[Juli 2006] - Schatten an der Wand

Eldrige

Zombie-Survival Experte
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2. März 2004
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Eine Woche war vergangen seit er Meyye wiedergetroffen hatte. Zwei Tage hatte er sich nicht mehr hier her getraut. Selbstredend hätte er lieber ein ausgiebiges Sonnenbad genommen als zuzugeben wie tief ihm der Schrecken über ihren blitzschnellen, brutalen Angriff in die Knochen gefahren war. Er hatte sie unterschätzt. Sie schien nicht übermäßig clever zu sein, so etwas konnte er gut einschätzen, aber er war überhaupt nicht geübt darin die Kampfkraft eines Gegners einzuschätzen.
Und genau das war sie jetzt. Ein Gegner. Ein Feind. Lurker erlaubte sich nicht bei diesem Gedanken einen kleinen Stich in seiner Brust zu fühlen. Zu groß war die Angst das die unheilvolle Macht mit der sie ihm ihren Willen aufgezwungen hatte zurückkehren würde wenn er sich erlaubte etwas anderes als Hass zu empfinden.
Nur seinem altem Freund verdankte er wohl das er noch hier war, zu Runde zwei. Ein weiteres mal würde sie ihn nicht überraschen. Nun spielten sie sein Spiel. Er würde immer da sein, sehen was sie berührte, was sie begehrte, was sie liebte und er würde es in Asche verwandeln.
Grimmig nickte er und hüpfte von dem kleinem Garagendach herunter. Schon seit drei Nächten war weder sie, noch irgendjemand anderes hier gewesen. Vielleicht würde heute jemand kommen. Er hatte Zeit.

Neugierig strich er um die Wohnung, sah in die Mülltonnen und hob ein paar alte, feuchte Kartons an die an einer Häuserwand lehnten. Er belauschte die Nachbarn, sah durch Fenster und durchstreifte die Hausflure. Ein unbedachter Zettel, ein kleiner Fetzen Information über einen Nachsende Antrag würden genügen.
So hatte er sie schon einmal gefunden, er war einfach durch den Keller in das alte Postamt der Stadt gekrochen und hatte alle aktiven Nachsende Anträge durchgeschaut.
Falls sich hier nichts und niemand mehr finden würde blieb ihm immer noch bei den Telefongesellschaften nachzuforschen, ob der Anschluss umgezogen worden war. Viele Haushalte hatten heute so einen Internet Anschluss.
Noch war es aber nicht so weit, im Augenblick übte er sich in für ihn angenehmeren Methoden.

Nachdenklich sah er hinüber als er wieder vor dem Fenster der alten Wohnung stand. Gut möglich das sie auch tagsüber hier arbeiten ließ um ihn zu umgehen. Ein boshaftes Grinsen blitze auf. Er sollte ein paar Freunde bitten hier Tagsüber Wache zu halten.
Etwas anderes beunruhigte ihn. Die Art und Weise wie sie plötzlich vor ihm aufgetaucht war. Das kam im merkwürdig vertraut vor. Sie hatte sich nicht wirklich wie eine Nosferatu bewegt, dessen war er sich sicher, aber zumindest ähnlich genug um jemanden zu täuschen der nicht erwartete das sie zu so etwas in der Lage sein mochte. Seit er das gesehen hatte zwang er sich selber immerzu auf irgendwelche Anzeichen zu achten die auf die Gegenwart einer weiteren Person hinwiesen. Fußspuren wo keine sein sollten, Gegenstände die plötzlich auftauchten, oder verschwanden, vielleicht nur anders lagen. Türen und Fenster die leise auf und zu gingen ?
Er hatte einen kleinen Zettel in der Tasche und immer wieder griff er hinein. Das trockene Gefühl des knitterigen Papiers erinnerte ihn immer wieder daran das er sich umsah und misstrauisch blieb. Solange sein Geist einen physischen Anker hatte, war es einfacher sich nicht einlullen zu lassen. Er wusste das er selber in der Lage wäre jemanden trotz so eines Zettels zu täuschen. Wahrscheinlich konnte er jemanden dazubringen erst wieder Zuhause an den Zettel zu denken, oder ihn Tage später als Flusen aus der Waschmaschine zu puhlen, aber was sollte er tun ? Es blieb ihm nur zu hoffen das die verdammte Gangrel nicht alles wusste was es auf diesem Gebiet zu wissen gab. Er streichelte seinen Zettel und fuhr in Gedanken die Linien aus Tinte nach, die auf dem Papier die Worte 'SIEH HIN' bildeten.

