[Mai 2008] Alte und neue Schritte

Drakun

Pflanze
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9. Juni 2007
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Marta hatte sich vorgenommen an ihren persönlichen Schwachstellen zu arbeiten. Nun hatte sie die Gelegenheit dazu, denn auch wenn sie es bisher geschafft hatte, negative Auswirkungen zu vermeiden, mochte das hier sicher nicht von Dauer sein. Tatsächlich hatte sie im Verlauf der letzten Jahre gute Forstschritte gemacht, war in der Lage gewesen, ihre eigenen Kenntnisse entsprechend zurechtzubiegen. Improvisieren bringt dich aber nur so weit... Früher oder später musste sie die eigentlichen Techniken verinnerlichen - etwas, wovon sie, wenn sie ehrlich zu sich selbst blieb, noch ein gutes Stück entfernt war. Üben, üben... Aus Mangel an Platz hatte sie das Zimmer leicht umgeräumt, dabei vor allem empfindlichere Gegenstände in Sicherheit gebracht. Die alte Matratze bekam heute wohl ihren letzten Einsatz.

Zunächst kam der bekannte Teil an die Reihe. Die junge Frau stand im Raum, ihre Haltung passiv und entspannt, die Füße parallel, die Arme entspannt zu ihren Seiten. Ihre Linke hielt sie geöffnet, die Rechte zur Faust geballt. Dann sprang sie in Position, beginnend mit dem rechten Daumen, der sich nach vorne schob. Martas Knie knickten leicht ein, ein Bein schob sich nach hinten, landete auf dem Fuß, welcher nun zur Seite zeigten. Ihre Hände kamen nur wenig nach oben, blieben zunächst zwischen Brust und Hüfte. Die gesamte Bewegung war anmutig, doch auf den Punkt gebracht, ohne unnötige Schnörkel oder Verzögerung. Ihre Haltung blieb dabei locker, flexibel. Die erste Übung war grundlegend, mochte jedoch auf den ersten Blick kompliziert wirken. Nach vorne ausgerichtet brachte sie eine kurze Drehung in eine seitliche Position und wieder heraus. Das Ganze wurde wiederholt, Seiten wurden getauscht, die Höhe variiert. Nun änderte sich der Winkel, ein Wirbel nach hinten und wieder nach vorne. Auch hier wurden Details verändert, bis sie soweit zufrieden war. Klappt ja ganz gut heute. Der nächste Abschnitt bestand daraus daraus, sich umher zu bewegen und dabei Achten zu beschreiben. Zuerst abwärts, Richtungswechsel, aufwärts, Richtungswechsel, abwärts. Nach ein paar Wiederholungen wurden plötzliche Vorstöße eingearbeitet. Pass auf die Wand auf!

Das traf vor allem auf den folgenden Part zu, der etwas mehr Freiraum benötigte. Ein deutlich höherer Schwerpunkt bedeutete, dass ihre Bewegungen im Vergleich schwerfälliger aber auch kraftvoller wurden. Ungewohnt, aber nicht schlecht. Um Vertrautheit zu schaffen ging es zunächst um einfache Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen. Die Übung eignete sich auch zum Muskelaufbau, allerdings war sie in dieser Hinsicht eindeutig im Nachteil. Auf der anderen Seite ermüdete sie auch deutlich langsamer. Nach einiger Zeit wurden ihre Bewegungen flüssiger. Eins, zwei, drei, vier. Sie beschrieb in etwa das, was manche als eine liegende Acht bezeichnen würde. Eins, zwei, drei, vier. Sieben! Gerade und kraftvoll. Fünf, sechs, acht. Sieben! Einmal kurz und knapp, einmal ausladend und mit Schwung. Revers und durchmischt. Eins, zurück, zwei, zurück, drei, zurück, vier, zurück. Schneller, langsamer, aber immer kontrolliert. Fünf, sechs, sieben - vor! Plötzlich stand sie still, gestreckt, die Muskulatur angespannt. Du brauchst einen Partner.
 
Der spazierende Tänzer.

Der blaue Stift verließ das Papier, die Notiz nun unwiderruflich auf den Rand gebannt. Für den unbedarften Beobachter kaum mehr als eine Ansammlung von Krakeln, die irgendwie aus der Reihe tanzten. Vemutlich ein Versehen von Seiten der Verfasserin, schienen dieser doch gar nicht zum Rest der Seite zu passen. Natürlich war es diesselbe Schrift und wer die schwarzen Zeichen entziffern konnte, hatte auch bei der Randnotiz keine Probleme. Und würde diese in gewissem Sinne auch interessanter finden, immerhin handelte es sich wohl um ein recht langweiliges Sitzungsprotokoll mit diversen Verweisen auf vorherige Treffen. Schlanke Finger ergriffen das Blatt, legten Ecken aneinander. Ihre Hand strich über das Papier, zuerst mit den Fingern, danach noch einmal mit einem Nagel. Der so vorbereitete Zettel wanderte in einen schmucklosen Umschlag.

Marta setzte sich auf und warf einen Blick in den Raum. Die Matratze verschandelte das Bild noch immer, doch der Rest war sauber verstaut. Die Klingen im Schrank, der restliche Stoff im Koffer und bereit irgendwo deponiert zu werden. Das ist dein nächster Job. Es galt die Fetzen loszuwerden. Zwar hatte sie diese gewaschen - das Blut an einigen hätte sonst vermutlich zum Himmel gestunken - aber sie wollte trotzdem nicht zu viel Aufsehen erregen.
 
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