Old-School vs. Neo-Old-School

alexandro

Kainskind
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In letzter Zeit reden alle möglichen Leute darüber was Old-School darstellt/darstellen sollte und wie man „richtig“ old-school spielt. Dabei wird allerdings ein essentieller Punkt aus den Augen gelassen: die Art wie Old-School Spiele generell rezipiert und gespielt werden. Man kann viele Listen mit und Grundsätzen jonglieren und so versuchen einen „Kodex“ der korrekten Benutzung von Modulen der Gygax-bis-Miller-Ära zu entwerfen (so wie etwa Matt Finchs Primer) und dieser Kodex schafft sicherlich ein brauchbares SYSTEM nach dem man spielen kann. Da liegt aber auch der Knackpunkt: der Kodex ist ein KOMPLETT NEUES System, eine Chimäre die auf einer bestimmten Lesart von alten Rollenspielen beruht und diese Erwartungen in konkrete Spiel- und Spielleitungshinweise umzusetzen versucht.

Als Konsequenz davon gehen die Meinungen darüber, was denn nun „wahre“ Old-School sei etwas auseinander, zusammengefasst lässt sich die Essenz dessen was die Old-School-„Schulen“ gemeinsam haben in drei großen Kernthesen zusammenfassen. Diese unterstütze ich vollkommen und gehe auch darin konform, dass diese „ganz normales Rollenspiel“ darstellen.

1. Fiktion ist König. Es werden keine Regeln „benutzt“, sondern einfach beschrieben was der Charakter macht. Dann kommen (manchmal anhand der Regeln, manchmal anhand des GMV) die Auswirkungen. So spielt jede Runde welche mit Rollenspielen anfängt. Ehrlich.
Wenn das nicht so ist, dann ist der Meister einfach zu unsicher (z.B. weil er die Regeln nicht gut genug kennt und Angst hat dass die Spieler ihn „überrollen“) oder ein Idiot (ich spekuliere mal nicht darüber, zu welcher Kategorie die „Promoter“ von Amigo gehörten, die (A)D&D in Deutschland so erfolgreich gegen die Wand gefahren haben), aber das ändert nicht daran, dass dieser Aspekt derjenige ist, auf den jede Rollenspielrunde instinktiv hinspielt.

2. Was nicht passt wird passend gemacht! Beim old-schoolen stört es nicht, wenn die Regeln unklar oder lückenhaft sind, denn man kommt im Konsens in der Regel zu einem Ergebnis, womit alle Beteiligten leben können. In den meisten Fällen ist dafür noch nicht einmal eine Diskussion nötig, weil gewisse Sachverhalte einfach klar af dem Tisch liegen. „Balancing“ kann es (selbst bei 4e) niemals wirklich geben und ist auch nichts was man innerhalb der Runde anstreben kann oder sollte: ein Spieler hat halt bessere Ideen und rennt damit allen anderen davon- das ist schon seit Braunstein nichts neues mehr (allerdings ist es imo befriedigender wenn der Spieler sich diese Vorteile erspielt, statt dass er sie durch das schlechte Design der Regeln geschenkt bekommt, aber das ist eine andere Geschichte). So unwichtig „Spielbalance“ für das Rollenspiel ist, umso mehr sind Fairness und sprachliche Fertigkeit des SLs gefordert, um Zusammenhänge im Spiel so darzustellen, dass die Spieler in der Lage sind ordentliche Entscheidungen zu treffen, statt mit einem „Ihr habt nicht gefragt“ in den nächsten TPK gerailroadet zu werden. Man spielt schließlich mit Freunden.

3. Anspruch? Schmanspruch! Old-School hängt meist mit einer bestimmten Lebensphase zusammen, in welcher man viel Zeit und enge soziale Kontakte hat. Mit anderen Worten: unsere selige Schulzeit. Damals trafen spielten wir oft mehrmals pro Woche(!). Und was spielten wir? Ganz sicher keine ausgearbeiteten Kaufabenteuer, auch keine minutiös durchgeplanten strategischen Herausforderungen, sondern die Ideen welche wir uns in einer langweiligen Stunde unter der Bank zusammengekritzelt haben, gepaart mit einer gehörigen Dosis Improvisation und „einfach den Charakter ausspielen“ (was generell als Hartwurst bezeichnet wird, uns aber egal war).