Wo bist du...?
 
AW: [Juli 2006] - Schatten an der Wand

Er fand nur kalte Spuren und nichts und niemand regte sich. Eigentlich war das zu erwarten gewesen. Nach ihrem Zusammenstoß wäre es außerordentlich unklug gewesen wenn sie oder eine ihrer merkwürdigen Liebchen die sie sich in dieser Wohnung hielt, noch einmal hier aufgetaucht wären.
So blieb ihm also nur alles an Informationsschnippseln zusammenzutragen und zu archivieren. Er würde wohl andere Wege beschreiben um sie zu finden. Er würde sich im Park und im Tiergarten herumtreiben, dort hatte er sie noch immer gefunden.

Grimmig ging er in einen schmuddeligen Hinterhof in dem Wäsche an wirr gespannten Leinen hing. Er schob ein paar Kartons auseinander und durchwühlte eine Mülltonne. Schließlich fand er was er gesucht hatte.
Vorsichtig ließ er sich in die Hocke herab und wühlte in einer seiner Manteltaschen bis er Schokolade und Speck gefunden hatte. In kleinen Bröckchen brach er die Süßigkeit auseinander und verstreute die Krümel. Dann türmte er ein paar kleine Häufchen mit Speckwürfeln auf.
Die kleinen, grauen Schatten stellten sich auf und ihre Schnurrbärte zitterten aufgeregt. Schließlich traten drei von ihnen aus ihrer Ecke, nachdem sich Lurker für beinahe 10 Minuten nicht gerührt hatte. Eilig liefen sie zum gedecktem Tisch und stopften sich die Backen voll.
Der Nosferatu schloss die Augen und witterte, er roch den fettigen Speck und den Zucker, wie mochten sie das wohl wahrnehmen ? Leise summend begab er sich in seinen Gedanken auf die Reise in eine Welt der zuckenden, grau bepelzten Leiber und dunklen Schächte. Versuchte sich vorzustellen wie die Welt durch Knopfaugen aussehen mochte. Plötzlich spürte er es, die Vibration der Gemeinschaft. Er enspannte sich und ließ sich treiben. Er war in einem Ozean voller Instinkte und wirbelnder, kleiner Gedanken. Alles war viel weniger Komplex. Futter, Gefahr, Revier.

Lurker öffnete seine Augen und spürte deutlich die Verbindung zu den kleinen Tieren vor sich. Eine von ihnen schaute mit dick vollgestopften Backen kauend neugierig zu ihm auf. Er spürte ihr kleines Herz rasend schnell schlagen. Sie würde ihm zuhören. Vielleicht würde sie ihm auch einen Gefallen erweisen.
Lurker griff erneut in seinen Mantel und reichte ihr einen Knochen mit einigen Fetzen eines Koteletts. Das Tierchen streckte seine Ärmchen danach aus, begann meditativ an dem Knochen zu knabbern und sah den Nosferatu neugierig an. Er sandte ihr ein Gefühl von Ärger. Jemand, etwas anderes hatte sein Territorium verletzt. War in seine Belange eingedrungen. Die Gedanken des Tieres umwölkten sich vor Missbilligung. Es verstand das jemand Lurker geärgert hatte.
Dann konzentrierte sich der Nosferatu auf seine Gefühle hinsichtlich der Suche. Er würde jemand aus der Herde seiner Feindin folgen wollen, aber er konnte das nicht tun. Nicht im Sonnenlicht.
Es war schwer zu sagen ob seine Zuhörerin das verstand. Sie wusste das es für manche Tiere gefährlich war Tagsüber herumzulaufen. Meistens ging es dabei darum gefressen zu werden.

