Lagerhaus 17 - Eine Shadowrun-Kurzgeschichte

Sleipnir

Inconnuklast
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20. März 2070, Dortmund, Hafen
21:03 Uhr


Der Abend war so frisch, dass die dichten Dunstschwaden, die für gewöhnlich über dem gesamten Hafengelände schwebten, bedingt durch eine permanente leichte Brise, etwas an Dichte verloren und das Licht der wenigen noch funktionierenden Laternen ein bisschen weniger grün aussehen ließen als sonst.
Niemand wusste so recht, woher diese grünen Gase kamen (und eigentlich wollte es auch niemand so genau wissen). Wahrscheinlichen gehörten grüne Gase einfach zu einem ordentlichen Hafengelände dazu. Jedenfalls hatten die Bewohner des Dortmunder Sprawls sich mit der Zeit daran gewöhnt und dem Hafen sogar einen entsprechenden wohlklingenden Spitznamen verpasst: 'Green Hell'.
Lagerhaus 17 war ein ungewöhnliches Lagerhaus.
Hier fand nur selten eine der vielen Schießereien statt, die stündlich in den Live-Nachrichten von 'Horizon News' zur traurigen Realität erklärt wurden. Nur selten weiteten sich Gangkriege bis zur Lagerhalle 17 aus und noch seltener verirrte sich Blaulicht dorthin. Wenn irgendwo im Hafen Blei durch die Luft flog, dann blieb die Lagerhalle 17 davon unberührt. Die Kugeln schlugen einfach woanders ein. Selbst die schweren Jungs von La Familia und Yakuza ließen sich nicht ohne verdammt guten Grund dort blicken. Es war ein Sperrgebiet. Es war nicht nur eine Grauzone. Wenn es soetwas wie eine Schwarzzone gab, dann war sie hier.
Die Ursache dafür war ebenso simpel wie einleuchtend: Das Lagerhaus gehörte Marco Messino. Nunja, streng genommen gehörte es ihm nicht. Jedenfalls hatte er nie einen Kaufvertrag oder soetwas unterschrieben. Allerdings war er da - und das war Grund genug für alle diejenigen, die noch über ein letztes bisschen Hirn verfügten, die Gegend schlichtweg zu meiden. Erleichtert wurde diese Entscheidung vor allem durch Messinos 'Sicherheitstrupp': eine Gruppe im Schichtdienst rotierender Ex-Militärs - von denen einige an psychischen Störungen litten - welche in Bezug auf Ausrüstung und Erfahrung drei auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierte SWAT-Teams sehr wahrscheinlich zum taktischen Rückzug zwänge.
Kurz gesagt: Niemand mit mehr Verstand als ein Troll auf BTL brachte es fertig, sich hierher zu verirren - und wenn doch, bereute er es sehr schnell (und sehr schmerzhaft).

Schon seit Cobra in den Schatten weilte, kannte er Lagerhaus 17 im Dortmunder Hafen als Umschlagplatz für Waren aller Art: 'gefundene' Organe, unregistrierte militärische Hardware oder minderjährige Sex-Sklaven - um nur die harmloseren zu nennen. Tatsächlich wurde allerdings jeder fündig, der hier nach etwas suchte - insbesondere wenn er nach etwas Bizarrem oder Perversem suchte. Immer vorausgesetzt, man kannte die richtigen Leute.
Cobra kannte sie.
Doch am heutigen Abend, hatte er sich zumindest vorgenommen, würde er in Lagerhaus 17 ausnahmsweise keinen illegalen Geschäften nachgehen. Naja, zumindest keinen Geschäften, die irgendwem schaden. Zumindest nicht direkt.
Ach, zum Teufel mit den Vorsätzen! Er würde seine Gegner vernichten und ihre jämmerlichen Existenzen auslöschen wie ein verdammter Schwarzer Hammer!

