[Mai 2008] Natürlich wie vereinbart

"Sofern mein Wort als doch stark voreingenommener Gewicht hat kann ich Ihnen versichern das Italien wohl nichts von seinen Reizen eingebüßt hat. Sei es der Süden oder auch der Norden."
Vicente betrachtete das Glas verzichtete jedoch einen weiteren Schluck zu nehmen, er wollte seine Begleiter nicht ekeln und Vodka hatte die angenehme Eigenschaft nicht abzustehen.

"Ich persönlich hatte mich zuletzt in Bolzano niedergelassen.
Eine weitestgehend angenehme Stadt im Norden des Landes. Ruhe, Berge und Zivilisation." Ein kleines Seufzen folgte. "Davor war es Firenze und vor dieser,... bei aller Schönheit ist Italien auch ein sehr gefährliches Land. Gerade für mein Blut, bei meinen Interessen."
 
Thürmer nickte auf Michaels Frage etwas versonnen.

"Sie hätten die Stadt sehen sollen, bevor man sie dem Erdboden gleichgemacht hat. Der Wiederaufbau hat sehr viel restauriert, aber zu viel ist für immer verlorengegangen. Es ist aber trotzdem eine schöne Stadt, das ist richtig, ebenso wie Studium und Promotion. Hamburg ist auch sehr schön, da stimme ich ihnen vorbehaltlos zu. In jedem Fall sind beide Städte unbedingt eine Reise wert, oder wären es, wenn es die... Beschränkungen der, ich nenne es einmal, Reisefreiheit in dieser Form nicht oder eben weniger gäbe."

Vicentes Ausführungen, nun, wie er gesagt hatte, mit Italien hatte er es nicht so, insofern wußte er nicht viel über Florenz, er erkannte den Namen wieder, natürlich, aber das war es auch. Bozen war ihm da eher ein Begriff, immerhin war das nicht nur deutlich näher sondern es hatte auch einiges in den Zeitungen gegeben und es waren teilweise ziemlich scharfe und auch kontroverse Diskussionen geführt worden. Als einigermaßen interessierte Person hatte Thürmer das und was darauf gefolgt war natürlich verfolgt. Viel war davon en detail nicht hängengeblieben, aber das eine oder andere war verblieben, das er mit dieser Stadt nun verband.

"Ja, ich denke im Vergleich zu Florenz oder Rom ist Bozen recht ruhig und abgeschieden. Was durchaus ein Vorteil sein kann, besonders, wenn man die Berge schätzt, aber das eben nicht zwingend sein muß."

Es hatte eben natürlich auch Nachteile, speziell für Leute wie den Nosferatu, der selbst immer eher ein Flachlandmensch gewesen war. Was natürlich eng mit der Frage verknüpft war, was den Italiener von dort wahlweise fortgelockt oder vertrieben hatte. Er selbst hatte den Verdacht, daß eher letzteres zutraf, aber er würde jetzt nicht groß oder gar explizit danach fragen.
 
„Ja, Münster war und ist auch noch eine schöne Stadt mit vielen sehenswerten Kirchen. Was haben Sie denn dort studiert?

Ich bin Doktor der Mediziner und Facharzt für plastische Chirurgie.“ Italien überlassen wir mal ganz Vicente. Man muss ja nicht überall sein Senf zu abgeben. Bozen war doch gegenüber Rom und auch sogar Florenz ein Provinznest. Aber auch Michael war das Flachland auch lieber. Berge sind gut zum Skifahren, aber welcher Vampir verfolgt dieses Hobby.

„Rom würde ich wegen der Nähe zur Leopoldsgesellschaft sowieso meiden,“ merkte Michael nur kurz an.
 
"Die Lage Bolzanos ist in der Tat ein Vorteil, ein Umstand der es mir ermöglichte überhaupt derart lange dort zu verweilen.
Natürlich ist es ruhig, weder mit Firenze, Genova, Terni, Napoli oder selbst Barni zu vergleichen. Dennoch hat es eine recht reichhaltige Bevölkerung und mir liegt die Art des Nordens mehr als die der Sizilianer. Wenn ich es mir aussuchen kann. Selbst wenn es Südtirol ist. Sehen Sie, ich bin im Norden Italiens geboren... auch geworden, allerdings weitaus westlicher in Milano."

