Not a serious game?!

K

Kaffeebecher

Guest
Ich leite im "schoenen" China eine BoL-Runde. Dabei bereitet mir ein Spieler Kopfzerbrechen, der mit seinem Loot eine Firma namens Adventure Inc. eroeffnen wollte und den anderen Charakteren mitteilte, dass sie nun seine Angestellten seien inkl. Waffenrock mit Logo.
Letztens hatte er einen Palast bekommen mit Dungeon und Schlangengruben. Auf die Frage, was sein Charakter als Alchimist vorbereiten will, kam eine Armbrust, die Vipern verschiesst mit Gurtzufuehrung. Ich erklaerte ihm, dass er das haben koenne, wenn er es mir innerhalb der Regeln erklaere. Innerlich war ich aber am Kochen, weil dieser Spezi nich immer weder was zum Setting noch zum System gelesen hat.

Einem anderen SL, der auch den Spieler in der Runde hat, berichtete ich von meinem Leiden. Der Typ, der selber Pathfinder meinte , dass das verstaendlich sei, da BoL kein ernstes Spiel sei. Immerhin kann man seinen Charakter in 10min erstellen und der ist dann gleich badass. Da koenne man sich nicht sehr zum Charakter verbunden fuehlen.
Und deshalb sei es auch nicht ernst.

Was meint ihr?
 
Ich find's generell schwierig, sich sofort in einen neuen Charakter reinzudenken. Glaub nicht, dass das Powerlevel oder die Stats damit was zu tun haben.
 
Mhmm... also auf Dauer der Chargen oder die Stats würde ich es auch nicht reduzieren, aber ich denke schon, dass ein realistischeres (im literarischen Sinne, mE zB DSA, V:tM) Setting eher zu Ernsthaftigkeit anregt als zB ein pulpiges. Aber so festlegen kann man das nicht. Es gibt sicher Runden, die DSA sehr pulpig und BoL sehr ernsthaft/realistisch spielen.
 
Kommt auch auf die generelle Stimmung an, die gerade im Raum steht, find ich. Man kann mit den selben Figuren in der selben Welt an einem Abend ein krasses Horror-Szenario bespielen, und an einem anderen wird's dann eher 'ne Slapstick Nummer. Insofern glaube ich tatsächlich nicht, dass das irgendwas mit Werten oder dem Setting an sich zu tun haben muss.
 
Ich glaube nicht das der Spieler mit mehr Wissen zu der Welt anders spielen würde oder sie ernster nehmen.
Es klingt mehr so als hätte er mit der unernsten herangehensweise seinen Spaß.
 
..., da BoL kein ernstes Spiel sei. ....
Welches Rollenspiel ist denn schon ZWANGSLÄUFIG ein "ernstes Spiel"?

Ich habe bei Cthulhu-Runden und Weird-Wars-Runden wirklich herzlich lachen können, und mir wurde beim an sich humorig gedachten Paranoia ziemlich unwohl vom Bauchgefühl her. - Das lag jeweils an der konkreten Situation, der Spielerkonstellation, aber NIE an den Regeln oder dem Setting!

BoL ist ein Sword&Sorcery-Rollenspiel. - Wer Sword&Sorcery-Romane, -Geschichten oder -Comics kennt, der weiß wie ernsthaft brutal, knallhart, moralisch grenzwertig (es gibt keine "Guten"), und generell eben nicht gerade leichtherzig dieses Genre ist.

Wenn Spieler die oben beschriebenen Eindrücke von "ist kein ernstes Spiel" , "ich bau halt mal irgendeinen 'humorig-comedy-artigen' Kram ein" usw. zeigen, dann wurde - vermutlich vom Spielleiter - versäumt den Spieler die GENRE-KONVENTIONEN darzulegen.

