aber das ist wohl ne andere Baustelle... ).
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Ich würde das dann alles eins nach oben ziehen.
Für einen Siebener wäre also die Entgleisung selbst beklaut zu werden, für nen Zweier wenn er selbst auf übelste Art misshandelt/gefoltert, whatever wird.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Ich würde das dann alles eins nach oben ziehen.
Für einen Siebener wäre also die Entgleisung selbst beklaut zu werden, für nen Zweier wenn er selbst auf übelste Art misshandelt/gefoltert, whatever wird.

Wenn ich selbst beklaut werde führt das doch nicht zu Problemen mit meiner Menschlichkeit. Bei Misshandlungen mag das ok sein, aber darauf würde ich es reduzieren (also auf Gewalltverbrechen). Wo ich aber würfeln lasse ist, wenn der SC dabei zu sieht wie ein Verstoß gegen seine Moral begangen wird und er nicht versucht es zu verhindern.
Bsp.: SC A (Menschlichkeit 8) sieht wie SC B (Menschlichkeit 6) einem vorbeigehenden Passanten die Brieftasche klaut. Nun hat SC A die Wahl. Entweder er kümmert sich nicht drumm und muss später würfeln ob er es bereut oder Menschlichkeit einbüßt, oder er versucht SC B dazu die Brieftasche zurück zu geben. Ob er dies schafft oder nicht ist dann denk ich irrelevant, solange er sein Möglichstes getahen hat.

So handhabe ich das.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Hmmm ich denke nicht, dass es die Regel ist, dass eine Person die misshandelt wird automatisch auch brutal wird. Ich würde eher denken, dass genau das Gegenteil eintritt (nicht bei allen, dass ist klar)

Ähm, doch ?

Soweit ich mich erinnern kann, ohne da nun genaue Quellen nennen zu können, habe ich im Bereich der Erziehungswissenschaften und der Verhaltenslehre gelernt, das misshandelte Kinder meist später selbst ihre Kinder misshandeln. Zum Teil auch wegen der Abstumpfung gegenüber Gewalt und dem lernen, das Gewalt zum Ziel führt, das Kind ist ruhig, zb.

Nicht alle. Aber ein Grossteil der Erwachsenen, die Kinder misshandeln oder schlagen wurde selbst als Kind so behandelt.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Ähm, doch ?

Soweit ich mich erinnern kann, ohne da nun genaue Quellen nennen zu können, habe ich im Bereich der Erziehungswissenschaften und der Verhaltenslehre gelernt, das misshandelte Kinder meist später selbst ihre Kinder misshandeln. Zum Teil auch wegen der Abstumpfung gegenüber Gewalt und dem lernen, das Gewalt zum Ziel führt, das Kind ist ruhig, zb.

Nicht alle. Aber ein Grossteil der Erwachsenen, die Kinder misshandeln oder schlagen wurde selbst als Kind so behandelt.

Hmm ok, bei Kindern mag das zutreffen, aber sicher nicht bei Erwachsenen, oder? Und Vampire sind ja in der Regel erwachsen.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Hmm ok, bei Kindern mag das zutreffen, aber sicher nicht bei Erwachsenen, oder? Und Vampire sind ja in der Regel erwachsen.

Verstehe nicht was Du meinst.

Ach, Du meinst wenn ein Mensch zum Vampir wird und bis dahin noch kein Schläger ist, kann er auch nicht dazu gemacht werden von aussen ?

