AW: [Malkavianer] NSC-Sammlung
Julian Samuel
Beschreibung:
Er war wohl noch jung, als er den Kuss der Nacht empfing. Noch nicht einmal volljährig scheint er zu sein, nervös zupft er immer wieder an seiner Kleidung herum, setzt seine Lesebrille auf und wieder ab, um sie zusammenzufalten und in die Brusttasche seiner wollenen Weste zu stecken - nur um sie einige Augenblicke später wieder herauszunehmen, mit einem Tuch zu putzen und wieder aufzusetzen. Die helle Weste mit den vier hölzernen Knöpfen, von denen einer schon nur noch an einem Fädchen hängt und jeden Moment abzufallen droht, hat er über einen schwarzen Rollkragenpullover gezogen, der um seinen schmächtigen Körper flattert. Eine grüne Hose mit einer Unzahl von angenähten Taschen - manche davon sehen sogar aus, als seien sie selbst angenäht - und ausgelatschte, ehemals wahrscheinlich weiße Turnschuhe komplettieren seine Kleidung.
Kurzabriss:
Konzept: dilettantischer Forscher :|: Wesen: Dilettant :|: Verhalten: Abweichler
Clan: Malkavianer :|: Generation: zwölfte :|: Status: Kind
Clansnachteil: Schizophrene Verwechslung von Fiktion und Realität
Attribute:
körperlich: Körperkraft 1, Widerstand 2, Geschick 3
gesellschaftlich: Charisma 4, Manipulation 3, Erscheinungsbild 2
geistig: Wahrnehmung 3, Intelligenz 4, Geistesschärfe 3
Fertigkeiten:
körperlich: Fahren 1, Handwerk 1, Heimlichkeit 3, Überleben 1
gesellschaftlich: Ausdruck 1, Ausflüchte 2, Einschüchtern 1, Empathie 4, Szenekenntnis 1, Tierkunde 2
geistig: Akademisches Wissen 3, Aufmerksamkeit 1, Gesetzeskenntnis 1, Linguistik 1 (MS Deutsch; Schulenglisch, etwas Latein), Medizin 1, Naturwissenschaften 2, Okkultismus 1, Malkavianerzeit 3
Disziplinen:
Auspex 1, Irrsinn 1, Verdunkelung 2
Vorzüge & Schwächen:
Niedrige Generation (1)
Vampirblick (5)
Heiligkeit (2)
Zucken (-1)
Sucht nach Beruhigungsmitteln (-2)
Dunkles Schicksal (-5)
Tugenden:
Gewissen 3, Selbstherrschung 3, Mut 2
Moral:
Menschlichkeit 6
Willenskraft 3
Hintergründe:
Kontakte (Biologiedozent) 1, Mentor 1
Präludium:
Eine kalte Brise umweht mich, weckt meinen Geist erneut auf, beinahe eingeschlafen unter der müden Hitze des Frühlings, einen heißen Sommer ankündigend. 31°C im Schatten – im Schatten der alten Lerche, von deren Blättern ich mir vergebens Schutz vor der Schwüle erhofft habe. Die Schweißtropfen des Denkens aus der Stirn, pressen sonst meine Gedanken aus den Hirnwindungen.
Ein Notizblock, DIN A 4, blanko. Ein Buch mit dem Titel „Natur & Technik – die Umwelt als das Vorbild des modernen Designs“ und eines über Panzermodelle im Lauf der jüngeren Geschichte. Einige Pappdeckel, ehemals Unterlegscheiben für Biergläser – welch Verschwendung! Präpariernadeln und weiteres Sezierbesteck. Alles Utensilien, die durch meine Hand aus dem Rucksack genommen das heiße Licht der kalten Welt erblicken.
Jetzt gilt es, zu beobachten! „Jedes Lebewesen, vom kleinen Grashalm bis zum riesigen Elefanten hat seinen Platz im großen Kreis des Lebens“ war bereits O-Ton Mufasa. Nun ja, dieser Hirschkäfer hier hat nun jedenfalls seinen ihm bestimmten Platz gefunden. Ihn liebevoll betrachtend, wie er an dem Blatt nagt, bringe ich genau sechs nicht allzu unförmige Tropfen Gummiarabikum auf einen Bierdeckel (tut mir Leid, aber es ist nun mal ein solcher, obwohl ich größeres mit ihm zu tun gedenke, als ihn sich mit umgeschwapptem Bier voll saugen zu lassen) und schraube das Fläschchen wieder feste zu. Nun fasse ich den Käfer am Kopf, direkt hinter den riesenhaft proportionierten Kiefern. Er wehrt sich, mit seinen fadenhaften Beinchen zappelnd. Goldig. Doch punktgenau landet jedes einzelne der kleinen Füßchen in seinem eben dafür vorgesehenen Tröpfchen, taucht ein, doch nie wieder auf.