Genre-Konventionen sind Konventionen, Klischees, Versatzstücke, die definierend für das bestimmte gespielte Genre sind. - Man KANN auch gegen diese Konventionen anspielen, doch das sollte man vorher explizit mit der Gruppe klären. Diese Konventionen erleichtern den schnellen Einstieg in das Spiel, die Spielwelt und die Art, wie Charaktere, wie Hauptfiguren in diesem Genre so üblicherweise agieren. Das hilft viel an Settinginformationen einzusparen, da eben die Sword&Sorcery-Versatzstücke jedem, der ein paar der Klassiker gelesen hat, geläufig sein sollten.

Was aber, wenn die Spieler NICHT die Klassiker, NICHT die Romane gelesen haben, sondern nur die "Verarsch-Versionen" aus Comics oder Comedy-Filmen kennen, in denen eben nackte, eingeölte Barbaren das Fantasy-Äquivalent des "Röhrenden Hirschen" darbieten und alles einerseits für die Hauptfiguren HARMLOS wirkt und andererseits wie bei Xena oder Herkules Unmengen von ANACHRONISMEN eingebaut werden.

Eine "Adventure Inc." in einem Fantasy-China? KEIN Problem, wenn man mit BoL-Regeln ein Xena-/Herkules-Setting, angelehnt an die zwar unterhaltsame, aber keinesfalls dem Sword&Sorcery-Genre zuzurechnende TV-Serie spielen möchte. Da paßt dann auch wirklich überkandidelter Kram rein, ohne daß sich irgendwer daran stören würde.

Aber wenn man im klassischen, legendären "Outlaws of the Marsh" (Die Rebellen des Liang-Shan-Moors)-Setting spielen möchte, dann passen zwar unglaubliche "Kungfu-Tricks" einzelner Charaktere ins Setting, doch spielt sich all das immer noch vor einem eher historisch-"normal" gestalteten Hintergrund ab. Keine Drahtseilakrobatik, keine Monster, keiner anachronistischen Weird-Science-Apparillos! - Wer jetzt den (langen!) Roman rund um die Gesetzlosen des Liang-Shan-Moores nicht gelesen hat, wer eventuell nur von modernen, mit maximalem SFX-Aufwand inszenierten Wushu-Filmen seine Vorstellung des "alten China" gewonnen hat, der dürfte MASSIV mit den Setting-Konventionen dieses klassischen Helden-/Schurken-Settings, einer durchaus mit der westlichen Sword&Sorcery-Fantasy verwandten Art der Geschichten rund um moralisch SEHR fragwürdige Charaktere, kollidieren.

Es sind NICHT die Regeln, auch nicht die bei BoL (oder Fate oder SW oder DW oder DS oder ... ) gegenüber Pathfinder einfacheren Regeln, welche die "Ernsthaftigkeit" dessen, was im Spiel an Handlungen, Entscheidungen und neugeschaffenen Fakten so eingeführt wird, bestimmen!

Man KANN in einem Cthulhu-Setting wie die Scooby-Gang agieren und nichts an übernatürlichen Dingen irgendwie ernst nehmen.
Man KANN in einem Hardboiled-Detective-Setting wie bei der Nackten-Kanone agieren und eine bekloppte Szene nach der anderen hinlegen.
Man KANN in einem harten Charakter-Drama-Setting die Charaktere so idiotisch wie bei "How I met your mother" agieren lassen.

Geht alles. - Solange es KEINEN STÖRT.

Und wie kann man das herausfinden?

Indem man mal auf die Gesichter der Mitspieler - und auch der SL ist ein Mitspieler! - schaut, ob sie der aktuelle "ach so gute Gag" wirklich begeistert hat, oder ob sie davon genervt und aus IHREM Spielgefühl herausgerissen werden. - Einfach mal nicht nur seinen EIGENEN Spaß über den ALLER anderen Stellen, sondern versuchen GEMEINSAM mit den Mitspielern Spaß zu haben. Das geht. Nur will das nicht jeder. Und daher kommt es zu solchen im Eingangsbeitrag geschilderten Beklopptheiten in einem an sich deutlich ernster, glaubwürdiger gedachten Setting.