Der Italiener sprach ruhig, versuchte eine gewisse Lockerheit einzufließen und bot ein größeres Maß an Informationen seinerseits an.
Vor allem klang deutlich heraus das der Kainit offenbar öfters umgezogen war als man es unbedingt für üblich nimmt und die Motivation weiter zu ziehen nicht dem einladendem Charms Deutschlands und dem guten Ruf Finstertal geschuldet war. Er hob das Glas das vor ihm stand leicht an.

"Die Berge Bolzanos sind beeindruckend, die Pfattner Wände, die mächtige Auer-Formation. Etwas das die Stadt durchaus ein wenig mit Finstertal verbindet. Das geschehen im Tunnel war doch recht ... eindrucksvoll.
Vielleicht lässt sich hier doch eine, die Heimat finden."

Er hielt inne, stellte das Glas wieder ab. "Es tut mir leid ich wollte" er überlegte kurz "Ihnen nicht ins Wort fallen Frau Hagen." er bot ein entschuldigendes Lächeln an und hoffte das es ihm nachgesehen wurde, das er sich hinsichtlich des Sie und Du in Gegenwart des Doktors bzw. der beiden Doktoren nicht vertat.
 
Marta winkte ab. in Sachen Italien - und Münster - konnte sie sowieso nicht mitreden. Daher hatte sie sich entschieden, dem Gespräch zunächst einmal zu folgen. Bolzano war wohl letztendlich ein bisschen mit einer Stadt in Österreich zu vergleichen. Eindrucksvoll... so nennst du das also. Ihr war nicht ganz klar, welches Geschehen Vicente hier meinte, hoffte aber auf ihr Treffen mit Mina und deren kleine Machtdemonstration. Und selbst dann sind deine Vorlieben... interessant. Aber was sollte man erwarten - der Mann hegte offenbar eine Vorliebe für Gespenster und anderen Geisterkram.

Leopoldsgesellschaft? Die Verbindung mit Rom ließ vermuten, dass es sich hierbei um eine Gruppe katholischer Vampiräger zu tun hatte. Quasi in der Tradition der Inquistion.Als ob es wichtig wäre, ob und wen die anbeten. Was wirklich zählte, war nicht ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Die Nähe zur Zentrale spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Sterbliche waren weit weniger territorial als Vampire und gerade in modernen Nächten konnte man selbst größere Gruppen unauffällig und schnell verlegen. Einer der Gründe, warum viele Domänen das Amt der Geißel wieder einführten und teilwiese mit vergleichsweise jungen Blutsaugern besetzten. Und nach allem, was hier passiert ist, dürfte Finstertal hier fast gefährlicher sein als Rom.
 
"Strafrecht und kanonisches Recht an der juridischen Fakultät. Da habe ich auch promoviert. Das ist ja zu Glück eine recht... 'blutlose' Kunst, wenn sie so wollen. Gehen sie ihrem Beruf denn noch nach, Herr Köning ? Ich stelle mir das schwierig vor, wenn man unsere speziellen Bedürfnisse im Auge behält. Oder sind sie nur noch in der, ich nenne es einmal so, Beratung tätig ?"

Immerhin ging es in der Chirurgie dann doch schon etwas blutig zu, wenn mn sich da nicht im Griff hatte, konnte das böse enden, nicht nur für den oder die auf dem Tisch. Aber das war sowieso nichts für ihn, er zog es vor wenn Dinge so unblutig wie möglich blieben. Was Vicente anging... 'eindrucksvoll' war durchaus ein Weg es zu beschreiben, auch wenn Thürmer andere Worte fand, die nach seinem Dafürhalten deutlich besser paßten. Aber die wenigsten davon waren spruchreif, immerhin war eine Dame anwesend. Mit der leopoldsgesellschaft hatte er bisher noch nicht das vergnügen gehabt, aber das sah er nicht zwingend als nachteilig. Die paar Dinge, die er gehört hatte waren genug, daß er sich glücklich schätzen konnte, der Aufmerksamkeit der Damen und Herren bislang nicht würdig gewesen zu sein.

