Maerchen-RPGs

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Guest
Dank Jack and the Giants und auch aufgrund anderer Umstaende habe ich mein Interesse an Maerchen und Fabeln (a la Grimm und Andersen) wiederentdeckt.

Komischerweise trotz des fantastischen Hintergrundes der Maerchenwelten, der auch schon in einer Vielzahl von Filmen genutzt wurde, sind mir kaum RPGs bekannt, die solche Settings nutzen.

Weshalb bloss, denn es ist eine Abwechslung von dem klassischen EDO-Schema und trotzdem allgemein bekannt?

Und welche Maerchen-RPGs kennt ihr?
 
Scairy Tales - Savage-Worlds-Setting über die eher erschreckenden Seiten klassischer Märcheninhalte. Hierin findet mal solche Klassiker wie den Rattenfänger von Hameln, Rotkäppchen, Schneewittchen und die Sieben Zwerge usw. - in sehr SAVAGE-artiger Form wieder. Hochinteressant, gut gemacht, nur leider nie offiziell erschienen, sondern vom Autoren, der sich ganz aus dem Rollenspielumfeld zurückgezogen hat, kostenlos abgegeben.

Scairy Tales enthält ein komplettes Märchenwelt-Setting plus eine Plot-Point-Kampagne (eine ECHTE!) plus eine große Anzahl Savage Tales und ist ein wirklich rundum gelungenes Savage-Settingbuch. Nur leider ging es nie in Druck, denn mit ein wenig optischer Aufbereitung wäre dies ein echtes Glanzlicht unter den Savage Settings.
 
Klingt cool!

Was mich aber auch interessiert: Warum sind Märchensettings so stark unterrepräsentiert?
 
Kinderkram-Attitüde?
Weil es cooler ist, Untote zu schnetzeln oder sich als Vampir ewig zu bemitleiden, statt aus dem Knusperhäuschen zu entkommen?
Keine Ahnung, dabei gibt es sehr viele literarische Settings oder Comics, die das aufgreifen und damit spielen.
 
Fairy Tale oder Fairies Tale. Hab ich IIRC auch mal vor Urzeiten hier rezensiert.
 
Grimm von FFG, Schauermärchen von John Wick ... und natürlich DSA. Letzteres hat in seiner frühen Inkarnation sehr viel Märchenhaftes und in der aktuellen Gestalt immerhin ein paar Bände mit Märchen in denen manche Abenteuer teilweise gar nicht GANZ so scheiße sind (Das ist das höchste Lob das mir dafür einfällt ;) )
 
Da wäre auch das RPG namens Grimm.
Jenachdem würde darunter auch sowas wie das Narnia RPG fallen?
Vielleicht Mouse Guard oder Michtim?
A thousand and one nights sollte vielleicht auch halbwegs passen?
Nun und für japanische, "freundliche" Märchen bietet sich Golden Sky Stories an.
 
Mouse Guard oder dieses Redwall RPG, von dem ich gar nicht mehr weiß, obs das noch gibt.

Mouse Guard hab ich selbst 'ne ganze Weile gespielt, da kommt wirklich Märchenfeeling auf, wenn man an Vorlagen wie Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh oder Basil, der große Mäusedetektiv denkt.

Auch das Grimm Rollenspiel, das Teylen angesprochen hat, kann ich vorbehaltslos empfehlen. Bereits das GRW ist den Kauf wert.
 
Dank Jack and the Giants und auch aufgrund anderer Umstaende habe ich mein Interesse an Maerchen und Fabeln (a la Grimm und Andersen) wiederentdeckt.

Ähm, was ist mit Bechstein, Hauff? Perrault? Tieck? E.T.A. Hoffmann? (Sorry, das musste mal raus, aber irgendwie werden Märchen immer nur auf die Grimms und Andersen reduziert)

Meine subjektive Einschätzung ist, dass Märchen irgendwo etwas sind was ein Teil der Kindheit darstellt, eine Situation in der man eigentlich behütet aber andrerseits auch schutzlos dem Geschehen einer Geschichte beim Zuhören ausgesetzt ist.
Wenn man älter wird, will man aktiv etwas gegen das Grauen oder die Ungerechtigkeiten in einer Geschichte (als RPGler) unternehmen.
Märchen verlaufen meist nach dem ewiggleichen Schema aus dem man schwer ausbrechen kann, das wirkt auf einen modernen RPGler schlichtweg weniger reizvoll, weil man auch irgendwo Kontrolle abgeben würde wenn man sich wieder in diese Situation hineinbegeben würde.
 