Ein riesiger runder Tisch bildete das Zentrum des Raumes. Auf den vier nicht besonders komfortablen Stühlen saßen vier Menschen, von denen drei nervös waren. Es war fast taghell, obwohl es kaum Fenster gab. Marco Messino hatte aus Lagerhaus 17 für diese Nacht eine Zockerhalle gemacht. Die üblichen Geschäfte wurden für diesen Tag ausgesetzt und etwaige Störenfriede beseitigt. Man hatte sogar nicht davor zurückgeschreckt, kostspielige Elektronik installieren zu lassen. Vor jedem der vier Spieler lag eine erhebliche Menge Spielkarten, eine kleinere Menge einfarbiger Spielchips und ein kleiner kommlink-großer Apparat, der mit diversen kompliziert wirkenden Angaben glänzte. Über jedem einzelnen Spieler hing eine Kamera, die in der Decke montiert war und genau die dem jeweiligen Spieler zur Verfügung stehende Fläche des Tisches erfasste. Bei Bedarf lieferte sie sogar bei starker Vergrößerung noch gestochen scharfe Bilder von den ausliegenden Karten der Gegner (als Mann von Welt wollte Messino seinen TOP-Spielern natürlich nicht zumuten, ständig um den riesigen Tisch herumzugehen, um die Karten der Gegner in Augenschein nehmen zu können). In Wirklichkeit hatte sich dieses Vorgehen schon lange an den BDB-Spieltischen durchgesetzt, was mit ein Grund dafür war, dass es keine offizielle Weltmeisterschaft in diesem Spiel gab (ein anderer Grund war, dass ein Spiel, in dem es im Wesentlichen um das Verstümmeln, Verbrennen und anschließende Leichenschänden der gegnerischen Einheiten geht, den Entscheidungsträgern einfach nicht massentauglich genug erschien - eine tragische Fehleinschätzung, wie sie im Nachhinein feststellen mussten).

Blood, Death & Blood - oder kurz: BDB - war im Prinzip ein Aufbaustrategiespiel, nur dass das Aufbauen einen verschwindend geringen Teil zum Sieg beisteuerte und man die Strategie für gewöhnlich einem Taktikprogramm überließ. Ende der 2050er während einer Trendwelle - weg von der Cybertechnik und zurück zu alten Werten - von einem Kanadier erfunden, basierte das Spiel auf Papierkarten, die von jedem Spieler selbst zu kaufen waren und Kreaturen darstellten. Diese wurden nach einem komplizierten System ausgelegt und bideten die Basis für das Kommende. Im Verlauf des Spiels waren die einzelnen Spieler bemüht, mit ihren Kreaturen Quadranten zu erobern, in welche die Spielfläche eingeteilt wurde (die tatsächliche geometrische Form der Quadranten spielte dabei keine Rolle). Wer am Ende des Spiels am meisten von ihnen erobert - also mit eigenen Kreaturen besetzt - hatte, war der Sieger. Auf dem Weg dorthin gab es jedoch eine Reihe blutrünstiger Konflikte - nämlich immer dann, wenn zwei Kreaturen aufeinander trafen. Viele Spieler behaupten, die Kämpfe zwischen den Kreaturen, die mittels mehrerer Würfel, einer phantasievollen und blumigen Erzählweise und den Basiswerten der entsprechenden Kreaturen entschieden wurden, machten den eigentlichen Reiz des Spiels aus (trotzdem waren merkwürdigerweise die wenigsten von ihnen kompromissbereit, wenn sie gegen jemanden zu verlieren drohten, der einfach ein besserer Erzähler war).
Die phantasievolle und blumige Erzählweise war mit Abstand das Wichtigste, dann folgten die Würfelergebnisse und am Schluss die Basiswerte der Kreaturen. Das war auch der Grund dafür, dass sich kaum jemand Karten mit guten Werten kaufee; Ganz davon abgesehen, dass es ohnehin kaum möglich war, überhaupt noch an diese antiquierten Papierkarten zu kommen.