Nach diesen Grundsätzen ist old-school eine Sammlung von Befindlichkeiten, welche die Gruppe benutzt um die Idee Rollenspiel gemeinsam zu erforschen und dessen Möglichkeiten auszuloten. Gegen diese besondere Einstellung, dieser „Entdeckung des Neuen“ kann natürlich jede andere Rollenspiel-Erfahrung nur schal und geschmacksneutral wirken.
Versucht man diese schwer quantifizierbaren Erfahrungen in ein Modell zu pressen, welches unabhängig von den Erlebnissen und Erfahrungen der eigenen Gruppe Bestand hat und das „Erlebnis Rollenspiel“ formalisiert und quantifizierbar macht, so kommt dabei Murks raus, denn die dem zugrunde liegenden resultierenden „Ideen“ sind steif, steril und belanglos.

3. SpielerWISSEN vs. Charakterfähigkeiten! „Abenteuer müssen besonderen Anspruch haben, eine strategische Herausforderung beinhalten und den Spieler gegen die Welt (=SL) kämpfen lassen. Dies hat allein über die Fähigkeiten der Spieler zu geschehen, nicht über irgendwelche Regeln.“ Solche Ideen mögen in abgehobenen Intellektuellen-Runden Gefallen finden, welche sich intensiv (realweltlicher) Militärtaktik, Volkswirtschaft oder mechanischen Prinzipien (für die Entschärfung von Fallen) beschäftigt hat, aber denkt ihr echt dass eine „Alter 10+“ Red Box D&D-Runde so gespielt hat? Ich sage ja nicht dass es falsch wäre, spiele ja selbst gelegentlich so (z.B. schreibe ja selbst meine Intrigenreihe mit dem Gedanken an politische Zusammenhänge welche erfasst (und nicht erwürfelt) werden), aber so weltfremd diese Spielweise jetzt als das Allheilmittel zu betrachten bin ich jetzt auch nicht.

2. Der SL, der SL, der hat immer recht…! „Alleiniger Verantwortlicher für die Plausibilität der Spielwelt ist der SL. Er entwirft fordernde Herausforderungen, hält die Glaubwürdigkeit der Spielwelt aufrecht und sorgt dafür dass das Spiel Spaß macht. Wenn das Spiel nicht läuft, so liegt das daran dass der SL nicht Alpha-Spieler genug ist, um das Spiel am Laufen zu halten.“ Quatsch. Rollenspiele sind Gruppenspiele und sollten als solche gespielt werden. Jeder trägt etwas zum Spiel bei und hat eine faire Chance verdient seine Beiträge zum Spiel umzusetzen (oder an ihrer Umsetzung zu scheitern). Wenn der SL das lieber ignorieren möchte- kein Problem. Soll sich halt nur nicht beschweren wenn die Spieler nur noch reaktiv handeln und keine weitreichenden Ambitionen haben.

1. Rule calls, not rulings! Nach dieser Lesart wird „rulings, not rules!“ plötzlich mit „der SL passt die Regeln an, um der Situation gerecht zu werden.“ übersetzt. Das entspricht nicht nur nicht der Bedeutung des englischen Wortes „ruling“, sondern schlittert auch kilometerweit an der Spielpraxis vorbei. Es geht darum das die Handlungen der Spieler ad-hoc mit Konsequenzen versehen werden, das ist richtig, aber nicht darum dass spontan neue Regeln improvisiert werden. Solche FALSCHEN „rulings“ können ohnehin nicht dem Geist der Spieleraktion gerecht werden („Ich will das er durch meinen Schlag zu Boden geht, ich will nicht dass du mir +5W6 Schaden gibst!“), daher eignen sich ohnehin regelferne oder (wie bei Savage Worlds) regelimmanente Entscheidungen ungleich besser für deren Abwicklung. Wer der Meinung ist dass Rollenspiel als RollenSPIEL geschrieben werden müsste und das Spieler ihren Spaß hauptsächlich aus solchen ad-hoc Regelungen ziehen, der hat natürlich genauso einen an der Klatsche wie diejenigen welche den ersten Teil des Wortes groß schreiben.
 
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Marry me? :inlove:

...

Oder auch: Was für ein erzgeiler Thread! Ich harre gespannt der Dinge, die da kommen mögen!