Ich empfehle das Buch 'Die Welle' oder den Film 'Das Experiment' und Du siehst, wie schnell man Menschen gewalttätig machen kann. Und ich denke, wenn Du noch das Gefühl der absoluten Überlegenheit gegenüber Menschen, die Nichtantastbarkeit durch sterbliche Gesetze hinzupackst, wäre es eher ein Wunder, wenn der Charakter nicht gewalttätig würde.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Ich denke, dass der Spieler selbst entscheiden sollte, wie sein Charakter auf Misshandlung o.ä. reagiert. Das Regelwerk zählt abschließend die Situationen auf, in denen der Spieler die Kontrolle über den Charakter verliert: Rötschreck, Frenzy, Einsatz bestimmter Disziplinen gegen den Charakter (jeweils mit der Möglichkeit, Willenskraft zu opfern, um sich zu wehren). Und das ist auch nicht ohne Grund so. Menschlichkeit ist eben keine geistige Stabilität, das sind zwei unterschiedliche Sachen mit unterschiedlichen Bedeutungen. Dass es bei Menschlichkeit um Handlungen und nicht um Erfahrungen geht, ist doch gerade der Witz. Das ist die moralische Komponente des Spiels.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Wenn ich selbst beklaut werde führt das doch nicht zu Problemen mit meiner Menschlichkeit.
Unter Umständen doch. Nämlich dann, wenn das Beklaut werden für Dich zur Normalität geworden ist. Aktiver Diebstahl ist bei Menschlichkeit 7 noch ein Problem für den Charakter, bei 6 nicht mehr. Warum? Weil die Grundhaltung, die "Normalität" eines Charakters ist: "He, Menschen sterben. Zeug geht kaputt".
Wenn man nun aber "brav" ist und sich an die Gesetze hält, aber in einem Umfeld lebt, in dem Klauen so normal ist wie Butterbrote schmieren, wie soll man da auf Menschlichkeit 7 bleiben können, wo doch die Grundhaltung lauten sollte: "Es ist nicht akzeptabel, andere zu verletzen oder zu töten, es ist falsch, andere zu bestehlen". Wie kann denn ein Verhalten gleichzeitig falsch und normal sein?
Deshalb denke ich, dass ein Charakter Menschlichkeit verlieren sollte, sobald (um in dem Beispiel zu bleiben) ihn Diebstahl nicht mehr moralisch erschüttert, sobald Klauen Normalität ist.
Deshalb würd ich nicht beim ersten Mal würfeln lassen, sobald ein Charakter bestohlen wird. Es geht um eine allgemeine Atmosphäre im Lebensumfeld des Charakters, die sich irgendwann auswirken muss.

Ich denke, dass der Spieler selbst entscheiden sollte, wie sein Charakter auf Misshandlung o.ä. reagiert.
Keine Frage. Ich hab nicht vor, den Spielern die Steuerung ihrer Charaktere wegzunehmen. Aber sie entscheiden ja auch nicht selbst, ob den Charakter eine seiner Taten kalt lässt oder ob sie ihm ein schlechtes Gewissen verursacht. Warum sollen sie dann selbst entscheiden, ob eine Tat, die ihm widerfährt, ihn kalt lässt oder ihn moralisch entrüstet?
Letztlich geht es um Entrüstung und Abstumpfung, in beiden Fällen, einmal gegenüber sich selbst, einmal gegenüber der "Außenwelt". In jedem Fall kann sich die innere Einstellung langsam ändern.

Das Regelwerk zählt abschließend die Situationen auf, in denen der Spieler die Kontrolle über den Charakter verliert: Rötschreck, Frenzy, Einsatz bestimmter Disziplinen gegen den Charakter (jeweils mit der Möglichkeit, Willenskraft zu opfern, um sich zu wehren). Und das ist auch nicht ohne Grund so.
Wie gesagt, ich weiß nicht was Du Dir vorstellst dass ich vorhabe. Der Charakter wird nicht in Raserei verfallen oder sonstwas. Die Kontrolle über die Aktionen bleibt komplett beim Spieler, der Charakter verliert nur vielleicht einen Punkt Menschlichkeit. :nixwissen:


Menschlichkeit ist eben keine geistige Stabilität, das sind zwei unterschiedliche Sachen mit unterschiedlichen Bedeutungen.
Menschlichkeit ist moralische Stabilität, so wie ich sie sehe.

Dass es bei Menschlichkeit um Handlungen und nicht um Erfahrungen geht, ist doch gerade der Witz. Das ist die moralische Komponente des Spiels.
Sorry, den Witz versteh ich nicht.
Ich dachte bei der moralischen Komponente des Spiels ginge es um das Abgleiten ins Bestialische. Und das passiert täglich Leuten, die gar nichts Böses tun. Die ganz im Gegenteil furchtbar Böses erleben und dadurch abstumpfen und bereit sind, Grausamkeiten als Normalität anzuerkennen, die ihre moralischen Ansprüche herunterschrauben.
Es gibt auch Leute, die ausrasten, gewaltbereit sind oder sonstwas, und denen das selbe passiert, weil sie aktiv werden, aber die Veränderung der Moralvorstellungen, die Abstumpfung passiert eben in beiden Fällen. Und das würde ich gern im Spiel in Regelform gegossen abbilden.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Verstehe nicht was Du meinst.

Ach, Du meinst wenn ein Mensch zum Vampir wird und bis dahin noch kein Schläger ist, kann er auch nicht dazu gemacht werden von aussen ?