Jetzt kann sich der müde Geist ein Schläfchen gönnen. Er muss dem Käfer nur noch ein kleines Blättchen, das letzte seines kurzen Lebens, überreichen, in seinen Bereich bringen. Gesagt, getan.
Friedlich entschlummere ich dieser Welt für einige Stündchen, sehe im Traum mein nächstes Opfer: meine Genauigkeit und Fingerfertigkeit wird wohl einmal mehr an einem Marienkäfer erprobt werden müssen; erwache, und wende mich wieder dem Insekt zu. Ob sich aufgrund des Namens dieser Tierart wohl auch seine Innereien in Sekt zufriedenstellend aufbewahren lassen? Gewiss eine Überlegung wert, doch ist es auch Wert, ein perfekt zurechtgemachtes Musterstück für solch hirnrissiges Experiment zu opfern? Man wird sehen. Vielleicht einmal, wenn ich einen Schnitt versetze. Was hoffentlich mir nie passieren wird, konträr den Konstrukteuren des modernen mobilen Kriegsgeräts. Aber ich schweife ab, das ist ungesund.
Ich entferne zunächst die Kieferzangen, in ein Plastiktütchen damit, hinzu die Facettenaugen – herausgenommen mit einer Gerätschaft, die am ehesten an einen Eiscremeportionierer erinnert, nur halt in kleiner – und die Deck- sowie die Papierflügel. Nun war es an der Zeit, die kleinen Beinchen einzeln vom Körper zu trennen, dann den Körper auszuweiden, nachdem ein T-Schnitt – eigentlich für die Chirurgie an Menschen gedacht – auch hier gute Dienste leistend den Bauch knirschend öffnete. Es bereitet einige Mühe, einen Käferkörper nicht zu zerkratzen und damit unbrauchbar für meine Ideen zu machen, während man Tracheensystem, Ganglien und Herz extrahiert. Diese Innereien werden dann in ein Gläschen mit Alkohol gegeben, das penibel beschriftet wird. Von der Erde bist zu genommen, doch kehrst du nie wieder zu ihr zurück. R.I.P. Rest in Peace. Ruhe in Frieden. Amen.
Welch großartiges Werk der Natur! Unvergleichbar gewappnet wider äußere Einflüsse, dieser Hirschkäferpanzer, der die Schmach des dritten Teiles dieses zusammengesetzten Substantivs eigentlich nicht verdient hätte. Jene Schrottmühlen von „neuester Baukunst, konstruiert auf der Basis der modernsten Erkenntnisse der Technologie“ waren rissig und unförmig. Konstrukteure müssen allesamt die Dummheit gepachtet haben. Die Lösung des von ihnen angestrebten universellen Kampfgeräts krabbelt Jahr für Jahr zu Hunderten direkt vor ihrer Nase durch ihre totgepflegten Kleinstadtvorgärten. In einer Plastiktüte vor Einwirkungen der Außenwelt geschützt überdauert der wahre Panzer, der des Käfers, von da ab wohlgehütet in meinem Zimmer, ab und an zum Zweck des Abzeichnens hervorgekramt. Seite sieben des Buches schreiben. Zeichnung ausschneiden, einkleben an den dafür vorgesehenen freigelassenen Platz. Nicht jetzt. Noch nicht. Zeichnung ausschneiden, aber zunächst einlegen. Was, wenn neue Erkenntnisse vorne dran eingefügt werden müssen? Ich muss mir vielleicht doch irgendwann einen Computer kaufen. Eventuell. Dabei ist meine Handschrift wesentlich schöner als die unpersönlichen Buchstaben aus der Konserve.
Das Gefühl, beobachtet zu werden, ist interessant. Sehr interessant. Aber unheimlich. Niemand am Fenster, niemand im Schrank, niemand unter’m Bett. Doch es ist fast, als könnte ich es atmen hören, aber mein Verstand verbietet mir aus irgendeinem Grund, das zu glauben. Als sei es das Abwegigste der Welt, zu atmen. So als könne das, was mich beobachtet, gar nicht atmen. Muss man überhaupt atmen? Wundervoll. Ich hab sie nicht mehr alle. Als ob ich das gerade gebrauchen könnte. Klar müssen meine Gedanken sein, von keiner Spinnerei darf ich meine objektiven Berichte und Forschungen beeinflussen lassen. Und sowieso darf niemand wissen, woher ich komme.