Nein, dieses Posting leistet keinen substantiellen Beitrag zum Thema. Es ist einzig meiner außerordentlichen Begeisterung geschuldet. Danke der Nachfrage.

mfG
mpu
 
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Ein wirklich richtig guter Post. Hell yeah! :headbang:

Bis auf das mit der angezweifelten Spielleiterallmacht... *träum*

m4lik
 
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Ich gestehe: So langsam steige ich nicht mehr durch - ich habe den Eingangpost jetzt öfter gelesen und steige nicht durch ... mag aber auch daran liegen, dass ich gerade über 3 Stunden 7 Terroristenkinder um mich versammelt hatte, wovon einige sich immerzu auf die Omme hauen wollten (mit dazugehöriger Lautstärke). Mit anderen Worten: HÄH?! Und wieso jetzt erzgeil? Bitte in einfachen Worten.
 
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Ganz einfach: Old School Gaming wie es TATSÄCHLICH war, war etwas VÖLLIG ANDERES als das als das es heute propagiert wird.
Warum? Es waren andere Zeiten, wir waren jünger, und haben uns um das "wie" einfach VIEL weniger Gedanken gemacht.
Ich bin auch der Überzeugung: Weniger Theorie nutzt mehr als es schadet. Viel Theorie heißt viel Zeit VERSCHWENDET in der man eigentlich hätte RICHTIG spielen können.
 
AW: Old-School vs. Neo-Old-School

Ganz einfach: Old School Gaming wie es TATSÄCHLICH war, war etwas VÖLLIG ANDERES als das als das es heute propagiert wird.
Warum? Es waren andere Zeiten, wir waren jünger, und haben uns um das "wie" einfach VIEL weniger Gedanken gemacht.
Ich bin auch der Überzeugung: Weniger Theorie nutzt mehr als es schadet. Viel Theorie heißt viel Zeit VERSCHWENDET in der man eigentlich hätte RICHTIG spielen können.

Tellurian, solltest du je in meiner Ecke der Republik sein kannst du dir alleine schon wegen diesem Post bei mir ein Bier abholen :):inlove:
 
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Ganz einfach: Old School Gaming wie es TATSÄCHLICH war, war etwas VÖLLIG ANDERES als das als das es heute propagiert wird.
Stimmt. - Damals hieß das einfach nur "Rollenspiel".

Was auch immer man mit "old school" betitelt, findet doch stets und zwangsläufig aus der Rückschau statt. Ob Musik oder Rollenspiele ist da egal. Man blickt zurück mit Liebe und Weichzeichner.

Was dabei herauskommt ist das GEFÜHL. - "Old School" heißt für mich nur: "Es fühlt sich beim Spielen so wie damals an."

Und zwar so wie damals FÜR MICH. (Denn nur ich kann mich - mit allen Abstrichen der rückschauenden Verklärung - an meine damaligen Gefühle erinnern.)

Old School. - Das ist viel mehr der UMGANG, den man damals mit den normalen Rollenspielprodukten, die man so bekommen konnte, pflegte. WIE man mit den Rollenspielen umging, WAS man aus den z.T. ausgesprochen kargen Inhalte herausholte, das macht einen Unterschied zu späteren Moden Rollenspiele zu spielen.

Georgios tritt zwar gerne als arroganter Bastard und Provokateur auf, aber er hat auf dem T-Forum tatsächlich eine echte Wahrheit verkündet: Old School heißt Selbermachen.

Man baute sich seine Spielwelten selbst, man baute sich seine Regelbestandteile, die einem fehlten, selbst, man baute sich seine Abenteuer selbst, usw. - Und man nahm gnadenlos alle Kaufprodukte auseinander und schlachtete selbst die schlechtesten Abenteuer aus, weil es eh so wenige Produkte hierzulande gab und man irgendwelchen Nutzen selbst aus dem ödesten Szenario ziehen konnte. - Und wo das nicht gereicht hat, da würfelte man sich Dungeons, Städte, Landschaften, Sonnensysteme einfach anhand z.T. auch heute noch ausgesprochen brauchbarer Zufallstabellen zusammen.

Wenn Du es Dir vorstellen kannst, dann kannst Du es auch SPIELEN.

Hornbach zeigt den Weg zur Old School: Es ist die Heimwerker-Zeit des Rollenspiels, an die man sich beim Anpacken neuer Rollenspiele erinnert. Und es sind die Heimwerker-Handgriffe, mit denen man selbst die gelacktesten 4E-Produkte sich ZU EIGEN macht und aus ihnen etwas Gutes im Sinne von "old school"-ig Spielbares macht.