Lurker wünschte sich das das Tierchen an Meyyes Wohnung Wache hielt für einen Tag. Wenn etwas hinein ging sollte sie es verfolgen. Er wollte wissen wo dieses Ding hingeflohen war das sein Gebiet verletzt hatte. Wo war das dunkelhäutige Untote Wesen ?
Er würde Morgen Abend wieder hier herkommen und er würde Futter bringen. Gutes Futter. Viel Futter.
Er würde sich freuen wenn er hier sie treffen würde und sie sich dann austauschen konnten, vielleicht würde sie ihm dann den Ort zeigen können an dem das Ding jetzt war.

Lurkers Verstand glitt wieder zurück in die kalte und ekelige Wirklichkeit. Einen Augenblick lang spürte er einen Stich, er vermisste das Geschnatter und Gefiepe des Kollektivs. Er war wieder alleine.
Seine kleine Freundin zerrte gerade ihren Knochen in ein Abflußrohr. Es war schwer zu sagen ob sie das tun konnte was er erbeten hatte. Vielleicht hatte sie besseres zu tun. Möglicherweise hatte sie ihn überhaupt nicht verstanden. Es würde sich zeigen.
Lurker würde am nächsten Abend mit einer großen Pizza in dieser Gasse auftauchen und sehen ob er etwas in Erfahrung bringen konnte.
 
AW: [Juli 2006] - Schatten an der Wand

Eine Woche ist manchmal viel Zeit. Genug Zeit auf jeden Fall, dass der schon fast fertige Umzug abgeschlossen wird und weder Meyye noch eine der anderen zu ihrem alten Haus zurückkehren muss. Ein Makler betreut das Objekt jetzt im Auftrag einer Immobiliengesellschaft, wenn Lurker genug Geld hat und ein morbides Interesse daran, kann er es ja kaufen. Der Umzug ist abgeschlossen, für Meyye und die ihren spielt dieses Haus keine Rolle mehr. Alles was von ihr bleibt, sind wohl die Malereien an den Wänden. Aber die sind wohl kaum von ihr..

Tatsächlich wird der Sucher nicht mit der Nase darauf gestossen, wohin die Vorbesitzer nun eigentlich gegangen sind. Mit den Nachbarn hatte sie so gut wie nie Kontakt, sie wissen gar nichts, außer, dass der Umzugswagen vor der Tür stand an manchen der vergangenen Tage, zumeist wohl des Nachts, die letzten paar Male aber auch am Tag. Wohin das Gefährt sich dann begeben hat, weiß natürlich keiner, genausowenig wie sich jemand die Autonummer merken konnte. Ein auffälliges Logo eines Umzugservice gab es ebensowenig.

Noch nicht einmal das Postamt ist diesmal hilfreich... offenbar hat sie (oder ein sterblicher Helfer) gleich Nägel mit Köpfen gemacht und all jenen die es angeht die neue Adresse mitgeteilt... wer würde ihr denn auch Briefe schicken? Nun, jede Menge Firmen natürlich. Meyye hat ein Handy und verbraucht Strom und Wasser, wenn auch weniger als ein Mensch. Doch andererseits... wenn sie bei irgendwem wohnt, auf dessen Namen die Wohnung gemeldet ist, anstatt auf den ihren...?

Dass dann auch die Ratten nichts zu berichten haben, was Lurker interessieren würde, lässt nach einigen Tagen oder gar Wochen nur noch den Schluss zu, dass ihr Umzug längst abgeschlossen ist, und dass sie die alte Wohnung nicht nur nicht mehr aufsucht, sondern auch niemanden herschickt den ein Beobachter im Schatten oder von ihm beauftragte Tiere als untot wahrnehmen könnten. Womöglich sogar direkt weil sie Lurker hier in jener einen Nacht begegnet ist, und mehr als nur begegnet... sie hat die Brücken hinter sich abgebrochen, und Lurker bleibt nur noch, sich seine eigene (Pontonbrücke) zu basteln oder über Umwege eine Furt zu finden...
 
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