Numenéra: Bestiarium der Neunten Welt – ein Werkstattbericht von Felix Hensel

Es ist mittlerweile schon einige Jahre her, seit Numenéra als erstes Crowdfunding unseres Verlags realisiert worden ist, seinerzeit noch über die Plattform Startnext. Das Grundregelwerk erschien und die Backerinnen freuten sich zusätzlich über mehrere Softcoverhefte, die Abenteuer und Spielleitertipps enthielten. Der Grundstein für die Reihe war gelegt. In der Folge erschienen nach und nach die typischen Erweiterungs- und Quellenbände, die fast jede Rollenspielreihe ihr Eigen nennen darf: Neue Fähigkeiten und Optionen für Spielercharaktere, Ausrüstung und Technologie, neue Regionen der Spielwelt sowie spielfertige Abenteuer. All dies und mehr findet sich in den Büchern, die seit dem Erscheinen des Grundregelwerks von uns übersetzt wurden. Allen Leserinnen, die sich schon eine Weile mit unserem wunderbaren Hobby beschäftigen, dürfte schon aufgefallen sein, was noch fehlt, um das Portfolio eines gelungenen Rollenspiels abzurunden: Wo sind die Monster, die Kreaturen, die Gegner? Tatsächlich haben auch wir uns diese Frage gestellt.
Monte Cook Games, der Verlag der englischsprachigen Originale, hat die Antwort schon frühzeitig in Form des Ninth World Bestiary geliefert. Wir wollen diese Antwort ebenfalls nicht schuldig bleiben und arbeiten daher momentan mit Hochdruck an einer deutschen Übersetzung des Kreaturenkompendiums. Es ist wohl müßig, den generellen Inhalt zu beschreiben. Es handelt sich um ein Bestiarium, da wird es niemanden überraschen, dass Kreaturen den Kern des Buches ausmachen. Insgesamt 117 seltsame und wunderbare Lebewesen erwarten euch zwischen den Buchdeckeln, wobei der Begriff „Lebewesen“ wie so häufig in der Welt von Numenéra weit gefasst ist:
Maschinenwesen, Entitäten aus fremden Dimensionen und Lebensformen aus Energie finden neben „normalen“ organischen Kreaturen ihren Platz. Außerdem sind eine Handvoll generischer NSC und eine Auswahl berühmter Persönlichkeiten enthalten. Um euch einen kleinen Eindruck von der Vielfalt des Bestiariums zu vermitteln, habe ich drei Kreaturen ausgesucht, die ich euch stellvertretend vorstellen möchte. Sie bilden keinesfalls die volle Bandbreite des Buchs ab, zeigen aber trotzdem, auf was eure Charaktere stoßen können, wenn sie durch die Neunte Welt streifen:

Kalyptein-Krabbe

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Die Kalyptein-Krabbe ist ein gutes Beispiel für ein real existierendes Lebewesen, dem das seltsame Element von Numenéra einfach übergestülpt wurde. Es handelt sich um eine Art Einsiedlerkrebs, nur das diese Krabbe keine Schneckenhäuser bezieht, sondern ausgediente und manchmal auch noch funktionale NumenéraGeräte als Heimstatt nutzt. Kalyptein-Krabben leben in Gruppen und reichen ihre Behausungen an kleinere Exemplare weiter, wenn ein größerer Unterschlupf sich anbietet. Ein solcher Unterschlupf könnte ein Gerät sein, das sich im Besitz der Spielercharaktere befindet. Die Krabben arbeiten dann zusammen, um das Objekt ihrer Begierde zu entwenden. Im Kampf stellt eine Krabbe eigentlich keine sonderliche Gefahr dar, auch wenn sie dank ihrer Behausung gut gepanzert ist. Ärgerlicherweise neigen die Kreaturen dazu, bei schwerer Verletzung verschiedene nützliche Effekte zu erzeugen, die vom langen Kontakt mit ihrem Numenéra-Panzer herrühren. Spielleiter*innen finden eine schöne Zufallstabelle mit möglichen Angriffen, die die Krabbe, die einem erwachsenen Menschen gerade mal bis zum Knie reicht, dann plötzlich abfeuert.

Rocira

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Diese an Libellen erinnernden Insekten leiden darunter, stets mit ihrer Botschaft verwechselt zu werden, obwohl sie doch eigentlich nur die Boten sind. Die in Schwärmen auftretenden Tiere werden für diverse Katastrophen verantwortlich gemacht und sind entsprechend gefürchtet. Eigentlich sind sie aber stets anwesend, bevor das Unheil eintritt. Das Bestiarium lässt offen, ob sie als Warnung fungieren sollen oder ob es einen anderen Grund für die Affinität dieser Kreaturen zu furchtbaren Geschehnissen gibt. Fest steht nur, dass den Spielercharakteren eine unangenehme Erfahrung bevorsteht, wenn die Wesen auftauchen. Sollten sie der Wanderung der Insekten im Weg stehen, kann es sogar zum Kampf kommen, auch wenn Rocira eigentlich nicht aggressiv sind und sich als recht intelligent erweisen, wenn man einen Weg findet, ihre Pheromon-Kommunikation zu entschlüsseln. Sollte ein Konflikt ausbrechen, sind die Schwärme in der Lage, in den Köpfen ihrer Gegner die letzte Katastrophe, die sie angekündigt haben, noch einmal stattfinden zu lassen. Ein solcher mentaler Angriff wird einen Charakter kaum töten, kann aber ein großes Hindernis darstellen, vor allem, wenn die eigentliche Katastrophe bereits heraufdämmert…

Valma

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Diese Wesen ähneln schwebenden violetten Pyramiden, doch es ist weniger ihr Aussehen, dass sie interessant macht, sondern ihr Verhalten. Valmas sind intelligent und in der Lage, verbal zu kommunizieren. Leider sind sie nur selten in der Lage, NICHT verbal zu kommunizieren. Ein Charakter, der dem Valma auch nur einmal seine Aufmerksamkeit schenkt, wird von da an mit Informationen, Geschichten, Wortspielen und Geheimnissen überhäuft, da das Wesen jederzeit gewillt ist, sich zu unterhalten. Zurückweisung und/oder mangelnde Antworten sind als Reaktion auf ein Valma wenig empfehlenswert, denn die Wesen sind schnell eingeschnappt. Sie begnügen sich dann allerdings nicht damit, zu schmollen, sondern setzen ihrem „Liebling“ mit elektrischen Entladungen zu.
Wie bei vielen Elementen der Neunten Welt, ist auch bei den Valma nicht wirklich klar, welche Funktion sie in einer der verschwundenen Zivilisationen eingenommen haben könnten. Für Spielercharaktere kann ein Valma jedenfalls ein nützlicher Begleiter sein, wenn sie bereit sind, sich dem ewigen Geplapper der Kreatur auszusetzen. Kluge Spielleiterinnen nutzen Valma als Informationsquelle, die die Antworten auf viele Fragen liefern können. Der Preis für die Informationen besteht aber entweder in viel Geduld mit dem mitteilungsbedürftigen Wesen oder in einigen unangenehmen Stromschlägen, weshalb die Spielerinnen sich gut überlegen sollten, ob und wie oft sie auf das Valma zurückgreifen wollen.

Wie weiter oben bereits angedeutet, handelt es sich bei diesen drei Kreaturen nur um die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. Das fertige Bestiarium der Neunten Welt wird euch noch eine Menge weiterer Monster und Wesen bieten, die nur darauf warten, eurer Kampagne einen ganz eigenen, oftmals sehr seltsamen Stempel aufzudrücken.

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