Interessante Frage. Ich kann mich erinnern, genau über diese Thematik - "Märchenhaftes Fantasy-Rollenspiel" - einmal einen Artikel von Alexander Huiskes (u.a. Perry Rhodan) in der Juni/August-Ausgabe 2004 der "Nautilus" gelesen zu haben. Keine Ahnugn, wem hier dieses Magazin noch etwas sagt.

Es behandelte die Möglichkeiten von Märchen für Rollenspielsettings.

Märchen enden oft im Sinne einer sehr einfachen (kindlichen) Weltordnung. Das Gute im Menschen, die Schwachen und Ehrlichen obsiegen am Ende, während das Böse bestraft wird. Dann ist ein Hauptbestandteil eines Märchen auch, dass Tiere sprechen können. Das sind zwei Punkte, die auf einen Erwachsenen Spieler erst einmal abschrecken können. Man ist über die Schwarzweißmalerei im Rollenspiel hinaus, möchte es gerne komplexer, da brauch selbst die böse Hexe im Fantasysetting eine Motivation, wieso sie Kinderlein frisst und die nahe Dorfgemeinschaft einen Grund, wieso sie nicht mit Mistgabeln und Fackeln bewaffnen und die alte Schrulle einfach niedermetzeln. Dann mag das auch zu kindlich wirken. Sprechende Tiere gibt es zwar auch in bestimmten Fantasysettings, trotzdem würde ich da noch eine gewisse Scheu diagnostizieren, da das dann auch irgendwie lächerlich wirkt...

Wenn ich es recht im Kopf habe, dann sprach der oben genannte Artikel bestimmte Formen des märchenhaften Rollenspiels an:
"1. Umsetzung von Märchen,
2. Einbau von Märchenmotiven
3. Verfremdung von Märchen".

Diese Formen des märchenhaften Rollenspiels möchte ich im Folgenden gerne einmal erläutern.

1. Umsetzung von Märchen
Punkt 1. dürfte klar sein. Es bedarf einer Märchenwelt, in der Tiere sprechen, redliches Handeln belohnt wird und Böses gestraft. Die einfachen "Helden" - ob Müllerssohn, Däumling, Prinz, Kinder - könnten zum Beispiel, dafür, dass sie ihren letzten Proviant mit einer armen Bauernfamilie geteilt haben, von einem kleinen Zwerg eine Wünschelrute geschenkt bekommen.
Ein solches Setting zeichnet sich dann aber auch eher durch mehr Schattenriss artige Charaktere aus. Die böse Hexe ist nun einmal Böse, es bedarf dazu keiner größeren Erklärung, wie zum Beispiel psychischer Schäden durch ein Kindheitstrauma, der Wolf ist einfach ein verschlagenes Tier, dass kleine Kinder frisst und kleine Mäuse sind szwar scheu, aber sehr hilfsbereit.
Andererseits kann man Märchen auch in schon bestehenden Settings umsetzen, oft bedarf es dazu aber Hilfskonstruktionen: Z.B. Zauberwald in Aventurien, in dem eine Böse Hexe haust und alle Tier sprechen können, ein böser großer Wolf sein Unwesen treibt etc. Dieser Wald zeichnet sich durch seine ganz eigene Magie und Naturgesetze aus. Zeigen sich die Helden hilfsbereit, so kommen sie an die Ziele ihrer Wünsche, geben sie sich jedoch egoistisch und jagen z.B. das Arme nach seiner Mutter rufende Rehkitz, so wird ihnen auch nicht unbedingt Gutes wiederfahren.
Probleme sind dadurch natürlich vorprogrammiert. Ich kenne viele Spieler, die sich einfach dagegen sträuben würden mit ihren Charakteren moralisch zu handeln.