Man kann natürlich VORHER miteinander besprechen, wie zotig, comedy-haft es sein soll. - Aktuell beginnt für mich gerade eine Star-Wars-D6-Kurzkampagne, in der die SCs allesamt Imperielle sind. Mäßig kompetente, mäßig wichtige Imperielle. Ein wenig angelehnt an "Space Janitors", die Webserie. Da ist KLAR, daß bekloppte Gags willkommen sind, daß es nie wirklich ernst, an die Nieren gehend, die Stimmung ins Bittere führend zugehen soll. Alle Spieler und der Spielleiter WOLLEN eine entspannte Comedy-Runde aufziehen. - Absprache dieser Kampagnen-Ausrichtung fand schon vor der Charaktererschaffung statt, so daß wir alle gleich auch dafür passende Charaktere bauen können.

Wenn also die Gruppe des Threaderstellers "im schönen China" spielt, dann ist hier die Frage, was VORHER mit allen Mitspielern denn abgesprochen wurde?

Auf welche Art an "Ernsthaftigkeit", besser eigentlich "Glaubwürdigkeit" der Settingumsetzung hat man sich denn geeinigt? Auf welchen Grad an "Anachronismen" (wie die Adventure Inc.) hat man sich geeinigt?

Wenn es dazu KEINE Einigungen gab, dann kann man als SL auch einfach mal sagen: "Leute, ICH habe mir hier ein ziemlich ernsthaftes Setting für zwar sehr kompetente Charaktere, aber nicht für Comedy-Knall-Chargen vorgestellt. Wenn ihr meint, daß ICH an dem Spiel mit Euch KEINEN Spaß haben soll, dann geht scheißen und sucht Euch einen anderen Wunscherfüller. MIR machen solche Zoten nämlich KEINEN Spaß."

Ein SL ist auch ein Mitspieler, der eben AUCH seinen Spaß haben möchte. Und ich kann es seht gut verstehen, daß nach reichlich Vorbereitung eines ernst ausgerichteten Settings entlang der Sword&Sorcery-Konventionen solche Spieler-Ideen einfach dem SL den Spaß verderben können. - Denn wenn diese Ideen auch vom SL als "supergeil" empfunden würden, dann gäbe es ja diesen Thread hier nicht!

Ich würde mit der gesamten Gruppe einfach nochmal über die Ausrichtung des Settings reden. Wenn da unvereinbare, unlösbare Konflikte in den Wünschen und Ansichten vorliegen, dann geht es halt nicht und man spielt was anderes. Ansonsten sollte man eigentlich von willigen, rücksichtsvollen Mitspielern erwarten können, daß es zu einer für ALLE im Spiel Freude bereitenden Einigung kommt.
 
... da BoL kein ernstes Spiel sei. Immerhin kann man seinen Charakter in 10min erstellen und der ist dann gleich badass. Da koenne man sich nicht sehr zum Charakter verbunden fuehlen.
Das ist noch einmal ein ganz anderer Punkt.

Ich sehe die Dauer, den "Arbeitsaufwand" bei der Charaktererschaffung als VÖLLIG UNERHEBLICH für die Ernsthaftigkeit des Spiels und die Verbundenheit mit dem eigenen Charakter an.

Ich habe schon an "schwergewichtigen" Regelsystemen tagelang(! - war DSA4) an meinen Charakteren herumgerechnet und fand die letztlich weit fader und weniger "innerlich berührend" als sogar aus dem Zufallsgeneratur erzeugte Charaktere oder vorgenerierte Beispielcharaktere. - Es kommt NIE darauf an, wieviele Spielwerte auf dem Charakterbogen stehen, wie lange die Charaktererschaffung gedauert hat, sondern es kommt darauf an, wie man mit dem Charakter tatsächlich SPIELT!