Das macht man selbst.

Man packt zu.

Spielleiter sind hier besonders gefordert, aber auch die Spieler! - Spieler entwerfen ihre eigenen Raumschiffe, ihre eigenen Festungen, ihre eigenen Zauber, usw. - Das ist auch Old School.

Lieber selbstgemacht, statt ein instant-just-add-water-Setting mit pappigem Geschmack zu bespielen.

Daher kommen bei Old-School-Freunden auch Settings mit minimaler Beschreibungsdetailtiefe gut an. Sie WOLLEN die weiteren Details SELBST hinzufügen. - Wem das Basteln nicht paßt, der kann sich das Fertigregal bei Ikea um die Ecke holen. - Niemand MUSS Basteln. Nur macht gerade das Basteln manchen Leuten großen Spaß. Und das ist eben "wie früher", als man ganze Kladden voller Dungeon-Level gezeichnet hat, die man nie zum Durchspielen kam.

Und das ist unabhängig davon, ob ein Rollenspiel nun alt oder neu ist.

Klar, die in den Old-School-Threads aufgezählten Rollenspielprodukte haben gewisse Gemeinsamkeiten. - Aber diese Gemeinsamkeiten lassen sich bei den "Neuen Old School"-Produkten nicht so recht wiederfinden. Die neuen Produkte, die man mit "Old School"-Gefühl spielen kann, weisen jede Menge an in der Zwischenzeit in unterschiedlichen Neuerungsphasen der Rollenspielproduktlandschaft eingeführten Mechanismen und Strukturen auf (Re-Rolls, Spieler bekommen Teile der Spielleiter-Aufgaben/-Privilegien, bewußteres Verwenden von Entscheidungen nach Drama/Karma/Fate-Gründen, usw.).

Savage Worlds ist regeltechnisch m.E. überhaupt nicht mit den uralten Regelmechanismen der damaligen Spiele zu vergleichen. Dazu sind zuviele neuere Elemente eingeflossen, als daß man hier Traveller, OD&D, RQ, usw. wiederfinden würde.

TROTZDEM ist das Spielen z.B. von Savage Worlds sowas von OLD SCHOOL für mich. Einfach so spannend, so packend, so begeisternd, so GEIL wie früher!

Savage Worlds ist ein BASTEL-System. Und es hat das Basteln (anders als Alt-Rollenspiele!) bereits VORGESEHEN. Es gibt direkt Anleitungen, wo und wie man an Savage Worlds herumschrauben kann, um seine Ideen damit zu verwirklichen. - Für mich war das eine echte Offenbarung!

Statt z.B. das Deadlands Classic Regelsystem aus dem Western-Setting "herausschälen" zu müssen, statt abstrahieren zu müssen, bevor man etwas Eigenes, Neues, Konkretes schaffen kann, bietet Savage Worlds schon gleich vorverlegte "Rohre", "Kabelschächte", usw. - das macht es einem leicht seine Ideen umzusetzen, ohne viel Zeit (hatte man früher eh mehr) aufzuwenden.



Wenn man sich die Zeit VOR dem Spiel, die Zeit WÄHREND des Spiels und die Zeit NACH dem Spiel anschaut, so erlauben "old school"-ige Rollenspielprodukte in der Zeit "Davor" das Basteln, Schrauben, Entwerfen und Umsetzen eigener Ideen, Welten, Universen - und geben Unterstützung dafür. In der Zeit "Indes", d.h. während des Spielens, erlauben sie auf die Art zu spielen, wie man es früher gemacht hat: zu entdecken, zu erfahren, zu probieren, zu erkunden, sich die selbstgemachten Welten mit den selbstgemachten Charakteren und deren selbstgemachter Ausrüstung, deren Raumschiffen, deren Zaubern, deren Begleitern zu erschließen. In der Zeit "Danach" gibt es Wachstum der Charaktere (XP, Lernmöglichkeiten), der Beziehungen (Freunde, Feinde, Partner, Henchmen&Hirelings), der Ausrüstung (Upgrades, Stabzauber, Bordcomputer, eingebundene Geister), und - ganz wichtig für den Spielleiter als den Ur-Schöpfer der Spielwelt - Wachstum der Spielwelt!