2. Einbau von Märchenmotiven
Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Handlungsstränge: Die im Turm eingeschlossene Königstochter und den Prinzen, der sie dort herausholen will und daher die Helden um Hilfe bittet, die verschwundenen Prinzen und die Suche nach ihnen
- Orte: das Mordschloss, das Hexenhaus
- Figuren: Dornröschen, die seit Jahrhunderten in einem Dornen überrankten Schloss schläft, Hänsel und Gretel die Hexenjäger
- Artefakte: Die Wünschelrute, der Knüppel aus dem Sack, der Goldesel

Zu den Artefakten wäre zu erwähnen, dass 1:1-Umsetzungen in normalen Fantasysettings viel zu mächtig wären und daher auch mit Nachtteilen versehen werden sollten. Die Helden kommen zwar an einen Esel, der Dukaten ausscheidet, doch sind dies Münzen nur in einer bestimmten Währung und vielleicht muss der Esel auch nicht so oft am Tag, sodass die Menge der erlangten Dukaten für den SL kontrollierbar bleibt.
Außerdem sind diese Märchenartefakte einzigartig, oft nur zu einem Zweck geschaffen worden. Manchmal kann man sie erst benutzen, wenn bestimtme Taten geleistet wurden und nach dem Gebrauch werden sie wieder zu den Alltagsgegenständen, die sie eigentlich darstellen oder verschwinden.
Wichtig ist, dass sie mit einer eigenen Geschichte verknüpft sind. Den Goldesel findet man nicht einfach so. Oft ist es ein ganzes Abenteuer, an dessen Ende man dann das märchenhafte Artefakt erlangt. Ein Gegenstand geringerer Macht könnte auch eine Belohnung für eine geleistete gute Tat sein. Einer der Helden half zwei Rekitzen im Wald gegen einen Bären. Dafür schenken sie ihm ein Stück ihrer Haut. Legt er sie an, so verwandelt er sich einmalig in ein Reh.


Alle diese Möglichkeiten Märchenmotive zu verwenden, birgt aber die Gefahr, dass Spieler das betreffende Märchen erkennen könnten und daher das ganze dahinterstehende Abenteuer erkennen. Deshalb der 3. Punkt:

3. Verfremdung von Märchen
Die Crew des Raumschiffs Stardust stößt bei einem obligatorischen Jungfernflug auf den fremden Minenplaneten Coronia. Dort treffen sie auf 7 hunzelige kleine Wesen, die ihnen erzählen, dass ihr einst blühender Planet von einem heimtückischen Fieber, dem sogannten Witchfever befallen ist. Seine Schönheit verging und die meisten der Bewohner verstarben, nur sie blieben übrig. Da die Wesen ihren Planeten nicht verlassen wollen, beschließt die Crew der Stardust nach einer Möglichkeit zu suchen, den Planeten wieder zu heilen. Zumal der Schiffsarzt glaubt von dieser Krankheit schon einmal etwas gehört zu haben. Ihre Reise führt sie auf einen benachbarten Planeten. Nach einigem Suchen, geraten die Helden an den Söldner John Man, der ihnen berichten kann, dass seine Heimatwelt (namendlich sein Arbeitgeber der Queen Corp.) inzwischen alleiniger Exporteur des begehrten Coronium-Eisens in dieser Galaxie ist, seitdem der Planet Coronia kein Eisen mehr liefern kann. Nach viel hin- und her, findet die Crew heraus, dass der Queen Corp. für den Ausbruch des Witchfevers in Coronia verantwortlich war. Die Inhaberin Arlea Queen war aber nicht nur an einer Monopolstellung interessiert, sondern es ging ihr auch darum, ihrem Exmann Peter Snowhite, der immer von der einzigartigen Schönheit Coronias geschwärmt hatte, eines auszuwischen. Am Ende übernimmt Snowhite Queen Corp, der Planet Coronia wird geheilt und Peter Sbnowhite setzt sich dafür ein, dass die Schönheit des Planeten und der Erzabbau wieder gefördert wird. Die wirtschaftlichen Konkurrenten schließen Frieden und wenn sie nicht gestorben sind, dann handeln sie noch heute...