Ich empfehle das Buch 'Die Welle' oder den Film 'Das Experiment' und Du siehst, wie schnell man Menschen gewalttätig machen kann. Und ich denke, wenn Du noch das Gefühl der absoluten Überlegenheit gegenüber Menschen, die Nichtantastbarkeit durch sterbliche Gesetze hinzupackst, wäre es eher ein Wunder, wenn der Charakter nicht gewalttätig würde.

Das Experiment kenn ich und weiß was du meinst. ^^ Aber ich meinte eigentlich, dass es nicht die Regel ist und zudem nicht bei einem einmaligen Vorfall passiert. Wenn ein Kind oder ein Erwachsener ein mal Misshandelt wird, ist es denk ich fast ausgeschlossen, dass er dadurch selbst andere Misshandelt. Zudem kommt es denk ich stark auf den Menschen, die Dauer und die Art der Misshandlung an.
Als Beispiel: Ich wage es schwer zu bezweifeln, dass ein Vergewaltigungsopfer selbst zu einem/einer Vergewaltiger/in wird, selbst wenn sie/er öfters vergewaltigt wurde. Meines Wissens bekommen solche Personen oft Berührungsängste, Angstzustände und/oder Paranoia (o.ä.).
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Unter Umständen doch. Nämlich dann, wenn das Beklaut werden für Dich zur Normalität geworden ist. Aktiver Diebstahl ist bei Menschlichkeit 7 noch ein Problem für den Charakter, bei 6 nicht mehr. Warum? Weil die Grundhaltung, die "Normalität" eines Charakters ist: "He, Menschen sterben. Zeug geht kaputt".
Wenn man nun aber "brav" ist und sich an die Gesetze hält, aber in einem Umfeld lebt, in dem Klauen so normal ist wie Butterbrote schmieren, wie soll man da auf Menschlichkeit 7 bleiben können, wo doch die Grundhaltung lauten sollte: "Es ist nicht akzeptabel, andere zu verletzen oder zu töten, es ist falsch, andere zu bestehlen". Wie kann denn ein Verhalten gleichzeitig falsch und normal sein?
Deshalb denke ich, dass ein Charakter Menschlichkeit verlieren sollte, sobald (um in dem Beispiel zu bleiben) ihn Diebstahl nicht mehr moralisch erschüttert, sobald Klauen Normalität ist.
Deshalb würd ich nicht beim ersten Mal würfeln lassen, sobald ein Charakter bestohlen wird. Es geht um eine allgemeine Atmosphäre im Lebensumfeld des Charakters, die sich irgendwann auswirken muss.


Regeltechnisch müsste der SC dann aber nicht gefahr laufen, wenn er einz, zwei mal selbst beklaut wird, sondern nur wenn er dem im extremen Maße ausgesetzt ist, oder?
Aber trotzdem würde ich sagen, dass das auf die Person ankommt. Als Beispiel muss man ja nur mal in Kriesengebiete schauen wo Gewallt an der Tagesordnung ist. Da wird auch nicht jeder Mensch zum gewalltätigen Psycho, auch wenn jeden zweiten Tag ne Bombe in der Nachbarschaft explodiert oder Milizen oder Drogenkartelle die Nachbarn erschießen.
 
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Dazu hilft vielleicht dieses System aus der nWoD für Soldaten im Kampfeinsatz:
Triggers represent the effects of PTSD on military
characters without the loss of Morality or by at least slowing
the degeneration of a character. Trigger rolls are used
alongside the standard rules for degeneration, not in place
of them, to help illustrate the duality of conscience that
allows soldiers to lead part-time lives of violence without
becoming sociopaths. Whenever a character, in the course
of pursuing legitimate military action, commits an act that
would normally trigger a degeneration roll, the character’s
player instead immediately rolls his Morality rating as a dice
pool called a trigger roll. If the roll succeeds, he manages to
rationalize his actions as a side-effect of war. This shouldn’t
be taken to mean that he feels no regret or remorse for his
actions; rather that he is able to place the consequences
of his actions into the larger view of military perspective.
If, however, the roll fails, the character has failed to fully
come to terms with the new situation. He develops a mental
or emotional ailment or condition which is caused by the
stress, grief or remorse of having committed the “sin” or
even guilt because he isn’t suffering the stress or grief he feels
he should. This ailment is called a trigger and it manifests
itself in certain specifi c circumstances related to the event
that caused it to come into being. Gaining a trigger does
not cause a character to lose Morality and characters may
develop multiple triggers.