BoL-Charaktere haben soviel "Tiefgang", wie man als Spieler dort hineinzuspielen willens und imstande ist. Wer keinen markanten Charakter spielen kann, der kann das nicht, wenn nur 10 Spielwerte auf dem Charakterbogen stehen, und er kann es immer noch nicht, wenn 100 oder mehr Spielwerte auf dem Bogen stehen.

Beispiel von letztem Sonntag: Wir hatten abermals Tall Tales #1 "Broken Hearts", ein neues spielleiterloses Storygame für das Deadlands-Weird-West-Setting, gespielt. Dort haben die Charaktere die folgenden Spielwerte:
  • Name
  • Rolle (sozusagen, welchen "Beruf" sie im Weird West ausüben, wie Lawman, Prediger, Viehtreiber, usw.)
  • Motivation (eine Art "Aspekt")
  • ein bis drei Beziehungen zu anderen Charakteren.
Das war's schon!

Und was bei dieser Tall-Tales-Runde wieder einmal herauskam, war anrührendstes, packendstes Charakter-Drama mit enormem Tiefgang der Charaktere, mit überraschendsten Wendungen und heftigsten emotionalen Konflikten. - Das alles auf Basis einer Handvoll Spielwerte, von denen nicht einmal irgendeiner quantitativ ausgerichtet ist, sondern nur qualitativ.

Wer braucht schon einen Haufen Spielwerte, um einen ÜBERZEUGENDEN, LEBENDIGEN, GLAUBWÜRDIGEN Charakter zu spielen?

Niemand. (Und wer MEINT das zu brauchen, der ist halt einfach ein SCHLECHTER Rollenspieler und muß noch lange üben!)


Der andere Punkt im obigen Zitat war ja, daß Charaktere, die schon sehr kompetent einsteigen, weniger "ernsthaft" wirken und weniger "Verbundenheit" mit dem Charakter im Spieler auslösen sollen.

Das ist UNFUG!

Der Stufe Null Tellerwäscher-SC erzeugt nicht mehr Verbundenheit im Spieler, nur WEIL er ein Nichtskönner ist!
Der auf Cosmic-Level erschaffene Superhelden-SC erzeugt nicht weniger Verbundenheit im Spieler, nur WEIL er ein hochkompetenter Superheld ist!

Wer solche Ansichten vertritt, der kommt vermutlich aus einer sehr auf Spielerkleinhalten ausgerichteten Ecke des Hobbys, wo weder die Spieler, aber erst recht nicht die SLs ausreichend Rückgrat haben, um mit KOMPETENTEN HELDEN als SCs wirklich umgehen zu können.

Ich kann nur sagen, daß ich mich in den Anfangszeiten meiner Hobbyhistorie mit den minderkompetenten Charakteren in D&D, die alle so verdammt schnell gestorben sind, weit weniger verbunden gefühlt hatte, als mit den deutlich zäheren und kompetenteren Charakteren in Gamma World 1st Ed., die tatsächlich auch ganze Kampagnenhandlungsbögen überlebt hatten. - BoL bietet überlebenstaugliche, sich ihrer Haut durchaus wehren könnende SCs auf, bei denen KEINER eine Lusche ist, sondern ALLE kompetente HELDEN darstellen. Das heißt nicht, daß diese Helden keinerlei Herausforderungen mehr erleben können, sondern nur, daß sie nicht ständig TODESANGST bei jedem popeligen Kneipengerangel haben müssen. Was soll daran denn die "Verbundenheit" mit dem Charakter senken, nur weil er nicht wie "Fallobst" ständig abkratzt und, wenn er nicht gerade abkratzt, er halt auch nichts kann, keine Kompetenz in irgendwas mitbringt?

Wie gesagt, solch eine Ansicht halte ich für absoluten UNFUG!
 
Zurück
Oben Unten