So oder so, könnte es aussehen, wenn man ein verfremdetes Märchen für seine Abenteuer verwendet. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Transport in ein anderes Setting, so wie es hier geschah (Sci-Fi), man zäunt das Märchen von hinten auf oder beginnt an anderer Stelle. Man spielt damit, dass den Spielern das Abenteuer bekannt vor kommt, sie glauben zu wissen: Okay, das ist "Schnewittchen!" ganz klar... und dann schockiert man sie durch überraschende Wendungen. Der Namenlose Kinderdieb, den man Jagd, will das Königreich eigentlich nur retten, da es sich bei der Königstochter eigentlich um eine böse Hexe handelt, die ihr Wechselbalg auf den Thron setzen möchte, was die Stabilität des Magiegefüges der Welt maßgeblich stören würde... Man kann das Märchen auch gänzlich unkenntlich machen oder verschiedene Märchen miteinander vermischen, die Rollen der Figuren tauschen... etc.

Bei allem bleibt aber auch hier der Reiz an der Sache, dass die Spieler Teile des Märchens erkennen könnten und deshalb voreilige Rückschlüsse ziehen, wodurch der SL sie besser täuschen und an der Nase herumführen kann.


PS: Zur Qualität des obigen Abenteuerbeispiels müsst ihr keine Worte verlieren. Das diente nur der Veranschaulichung und entspringt keiner ausgereiften Idee. ;)


@Zornhau
"Scairy Tales" würde mich jetzt interessieren, findet man das noch irgendwo?
 
"Scairy Tales" ist von Brent Wolke 2007 frei zum Herunterladen präsentiert worden. Es liegt in einer frühen Layout-Fassung vor, nur fehlen noch Illustrationen und ein Inhaltsverzeichnis, sowie Titelseite und Rückseite. Die damalige Downloadseite ist "down". Daher findet sich dieses PDF nur noch bei "Success with Raise" beim Suchen im Netz.
 
Hier der Blog des Scairy-Tales-Entwicklers, Brent Wolke, welcher aktuell plant Scairy Tales für Risus aufzubereiten (was auch keine schlechte Idee ist - nur würde ich das eher für Cortex Plus Drama sehen oder für FAE). - Man kann ihn ja einfach mal bitten nochmal sein SW-PDF zugänglich zu machen.
 
Okay, dankeschön Zornhau. 2007? Hmm, ok, deshalb ist mir das entgangen. Da wusste ich noch nichts von SW. |D

*edit*:
Spontan fällt mir noch ein Märchen der Gebrüder ein, dass aufgrund seiner außerordentlichen Länge im Verhältnis zu anderen Märchen aus den KHM, sich besonders gut für ein Rollenspielabenteuer eignen könnte::
Die zwei Brüder

Nicht die drei, nein, zwei Brüder. Ein Reicher und ein Armer, die auf Wanderschaft gehen und allerlei abenteuerliches erleben.
 
dieses Redwall RPG, von dem ich gar nicht mehr weiß, obs das noch gibt.

So etwas gibt es? O.O Da wär ich ja mal interessiert dran, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass es, wie häufig bei RPGs, die auf Buchvorlagen basieren, wohl eher schwierig zu spielen ist, wenn die Mitspieler keines der Bücher gelesen habe.
Weiß da jemand mehr drüber?
 
Was ist eigentlich mit Kleine Ängste?
Da kommen ja auch Märchen-Themen vor...oder nisch?
 
Tja, es scheint einige (wenn auch wenige) Märchen-RPGs zu geben. Wenn ich jetzt nach EDO-RPGs gefragt hätte, dann wäre der Thread vermutlich gesprengt worden, weil es eine unglaubliche Vielzahl davon gibt.

Sleepthief und Trilian haben mögliche Antworten gegeben, warum Märchen-RPGs unpopulär sind. Ok, Märchen sind einseitig. Die böse Hexe ist böse, weil sie böse ist.
Aber ist nicht das erfolgreichste RPG auf dem Markt gerade auf der Idee basierend, dass man so einfach in Gut und Böse einteilen kann?
Und auch in Märchen wird aktiv gegen das Böse vorgegangen so wie in gängigen Fantasy-RPGs. Zudem habe ich in einigen Foren beobachtet, dass Spieler es auch mal interessant finden, wenn es einfacher wird a la "Orks sind halt böse".

Bleibt noch die Kindheit und dass es dort behütet zuging. Irgendwie kann ich mit dem Argument noch nicht arbeiten.
 
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