Rezension Kleine Ängste

PLG

Gott
Registriert
25. April 2003
Beiträge
2.121
Kleine Ängste


Grundregelwerk


Es ist erst einige Tage her, dass der Verlag Feder und Schwert, welcher für die deutschen Ausgaben der Welt der Dunkelheit sowie ihr eigenes Spiel Engel bekannt ist, auf der diesjährigen Spielemesse in Essen die übersetzte und inhaltlich eingedeutschte Version des Spiels Little Fears vorstellte. Die originale Ausgabe ist bei dem kleinen Verlag Key 20 erschienen und wurde von Jason L. Blair entwickelt, der dank für die Übersetzung und das zusätzliche Materila geht an Oliver Hoffmann und Oliver Graute von F&S.
Sowohl das Layout als auch das Artwork sind sehr gut gelungen und geben die Stimmung des Buches gut wieder, besonders die Illustrationen betonen in ihrer düsteren Art und dem irgendwie sehr realistischen, aber unwirklichen Stil, die Atmosphäre und sagen viel über das Setting aus. Wobei hier an dieser Stelle gesagt werden sollte, dass das gesamte Innenartwork von Oliver Graute stammt.

Das Buch beginnt mit dem Einleitungskapitel Monster gibt es gar nicht, welches die Grundlagen sowie die Stimmung des Spiels auf knapp 20 Seiten zusammen fast. Wobei für Grundlagen und Stimmung zwei verschiedene Stilmittel verwendet werden. Die Stimmung von Kleine Ängste wird dem Leser in Form des Tagebuches der kleinen Jenna und ihrem Beschützer, dem Stoffhasen Bunny, vorgeführt, bereits hier kann man erahnen, dass sich Kleinen Ängsten eher um die Ängste dreht, als um die Kleinen.
Der Leser wird auf die Grundzüge des Systems hingegen wird mit eher sachlichen, aber eindringlichen, Texten vorbereitet, welche die unterschiede zwischen unserer Welt und der Welt der Kinder beschreibt.

Darauf folgt das erste Kapitel, Wieder klein sein, in dem auf 15 Seiten sämtlichen Spielrelevanten Mechanismen beschrieben werden. Es beginnt mit einer kurzen Abhandlung darüber, wie man es am besten schafft sich wieder in die Rolle eines Kindes rein zuversetzen und welche Probleme dabei entstehen können. Danach geht es direkt mit Charaktererschaffung weiter, welche aus zwei Teilen besteht; zum einen aus der beantwortung einiger Charakterrelevanten fragen (Alter, Aussehen, Familienverhältnisse, Ängste, etc.) und zum anderen aus dem Mechanischem Teil. Charaktere bestehen aus drei verschiedenen Arten von Werten, welche während der Charaktererschaffung beschrieben werden (was irgendwie sehr unübersichtlich wirkt). Die einzelnen Werte sind:

Werte
Die fünf Werte sind am ehesten mit Attributen in anderen Systemen zu vergleichen, sie definieren das was der Charakter kann auf einer Skala von 1 bis 5. Es gibt:

[*]Köpfchen, was sowohl Intelligenz und Kreativität, als auch Lernfähigkeit des Charakters bestimmt
[*]Muskeln definiert wie Stark ein Charakter ist, aber auch seine Ausdauer, resistenz gegen Krankheiten und wieviel Schaden er einstecken kann.
[*]Hände gibt die Geschicklichkeit und das können im Kampf an
[*]Füße steht sowohl für die Laufgeschwindigkeit als auch die Beweglichkeit des Charakters.
[*]Geist wird verwendet wenn der Charakter einschüchterungen oder Angst widerstehen möchte und steht also für Willenskraft, gibt aber auch an wie gut er mit seiner Seele in Einklang ist.