Mithilfe neuester Technologie war es den vier Teilnehmern möglich, die von den Kameras aufgefangenen Aufnahmen der ausliegenden Karten direkt an ein entsprechendes Programm weiterzugeben, das daraufhin freundlich auf Schwachstellen im gegnerischen - oder bei Bedarf im eigenen - Aufbau hinwies. Diese Taktikprogramme, die zum einen meistens von mittellosen Hobby-Programmierern entwickelt wurden und daher finanziell erschwinglich und zum anderen aufgrund der leichten Erlernbarkeit des Spiels äußerst leistungsstark waren, machten aus dem uralten Kampf zwischen menschlichen Gehirnen einen Kampf zwischen Mikroprozessoren. Wie nicht anders zu erwarten, war meistens derjenige der Gewinner, der bereit war, die größere Menge Geld für ein Taktikprogramm zu investieren - und meistens betrug das Preisgeld ein Vielfaches des investierten Betrags.
Cobra jedoch spielte ohne Taktikprogramme.
Das kleine Anzeigegerät blieb von ihm unbeachtet, er hatte es nicht ein einziges Mal berührt, seit der Schiedsrichter es vor genau zwei Stunden und drei Minuten vor ihm auf den Tisch gelegt hatte.
Er hatte dieses Spiel mit Sieben gelernt. Seine erste Straßenmeisterschaft hatte er mit Dreizehn gewonnen. Cobra befand sich in der beneidenswerten Position, sich jede ausgespielte Karte sowie deren Position auf dem Tisch zu merken - ohne technische Geräte in seinem Schädel dafür zu benötigen. Wenn es um Blood, Death & Blood ging, wirkten die teuersten Hochleistungsprogramme gegen sein natürliches taktisches Verständnis wie ein Japaner, der sich ein Fressduell mit einem Amerikaner liefern wollte.
Wenn man gegen jemanden wie Cobra spielte, blieb einem nichts anderes übrig, als sich mit den Gegnern zu verbünden. Dies verstieß nicht gegen die Regeln; Kommlink-Verbindungen wurden zwar aufgezeichnet, aber nicht gestört.
Cobra nahm diese Tatsache (denn seine Gegner verbündeten sich immer gegen ihn) mit der Gönnerhaftigkeit eines Gewinners zur Kenntnis - und sollte damit Recht behalten.
Zum ersten Mal seit knapp fünf Minuten bewegte er seinen Kopf, um Blickkontakt zum Schiedsrichter aufzubauen und teilte ihm per Kommlinkverbindung seinen Zug mit. Der Schiedsrichter nickte und wiederholte dann laut: „A45/2 wird bewegt nach B67/1. Stärke 12, Verteidigung 8. Damit führt Mr. Mathews mit 50 zu 5 zu 4 zu 5 Quadranten“ , während er mehrere Karten in eine bestimmte Richtung bewegte. (Es wurde grundsätzlich nichts von den Spielern selbst bewegt, um Betrügereien vorzubeugen - auch wenn niemand so recht wusste, wie das überhaupt funktionieren sollte.)
„Sie haben nun die Wahl, Gentleman“ , fuhr der in die Jahre gekommene Schiedsrichter fort. „Sofern Sie noch über Spezialattacken verfügen, können Sie diese jetzt starten“ , gestand er den Dreien auf der Verliererseite zu.
Cobra wusste, dass sie keine Spezialattacken mehr hatten, die sie jetzt noch hätten retten können.
Nachdem die obligatorischen zwanzig Sekunden Bedenkzeit vergangen waren, fuhr der Schiedsrichter fort: „Da keine Spezialattacken mehr gestartet werden, erkläre ich hiermit Mr. Simon Mathews zum Sieger. Vielen Dank meine Herren, bitte beehren Sie uns bald wieder.“
Es folgte verhaltenes Klatschen seitens der wenigen geladenen Zuschauer. Für keinen von ihnen war dieser Ausgang überraschend gewesen.
Simon Mathews gewann die stolze Summe von 10.000 Nuyen - und "Cobra" würde sie noch in dieser Nacht hemmungslos verprassen.
 
AW: Lagerhaus 17 - Eine Shadowrun-Kurzgeschichte

Ein paar Anregungen mit Verlaub:

1. Da steht, dass die Karte nach einem "komplizierten" System ausgelegt werden - weiter unten heisst es dann, dass das Spiel so leicht zu erlernen sei. Macht wenig Sinn.

2. Zweimal wird erwähnt, dass es wichtig ist "blumig" zu erzählen - das klingt leider nicht wirklich nachvollziehbar (wer soll denn das bewerten?), und als Exempel kommt es in der Geschicht auch nicht vor.

3. Dann wird erklärt, dass es bei dem Spiel hauptsächlich und verstümmeln, verbrennen und leichenschänen geht - was dann im Kontext überhaupt nicht wieder vorkommt, bzw. mit den anderen Regeln, die vorgestellt werden auch keinen Sinn ergibt.

Nachdem die Geschichte eigentlich keinen wirklichen Inhalt hat, und der Fokus auf dem Spiel liegt, wäre es gut, wenn der Leser sich das vorstellen könnte - denn dieses Kreaturenbasierende Magic, gemischt mit Erzählsspiel und Grauslichkeiten, macht so wenig Sinn.
Ebenso wenig wie für die Zuschauer, für die der Ausgang des Spiels keine Überraschung war, ist es für den Leser, weil einfach nichts passiert.

Grundsätzlich kann man da allerdings noch einiges rausholen - die Basis in der Erzähltechnik ist ja schon vorhanden. Als Anregung, wenn du dich nochmal mit der Geschichte beschäftigen willst:

- das Spiel braucht verständlichere Regeln, oder der Fokus muss vom Spiel weg.
- die Geschichte braucht Handlung
- wenn das Spiel schon gespielt wird, solltest du das auch beschreiben, am Ende eines undurchsichtigen Spiels einzusteigen ist dafür nicht geeignet.

Abgesehen davon: Schreib auf jeden Fall mehr, das Zeug dazu hast du!
 
AW: Lagerhaus 17 - Eine Shadowrun-Kurzgeschichte

Hi!

Danke für die Kritik, werde sie berücksichtigen und die Geschichte überarbeiten.

LG

Sleipnir
 
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