"Heimat... Möglicherweise, je nachdem welche Ansprüche man an Heimat stellt, nehme ich an. Mir persönlich ist Finstertal zu unruhig und hat eine zu große Tendenz, wirklich dramatische Entwicklungen anzuziehen oder zumindest latent zu begünstigen. Ich stimme zu, daß ein tieferes lokales Verständnis einen hier schon sehr vorn bringt und somit wohl auch möglicherweise an die Domäne bindet, aber wirklich innerlich als Heimat akzeptieren werde ich Finstertal wohl so schnell noch nicht."
 
„Ja ich bin noch als Arzt tätig und es bedarf schon einer Willensanstrengung und Vorbereitung, dass bei Operation alles glatt läuft, aber mit Gottes Hilfe ist dies möglich.Wenn Gott einem die Gnade erweist und eine Gabe zu teil werden lässt, sehe ich es fast als Frevel an, diese nicht zu nutzen.

Praktizieren Sie noch als Jurist, Herr Dr. Thürmer?“

Was ist Heimat? Eine wirklich gute Frage, die aufgeworfen wurde. Michael hielt leicht inne und sinnierte darüber. Was ist für ihn Heimat. Wenn er ehrlich zu sich war, hatte er sich in de letzten Jahren darüber keine Gedanken gemacht. Als Mensch würde man wahrscheinlich sofort und zumindest erst mal den Geburtsort nennen. Seine Gedanken fingen an abzuschweifen, wie war bei der Geburt eines Vampir oder genauer dessen Zeugung. Langsam aber sicher schlichen sich die Erinnerungen an seine Zeugung in sein Bewusstsein.

Die Veränderung ist eine einzigartige Erfahrung, selbst wenn richtig darauf vorbereitet wird. Der Prozess ist eigentlich nicht in Worte zu fassen. Wenn das Leben eine Person verlässt und sich die Seele vom Körper zu trennen beginnt, ist das erste Gefühl eine unbeschreibliche Angst. Mit dem Zeitpunkt, wo sich die Seele vom Körper löst, wandelt sich das Gefühl in Glückseligkeit, Freude etc. Die Seele wandert in einem Kanal zu einer Lichtquelle wie der Sonne entgegen. Leider wird dieser Vorgang dann radikal beendet und die Seele wird zurück in den Körper geschleudert und da erwartet sie dann Finsternis. Insgesamt ein Wechselbad der Gefühl deren Ausmaß in der Intensität und der Wechsel schnelle einzigartig ist.

Ein scheußliches Gefühl und Michael verdrängte die Gedanken wieder.
 
"Es ist ein schwieriger Begriff. Letztlich sehe ich Heimat als einen Ort an dem man verweilen kann, bei dem man eine Familie findet.
Es mag sein das dieser Ort durch wahrlich außergewöhnliche Herausforderungen und beeindruckende Ereignisse ungewöhnliche Anforderungen an die Person stellt. Dennoch, solange es einem gewährt wird in einer Domäne zu verweilen, ohne Enteignung, Vertreibung oder entsprechenden Aggression gegen das eigene Wohl aufgrund des Blut das durch die eigenen Ader flieht, die Art der Geburt. Solange bin ich noch immer in der Hoffnung das die Stadt Heimat werden kann."
Vicente sprach ruhig und ein wenig leblos wie es seiner Art entsprach. Er hielt ein, das Thema mochte vielleicht nicht allen behagen. Was die anderen Bereiche betraf, nun Religion schien nur bedingt geeignet zu sein.

"Sagen Sie, haben sie vielleicht von anderen Ereignissen gehört oder sie gar erlebt welche in der Natur ähnlich dem sind was uns im Tunnel widerfahren ist?"
Er überlegte von sich aus zu den Erlebnissen rund um die Anstalt auszuholen. Wer wusste in wie weit es weise war sich darüber zu verbreiten, andererseits war es eine vom Sheriff begleitete Aktion.
"Abgesehen von dem Tunnel ist mir noch eine starke Aktivität durch Geister bei der vormaligen psychatrischen Anstalt aufgefallen."
 