Die Spielwelt wächst mit den Charakteren mit. Sowohl Spielleiter als auch Spieler erfahren mit jeder Spielsitzung mehr und mehr über die Welt. Sie vertiefen die anfangs nur sehr oberflächlichen Beschreibungen durch ihre konkreten Erlebnisse, die die Welt FORMEN.

Wichtiger Punkt: Old School bedeutet während des Spiels aktives Erleben der Spielwelt, und nach dem Spiel das FORMEN der Spielwelt. Die Handlungen der Spieler bewirken Änderungen in der Spielwelt, die im Sinne der Konsistenz (wichtige Qualität von Old-School-Spielwelten) erhalten bleiben müssen und die somit nicht zur nächsten Spielsitzung wieder "zurückgerollt" werden dürfen.

Die Spieler nehmen die Welt, die Ideen, die Beschreibungen des Spielleiters=Weltenschöpfers und FORMEN die Welt. Sie drücken (ganz wie die klassischen Sword&Sorcery-Helden) der Welt ihren Stempel auf. - Sie sind eben KEINE bedeutungslosen kleinen Underdogs oder funktionierenden Rädchen einer großen Maschine, sondern sie gestalten aktiv ihre Spielwelt mit. Und zwar vornehmlich IN-GAME!

Player Empowerment! - DAS ist es, was ICH unter richtigem Player Empowerment verstehe. Die Spieler werden vom Spielleiter mit Situationen, Lokationen und Ereignissen konfrontiert und sie gestalten über ihre Interaktion damit die Welt UM. Nachher ist anders als vorher. - Die Spieler haben somit gestaltende Macht über die Spielwelt via Aktionen ihrer Charaktere.

Daher wird jeder Versuch sie darin zu beschneiden von Old-School-Anhängern auch so vehement als "Evil" eingestuft.

Es geht bei diesem Player Empowerment eben gerade NICHT darum, daß die Spieler dem Spielleiter als "Regisseure" ins Werk pfuschen und - ganz volkseigen - alle Entwurfsmacht vom gesamten Volke ausgeht. Das ist ja auch nicht abenteuerlich und da gibt es ja auch nichts zu entdecken, wenn man vorher schon sagt, was man finden möchte. - Das ist ein absurdes Player Empowerment, welches über die Forge und andere Kanäle emporgespült wird, aber nichts von dem Spaß, nichts von der Spannung, nichts von der Schokolade der Old-School-Überraschungs-Eier vermitteln kann.

Man kann nur von Dingen überrascht werden, die man nicht vorher kennt.

Das ist eine grundsätzliche Eigenschaft "old school"-igen Spielens: Der Spielleiter überrascht seine Spieler mit seinen Ideen für Lokationen, Situationen und Ereignissen, und die Spieler überraschen den Spielleiter mit ihren Lösungsideen, ihren Interaktionen mit Lokationen, mit Bewohnern der Spielwelt, mit ihren eigenen Schöpfungen im Rahmen der Spielregeln und im Rahmen ihrer Kreativität.

Und das geht nur solange gut, solange BEIDE SEITEN sich auf eine VERBINDLICHKEIT einigen können. - Aussagen des Spielleiters zu einer Lokation oder einem Spielwelt-Bewohner müssen verläßlich und verbindlich sein. Die Handlungen von SCs müssen in ihren Konsequenzen ebenfalls verbindlich sein. - Damit ein ECHTER Einfluß auf die Spielwelt ausgeübt werden kann, müssen die Konsequenzen der Spielerhandlungen verbindlich angewandt und konsistent fortgeführt werden.

Klar kann man auch den nach Drama-Gesichtspunkten erzählenden Storytellern vertrauen und sich auf deren Zugfahrt einlassen. - Doch kann man sich nie sicher sein, daß die eigenen Ideen wirklich Einfluß auf seine ausgedachte und schon fertig gedachte Geschichte haben werden. - Die Spieler in diesen Plot-Spielrunden verzichten auf den starken Einfluß, den Old-School-Spieler auf die Welt haben. Sie dürfen nur noch "Malen nach Zahlen" machen, aber sie können nicht mehr frei zeichnen, mit beliebig groben oder feinen Strichen.

