AW: Neue Engelskräfte
Tellurian schrieb:
Wäre es dann nicht am sinnvollsten, den weiteren Metaplot einfach zu ignorieren?
Das Ignorieren des WEITEREN Metaplots beinhaltet ja auch das Nichtkaufen oder zumindest das Nichtverwenden der weiteren Publikationen, die nach dem beschlossenen Ist-Stand, den man noch für seine Kampagne verwenden will, erscheinen.
Damit sagt man einfach: Bis hier und nicht weiter werde ich dem offiziellen Metaplot folgen. Ab hier beginnt mein eigenes Ding.
Das ist in JEDEM Metaplot-Setting völlig legitim. Jeder kann doch für sein Spiel ändern, was er mag.
Es gibt bei Metaplot-Thematiken nur das Problem, daß jemand, der sich z.B. Engel MIT einem Krieg gegen Britannien erwartet (z.B. weil der die beiden Romane gelesen hat), etwas enttäuscht wäre, wenn er in einer Spielrunde landet, in welcher der Spielleiter ab dem Michaeliten-OB seinen Schnitt gezogen hat und danach alles anders weitergeführt hat.
Ein Metaplot ist ja nicht etwas, was völlig uninteressant und lästig wäre, sondern kann etwas Spannendes, etwas Neugierig machendes, etwas sein, was man GERNE durchspielen würde - vor allem, weil einem die Metaplot-Geschichte zumindest die Möglichkeit verspricht an wirklich Weltbewegendem mit seinen Charakteren teilzuhaben.
Die Geschichte der Welt, wie sie im Metaplot vorerzählt wird, ist den SCs jedoch zumeist als "Reinsetzen und Mitfahren"-Geschichte vorbehalten. Außer bei Metaplot-Geschichten, die das ENDE eines Settings behandeln, ist es mir nicht bekannt, daß in Metaplot-verwendenden Szenarien die SCs WIRKLICH etwas an der Spielwelt BEWEGEN könnten, also das Ergebnis der Handlungen der SCs wirklich OFFEN wäre. - Das kann ja auch nicht sein, da der Metaplot ja weitergehen muß (in den nächsten Publikationen). Wenn das Ergebnis wirklich offen wäre und nachher potentiell kein Stein des Settings auf dem anderen stehenbleiben müßte, dann wäre es ja eher ein Plot der eigenen Kampagne, denn der Metaplot der Geschichte, die der Hersteller (vornehmlich den Spielleitern) erzählen will.
Wenn ich einen Metaplot interessant finde (und bei Engel finde ich das), dann habe ich zwei Möglichkeiten:
1. Ich spiele nur Unwichtiges mit ausschließlich lokalen Auswirkungen, bei denen auch keine der in den offiziellen Bänden erwähnten Personen in ihrer Stellung oder gar ihrem Leben beeinträchtig werden (denn ich weiß ja nicht, ob sie nicht im nächsten Buch als einer der wichtigsten Treiber für den Metaplot vorgestellt werden, da ich nicht hellsehen kann).
2. Ich warte ab, kaufe alle Publikationen, und beginne mit dem Spiel erst dann, wenn der Metaplot abgeschlossen und vollständig veröffentlicht vorliegt. (Das geht z.B. bei den alten, out-of-print Deadlands-Metaplot-Bänden derzeit recht gut, da man hier in Rückschau die gesamte Geschichte anschauen kann und dann mit dem Gesamtüberblick(!) entscheiden kann, was man davon wie verwenden will. - Wenn man aber schon Deadlands gespielt hat, während gerade die Metaplot-Bände herauskamen, konnte man zwangsläufig diese Entscheidungen nicht aus dem Überblick treffen, sondern nur raten, vermuten, oder (siehe Möglichkeit 1) die Finger von allem potentiell Wichtigem lassen.)