Mein Vater sitzt im Knast. Ich habe ihn nie gesehen, er saß schon ein, als ich vor etwas mehr als 18 Jahren geboren wurde. Ich glaube fast zu wissen, dass meine Mutter sich von ihm sogar während eines Besuchs im Gefängnis hat befruchten lassen. Mir egal. Aber das Kiffen während der Schwangerschaft hätte sie sich ersparen können. Dann wäre mir nämlich der ein oder andere Besuch im Irrenhaus – verzeih: Psychiatrie – erspart geblieben. Vielen Dank, Schlampe. Sozialhilfeempfängerin. Und das ist keine Beleidigung, ausnahmsweise. Das ist das, wovon wir leben. Mein Vater kann ja aus verständlichen Gründen keinen Unterhalt zahlen. Und wäre er nicht im Kittchen, würde er wahrscheinlich auch noch von unserem Geld schmarotzen. Aber er weiß wenigstens zu leben. Er hatte kein Geld, also nahm er sich welches. Scheiß Gesellschaft, manchmal geht es eben nicht anders. Was konnte er dafür, dass das kleine Mädchen in der Sparkasse gemeint hat, aufstehen zu müssen? Was konnte er dafür, dass der Angestellte gemeint hat, auf den Alarmknopf drücken zu müssen? Sie haben doch alle gesehen, dass er eine Pistole hat, dann hält man sich eben bedeckt. So was weiß doch jeder. Sollte zumindest. Aber einige sind scheinbar so hohl, die sollten einen Kurs belegen in „Wie ich mich verhalte, wenn jemand eine Gewehrmündung auf mich richtet“... aber mein Vater muss lebenslänglich ins Gefängnis, wegen deren unübertroffener Doofheit. Gerechte Welt? Wegen „mangelnder Aussicht auf Besserung und fehlendem Schuldbewusstsein“. Ich glaube eher, denen fehlt es an Einsicht. Aber na ja, kann man nichts machen. Zumindest könnte meine Mutter anschaffen gehen, um unsere soziale Stellung wenigstens ein bisschen zu verbessern. Aber so was kann ich ihr natürlich nicht vorschlagen und alleine kommt sie nicht drauf. Der einzige mit Intelligenz Gesegnete der Familie scheine wirklich ich zu sein. Traurig, aber leider wahr. Ich frage mich, wieso. Und ich frage mich, wie die Intelligenz reifen konnte. Ich habe schon mal davon gehört, dass Fernsehen verblöden soll. Ich glaube eher, mich hat es gerettet. Der einzige Luxus, den wir uns in unserem mehr als bescheidenen Leben nicht nehmen ließen: Fernsehgerät, Videorecorder und mein Videothekausweis. Dokumentationen und Reportagen, Nachrichten und Quizshows – sie liefern die Wahrheiten des Lebens. Meine unmittelbare Umwelt hätte mich mehr verblödet, denke ich. Auf jeden Fall habe ich es irgendwie geschafft, meinen Geist zu erretten und somit die Grundschule geschafft. Das ist schon eine Leistung für solche Verhältnisse, glaube ich. Aber den Realschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 1,3 zu machen hat mir endgültig bewiesen, das nicht nur Panzerkonstrukteure dumm sind, sondern dasselbe auch auf diejenigen Psychologen zutrifft, die meinen, TV verdumme. Und mit Psychoanalytikern – ob mit Diplom oder selbsternannt – habe ich meine Erfahrungen gemacht, glaub mir.
Wie schon mal erwähnt, war ich einige Male in „psychiatrischer Behandlung“, was immer das heißen mag. Einmal, weil ich sehen wollte, wie die Leute auf meinen scheinbar höchst interessanten Werdegang reagieren, wenn ich ihn vom Rande eines Hochhausdachs verlautbaren lasse. Wie im Fernsehen. Nur als Test. Es ist bemerkenswert, welche Leute einem dann sogar einmal richtig zuhören. Und zwei weitere Male, ziemlich profan, weil ich plötzlich während des Unterrichts angefangen habe zu zucken. Epilepsie. Hätte ich denen auch ohne jahrelanges Medizinstudium sagen können. Und das kommt garantiert nicht von schnellen Lichtblitzabfolgen in gewissen Zeichentrickserien. Blödsinn, Geschwätz, Massenhysterie. Mit irgendetwas zahlt man eben immer für herausragende geistige Fähigkeiten. Und Schuld hat die schwanger kiffende Mutter, sonst nichts und niemand. Das vierte und letzte Mal wurde ich eingeliefert, weil ich Mitleid hatte. Ja, richtig gelesen. Es war im Herbst 2001, als in Richterin Barbara Salesch jemand aus Liebe sich und seiner (nun Ex-) Freundin die Pulsadern aufgeschnitten hatte. Sie ist nicht mal verblutet, er bekam anderthalb Jahre auf Bewährung. Nur weil er geliebt hat und abgewiesen wurde! Das habe ich nicht glauben können. Ich litt mit ihm, zuerst seelisch, doch dann wollte ich auch körperlich sein Leid teilen. Meine Klassen“kameraden“ nannten mich krank, ich nenne mich einfühlsam. So weit ist die Gesellschaft, dass sie Mitleid verurteilt, als „krank“ bezeichnet. Mitleid als Krankheit des menschlichen Zusammen-, nein Nebeneinanderlebens. Bezeichnend, nicht?