Tugenden
Tugenden stellen bestimmte Aspekte des Charakters da, welche auf einer Skala von 0 bis 10 eingestuft sind. Die einzelnen Tugenden sind:

[*]Seele ist die unsterbliche Essenz eines Kindes, welche durch das Böse mit der Zeit geschwächt oder sogar gestohlen werden kann.
[*]Unschuld steht für die innere Reinheit des Charakters. Unschuld gibt an wie stark die Welt des Kindes sich von der der Welt der Erwachsenen unterscheidet und wie stark der Glaube eines Kindes ist. Es ist das erklärte Ziel der Bewohner des Landes unter dem Bett (s.u.) die gesamte Unschuld der Welt zu vernichten.
[*]Furcht ist die Tugend die bestimmt, wie Stark der Charakter unter dem Einfluss des Landes unter dem Bett steht und wieviel Macht sie bereits über ihn haben.

Bei Eigenschaften handelt es sich um Besonderheiten, die den Charakter besser oder schlechter in bestimmten Bereichen machen. Eigenschaften sind frei wählbar, wobei man bis zu 10 Positive und 10 Negative haben kann. Eigenschaften geben einen zusatz Würfel bei passenden Proben, wobei dann der bessere/ schlechtere Wurf gewärtet wird. Beispiele für Eigenschaften sind:
Ich ...

[*]...habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis
[*]...bin beliebt
[*]...bin mehrsprachig
[*]...habe Visionen
[*]...bin ein Angsthase
[*]...bin Bettnässer
[*]...bin immer schuld
[*]...Pechvogel

Natürlich kann man diese Liste selber beliebig erweitern.
Nach der vorstellung der einzelnen Werte geht es mit der eigentlichen Charaktererschaffung weiter, welche mit Gummipunkten abgewickelt wird. Diese können ausgegeben werden um den Grundwert der einzelnen Werte zu steigern. Das Prinzip ist also eigentlich recht simpel.

Der nächste Abschnitt befaßt sich den Spielmechanismen an sich. Bei dem System handelt es sich um ein sehr eifaches W6 System, bei dem es zwei Arten von Proben gibt:

[*]Quiz Ein Quiz ist eine Probe, bei der man keinen direkten Gegner hat, also Sachen wie klettern, etwas suchen oder etwas schwers heben. Bei einem Quiz ist es das Ziel des Wurfes den eigenen Wert zu unterwürfeln.
[*]Test Bei einem Test handelt es sich um eine Probe, wenn jemand anderes Widerstand leistet, also Kämpfe, ausweichen oder jemanden von etwas überzeugen. Das Würfelziel eines Tests ist es den entsprechenden Wert des Gegners zu überwürfeln.

Bei Proben kommen auch die Eigenschaften der Charaktere zum zug, da jede passende gute Eigenschaft einen zusäzlichen Würfel gibt, wobei dann der bessere Wurf gewärtet wird, während jede schlechte Eigenschaft einen zusatzwürfel gibt, wobei dann der schlechteste Wurf zählt.
Auf die Quiz und Test folgen die Regeln für Kämpfe, welche im großen und ganzen auf den bisher beschriebenen Prinzipien basiert und lediglich der Schaden hinzu kommt. Das Kapitel wird mit einem Abschnitt über die Mechansischen Auswirkungen von Angst abgeschlossen.