Alle anderen Verfahrensweisen führen dazu, daß eine potentielle oder sehr konkrete Kollision mit dem veröffentlichtem Material auftritt. - Das muß ja noch lange keine große Abweichung sein, aber es KANN. Es kann soweit kollidieren, daß spätere Publikationen nicht mehr für die eigene Kampagne nutzbar sind. (So wie z.B. eine auf Britannien angesiedelte "Zuflucht" voller Angelitischer Flüchtlinge (Engel wie Menschen), die ich mal von einem Engel-Spielleiter geschildert bekommen hatte, als damals nur das GRW in der ersten Auflage draußen war. - Wenn diese Kampagne so weitergespielt worden ist (was ich nicht weiß), dann wäre für diese Idee das aktuell erschienene De Bello Britannico im Widerspruch zu den erspielten "Realitäten" auf Britannien.)
Das macht alles wenig, wenn ich alle Zeit der Welt habe und mir stets reichlich Arbeit mit dem Anpassen, Umschreiben, Selbstentwickeln von Engel-Materialien für meinen eigenen (Nicht-Mehr-Meta-)Plot meiner Kampagne machen kann (und will).
Wenn ich das aber nicht kann oder will (aus Zeitgründen, aus Faulheit, aus Konsumhaltung - immerhin zahlt man ja nicht gerade wenig für die Engel-Bücher), dann sitze ich eben in der Metaplot-Falle:
Ohne eigene Mehrarbeit kann ich keine GROSSEN Geschichten erzählen, sondern muß mich mit kleinen, unwichtigen Dingen beschäftigen (was ich vielleicht nicht will, wenn mich die großen Geheimnisse der Welt überhaupt erst an Engel fasziniert haben). => Gefangen.
Wenn ich aber alle großen Geheimnisse selbst auflösen muß, warum kaufe ich dann noch Engelbücher? Dann könnte ich auf der Basis des GRWs ja eh alles SELBST machen? Nur fehlt mir dazu die Zeit, die Ideen, die Lust. => Gefangen.
Das betrifft nicht nur die Welt der Engel, sondern alle Metaplot-Settings. Was bei Engel besonders betroffen macht, ist die Offensichtlichkeit mancher zumindest für einen Spielleiter erklärungsbedürftiger Eigenschaften der Spielwelt (z.B. die unübersehbaren Fegefeuer, deren Hintergrund, deren Erklärung für einen Spielleiter schon für ein solides, sicheres Gefühl die Welt der Engel zu kennen wichtig wäre; ebenso die Traumsaat, uvam. der selbst dem Spielleiter nicht erklärten "Geheimnisse" des Hintergrundes).
Und hier ist auch der Unterschied z.B. zu Deadlands: In Deadlands wurde im Metaplot die GESCHICHTE der Spielwelt weitergeschrieben bzw. neue "Key-Players" tauchten auf und mischten mit - die für den Weirdwest grundlegenden Geheimnisse, das ganze Warum dieser Spielwelt, das wurde schon im Grundregelwerk im Spielleiterteil offenbart. Damit war dem Spielleiter von Anfang an klar, was es mit dem "weird" im Weirdwest auf sich hat. Somit hatte man als Spielleiter hier die Sicherheit, die Welt VERSTANDEN zu haben. Der Metaplot hatte nur die Weltgeschichte weitergeschrieben, und das konnte man mitmachen, oder sie anders verlaufen lassen.
Bei Engel wird zwar auch die Weltgeschichte weitergeschrieben, doch sind gerade die wesentlichen Informationen über die grundlegenden Treiber dieser Spielwelt auch vor dem Spielleiter geheim gehalten! In den Engel-Publikationen wird somit nicht einfach nur die Geschichte fortgeschrieben, wo man sich anhängen kann, oder es eben leicht selbst und anders weitergehen lassen kann, sondern es werden in diesen Büchern erst so nach und nach (und in meiner Meinung nach ZU KLEINEN Bröckchen) die für den Spielleiter NOTWENDIGEN Informationen über die Spielwelt veröffentlicht. Das führt dazu, daß ein Spielleiter über die wesentlichen Eigenheiten der Spielwelt weiterhin KEINEN ÜBERBLICK hat. Damit kann er nicht einfach nur entscheiden eine eigene Zukunft der Spielwelt unabhängig von der Metaplot-Historie zu spielen, sondern er MUSS sich auch noch die Erklärungen für die Hintergründe der Spielwelt-Besonderheiten selbst einfallen lassen.
In dieser Hinsicht belastet Engel einen Engel-Spielleiter mehr als andere Metaplot-Rollenspiele.