Marta nickte bei Vicentes Versuch den Begriff 'Heimat' zu erklären. Es gab hier und da ein paar Schwachstellen in der Argumentation, doch letztendlich war die Akzeptanz ein wesentlicher Bestandteil. Ob sie selbst die Stadt als Heimt bezeichnen würde? Im Moment sicherlich nicht, war sie doch erst wenige Wochen hier und hatte sich nicht einmal ansatzweise eingelebt. Du hast noch nichtmal eine vernünftige Zuflucht! Weiterhin fehlten ihr viele Kontakte, Freunde und allgemeine Vernetzung um sich wirklich heimisch zu fühlen. Vielleicht ist es das... War für einen Vampir 'Heimat' der Ort, an dem er sich ein Nest gebaut hatte, wo er saß wie die Spinne im Netz? Das schaffen nicht viele von uns. Also musste es auch einfacher gehen.

Michaels Geschwafel von einer höheren Macht ignorierte sie einfach. Doch dass es an der Anstalt auch von Geistern wimmelte, war eine interessante Tatsache. Ist das nicht schon seit längerem eine Ruine? Wie lange hielten sich Geister eigentlich an einem Ort? Doch nicht für immer, oder? Ansonsten wäre die Welt ja mehr als voll von ihnen.
 
"Nicht oft, nein, dafür ist mein Tätigkeitsfeld wohl zu speziell. Wenn mich ein Verwandter darum bittet, erstelle ich wohl mal ein Präliminargutachten oder sehe Akten durch, das schaffe ich gerade noch. In den Staaten habe ich mich ab und an bei einer dieser Hotlines betätigt, wo man anrufen kann, wenn man einen kurzen Rat vom Fachmann braucht. Wenn das zählt, dann ist die Antwort ja, sonst nicht."

Da brachte Köning einen guten Punkt an nicht ? Er nickte. War das nicht das größte Privileg, durch das Wahrnehmen seines Berufes, seiner Berufung die gegebenen Talente einsetzen zu können, um Sein Werk zu tun ? Thürmer selbst hatte es noch nicht geschafft, seine Gabe zu finden, so er sie besaß, aber dafür war er ja hier, nicht ? Um seinen Platz zu finden und ihn einzunehmen.

"Da sagen sie etwas, Herr Rosselini. Was weitere Geschehnisse angeht, fällt mir spontan nur unser Besuch in der Nervenheilanstalt ein. Das muß am 12. gewesen sein, und war vor der Begegnung mit Mina in der Mine so mit das einzige Geister involvierende Moment, daß mir spontan einfällt."

Er kratzte sich am Kopf und überlegte.
 
„Herr Dr. Thürmer, wenn man eine Aufgabe gefunden hat, die einem Spaß macht, ist es die beste Medizin gegen Langeweile.“ Eine Lebensaufgabe, die einen wirklich erfüllt, ist eines der größten Glücksfälle, was jedem Wesen widerfahren konnte.

„Was ist Heimat, eine wirklich gute Frage,“ murmelte er vor sich hin. Eine Stadt oder ein Land oder was? Oder eine Familie oder Gruppe?

Aber was soll da ganze Gerede, was sollte wir hier überhaupt. Er schaute sich um, als wenn einen versteckten Zuhörer suchte.
 
"Sehr interessant was sie dort berichten Herr Doktor Thürmer." Die Erschwernisse der Ausübung des Berufs erklärten wieso er derart viel mehr wert auf den Titel legte als es bei seinem Clansbruder der Fall war. Wieso ihn wohl sein Erzeuger wählte?
"Ich nehme es handelt sich um die gleiche Nervenheilanstalt. Ein wohl früher beeindruckendes Gebäude, umzäunt und eine Zone die Seitens der Administration als Sperrgebiet erklärt wurde. Zumindest für all jene die nicht unter dem Mond geboren wurden. Die Aktivität dort wohl weiter angestiegen." Im Hintergrund wummerte die Indie-Musik kräftig und sie sassen in einer Mulde die aus den beweglichen Wänden geformt worden war. Zuhörer waren wohl recht unwahrscheinlich und es würde ebenso auffällig sein wenn jemand sein Ohr gegen die dicke Plaste presste. Von der Beleidigung des 'Künstler' ganz abgesehen.
 