Der größte Unterschied besteht tatsächlich in der UNTERORDNUNG der Spieler unter den "Großen Plan" des Storytellers im Storyteller-Umfeld gegenüber der UNKALKULIERBARKEIT der Spieler im Old-School-Spiel. - Der Spielleiter im Storyteller-Spiel ist immer noch Augen und Ohren für die Spieler. Er spielt ALLE NSCs und kann ihnen beliebige Eigenschaften und beliebige Macht geben. Die Spieler sind dem ohnmächtig ausgeliefert und kämpfen aus der unterlegenen Position um eine Nische in einem schon vorgezeichneten Gefüge. - Dieses Machtgefüge im Storyteller-Spiel ist grundsätzlich wesentlich dichter als in Old-School-Spielen.

Der Raum zum WACHSEN ist im Storyteller-Spiel eingeschränkter. Der Spielleiter muß auch nicht mehr so bewußt auf die Kontrolle über die Konsequenzen der Spieleraktionen verzichten. Im Sinne einer "Tollen Geschichte" darf er Konsistenz, Verläßlichkeit, Plausibilität brechen, wie er will.

Das wäre im Old-School-Spiel ein Grund nicht mehr mit diesem Spielleiter zu spielen.

Die Gestaltungsmacht des Old-School-Spielleiters engt die Spieler nie soweit ein, daß sie sich einem bestimmten Plot-Gefüge beugen müssen.

Rollenspiele, die Beziehungsgeflechte mit Verpflichtungen und damit eingeschränkten Freiheitsgraden für die Spielergestaltungsfreiheit abbilden, sind nicht Old-School.

HeroQuest z.B. ist ausgesprochen un-"old school"-ig. Hier werden alle erdenklichen Formen sozialer Beziehungen, Gruppenzugehörigkeiten usw. direkt in Spielwerte, die in alle Richtungen wirken können (auch gegen den SC) abgebildet.

In Savage Worlds hat man das nicht. Da erspielt man sich UNBEWERTETE Beziehungen mit bestimmten Gruppen in der Spielwelt. Aber NIEMAND hindert den Spieler zu entscheiden, daß er sich von jetzt auf gleich gegen diese Gruppe wendet. - Das wäre bei einer Beziehung in HeroQuest nicht so einfach möglich, da die Beziehung als Widerstand gegen Handlungen gegen die Gruppe wirken würde.

Somit ist es für den Spielleiter im Storyteller-Spiel leichter zu kontrollieren, wie weit er die Spieler seine Welt mitgestalten lassen wollen. - Doch ist solch eine Welt verglichen mit der Old-School-Spielwelt ausgesprochen beschränkt und geradezu statisch.

Statische Welten würgen Old-School-Spiel ab.

Das ist ein Grund, warum es eine gute Sache ist, daß Savage Worlds Spielwelten nicht mit Dutzenden Quellenbüchern ausgearbeitet (und überspezifiziert) werden. - Das würde die stete Suche nach Neuem ebenso ersticken, wie es die durch die Spieler ja bereits im Spiel geschaffenen Änderungen der Spielwelt durch "Kanon"-Publikationen "überschreiben" würde. - Kanon-Publikationen sind der TOD für Old-School-Spielwelten.

Diese Welten sind zum UMGESTALTEN da.

Man macht sie sich zu EIGEN, indem man sie auseinandernimmt, und nach eigenen Vorlieben wieder zusammensetzt. - Und zwar auf Spielleiter- wie auf Spielerseite!
 
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@Tellurian

Danke ... warum hatn der alexandro das nicht auch einfach so gesagt?! :p
 
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Irgendwie gehört zum OldSchool für mich auch die selige Zeit der Papier-Fanzines der frühen 80er dazu... da wurde auch viel des selbst Gebasteltes vorgestellt und verbreitet, und man hat sich daraus bedient, ergänzt, umgestaltet usw.
 
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Genau. Fallen & Rätsel.^^
 
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@zornau: ich bin beeindruckt! ein mörderlanges posting, das sich trotzdem komplett interessant las und selbst mtv-zuscheuer mit einer aufmerksamkeitsspanne von wenigen sekundenbruchteilen gefesselt hätte.

... und dazu noch wirklich gut beobachtet und rübergebracht.
 