Aber zurück zur Sache. Zur einzig wirklich wichtigen. Meinem Buch. Noch lange nicht fertig, aber das ist gut so. Recherchen müssen genau sein, und so bleibt Zeit, sich zu überlegen, wie ich meine Krankenakte löschen kann. Ich habe es während eines Anstaltsbesuchs einmal geschafft, an sie zu kommen, mir eine Kopie von ihr anzufertigen, die von da ab bis in alle Zeiten immer unter meiner Matratze ruht. Aber ich wagte es nicht, das Original an mich zu nehmen oder zu vernichten. Nicht einfach so. In die Klapse zu kommen wegen irgendwelcher Nichtigkeiten ist okay, da wird man einigermaßen gut behandelt, aber wegen Unterschlagung oder Urkundenfälschung ins Gefängnis zu kommen, hat schon ein gleich viel größeres Kaliber. Trotzdem, irgendwie muss die Akte vernichtet werden. Ich bin sie einmal durchgegangen und zu dem sehr verblüffenden Schluss gekommen, dass keiner meinen verschrifteten Wahrheiten glauben wird, sie wahrscheinlich nicht einmal auch irgendein Verlag drucken wird, wenn herauskommt, dass ich ad medicina als „psychisch krank“ gelte. Das nähme der ganzen Sache irgendwie die Glaubwürdigkeit, denke ich. Außerdem hätte es höchstwahrscheinlich nix gebracht, das Original zu stehlen... sicher existiert im künstlichen Gehirn irgendeines dieser Computer eine binäre Version davon. Und jene könnte man dann ausdrucken, wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder etc. pp. Gar nicht gut.
Ein weiterer Grund, sich einen sogenannten „Peh Zeh“ zuzulegen, nämlich um zu wissen, wie das funktioniert. Vielleicht kommt man über das ominöse Internet, von dem man immer mehr hört, sogar direkt an die Daten in den Rechnern der Psychiatrien heran? Aber woher so ein Gerät nehmen, wenn nicht... stehlen?! Na ja. Ich halte nicht allzu viel davon. Außerdem... wo? Und... wie? Ein Teufelskreis.
Bekanntschaft mit der Kriminalität habe ich einmal ja schon gemacht. Aber haben sie mich erwischt? Nein. Guter Junge. Achso, ja: Ich habe meiner Mutter etwas von ihrem Gras geklaut. Die hat das nicht einmal mehr mitbekommen, wie so viel in letzter Zeit. In letzter Zeit? Nein, eigentlich immer schon. Von dem Geld, das ich dafür bekommen habe – insgesamt 180€, habe ich mir ein noch intaktes Auto vom Schrottplatz gekauft (der Kfz-Mechaniker dort hat es mir freundlicherweise nutzbar repariert) und vollgetankt. Das restliche Geld hab ich noch, bis auf knapp zwei Euro für einen Hamburger bei McDonald’s und einen bei Burger King. Zum Vergleich. Alles objektiv beurteilen. Trotzdem find ich McDonald’s leckerer. Das Zeug ist... ähm... saftiger. Immerhin bleiben 35,60€ über. Das sind 35,60€ mehr, als ich jemals Taschengeld bekommen habe. Schlampenmutter. Mutterschlampe. Rabenmutter. Für meine bisherigen Verhältnisse bin ich also fast schon reich. Ha! Und meine Mutter ahnt nicht mal, dass ich mobil bin, und wieso. Und das ohne Führerschein... hups, das zweite Verbrechen schon. Ich rutsche ab in die Mühlen der Kriminalität. Und wenn ich Zeit habe, lache ich drüber.