Michael fühlte sich offenbar nicht allzu wohl, auch wenn es ein Zuhörer wohl recht schwierig haben würde, dem Gespräch zu folgen. Insbesondere da die anwesenden nicht besonders laut sprachen. Man kann nie vorsichtig genug sein. Es blieb wohl die beste Option möglichs unverfängliche Formulierungen zu wählen. Thürmer schaffte das in Bezug auf seine Arbeit recht gut, im Bezug auf die Geister weniger. Doch auf der anderen Seite schwafelten viele Menschen von den verschiedensten Dingen - wenn eine Gruppe im Hovel von Geistern sprach, nahm man das wohl eher nicht so wichtig?

"Wenn ich mir eine unwissende Frage erlauben darf: Wie kommt so eine Konzentration zustande? Nimmt sie irgendwann von selbst wieder ab?"

Gut, dass waren zwei Fragen, doch bei der ersteren hatte sie schon einen gewissen Verdacht. Doch wenn Geister für immer an einem Ort blieben oder sogar noch weitere anlockten, würde die Welt doch von ihnen überquellen? Vielleicht tut sie das ja auch - woher willst du das wissen? Marta hatte auch Vicentes Diener nicht wahrgenommen. Im Gegensatz zu Mina.
 
Was genau meint Marta mit „wie kommt so eine Konzentration zustande? Nimmt sie irgendwann von selbst wieder ab?" fragte sich Michael. Gut warten wir mal ab.
 
Thürmer nickte, um seine Zustimmung für Michaels Aussage zu verdeutlichen. Was die Analyse von Seiten des Italieners anging, nickte er ebenfalls. Er hatte nicht zwingend viel über das mitbekommen, was da losgewesen war, aber er konnte sich nicht vorstellen, daß das, was er da drin erlebt hatte eine Abnahme des Aktivitätsniveaus war. Also war eine Zunahme wahrscheinlicher, und damit hielt er es dann auch.

"Davon ist auszugehen. Da drin oder darunter, je nachdem wie man es genau lokalisiert, ging einiges vor sich. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie das Gelände war bevor die Anstalt abgebrannt ist."

Immerhin wußte er nur wenig bis gar nichts über die Vorgeschichte, die bis in den Konflikt mit Finsterburg und die Zeit davor zurückreichte. Er wußte grade einmal so, daß es einmal zwei Domänen gegeben hatte, aber nicht, wie es damals zur Vereinigung gekommen war. Was Marta Frage anging, war er ja nun auch bei weitem kein Experte, aber was er im Tunnel gesehen hatte, ließ einen gebildeten Schluß durchaus zu, wie er fand.

"Vermutlich haben sich dort ähnliche Szenen abgespielt wie im Tunnel. Wenn man von Mina auf die Allgemeinheit schließen kann, und das muß nicht zwingend möglich sein, ich spekuliere also, dann spielen Emotionen eine große Rolle. Je stärker die Emotion oder Emotionen, desto größer die Aktivität. Zumindest ist das eine gangbare Arbeitshypothese."
 
Vicente nahm die Frage an, der Blick des Italiener wurde nachdenklich während er die Zeit nutzte über die Antwort nachzudenken.

"Eine Konzentration wie sie in der Nervenheilanstalt gegeben ist kommt durch den Tod mehrer Menschen unter bedeutender, negativer Emotionalität zustande.
Der Geist des Toten löst sich aus der Welt, hält jedoch an dieser fest und das Handeln wird von dem erfahrenen Leid, dem Schmerz bestimmt. In gewisserweise könnte man von einer Form der Entartung sprechen, eine Raserei die jedoch ein bewussten handeln ermöglicht."

