Salomé
stupid fucking rope
- Registriert
- 15. Juli 2003
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Ich kann nicht länger eure Klagemauer sein!
Ich halte es einfach nicht mehr aus. Es ist nicht, dass ich euch nicht gerne helfe, euch zuhöre, dafür bin ich da, sind Freund da.
Aber fragt irgendjemand jemals danach, wie es mir eigentlich geht?
Ihr ladet euren Seelenschutt immer nur bei mir ab, aber nehmt ihr mir auch mal eine Last von den Schultern, von der Seele?
Nein. Wenn ihr erst mal abgeladen habt, ist es euch egal, was ich mit den neuen Felsbrocken in der Mauer anfange, die sich langsam immer weiter um mich herum aufbaut und mich bald in eine völlige Isolation drängen wird... aber vielleicht wird mich die Mauer auch eher erschlagen, denn das was die ganzen Steine zusammenhielt – meine Kraft – ist aufgebraucht.
Ich kann einfach nicht mehr!
Eure tapfere Kämpferin ist im Begriff aufzugeben, zu versagen. Sie verliert ihre Maske, die Stück für Stück abbröckelt und den Blick auf ein scheues, verängstigtes Kind freigibt, das mit all den Schrecken, die ihr der gläsernen Seele aufgebürdet habt, alleine fertig werden muss.
Warum hat nie einer von euch gefragt, wie es mir geht? Warum habt ihr mir nie zugehört, wenn ich ganz offensichtlich das Gegenteil von dem erzählte, was ich eigentlich hätte sagen sollen?
„Mir geht es gut.“ Das war nie eine Antwort, die euch hätte überzeugen dürfen.
Seid ihr denn wirklich alle zu blind gewesen? Habt ihr nicht gesehen, wie meine Augen in Tränen ertranken? Habt ihr denn nicht gehört, wie meine Seele vor Schmerzen aufgeschrieen hat? Oder war es euch einfach zu viel vergebene Zeit noch einmal nachzufragen?
„Mir geht es gut.“ Ihr habt euch umgedreht, habt euch mit meiner - überaus schlechten und dreisten - Lüge einfach zufrieden gegeben und seid gegangen, ohne auch nur wirklich auf mich zu achten.
Warum sich auch mit anderen Problemen als den eigenen befassen?
Und jetzt sitzt du vor mir und zerrst an meinen Handgelenken, damit ich endlich das Küchenmesser freigebe, was ich so liebevoll wie ein Kuscheltier umarmt halte.
Du schreist mich an, als würdest du mich damit besser erreichen können.
Du verstehst noch immer nicht.
Nicht annähernd.
Keiner von euch.
Ich bin ruhig, so ruhig und zufrieden, wie ich es schon lange nicht mehr war, sehr lange. Nur mein Arme brennen und als ich an meinem Körper hinabschaue - längst losgelöst von allem Irdischen - als sei es gar nicht mehr der Meinige, entdecke ich die Rinnsaale von Blut, die sich langsam ihren Weg meine Haut hinab bahnen und in zähen Tropfen zu Boden stürzen.
Klaffend, wie kleine Münder, zieren die Wunden meine Haut.
Verstehst du denn gar nichts? Hast du noch immer nicht begriffen, was eigentlich mit mir los ist? Ich will mir nicht mein Wertvollstes nehmen, mein Leben!
Wenn ich es wollte, sei dir gewiss, du könntest mich nicht aufhalten.
Aber das ist gar nicht mein Ziel.
Ich will nur vergessen, will aus meinen Erinnerungen schneiden, was ich nicht mehr sehen will, jedes Mal, wenn ich die Augen schliesse. Und ich will nicht vergessen, vergessen, dass ich schon so vieles überstanden habe, weil ich stark genug bin, um gegen mich selbst und meine inneren Dämonen zu kämpfen.
Meine Dämonen...
Die Münder auf meinem Arm scheinen sich langsam zu verzerren, als wenn die Wunden sich rasend schnell schliessen würden.
Schliessen? Nein, sie beginnen zu reden! Da sind sie wieder, die Dämonen, die mich Nacht für Nacht wach halten.
Wie von Sinnen reisse ich das Messer empor und steche auf sie ein.
Wieder und wieder und immer wieder...
...bis ich das Entsetzen in dein Gesicht gemeisselt sehe und mein warmes Blut deine Kleidung verziert.
Während ihr euch noch um meinen Körper kümmert und die Wunden versorgt, ist es innerlich bereits um mich geschehen, denn meine Dämonen machen sich daran endlich den Judas zu kreuzigen:
Mich!
A.I.M. 09/03/04