Ganz vergessen zu erwähnen habe ich, dass ich mich sogar schon mal auf die Uni „verlaufen“ habe. Ich hab zwar kein Abitur, aber verbietet mir das, mich mit einigen der Dozenten über Insekten zu unterhalten und mal ab und an in ihre Vitrinen zu schauen? Eine schöne Sammlung haben sie da. Sie hilft mir, solcherlei Arten von Tieren aus fernen Landen, die ich aufgrund des bereits erwähnten etwas knappen Budgets nicht persönlich bereisen kann, studieren zu können. Scheinbar findet mich der Wart der Sammlung nett. Oder bemitleidenswert. Oder beides. Sollen meinen, was sie wollen. Solange ich an meine Studienobjekte komme, mag mir vieles recht sein. Oder zumindest relativ egal. Allesamt in vollendetster liebevoller Ordnung – jedes mit einem kleinen Kupferplättchen davor, auf dem in feinen Linien der wissenschaftliche Name, Fundort, Datum des Präparates eingraviert ist (die gleichen Angaben, die auch ich auf meine billigen Bierdeckel kritzele: die Wissenschaft gibt mir also Recht!) – auf eine Nadel gestochen. Die funkelnde Pracht vollendet zur Geltung gebracht. Respekt!
„Die Liebe meines Lebens.“ Wieso durchdringt diese Wendung meinen Geist gerade jetzt mit solcher Wucht und Geschwindigkeit? Sie ist ganz nah. Mit Sicherheit. Natürlich habe ich schon einmal geliebt, wer hat das nicht? Nicht nur mitgeliebt, die Kleine nämlich von der ich eben schon gesprochen habe (ja, die die bei Richterin Salesch war), sondern auch von mir aus, ohne jedes Vorbild. Eine aus meiner Klasse, ganz normal, wie jeder Teenager wohl einmal meint, sich verlieben zu müssen. Ich schau dir in die Augen, Kleines. Sie wollte mich nicht. Schon vergessen...?, Ich war „krank“, außerdem etwas anders als die anderen, die unbedingt „cool“ sein wollten. Und „krank“ ist mit „cool“, stochastisch ausgedrückt, unvereinbar. Sie lästerten über mich, ich zog mich zurück. Wieder ein ganz natürlicher, verständlicher, eben „normaler“ geistiger Vorgang. Nichts unbedingt besonderes. Was haben die alle nur? Ich kann lieben, das weiß ich. Und meine große Liebe ist mir nah. Sicher. Sie muss mir nur ein wenig ähnlich sein. Das ist die einzige Voraussetzung.
Gemeinsamkeiten. Leider nichts, was ich in meinem bisherigen Leben erfahren durfte. Ich wurde niemals verstanden, auch wenn es schon einige zu mir sagten beziehungsweise (ein schönes Wort!) von sich behaupteten. Doch kein anderer Geist konnte bisher den meinen fassen. Eine Welt voller Hohlhirne. Eine Welt, in der das sapiens hinter dem homo bei den Meisten wohl vergessen wurde. Oder durchgestrichen, ungefähr so: homo s-a-p-i-e-n-s.
Das habe ich einmal einem Mitglied – im wahrsten Sinne des Wortes – meiner Klassenstufe erzählt und wollte seine ehrliche Meinung, doch er witzelte nur, dass zumindest eine Hälfte der Menschheit zumindest fähig gewesen wäre, den zweiten Teil des wissenschaftlichen Namens durch einen anderen, früheren zu ersetzen: erectus. Nicht die Ernsthaftigkeit, die ich zu erhoffen wagte, aber zumindest ein Scherz mit solcher Qualität, dass ich sogar darüber schmunzeln musste. Ja, er kann sich darauf etwas einbilden. Ich habe Humor; wohlportioniert.
Quasi „solange der Vorrat reicht“.
Aber nun genug. Das Leben zieht in Sekundenbruchteilen an mir vorbei. Muss ich mich nun sorgen? Nein, es ist bloß Zeit zu schlafen. Schließlich ist es bereits Nacht. Ein letzter Kuss der nun leider toten Aaliyah auf meinem „Königin der Verdammten“-Poster... was für eine Frau! Nun schließe ich die Äuglein in der Dunkelheit und mich überkommt das unbestimmbare Gefühl, es das letzte Mal zu tun. Schweiß der unbegründeten (?) Angst, dem wiederholten Zug am Joint innerhalb einer Schwangerschaft zum Dank. Mutter, die Frucht deines Leibes fürchtet sich, harrt voller Pein ihrer Zukunft, doch du bist nicht da für sie.
Quod erat expectandum, wie zu erwarten war...
“Hasta la Vista, Baby.”