Vicente rief sich die Trugbilder der Anstalt vor Augen.
"Wenn man recherchiert wird man wohl feststellen können das die Insassen der Anstalt misshandelt wurde. Meiner Einschätzung nach weit über das Maß dessen was aufgrund des wissenschaftlichen Rückstand zur Zeit des Betriebs üblich war hinaus. Unter Umstände eine Konsequenz einer entsprechenden Einflußnahme."

Der Italiener betrachtete das Glas vor sich. "Es ist kein Problem das sich ohne eine Einwirkung von außen schwächen wird."
Er blickte wieder zu Martha auf. "Die Kreaturen nähren sich von dem was sie an den Ort bindet. Von dem Leid, den Schmerzen welche sie erfahren haben, von der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit die erlitten. In ihrer Raserei werden sie vernichten wollen, in ihrer Bindung werden sie den Ort nicht verlassen können, ihn nicht verlassen wollen. Die frischen Nahrungsquellen sei es an diesem Ort oder den Ort an dem sind mögen spärlich sein; eine naheliegende Möglichkeit jedoch wäre das sie sich in ihrem Hass einander nähren.
Wenn meine Anahme zutrifft wird das Gefahrenpotential wachsen anstelle minder zu werden."

Der Nekromant hob das Glas. Ob damit deutlich wurde weshalb er sich gegenüber Mina versuchte unbeeindruckt zu zeigen? Er nahm einen kurzen Schluck, mehr um den Mund zu befeuchten.
"Die Situation hinsichtlich des Tunnel scheint eine andere zu sein. Die Betroffenen hatte einen im Vergleich sehr schnellen und verhältnismäßig schmerzlosen Tod. Das was wir erlebten war wohl Minas Wirken."

Er stellte das Glas wieder ab.
"Betrachten Sie das Leben als Wasser. Wenn Sie übertreten kommen sie an einem Ort in der das Leben nicht mehr ist. Eine Welt für die ich als Analogie Feuer nehmen möchte.
Sie sind eine Gestalt des Feuers, die nur deswegen nicht verbrennt weil sie sich an das Wasser klammert, vom Wasser nährt. Das was sie bisher kannten ist nicht mehr."

Der Italiener nahm das Glas auf stürzte es hinab und das leere Schnapsglas landete mit einem kräftigen Tock auf den Tisch. Kümmerliche Reste des Vodka bildeten eine Neige.
"Es gibt Zerrbilder dessen was eins gewesen ist, was vergessen wurde. Aber sie sind ebenso Teil des Feuers wie sie es sind. Sie treffen auf alte Straßenzüge die vor ihrer Zeit abgerissen wurden, sie finden ihr eigenes Haus nicht mehr."

Er füllte das Glas wieder bis zum Rand auf. Schob es in die Mitte so das es von allen gleichweit weg war. Ein Feuerzeug wurde aus der Tasche genommen und er versicherte sich mit einem Blick zu allen das keiner erschreckt davon springen würde wenn er den Alkohol - von dem er hoffte das er hochprozentig genug war - entzündete.
Das Glas flammte auf, der Caitiff riss die Hand zurück.
"Sehen Sie, für gewöhnlich kann der Tod mit dem Leben ebenso wenig agieren wie das Feuer mit dem Wasser. Es brennt, es zehrt vom Leben ist jedoch bereits in seiner Grundlegenden Natur davon getrennt. Keine gewöhnliche Flamme kann nach unten lecken, in das Wasser hinein."

Er nahm einen Untersetzer, löschte das Spektakel das durchaus an seinen Nerven zupfte.
"Sehr starke Persönlichkeiten wie Mina schaffen es jedoch noch Einfluss auf das Wasser zu nehmen. Sogar die Gesetze zu ändern und die Welt der Flammen in das Wasser zu drücken ohne das sie verlöschen. Kreaturen wie bei der Anstalt ist dies wohl ebenfalls zu eigen. Öfter den weniger braucht es dafür Bösartigkeit, Verzweiflung."