Die Frage ist dann allerdings wieder inwiefern sich Vampire es leisten können dieses 'Rationalisieren' anzuwenden.
Chaining the Beast drückt ja explizit aus, dass das Tier stärkt, ergo den Menschlichkeitswert sinken lässt.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Das Experiment kenn ich und weiß was du meinst. ^^ Aber ich meinte eigentlich, dass es nicht die Regel ist und zudem nicht bei einem einmaligen Vorfall passiert. Wenn ein Kind oder ein Erwachsener ein mal Misshandelt wird, ist es denk ich fast ausgeschlossen, dass er dadurch selbst andere Misshandelt. Zudem kommt es denk ich stark auf den Menschen, die Dauer und die Art der Misshandlung an.
Als Beispiel: Ich wage es schwer zu bezweifeln, dass ein Vergewaltigungsopfer selbst zu einem/einer Vergewaltiger/in wird, selbst wenn sie/er öfters vergewaltigt wurde. Meines Wissens bekommen solche Personen oft Berührungsängste, Angstzustände und/oder Paranoia (o.ä.).

Doch, leider ist das so, wenn ich mich richtig erinnere. Total pervers eigentlich, aber das ist so. und wenn sie nicht Vergewaltiger werden, werden sie sehr oft gewalttätig. ( Man muss es auch eigentlich andersherum sehen. Die meisten Vergewaltiger/Gewalttäter haben in der eigenen Kindheit ähnliches erlebt..oder sehr viele, da ich keine Zahlen zur Hand habe.)


Klar hat es mit der Dauer zu tun, jemand dem das einmal passiert, wird das keine derartige Verhaltensänderung aufzwingen.
Aber wenn Du lernst, das es 'normal', also usus ist, dann wird sich Dein Verhalten im Erwachsenendasein daran orientieren, welche Werte Du mitbekommen hast.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Aber wenn Du lernst, das es 'normal', also usus ist, dann wird sich Dein Verhalten im Erwachsenendasein daran orientieren, welche Werte Du mitbekommen hast.
Genau das ist den Punkt, auf den ich hinauswill. Und ich denke, dass auch Erwachsene noch neue "Normalitäten" lernen können. Wie sonst könnte eine Demokratie sich zu einem totalitären System wandeln (um mal wieder ein Extrembeispiel zu nennen)? Da müssten doch alle Demokraten sagen: Das widerspricht jetzt allem, was ich gelernt habe! Oft genug sagt die Menge aber: Naja, das scheint ja alles so seine Richtigkeit zu haben, mein Nachbar findet das ja offenbar auch nicht schlimm.
Es wird eben Normalität, dass Herr Meyer jetzt so über Nacht weg ist und dass wir die Fenster von dem Laden von Familie Sternberg eingeworfen haben. Wie schnell wird es denn für ganz "normale" Leute normal, dem bösen Gefangenen da mal ordentlich eins zu zimmern, damit er kuscht? Das würd ich nicht nur auf Kinder beziehen, genauso wenig wie in dem Fall der eigenen aktiven Tat.

Was die Trigger-Lösung angeht... naja.. dazu müsste der Charakter die Situation ja als eine Besondere auffassen (wie etwa einen Kriegseinsatz, der definitiv beendet ist, wenn man wieder Frieden hat/nach Hause zurückkommt), was meiner Anpassungs- und Normalitätsthese zuwider läuft.
Aber für Sonderfälle sicherlich eine gute Geschichte.
 
AW: Passiver Menschlichkeitsverlust?

Aber wenn Du lernst, das es 'normal', also usus ist, dann wird sich Dein Verhalten im Erwachsenendasein daran orientieren, welche Werte Du mitbekommen hast.
Allerdings bleibt dir immer noch die Möglichkeit die Werte deiner Eltern anzuerkennen oder zu verwerfen.
Leuten die als Kinder geschlagen wurden zu unterstellen, dass sie ohnehin selber Misshandler auf Warteliste seien ist sehr problematisch.
ES gibt durchaus Möglichkeiten den Kreislauf zu durchbrechen, mit und ohne Hilfe, und eine Menge (ich benutze einfach mal dieselbe unqualifizierte Mengenangabe) tun das.
Für genaueres sollten wir uns vielleicht an einen Pädagogik- oder Soziologie-Verständigen wenden, denn mit verallgemeinerungen um uns zu schmeissen wird das Problem kaum beleuchten.
 
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