Im nächsten Kapitel, Die Tugenden der Kindheit, werden die im letzten Kapitel beschriebenen Tugenden weiter besprochen und ihre Spielmechanismen werden genauer dargestellt. Zudem findet man dort wie man die entsprechende Tugend verlieren kann, aber auch wie man sie zurüch gewinnen kann. Bei jeder Tugend wird auch ein extrem dieser Tugend beschrieben, welche Verfinsterung (verlust der Seele), Blindheit (verlust der Unschuld) und Wahnsinn (extreme Furcht) sind. In diesem Teil finden sich auch die Regeln, für die Auswirkung von Mißbrauch auf Kinder, welche von einem Text begleitet werden, in den darauf hingewiesen wird, das die umwandlung dieses Themas in Spielbegriffe nicht als herrunterspielung, oder sogar beleidigung, dieser Thematik zu verstehen ist. Was, meiner Meinung nach, ein gute Entscheidung war, da es nunmal ein schwieriges Thema ist und es zuerst ...falsch... wirkt, es in Spielwerte zu verpacken.
Das Kapitel endet bereits nach kurzen 13 Seiten mit einer Abhandlung über die Glaubensmagie, welche die unbewußte Kraft der Kinder darstellt sich mit ihrer Unschuld gegen das Land unter dem Bett zu erwähren. Glaubensmagie unterteilt sich in zwei Kategorien:

[*]Materielle Glaubensmagie verleit besonderen Gegenständen bestimmte Kräfte, die Kinder einsetzten können. Beispiele dafür wären Teddys die wachsen um gegen Monster kämpfen zu können oder Taschenlampen die Monster dazu zwingen sich zu verstecken. Materielle Glaubensmagie unterliegt dem Spielleiter, da es sich eher um eine passive Kraft handelt.
[*]Beiläufige Glaubensmagie ist eine vielzahl von kleinen Ritualen, die die Kinder einsetzten können um sich auf die schnelle vor Monstern (oder ähnlichem) zu schützen. BG entspringt direkt dem Glauben der Kinder und ist somit an dessen Phantasien gebunden, so könnte das dreimalige umrunden des Bettes ein Monter daran hindern das Zimmer zu betretten, oder die Röntgenbrille aus dem Yps-Heft könnte es einem wirklich erlauben durch Wände zu gucken. Diese Magieart ist allerdings recht sprunghaft und unzuverläßlich und man muß wirklich, wirklich daran glauben...


Kapitel Drei, Die Kinder bei der Stange halten, ist eigentlich das Kaüitel für den Erzähler. Es beginnt mit einer beschreibung der drei Grundstimmungen die man bei Kleine Ängste verwenden kann. Bei diesen dreien handelt es sich um Märchen (etwas surrealer, simpler und klarer Aussage), Gruselgeschichte (etwas ist hinter den Charakteren her, nur was?) und Echter Horrer (Es geht ums reine Überleben). Darauf folgt ein Abschnitt darüber wie man die richtige Stimmung erzeugen kann und das die Aufgabe des Erzählens sowohl beim Spielleiter als auch beim Spieler liegt. Danach geht\'s es eigentlich zum Anfang des Buches zurück, indem erörtert wird, wie man als Erzähler die Fragen, die die Spieler auf ihrem Charakterbögen beantworten mußten, gegen diese (und für die Stimmung) verwenden kann. Zum Schluß findet man auch noch Informationen über Erwachsene, Schutzengel, Tiere und Krimskrams (Gegenstände mit übernatürlichen Eigenschaften).

Unter dem Bett, so der Titel des vierten Kapitels, behandelt das Land mit ebendiesem Namen. Es beginnt mit der Beschreibung einiger Möglichkeiten das Land zu betretten und es wieder zu verlassen, was allerdings wesentlich schwerer ist als ersteres. Es folgt ein kurzer Überblick über das was man vorfindet, nachdem man es betretten hat, bevor es dann zum wirklichen Kern dieses Kapitels kommt, der beschreiung der Bewohner des Landes unter dem Bett. Es beginnt mit dem ältesten und mächtigsten Bewohner des Landes, dem Demagogen, welcher aus dem Schatten herraus auf ungreifbare Art und Weise seinen Plan alle Unschuld der Welt zu vernichten vorran treibt. Da er aber relativ selten direkt „arbeitet“ wurde ihm nur wenig Platz gegeben, bevor es mit Branxis dem Skalventreiber, dem verwalter der Arbeitslager und dem engsten Vertrautem des Demagogen. Der Hauptanteil des Kapitels ist aber den sieben Königen gewidmet, welche zwar nicht so mächtig wie der Demagoge oder Branxis sind, dafür aber eine wesentlich greiffbare Gefahr für die Charaktere sind, da ihre Handlanger offener Auftretten und auch öfters außerhalb des Landes unter dem Bett zu finden sind. Jeder König ist zudem einer negativen Eigenschaft zugeordnet. Auf den folgenden 14 Seiten wird jeder der sieben Könige auf einer Doppelseite behandelt, wobei man dort auch findet wie man sie darstellen kann. Die sieben Könige sind:

[*]Der Schwarze Mann, König der Gier
[*]Titania, Königin des Stolzes
[*]Malefiz, die böse Königen, Königin des Neids
[*]Rübezahl, König des Zorns
[*]Pechmarie, Königin der Faulheit
[*]Baba Yaga, Königin der Gefrässigkeit
[*]Pan, König der Wollust

Das Kapitel endet mit einer allgemeinen Abhandlungen über Monster, also über ihre Eigenschaften und Kräfte, und der Beschreibung einiger Beispielmonster.

Kapitel Fünf, Gruselgeschichten, enthält vier anregungen zu Beispielgeschichten, welche allerdings so gehalten sind, dass der Erzähler sie noch ausarbeiten muß, wodurch es möglich ist, dass Spieler sich dieses Kapitel lesen können, ohne zuviel über die Geschichten zu erfahren. Die Geschichten machen einen sehr guten Eindruck und dürften Spielleitern, dier gerade in das System einsteigen, ihre Aufgaben, zumindest an den ersten Abenden sehr erleichtern.

Als besondere Anmerkung, muß hier noch der wirklich originelle Charakterbogen genannt werden, welcher doch sehr stark an ein Tagebuch erinnert und somit mal eine alternative zu den, aus anderen Systemen bekannten, doch eher normalen, funktionellen Bögen darstellt.

Fazit
Trotz seines doch eher geringen Umfangs, ist Feder und Schwert mit der deutschen Ausgabe von Kleine Ängste ein kleines Meisterwerk gelungen, welches sich zum einen durch seine unheimlich dichte Atmosphäre auszeichnet, als auch durch die vielen Details, die liebevoll in das Buch eingebaut wurden, besticht. Das Buch läßt sich sehr flüssig lesen und man merkt bei jedem Wort, dass die Verantwortlichen bei F&S wirklich von dem System überzeugt waren und sich alle mühe gegeben habe diese Überzeugung dem Leser zu vermitteln. Diesesmal hat F&S sogar das geschafft was viele für praktisch unmöglich hielten, es gibt praktisch keine Rechtschreibfehler, oder zumindest ist mir keiner aufgefallen. Negativ anzumerken ist, dass viele der Regeln sehr schwammig umschrieben sind, oder an seltsammen Stellen zu finden sind. So wird nicht klar gesagt, auf was in einem Kampf gewürfelt wird, es gibt lediglich ein Beispiel dazu oder die Umschreibung der einzelnen Werte zwischen der Charaktererschaffung zu finden ist.

Trotz meiner guten Meinung über Kleine Ängste, denke ich das es notwendig ist zu sagen, dass es sich bei diesem Spiel auf keinen Fall um ein Spiel für die breite Masse handelt, da viele der darin behandelten Themen doch sehr heikel sind und es nur verständlich ist, dass viele Spieler es ablehnen werden, sich auf diese Art damit auseinander zusetzen, auch wenn dieses Thema weder respektlos noch verharmlosend dargestellt wird.

Auf einer Skala von 1 bis 5 gebe ich den Kleinen Ängsten ganze Vier Punke, da es durch die schwammigkeit der Regeln und den doch sehr hohen Preis (für ein Buch dieses Formats) leider Abzüge gab.Den Artikel im Blog lesen
 
Zurück
Oben Unten