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Finde den Zornhau-Post auch klasse. Darf ich mir erlauben, die Worte des Meisters zu zitieren und meinen sinistren Zwecken zu unterwerfen:

Georgios Zornhau tritt zwar gerne als arroganter Bastard und Provokateur auf, aber er hat [...] tatsächlich eine echte Wahrheit verkündet

No offense meant :)
 
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Der größte Unterschied besteht tatsächlich in der UNTERORDNUNG der Spieler unter den "Großen Plan" des Storytellers im Storyteller-Umfeld gegenüber der UNKALKULIERBARKEIT der Spieler im Old-School-Spiel. - Der Spielleiter im Storyteller-Spiel ist immer noch Augen und Ohren für die Spieler. Er spielt ALLE NSCs und kann ihnen beliebige Eigenschaften und beliebige Macht geben. Die Spieler sind dem ohnmächtig ausgeliefert und kämpfen aus der unterlegenen Position um eine Nische in einem schon vorgezeichneten Gefüge. - Dieses Machtgefüge im Storyteller-Spiel ist grundsätzlich wesentlich dichter als in Old-School-Spielen.

Großartige Post, aber dem obigen kann ich nicht zustimmen. Meine Spieler haben exakt das umgekehrte erlebt. Mit der WoD hatten sie eine Welt die sie ändern konnten (und das auch gemacht haben). Der Kanon bei WoD (oder Lo5R) ist genauso wenig oder vielverpflichtend wie es die Gruppe wünscht. Gerade bei spielen wie D&D in den Forgotten Realms hatte ich stöhnende Spieler, da schon alles von den High-Level-NSC bestimmt wurde (Stirb-Elminster-Stirb ;)). Aber auch bei den 'selbstgemachten' Spielen und Abenteuern hatte man bei den Old-School Games reihenweise railroading, (Ich kann mich an ganz grauenhafte Traveller-Runden erinnern) genau aus dem Grunde weil alles selbstgemacht war und der SL -seine- Ideen sehen wollte und nicht die der Spieler.
Savage Worlds (bei mir BESM) lässt halt Ideenfreiheit an die Front, aber das hat mit der Old School nur dem Gefühl nach eine Verbindung.
 
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Ganz einfach: Old School Gaming wie es TATSÄCHLICH war, war etwas VÖLLIG ANDERES als das als das es heute propagiert wird.
Warum? Es waren andere Zeiten, wir waren jünger, und haben uns um das "wie" einfach VIEL weniger Gedanken gemacht.
Ich bin auch der Überzeugung: Weniger Theorie nutzt mehr als es schadet. Viel Theorie heißt viel Zeit VERSCHWENDET in der man eigentlich hätte RICHTIG spielen können.

Nominiert!
 
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Hervorragender Thread - das sind doch mal Aussagen, die man unterschreiben kann!
 
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Der Raum zum WACHSEN ist im Storyteller-Spiel eingeschränkter. Der Spielleiter muß auch nicht mehr so bewußt auf die Kontrolle über die Konsequenzen der Spieleraktionen verzichten. Im Sinne einer "Tollen Geschichte" darf er Konsistenz, Verläßlichkeit, Plausibilität brechen, wie er will.

Das wäre im Old-School-Spiel ein Grund nicht mehr mit diesem Spielleiter zu spielen.
Bei Storyteller genauso.

Leider haben (bzw. hatten damals, in prä-Internet-Zeiten) nicht alle den Luxus sich ihre SLs aussuchen zu können. Daher mussten sie mit railroadenden Erzählonkeln genauso leben, wie mit Dungeon Mastern, welche ihre Stufe 1 Charaktere im ersten (natürlich nur 10x10 Meter großen) Raum des Dungeons auf einen Drachen treffen ließen, welcher die Charaktere ohne Chance auf Flucht "totwürfelte".

Diese Ausprägungen (also sowohl Erzählonkel, ALS AUCH Arschloch-DMs) sind EXTREME der Rollenspielandschaft, keine Regel.
 
AW: Old-School vs. Neo-Old-School

Diese Ausprägungen (also sowohl Erzählonkel, ALS AUCH Arschloch-DMs) sind EXTREME der Rollenspielandschaft, keine Regel.

Das ist auch meine Erfahrung. In der Tat habe ich in etwa 20 Jahren weder das eine noch das andere Extrem in der freien Wildbahn jemals beobachten können. Gut, auf Cons bin ich nicht so oft, da mag diese Spezies vorkommen.
Trotzdem immer wieder erstaunenswert, wie oft man diese Extreme als Allgemeingültig-Beispiel hernimmt. Das ist IMHO so nicht richtig.
 
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