Er nahm das Glas wieder an sich. "Viele derer die in dieser Welt vergehen wandern vom Wasser weg, weiter in das Feuer, das innere, hinein. Wenn man unsere Welt als Vergleichspunkt nimmt gibt es weitere Dimensionen, Punkte die vom Wasser ferner gelegen sind." Sollte er auf verschiedene Eben eingehen? Vermutlich war es bereits so schon mehr als genug Nahrung für die Gedanken und gerade der Dimensionsaspekt das es Orte in der Nachwelt gab die ferner lagen nicht ganz einfach zu begreifen.
 
Michaels Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen bei der Demostration und er fragte sich, ob er an dem Geisteszustand seines Gegenübers zweifeln sollte. Die Antwort würde eindeutig ja ausfallen.
 
Sie folgte den Ausführungen des Italieners. Geister die sich gegenseitig nähren? Geht das? Irgendwo musste die Nahrungskette doch beginnen, oder? Eine Gruppe Vampire, die sich gegenseitig nährte würde früher oder später die gesammelte Lebensenergie aufgebraucht haben und daran zu Grunde gehen. Doch was verhinderte eine Überpopulation an Geistern? Sollte Vicente recht behalten und sich die Lage verschärfen... Eine Mina ist schon genug! Zeit für Vicentes kleine Demonstration. Also er das Feuerzeug zückte, war ihr klar worauf er abzielte. Willst das wirklich riskieren? Er wollte. Ein kurzes Schnappen und das Feuer sprang über, erleuchtete den Raum. Obwohl sie vorbereitet war, machte ihr Herz einen Satz. Ihre Rechte krallte sich in den Sitz, ließ jedoch wieder los als offensichtlich wurde, dass die Flamme sie nicht anspringen wollte. Trotzdem blieb ihr diese - weiter größer als bei einer Kerze zum Beispiel - unangenehm, sodass es wohl das kleinere Übel war, sich zunächst auf Vicente zu konzentrieren. Seine Worte kamen ein wenig verspätet an ihr Bewusstsein. Glücklicherweise endete Schauspiel so schnell wie es begonnen hatte und die Dunkelheit kehrte zurück wie eine schützende Decke.

"Heißt das, man kann eine schwächere Konzentration einfach aushungern lassen? Ist es möglich die Geister zu trennen?"
 
Nach den Reaktionen seiner Begleiter zog Vicente tatsächlich in Betracht das seine Demonstration vielleicht ein wenig zu eindrucksvoll geraten war, ebenso wie er nicht umhin kam es in die Einschätzung seines Bruders einfließen zu lassen. Letztlich war jedoch war das Thema ein anderes.
"Man kann versuchen die Bindungen zu lösen. Was bei einer schwächeren Konzentration, bei einem einzelnen Seele ein vergleichsweise einfaches Unternehmen darstellt. Natürlich unter der Setzung das es sich um keine mächtige Figur handelt."
Der Italiener pausierte, dachte nach.
"Ein aushungern lassen, in der Form das man sich nicht mehr mit der Konzentration befasst, halte ich für unwahrscheinlich. Es wäre als wollte man eine schwache Ansammlung Revolutionäre dadurch besiegen das man sich nicht weiter mit ihnen befasst. Die Natur ihrer Ideologie bleibt bestehen und wird allenfalls durch äußere Umstände, das Alter, den Tod geschwächt.
Sie zu trennen ist ein durchaus interessanter Gedanke, allerdings besteht die Herausforderung das sie sich auf den Ort konzentrieren. Man könnte versuchen einen Schwarm herauszulocken. Wenn man ein geeignetes Mittel finden würde und sie in kleineren Gruppen, einzeln überwältigen. Wenn man es schafft das man den einen von den anderen trennen kann.
Allgemein bleibt es dennoch ein gefährliches Vorhaben." Der Blick ging zum Glas dann in den Raum um sicherzustellen das sie allein waren. "Bedenkt man das bereits eine der Kreaturen über die Fähigkeit verfügen könnte Flammen zu erzeugen. Es ist als würde man anstreben gleich eine Versammlung von Älteren des Sabbats zu sprengen."
 
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